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    "file_number": "I-1 U 107/14",
    "date": "2015-06-23",
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    "updated_date": "2020-12-10T14:35:56Z",
    "type": "Urteil",
    "ecli": "ECLI:DE:OLGD:2015:0623.I1U107.14.00",
    "content": "<h2>Tenor</h2>\n\n<p>Das Vers&#228;umnisurteil des Senats vom 17.03.2015 bleibt aufrecht erhalten.</p>\n<p>Die Beklagten tragen die durch die S&#228;umnis veranlassten Kosten als Gesamtschuldner (&#167;&#167;&#160;539 Abs. 3, 344, 100 Abs. 4 ZPO). Im &#220;brigen bleibt die Kostenentscheidung einschlie&#223;lich der Entscheidung &#252;ber die Kosten des Berufungsrechtszuges dem Schlussurteil des Landgerichts vorbehalten.</p>\n<p>Dieses Urteil ist vorl&#228;ufig vollstreckbar.</p><br style=\"clear:both\">\n\n<span class=\"absatzRechts\">1</span><p class=\"absatzLinks\"><strong><span style=\"text-decoration:underline\">Tatbestand:</span></strong></p>\n<span class=\"absatzRechts\">2</span><p class=\"absatzLinks\">Die Parteien streiten um Schadensersatzanspr&#252;che nach einem Auffahrunfall des Beklagten zu 1), der am 16.07.2012 in Duisburg auf einem Linksabbiegerstreifen passierte, als der Kl&#228;ger nach links in eine Zufahrt einbiegen wollte.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">3</span><p class=\"absatzLinks\">Der Kl&#228;ger befuhr am 16.07.2012 gegen 19:10 Uhr mit seinem Pkw Citro&#235;n C5, amtliches Kennzeichen DU- die Wacholderstra&#223;e in Fahrtrichtung Westen in Duisburg. F&#252;r diese Fahrtrichtung bestehen zwei Fahrstreifen. Bei dem linken Fahrstreifen handelt es sich um eine Linksabbiegerspur, die im weiteren Verlauf (ca. 42 m) mit der D&#252;sseldorfer Stra&#223;e kreuzt. Der Kl&#228;ger ordnete sich auf der Linksabbiegerspur ein und beabsichtigte, noch einige Meter vor der Kreuzung in seine Grundst&#252;ckseinfahrt nach links abzubiegen. Hinter ihm fuhr der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw Audi S3 mit dem amtlichen Kennzeichen OB-&#160;&#160; . Der Beklagte zu 1) wollte an der Kreuzung Wacholderstra&#223;e/D&#252;sseldorfer Stra&#223;e nach links in die D&#252;sseldorfer Stra&#223;e einbiegen. Auf dem Linksabbiegerstreifen fuhr der Beklagte zu 1) mit seinem Pkw auf denjenigen des Kl&#228;gers auf. Einzelheiten hierzu sind streitig.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">4</span><p class=\"absatzLinks\">Der Kl&#228;ger hat behauptet, er habe sich unter rechtzeitigem Setzen des linken Fahrtrichtungsanzeigers ordnungsgem&#228;&#223; auf dem Linksabbiegerstreifen eingeordnet und habe wegen vorfahrtberechtigten Gegenverkehrs sein Fahrzeug zun&#228;chst bis zum Stillstand abbremsen m&#252;ssen. Ihm sei ein materieller Schaden i.H.v. 9.800,60 &#8364; entstanden. F&#252;r seine unfallbedingten Verletzungen (HWS-Distorsion und Prellung des Brustbeins) sei ein Schmerzensgeld i.H.v. mindestens 2.000 &#8364; angemessen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">5</span><p class=\"absatzLinks\">Der Kl&#228;ger hat beantragt,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">6</span><p class=\"absatzLinks\">1.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">7</span><p class=\"absatzLinks\">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 9.800,60 &#8364; zu zahlen zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten &#252;ber dem jeweiligen Basiszinssatz aus 9.078,29 &#8364; seit dem 14.08.2012, aus 17,50 &#8364; seit dem 14.09.2012 und im &#220;brigen seit Rechtsh&#228;ngigkeit,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">8</span><p class=\"absatzLinks\">2.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">9</span><p class=\"absatzLinks\">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen H&#246;he ausdr&#252;cklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag zu 2.000 &#8364; jedoch nicht unterschreiten sollte, zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten &#252;ber dem jeweiligen Basiszinssatz aus 700 &#8364; seit dem 14.09.2012, im &#220;brigen seit Rechtsh&#228;ngigkeit,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">10</span><p class=\"absatzLinks\">3.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">11</span><p class=\"absatzLinks\">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwaltskanzlei S. GbR i.H.v. 1.105,87 &#8364; freizustellen zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten &#252;ber dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtsh&#228;ngigkeit.