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    "date": "2018-10-18",
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    "updated_date": "2020-12-10T14:30:44Z",
    "type": "Beschluss",
    "ecli": "ECLI:DE:OLGK:2018:1018.15W57.18.00",
    "content": "<h2>Tenor</h2>\n\n<p>Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts K&#246;ln vom 22.8.2018 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 20.9.2018 wird zur&#252;ckgewiesen.</p>\n<p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tr&#228;gt der Antragsteller.</p><br style=\"clear:both\">\n\n<span class=\"absatzRechts\">1</span><p class=\"absatzLinks\"><strong><span style=\"text-decoration:underline\">Gr&#252;nde:</span></strong></p>\n<span class=\"absatzRechts\">2</span><p class=\"absatzLinks\">Die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er sich gegen den seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verf&#252;gung zur&#252;ckweisenden Beschluss des Landgerichts wendet, ist zwar zul&#228;ssig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">3</span><p class=\"absatzLinks\">Denn der Antragsteller hat weder den hier geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung der L&#246;schung des streitgegenst&#228;ndlichen Kommentars durch die Antragsgegnerin noch einen Anspruch auf ein gegen diese gerichtetes Verbot, ihn wegen dieses Kommentars auf &#8222;G.com&#8220; zu sperren.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">4</span><p class=\"absatzLinks\"><strong>1.</strong> &#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160; Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Unterlassungsanspruch gegen die L&#246;schung aufgrund des hier streitgegenst&#228;ndlichen Kommentars verneint.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">5</span><p class=\"absatzLinks\"><strong>a.</strong>&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160; Dabei kann und soll ausdr&#252;cklich dahinstehen, ob eine L&#246;schung auf Grundlage der recht weit gefassten Nutzungsbedingungen der Antragsgegnerin (vgl. dort Ziff.&#160;3 und Ziff.&#160;12) zul&#228;ssig w&#228;re oder ob diese Allgemeinen Gesch&#228;ftsbedingungen im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.4.2018 &#8211; 1 BvR 3080/09, NJW 2018, 1667) auch im Bereich der vertraglichen Beziehungen zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin m&#246;glicherweise rechtlichen Bedenken z.B. mit Blick auf &#167; 307 BGB begegnen (vgl. dazu - mit Unterschieden im Detail - OLG M&#252;nchen, Beschl. v. 17.9.2018 &#8211; 18 W 1383/18, NJW 2018, 3119; Beschl. v. 24.08.2018 &#8211; 18 W 1294/18, NJW 2018, 3115; OLG Dresden, Beschl. v. 8.8.2018 &#8211; 4 W 577/18, NJW 2018, 3111; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.6.2018 &#8211; 15 W 86/18, MMR 2018, 678; OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.9.2018 &#8211; 4 W 63/18, BeckRS 2018, 23885; LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 10.9.2018 &#8211; 3 O 310/18, BeckRS 2018, 21919; LG K&#246;ln, Urt. v. 27.7.2018 &#8211; 24 O 187/18, BeckRS 2018, 21132 und aus dem Schrifttum etwa <em>Holznagel</em>, CR 2018, 369 ff.).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">6</span><p class=\"absatzLinks\"><strong>b.