List view for cases

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    "file_number": "VII-Verg 28/15",
    "date": "2016-02-17",
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    "updated_date": "2022-10-18T14:18:26Z",
    "type": "Beschluss",
    "ecli": "ECLI:DE:OLGD:2016:0217.VII.VERG28.15.00",
    "content": "<h2>Tenor</h2>\n\n<p>Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Westfalen bei der Bezirksregierung M&#252;nster vom 22.&#160;April 2015 (VK 1-10/15) wird zur&#252;ckgewiesen.</p>\n<p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschlie&#223;lich des Verfahrens nach &#167;&#160;118 Abs.&#160;1 Satz&#160;3 GWB werden der Antragstellerin auferlegt.</p>\n<p>Streitwert f&#252;r das Beschwerdeverfahren:&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160; &#160; bis 550.000 Euro</p><br style=\"clear:both\">\n\n<span class=\"absatzRechts\">1</span><p class=\"absatzLinks\"><span style=\"text-decoration:underline\">G r &#252; n d e</span> :</p>\n<span class=\"absatzRechts\">2</span><p class=\"absatzLinks\">I. Die Antragsgegnerin lie&#223; den Abschluss von f&#252;r die Dauer von vier Jahren einzugehenden Rahmenvertr&#228;gen &#252;ber die Lieferung medizinischer Hilfsmittel (Schlafapnoesysteme) in sechs Gebietslosen im offenen Verfahren ausschreiben. Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis. Im Streit steht die Zuschlagerteilung f&#252;r die Lose eins (M&#252;nsterland), f&#252;nf (Ruhrgebiet) und sechs (Ostwestfalen), die nach dem Willen der Antragsgegnerin letztlich die Beigeladene erhalten soll.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">3</span><p class=\"absatzLinks\">Die Antragstellerin, die ihrerseits den Zuschlag f&#252;r das Los vier (S&#252;dwestfalen) bekommen soll, hat die Zuschlagerteilung an die Beigeladene mit einem Nachpr&#252;fungsantrag bek&#228;mpft. Sie hat geltend gemacht, die Angebote der Beigeladenen seien ungew&#246;hnlich niedrig und unausk&#246;mmlich, so dass auf sie ein Zuschlag nicht erteilt werden d&#252;rfe.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">4</span><p class=\"absatzLinks\">Die Antragsgegnerin ist dem Nachpr&#252;fungsbegehren entgegengetreten.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">5</span><p class=\"absatzLinks\">Die Vergabekammer M&#252;nster hat den Nachpr&#252;fungsantrag mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt (Beschluss vom 22.&#160;April 2015 - VK 1-10/15). Sie hat dies damit begr&#252;ndet, dass jedenfalls die Gesamtumst&#228;nde die Ausk&#246;mmlichkeit der Angebote der Beigeladenen belegten.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">6</span><p class=\"absatzLinks\">Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde erhoben, mit der sie sich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiterhin auf Unausk&#246;mmlichkeit der Angebote der Beigeladenen, auf ein Missverh&#228;ltnis zwischen Preisen und Leistungen sowie darauf beruft, die Antragsgegnerin sei einer Aufkl&#228;rungsverpflichtung &#252;ber die Kalkulation der Angebote der Beigeladenen nach &#167;&#160;16 Abs.&#160;6 Satz&#160;1 VOL/A, 1. Abschnitt, nicht nachgekommen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">7</span><p class=\"absatzLinks\">Die Antragstellerin beantragt,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">8</span><p class=\"absatzLinks\">unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der Antragsgegnerin aufzugeben, die Wertung der Angebote zu den Losen eins, f&#252;nf und sechs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts zu wiederholen,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">9</span><p class=\"absatzLinks\">hilfsweise, andere geeignete Ma&#223;nahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu verhindern.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">10</span><p class=\"absatzLinks\">Die Antragsgegnerin und die im Beschwerdeverfahren zugezogene Beigeladene beantragen,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">11</span><p class=\"absatzLinks\">die sofortige Beschwerde zur&#252;ckzuweisen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">12</span><p class=\"absatzLinks\">Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schrifts&#228;tze und die Anlagen sowie auf die Verfahrensakten der Vergabekammer und die beigezogenen Vergabeakten Bezug genommen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">13</span><p class=\"absatzLinks\">II. Das Rechtsmittel ist unbegr&#252;ndet.