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">12</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beklagten haben beantragt,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">13</span><p class=\"absatzLinks\">&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160; die Klage abzuweisen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">14</span><p class=\"absatzLinks\">Sie haben behauptet, der Kl&#228;ger habe den Fahrtrichtungsanzeiger nicht gesetzt und unerwartet stark sein Fahrzeug abgebremst. Der Beklagte zu 1) habe damit rechnen d&#252;rfen, dass sich der Kl&#228;ger auf der Linksabbiegerspur in Richtung Ampel weiterbewegen w&#252;rde.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">15</span><p class=\"absatzLinks\">Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E., V. und D.. Den Kl&#228;ger und den Beklagten zu 1) hat es pers&#246;nlich angeh&#246;rt. Die Akten 4 O 384/12 LG Duisburg und 312 Js 1819/12 StA Duisburg hat das Landgericht beigezogen und zum Gegenstand der m&#252;ndlichen Verhandlung gemacht.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">16</span><p class=\"absatzLinks\">Das Landgericht hat ein Grundurteil erlassen und die Klage dem Grunde nach unter Ber&#252;cksichtigung eines Mithaftungsanteils des Kl&#228;gers i.H.v. 50 % f&#252;r begr&#252;ndet erachtet. Hierzu hat es ausgef&#252;hrt, dass die Beweisaufnahme weder ergeben habe, dass der vorausfahrende Kl&#228;ger eine Vollbremsung gemacht habe, noch dass dieser den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt habe. Die Aussagen der vernommenen Zeugen seien zu der Frage der Bet&#228;tigung des linken Fahrtrichtungsanzeigers unergiebig. Gegen beide Parteien spreche ein Anscheinsbeweis, gegen den Kl&#228;ger, da er in ein Grundst&#252;ck habe abbiegen wollen und gegen den Beklagten zu 1) als Auffahrenden. Die tats&#228;chlichen Vermutungen w&#252;rden sich daher gegenseitig aufheben, so dass die damit verbundenen Beweiserleichterungen entfielen. Eine Abw&#228;gung der wechselseitigen Verursachungsbeitr&#228;ge f&#252;hre zu einer Haftungsverteilung von 50 : 50.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">17</span><p class=\"absatzLinks\">Gegen dieses Urteil wendet sich der Kl&#228;ger mit der form- und fristgerecht eingelegten und begr&#252;ndeten Berufung, mit welcher er das Ziel der alleinigen Haftung der Beklagten weiter verfolgt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">18</span><p class=\"absatzLinks\">Der Kl&#228;ger hat zun&#228;chst beantragt,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">19</span><p class=\"absatzLinks\">das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 18.06.2014 insoweit aufzuheben, als die Klage dem Grunde nach wegen eines Mithaftungsanteils des Kl&#228;gers zu 50 % als nicht gerechtfertigt erachtet wird, und f&#252;r Recht zu erkennen, dass die Klage dem Grunde nach auch hinsichtlich der weiteren 50 % gerechtfertigt ist.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">20</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beklagten haben zun&#228;chst beantragt,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">21</span><p class=\"absatzLinks\">&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160; die Berufung zur&#252;ckzuweisen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">22</span><p class=\"absatzLinks\">Der Senat hat die Akten 4 O 384/12 LG Duisburg und 312 Js 1819/12 StA Duisburg zum Gegenstand der m&#252;ndlichen Verhandlung gemacht. In der Sitzung vom 17.03.2015 hat der Senat ein Vers&#228;umnisurteil gegen die s&#228;umigen Beklagten erlassen und das Grundurteil des Landgerichts Duisburg teilweise abge&#228;ndert. Er hat die mit der Klage gegen die Beklagten als Gesamtschuldner geltend gemachten Anspr&#252;che dem Grunde nach f&#252;r gerechtfertigt erkl&#228;rt und die Kostenentscheidung einschlie&#223;lich der Entscheidung &#252;ber die Kosten des Berufungsrechtszuges dem Schlussurteil des Landgerichts vorbehalten.