</strong>&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160; Denn selbst wenn sich der Antragsteller in vollem Umfang, also weder durch die Nutzungsbedingungen der Antragsgegnerin oder deren &#8222;virtuelles Hausrecht&#8220; (dazu LG Offenburg, Urt. v. 26.09.2018 &#8211; 2 O 310/18, BeckRS 2018, 23801 Rn. 39 ff; <em>Elsa&#223;/Labusga/Tichy</em>, CR 2017, 234 , 235 ff. m.w.N.) beschr&#228;nkt noch durch sonstige schutzw&#252;rdige Interessen der Antragsgegnerin behindert (vgl. zu m&#246;glicherweise drohender Inanspruchnahme der Antragsgegnerin nach dem NetzDG als Argument etwa OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.9.2018 &#8211; 4 W 63/18, BeckRS 2018, 23885 Rn.29), in vollem Umfang auch im Verh&#228;ltnis zur Antragsgegnerin auf seine grundrechtlich verb&#252;rgte Meinungsfreiheit nach Art.&#160;5 Abs.&#160;1 GG berufen k&#246;nnte, l&#228;sst sich der hier geltend gemachte Unterlassungsanspruch so nicht begr&#252;nden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">7</span><p class=\"absatzLinks\">Insofern&#160; fehlt es - bis zuletzt - an ausreichendem Prozessvortrag des Antragsstellers und (erst recht) an einer ausreichenden Glaubhaftmachung (&#167;&#167; 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO) des Verf&#252;gungsanspruchs. Denn die Bewertung der Zul&#228;ssigkeit der Sperrung h&#228;ngt unzweifelhaft von der zutreffenden Sinndeutung der streitgegenst&#228;ndlichen &#196;u&#223;erung ab, die wiederum unabdingbare Voraussetzung f&#252;r die richtige rechtliche W&#252;rdigung von deren ureigenem Aussagegehalt ist. Ma&#223;geblich f&#252;r die Deutung einer &#196;u&#223;erung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verst&#228;ndigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschlie&#223;end festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene &#196;u&#223;erung steht, zu ber&#252;cksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete &#196;u&#223;erung ausgehend von dem Verst&#228;ndnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgel&#246;st einer rein isolierten Betrachtung zugef&#252;hrt werden (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. v. 16.1.2018 &#8211; VI ZR 498/16, BeckRS 2018, 2270 Rn. 20 m.w.N.). Im hier fraglichen Bereich von Kurzbeitr&#228;gen im Internet wird man dabei zudem auf den eher fl&#252;chtigen Durchschnittsleser abzustellen haben (OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.9.2018 &#8211; 4 W 63/18, BeckRS 2018, 23885 Rn. 26), gewichtig ist zudem der konkrete Seitenaufbau und die Anordnung und das Verh&#228;ltnis der einzelnen &#196;u&#223;erungen im Zusammenspiel zueinander. Diesen Gesamtkontext als Voraussetzung der korrekten rechtlichen Bewertung der konkreten &#196;u&#223;erung &#8211; und damit hier eben auch der Zul&#228;ssigkeit der Sperrung/L&#246;schung &#8211; muss aber nach den auch im Verf&#252;gungsverfahren geltenden allgemeinen Grunds&#228;tzen der Darlegungs- und Beweislast (dazu statt aller Z&#246;ller/<em>Vollkommer</em>, ZPO, 32. Aufl. 2018, Vor &#167; 916 Rn. 6a m.w.N.) &#8211; der Antragsteller darlegen und glaubhaft machen. Auf die Besonderheiten des einseitigen Beschlussverfahrens i.S.d. &#167; 937 Abs. 2 ZPO (dazu <em>Vollkommer</em>, a.a.O.; M&#252;Ko-ZPO/<em>Drescher</em>, 5. Aufl. 2016, &#167; 920 Rn. 21 m.w.N.) kommt es dabei nicht einmal mehr an.