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">14</span><p class=\"absatzLinks\">Der Nachpr&#252;fungsantrag hat keinen Erfolg. Die Vergabekammer hat im Ergebnis mit Recht festgestellt, dass die Antragsgegnerin die Angebote der Beigeladenen nach &#167;&#160;16 Abs.&#160;6 VOL/A. 1.&#160;Abschnitt, als ausk&#246;mmlich und nicht mit einem Missverh&#228;ltnis zwischen Preisen und Leistungen behaftet werten darf.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">15</span><p class=\"absatzLinks\">1. Allerdings wird in der deutschen Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beurteilt, ob und in welchem Umfang die Aufkl&#228;rungspflicht des Auftraggebers (&#167;&#160;16 Abs.&#160;6 Satz&#160;1 VOL/A, 1.&#160;Abschnitt) und das Verbot, einen Zuschlag auf Angebote zu erteilen, deren Preise in einem (offenbaren) Missverh&#228;ltnis zu den angebotenen Leistungen stehen (&#167;&#160;16 Abs.&#160;6 Satz&#160;2 VOL/A, 1.&#160;Abschnitt), einen bietersch&#252;tzenden Charakter haben, sich der Antragsteller im Nachpr&#252;fungsverfahren also auf eine Verletzung mit Erfolg berufen kann (vgl. zum Meinungsstand zum Beispiel Kulartz/Marx/Portz/Prie&#223;, Kommentar zur VOL/A, 3.&#160;Aufl., &#167;&#160;19 VOL/A-EG Rn.&#160;239, 245 m.w.N.). &#220;ber die Meinungsdifferenzen muss im vorliegenden Prozess jedoch nicht entschieden werden, zumal dazu wohl auch ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europ&#228;ischen Union (Art.&#160;267 AEUV) nicht zu umgehen w&#228;re. Sie k&#246;nnen dahingestellt bleiben.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">16</span><p class=\"absatzLinks\">Allerdings hat die Antragsgegnerin &#252;ber die behauptete Unausk&#246;mmlichkeit der Angebote der Beigeladenen nicht gem&#228;&#223; &#167;&#160;16 Abs.&#160;6 Satz&#160;1 VOL/A aufgekl&#228;rt. Sie hat in dieser Hinsicht schlichtweg nichts unternommen. Zudem hat sie im Verhandlungstermin vor der Vergabekammer und im Beschwerdeverfahren lediglich verschwommene und in tats&#228;chlicher Hinsicht nicht &#252;berpr&#252;fbare Angaben bez&#252;glich eines angemessenen Verh&#228;ltnisses zwischen Preisen und Leistungen in den Angeboten der Beigeladenen gemacht. Die Antragsgegnerin ist deswegen hauptverantwortlich f&#252;r die neunmonatige Dauer des Beschwerdeverfahrens, in welchem das Beschwerdegericht in Bezug auf neu hervorgetretene Erkenntnisse, und zwar aufgrund des Vortrags der im Beschwerdeverfahren zugezogenen Beigeladenen sowie der von ihr vorgelegten Unterlagen, das rechtliche Geh&#246;r der Verfahrensbeteiligten, insbesondere dasjenige der Antragstellerin, sicherzustellen gehabt hat.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">17</span><p class=\"absatzLinks\">Aufgrund des Vortrags der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren ist infolge vertretbarer Entscheidung der Antragsgegnerin indes auszuschlie&#223;en, dass deren Angebote unausk&#246;mmlich sind und ein Missverh&#228;ltnis zwischen Preisen und Leistungen besteht.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">18</span><p class=\"absatzLinks\">2. Die Beigeladene hat zur Ausk&#246;mmlichkeit ihrer Angebote im Beschwerdeverfahren von sich aus mehrere gutachtliche Stellungnahmen der Wirtschaftspr&#252;fungsgesellschaft F... GmbH eingeholt und im Prozess vorgelegt (vom 16.&#160;September 2015, 1.&#160;Dezember 2015 und 11.&#160;Januar 2016).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">19</span><p class=\"absatzLinks\">In der Stellungnahme vom 16.&#160;September 2015 haben die Wirtschaftspr&#252;fer von F... die Plausibilit&#228;t und die Profitabilit&#228;t eines ihnen von der Beigeladenen vorgelegten Kalkulationsmodells &#252;berpr&#252;ft und best&#228;tigt. Mit der weiteren und auf Veranlassung des Senats eingereichten gutachtlichen Stellungnahme vom 1.&#160;Dezember 2015 haben sie die &#220;bereinstimmung des ihnen vorgelegten Kalkulationsmodells mit den Angebotspreisen der Beigeladenen bejaht. In der Stellungnahme vom 11.