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">23</span><p class=\"absatzLinks\">Hiergegen haben die Beklagten fristgerecht Einspruch erhoben. Sie beantragen,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">24</span><p class=\"absatzLinks\">das Vers&#228;umnisurteil des Senats vom 17.03.2015 aufzuheben und die Berufung zur&#252;ckzuweisen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">25</span><p class=\"absatzLinks\">Der Kl&#228;ger beantragt,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">26</span><p class=\"absatzLinks\">das Vers&#228;umnisurteil des Senats vom 17.03.2015 aufrechtzuerhalten.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">27</span><p class=\"absatzLinks\"><strong><span style=\"text-decoration:underline\">Entscheidungsgr&#252;nde:</span></strong></p>\n<span class=\"absatzRechts\">28</span><p class=\"absatzLinks\">Das Vers&#228;umnisurteil des Senats vom 17.03.2015 ist aufrechtzuerhalten (&#167;&#167;&#160;539 Abs. 3, 343 S. 1 ZPO). Die zul&#228;ssige Berufung des Kl&#228;gers gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg ist begr&#252;ndet.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">29</span><p class=\"absatzLinks\"><strong>I.</strong></p>\n<span class=\"absatzRechts\">30</span><p class=\"absatzLinks\">Dem Kl&#228;ger steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner nach &#167;&#167; 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz seines bei dem streitgegenst&#228;ndlichen Unfall erlittenen Schadens zu.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">31</span><p class=\"absatzLinks\">Grunds&#228;tzlich haben die Beklagten nach den genannten Vorschriften f&#252;r die Sch&#228;den einzustehen, die bei dem Betrieb des von ihnen gef&#252;hrten, gehaltenen und versicherten Pkw entstanden sind. Da auch der Kl&#228;ger an dem Unfall mit seinem Kraftfahrzeug beteiligt und der Unfall f&#252;r keinen der Beteiligten ein unabwendbares Ereignis war, sind die jeweiligen Verursachungsbeitr&#228;ge gem&#228;&#223; &#167;&#167; 17, 18 Abs.&#160;3 StVG gegeneinander abzuw&#228;gen. Bei dieser Abw&#228;gung kommt es insbesondere darauf an, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. In jedem Fall sind in ihrem Rahmen nur unstreitige bzw. zugestandene oder bewiesene Umst&#228;nde zu ber&#252;cksichtigen (BGH NJW 2007, 506; Senat, Urteil vom 16.04.2013 &#8211; I-1 U 163/12). Jeder Halter hat dabei die Umst&#228;nde zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er die nach der Abw&#228;gung f&#252;r sich g&#252;nstigen Rechtsfolgen herleiten will (BGH NZV 1996, 231).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">32</span><p class=\"absatzLinks\">1.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">33</span><p class=\"absatzLinks\">Ein Verschulden des Kl&#228;gers ist nicht feststellbar.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">34</span><p class=\"absatzLinks\">a)</p>\n<span class=\"absatzRechts\">35</span><p class=\"absatzLinks\">Der Kl&#228;ger durfte an der Unfallstelle nach links abbiegen. Denn, wie auf den Lichtbildern in der Ermittlungsakte (Bl. 7 ff., StA Duisburg, 312 Js 1819/12) zu erkennen ist, ist die linke durchgezogene Linie des Linksabbiegerstreifens auf der H&#246;he der Grundst&#252;ckseinfahrt unterbrochen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">36</span><p class=\"absatzLinks\">b)</p>\n<span class=\"absatzRechts\">37</span><p class=\"absatzLinks\">Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann auch nicht festgestellt werden, dass dem Kl&#228;ger vor dem Abbiegen ein Fahrfehler unterlaufen w&#228;re. Insbesondere hat sich die Behauptung der Beklagten, der Kl&#228;ger habe seine Abbiegeabsicht entgegen den Geboten des &#167; 9 Abs. 1 S. 1 StVO nicht rechtzeitig und deutlich angek&#252;ndigt, sondern pl&#246;tzlich eine Vollbremsung vollf&#252;hrt, im Rahmen der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht best&#228;tigt. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an dieser Feststellung des Landgerichts begr&#252;nden k&#246;nnten, liegen nicht vor.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">38</span><p class=\"absatzLinks\">2.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">39</span><p class=\"absatzLinks\">F&#252;r ein Verschulden des Kl&#228;gers streitet auch kein Anscheinsbeweis.