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">8</span><p class=\"absatzLinks\">Der hier streitgegenst&#228;ndliche Kommentar enth&#228;lt &#8211; wie bereits das Landgericht zutreffend ausgef&#252;hrt hat und wie letztlich auch vom Antragsteller selbst nicht in Abrede gestellt wird &#8211; jedenfalls <em>isoliert</em> betrachtet eine Aussage, die die Schrecken des Nationalsozialismus und des in den Konzentrationslagern begangenen V&#246;lkermordes verharmlosend als Hilfe zum Lernen darstellt und mit einem Vorwurf an die j&#252;dische Bev&#246;lkerung verbunden ist, aus diese &#8222;<em>Nachhilfe</em>&#8220; nichts gelernt zu haben. Hinsichtlich der bei isolierter Betrachtung somit vorliegenden Schm&#228;hung kann sich der Antragsteller mangels ausreichendem Sachvortrag zum damaligen <em>Gesamtkontext</em> aber nicht darauf berufen, es habe sich bei seinem Beitrag erkennbar nur um Satire gehandelt, welche gerade die angegriffene Bev&#246;lkerungsgruppe im &#246;ffentlichen Meinungskampf habe unterst&#252;tzen sollen. Denn der Antragsteller hat nicht dargelegt (und erst recht nicht glaubhaft gemacht), dass und warum die von ihm subjektiv beabsichtigte satirische Einkleidung seines Beitrags f&#252;r den durchschnittlichen Rezipienten der fraglichen G-Seiten (und dort dann seines Kommentars) erkennbar war. Der Antragsteller hat insbesondere den von ihm mit der streitgegenst&#228;ndlichen &#196;u&#223;erung kommentierten Beitrag eines anderen Nutzers, in welchen nach seinen Angaben &#8222;massiv gegen Israel und Juden gehetzt wurde&#8220; ebensowenig vorgelegt wie etwa andere Kommentare/Bilder/Links in unmittelbarem Kontext, so dass dem Senat keine Beurteilung dazu m&#246;glich ist, ob die &#196;u&#223;erung des Antragstellers aus Sicht des Durchschnittslesers dann doch als Bekr&#228;ftigung eines antisemitischen Beitrags oder vielmehr als satirische Abgrenzung zu verstehen war. Der in der eidesstattlichen Versicherung v. 16.08.2018 (Anlage JS5, Bl.&#160;111 d.A., Original Bl. 157 d.A.) dazu mitgeteilte Kern-Sachverhalt l&#228;sst eine W&#252;rdigung der Aussage im Gesamtkontext so nicht zu, gleiches gilt f&#252;r den Vortrag auf S. 6 ff. der Antragsschrift (Bl. 71 ff. d.A.) und S. 2 ff. der Beschwerdeschrift (Bl. 153 ff. d.A.).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">9</span><p class=\"absatzLinks\">Soweit der Antragsteller auf S. 2 der Beschwerdeschrift (Bl. 153 d.A.) vortr&#228;gt, er k&#246;nne zum Gesamtkontext auch nichts N&#228;heres mehr vortragen, weil seine &#196;u&#223;erung &#8211; auch im &#8222;Aktivit&#228;tenprotokoll&#8220; &#8211; weiterhin gel&#246;scht sei, ist das nicht nachvollziehbar. Denn in der o.a. eidesstattlichen Versicherung hat er selbst angegeben, dass zu seinem Unverst&#228;ndnis die anderen (unstreitig antisemitischen) User-Kommentare &#8222;weiter online&#8220; seien, so dass ihm aber durchaus weiterer Vortrag zum Umfeld des streitgegenst&#228;ndlichen Kommentars &#8211; mag dieser selbst auch gel&#246;scht sein &#8211; m&#246;glich und zumutbar gewesen w&#228;re.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">10</span><p class=\"absatzLinks\">Der Antragsteller kann sich schlie&#223;lich auch mangels weiteren Vortrages (nebst Glaubhaftmachung) nicht darauf berufen, dass er pers&#246;nlich und seine &#8211; jeweils &#228;hnlichen Schemata folgenden - Postings dem durchschnittlichen Leser der einschl&#228;gigen G-Seiten als eindeutig satirisch erkennbar gewesen sind, weil seine politische Einstellung gemeinhin bekannt und erkennbar gewesen sei. Daf&#252;r ist auch nach dem Akteninhalt nichts ersichtlich. Dass der Antragsteller sich u.a. f&#252;r den Staat Israel und im Kampf gegen den Antisemitismus engagiert und daf&#252;r auch &#246;ffentlich gelobt worden sein mag (Anlage