&#160;Januar 2016 haben sie sich zudem mit Einwendungen der Antragstellerin auseinandergesetzt, n&#228;mlich mit dem einer Profitabilit&#228;tsberechnung zugrundezulegenden Zeitraum sowie mit einem zu erwartenden Mehrumsatz infolge sog. Upselling-Mengen und einem Verkauf von Zubeh&#246;r- und Extraleistungen durch die Beigeladene (OTC-Potential).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">20</span><p class=\"absatzLinks\">Dazu ist zu bemerken: Der Profitabilit&#228;t der Angebote hat richtigerweise die voraussichtliche Nutzungsdauer zu liefernder Schlafapnoeger&#228;te zugrunde gelegt werden d&#252;rfen. Denn die gelieferten Ger&#228;te sind von den Versicherten nach Vertragsablauf zur&#252;ckzugeben und k&#246;nnen danach weiter verwendet werden. Sog. Upselling-Mengen und ein OTC-Potential sind von den Wirtschaftspr&#252;fern in die Ermittlung der Angebotsausk&#246;mmlichkeit im &#220;brigen nicht eingestellt, sondern lediglich zus&#228;tzlich ber&#252;cksichtigt worden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">21</span><p class=\"absatzLinks\">Detaillierte und auf Einwendungen der Gegenseite eingehende Wirtschaftspr&#252;fertestate, namentlich gutachtliche Stellungnahmen wie im Streitfall, k&#246;nnen in Vergabeverfahren und in Nachpr&#252;fungsverfahren geeignet sein, den Nachweis der Ausk&#246;mmlichkeit eines Angebots zu f&#252;hren und ein Missverh&#228;ltnis zwischen Preis und Leistung auszuschlie&#223;en. Dies wird per se auch von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogen. Dabei ist zu bedenken, dass Wirtschaftspr&#252;fer nach &#167;&#160;43 Abs.&#160;1 Wirtschaftspr&#252;ferordnung ihren Beruf unabh&#228;ngig, gewissenhaft, eigenverantwortlich und unparteiisch zu versehen haben. Dar&#252;ber kann ebenso wenig wie &#252;ber rechtsanwaltliche Versicherungen ohne Weiteres und generell hinweggegangen werden. Substantiierte Testate der vorliegenden Art sind f&#252;r den Auftraggeber mithin von Aussagewert und d&#252;rfen von ihm, auch wenn sie nicht von ihm selbst beauftragt oder veranlasst worden sind, bei der Angebotswertung verwertet werden. Dies hat die Antragsgegnerin getan, indem sie sich den Inhalt der gutachtlichen Stellungnahmen der Wirtschaftspr&#252;fer von F... f&#252;r die Angebotswertung im Beschwerdeverfahren im Beschwerdeverfahren explizit zu Eigen gemacht hat.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">22</span><p class=\"absatzLinks\">Ebenfalls zu ber&#252;cksichtigen ist: Der dem &#246;ffentlichen Auftraggeber bei der Vorbereitung und Durchf&#252;hrung von Ausschreibungen zumutbare Pr&#252;fungsaufwand ist mit R&#252;cksicht auf den vergaberechtlich bezweckten, m&#246;glichst raschen Abschluss des Vergabeverfahrens durch Erteilen des Zuschlags, aber auch wegen der dem &#246;ffentlichen Auftraggeber bei der Angebotswertung in nicht unbegrenztem Umfang zu Gebote stehenden verwaltungsm&#228;&#223;igen und finanziellen Ressourcen, zu beschr&#228;nken (vgl. OLG D&#252;sseldorf, Beschluss vom 21.&#160;Oktober 2015 - VII-Verg 28/14, BA 32 f.; Beschluss vom 2.&#160;Dezember 2009 - VII-Verg 39/09, Stadtschloss Berlin m.w.N.). Der Auftraggeber hat nur die ihm zumutbaren Pr&#252;fungen anzustellen und darf die Vergabeentscheidung auf gesicherte (unbestrittene, bewiesene oder beweisbare) Erkenntnisse st&#252;tzen, sofern die Entscheidung denn vertretbar ist. Dies hat die Antragsgegnerin durch Zu-Eigen-Machen der von der Beigeladenen beigebrachten Wirtschaftspr&#252;fer-Stellungnahmen letztlich getan. Die Beschwerde redet demgegen&#252;ber einer vergaberechtlich nicht gutzuhei&#223;enden Maximierung von Pr&#252;fungsanforderungen an den &#246;ffentlichen Auftraggeber das Wort.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">23</span><p class=\"absatzLinks\">Die Kostenentscheidung beruht auf &#167;&#160;78, &#167;&#160;120 Abs.&#160;2 GWB.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">24</span><p class=\"absatzLinks\">D.&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160; &#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160; &#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160; Dr. M.&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160; &#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160; &#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160; B.</p>\n      "
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