JS 1a, Bl.94 f. d.A.), gen&#252;gt isoliert daf&#252;r nicht. Auch der Vortrag auf S. 3 f. der Beschwerdebegr&#252;ndung (Bl. 154 f. d.A.) besagt nichts zur Erkennbarkeit solcher Umst&#228;nde f&#252;r den Durchschnittsuser, weil insbesondere nicht nur G-Freunde des Antragstellers dessen Postings lesen &#8211; die den Duktus und die Intention eher einsch&#228;tzen k&#246;nnen -, sondern eben vor allem auch andere Leser der (hier offenbar antisemitischen) Ausgangspostings, denen weitergehende Hintergrundinformationen kaum pr&#228;sent sein werden und die dies &#8211; anderes ist nicht vorgetragen - auch nicht ohne weiteres aus dem Posting des Antragstellers selbst erkennen k&#246;nnten.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">11</span><p class=\"absatzLinks\">Der Antragssteller kann sich zuletzt auch nicht auf die meinungsfreundlichen Auslegungsgrunds&#228;tze der sog. Stolpe-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98, NJW 2006, 207) berufen, da auch deren Anwendung nur vor dem jeweiligen Gesamtkontext erfolgen kann, so dass es beim oben Gesagten verbleiben muss. Daher kann und soll ausdr&#252;cklich offen bleiben, ob diese Grunds&#228;tze auch im Verh&#228;ltnis von Antragsteller und Antragsgegnerin zur Anwendung gelangen k&#246;nnen, wenn es &#8211; wie hier &#8211; um Sperrungen/L&#246;schungen geht.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">12</span><p class=\"absatzLinks\"><strong>2.</strong> Der Antragsteller kann dann folgerichtig auch nicht verlangen, dass der Antragsgegnerin verboten wird, ihn wegen des streitgegenst&#228;ndlichen Kommentars auf &#8222;G.com&#8220; zu sperren. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit aufgrund der zwischenzeitlich abgelaufenen Sperre von drei Tagen eine Beeintr&#228;chtigung des Antragstellers nicht mehr vorliegt. Denn da nach den vorstehenden Ausf&#252;hrungen angesichts der vorgelegten Glaubhaftmachungsmittel davon auszugehen ist, dass der streitgegenst&#228;ndliche Kommentar so nicht zul&#228;ssig ver&#246;ffentlicht werden durfte, kann der Antragsgegnerin auch keine weitere (zeitweilige oder endg&#252;ltige) Sperrung des Antragstellers auf &#8222;G.com&#8220; untersagt werden, falls er diesen Kommentar erneut online stellen sollte.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">13</span><p class=\"absatzLinks\">Ob die Antragsgegnerin den Antragsteller m&#246;glicherweise auch wegen anderer, inhaltlich &#228;hnlicher Kommentare zu sperren droht und dazu berechtigt w&#228;re bzw. wie die Antragsgegnerin sich zu verhalten h&#228;tte, soweit der Antragsteller den streitgegenst&#228;ndlichen Kommentar nur in modifizierter, den satirischen Charakter deutlicher erkennbaren Form online stellen sollte, ist vorliegend nach der Antragstellung nicht Streitgegenstand, woran die unklare Formulierung auf S. 12 der Antragsschrift (Bl. 76 d.A.) nichts zu &#228;ndern vermag</p>\n<span class=\"absatzRechts\">14</span><p class=\"absatzLinks\"><strong>3.</strong> Die Kostenentscheidung beruht auf 97 Abs.&#160;1 ZPO. Eine Entscheidung &#252;ber die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist wegen &#167;&#167; 574 Abs. 1 S. 2, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht geboten.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">15</span><p class=\"absatzLinks\"><strong>Streitwert f&#252;r das Beschwerdeverfahren</strong>: 10.000 EUR</p>\n      "
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