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">40</span><p class=\"absatzLinks\">a)</p>\n<span class=\"absatzRechts\">41</span><p class=\"absatzLinks\">Das LG Saarbr&#252;cken hat allerdings in einer vergleichbaren Konstellation angenommen, dass gegen den in eine Grundst&#252;ckseinfahrt Abbiegenden aufgrund der gesteigerten Sorgfaltspflicht des &#167; 9 Abs. 5 StVO ein Anscheinsbeweis spreche. Komme es bei dem Abbiegen in ein Grundst&#252;ck zu einer Kollision mit dem nachfolgenden Verkehr, habe der Abbiegende typischerweise gegen die ihm obliegende Pflicht, die Gef&#228;hrdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschlie&#223;en, versto&#223;en (LG Saarbr&#252;cken, Urteil vom 24.01.2014 &#8211; 13 S 168/13)</p>\n<span class=\"absatzRechts\">42</span><p class=\"absatzLinks\">b)</p>\n<span class=\"absatzRechts\">43</span><p class=\"absatzLinks\">Dem folgt der Senat nicht. Zwar wollte hier der Kl&#228;ger unstreitig in eine Grundst&#252;ckseinfahrt einbiegen, so dass ihn die gesteigerte Sorgfaltspflicht des &#167; 9 Abs. 5 StVO traf, wonach eine Gef&#228;hrdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sein muss. Auch ist es richtig, dass ein gegen den Abbiegenden sprechender Anscheinsbeweis bei einer Kollision des in ein Grundst&#252;ck Abbiegenden mit dem <em>durchgehenden</em> Verkehr angenommen wird (<em>K&#246;nig</em> in Hentschel, Stra&#223;enverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, &#167; 9 StVO Rn. 44; Senat, Urteil vom 20.02.2006 &#8211; I-1 U 137/05, Urteil vom 16.02.2004 &#8211; 1 U 151/03). F&#252;r die hiesige Konstellation des Auffahrunfalls eines <em>nachfolgenden</em> Fahrzeugs auf den Abbieger ist die Annahme eines Anscheinsbeweises gegen den Abbiegenden aber nicht zu rechtfertigen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">44</span><p class=\"absatzLinks\">aa)</p>\n<span class=\"absatzRechts\">45</span><p class=\"absatzLinks\">Die Anwendung des Anscheinsbeweises f&#252;r ein Verschulden setzt bei Verkehrsunf&#228;llen Geschehensabl&#228;ufe voraus, bei denen sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdr&#228;ngt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt und dadurch den Unfall verursacht hat; es muss sich um Tatbest&#228;nde handeln, f&#252;r die nach der Lebenserfahrung eine schuldhafte Verursachung typisch ist (BGH, Urteil vom 13.12.2011 &#8211; VI ZR 177/10, BGHZ 192, 84-90, Rn. 7 juris). Wenn ein nachfolgendes Fahrzeug auf einen Abbieger auff&#228;hrt, ist ein solcher Tatbestand aber nicht gegeben.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">46</span><p class=\"absatzLinks\">bb)</p>\n<span class=\"absatzRechts\">47</span><p class=\"absatzLinks\">Nach Auffassung des Senats l&#228;sst die Lebenserfahrung in diesen F&#228;llen bereits nicht den Schluss auf eine Pflichtverletzung des Abbiegenden zu. Zwar ist dieser nach &#167; 9 Abs. 1 S. 1 StVO gehalten, seine Abbiegeabsicht rechtzeitig und deutlich anzuk&#252;ndigen und dabei auch den Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Er muss sich auf der Fahrbahn nach links einordnen und erforderlichenfalls auch seine Geschwindigkeit behutsam verringern. Er ist &#252;berdies, wie das Landgericht unter Heranziehung einschl&#228;giger Rechtsprechung zutreffend ausf&#252;hrt (LG Saarbr&#252;cken Urteil vom 24.01.2014 &#8211; 13 S 168/13, juris Rdn. 20), verpflichtet, den nachfolgenden Verkehr angemessen zu beobachten und notfalls auch den Abbiegevorgang vollst&#228;ndig zur&#252;ckzustellen. Gleichwohl liegt es auf der Hand, dass auch bei Beachtung der aus &#167; 9 Abs. 5 StVO folgenden hohen Sorgfaltspflichten, eine Kollision allein deswegen erfolgen kann, weil der nachfolgende Verkehr alle deutlichen Anzeichen f&#252;r das beabsichtigte Man&#246;ver schlicht &#252;bersieht oder allein deshalb auf den Abbiegenden auff&#228;hrt, weil er seinen Pflichten aus &#167; 4 Abs.&#160;1 StVO (Einhaltung eines gen&#252;genden Abstands) nicht gen&#252;gt. Die Auffassung, dass der Auffahrunfall belege, dass (auch) der Abbiegende typischerweise gegen die ihm obliegende Pflicht versto&#223;en habe (LG Saarbr&#252;cken a.a.O. juris Rdn. 20), vermag der Senat danach nicht zu teilen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">48</span><p class=\"absatzLinks\">cc)</p>\n<span class=\"absatzRechts\">49</span><p class=\"absatzLinks\">Dies gilt umso mehr, als es auch keinen Anschein f&#252;r die Unfallurs&#228;chlichkeit einer solchen Pflichtverletzung gibt. Denn die M&#246;glichkeiten des Abbiegers, auf den r&#252;ckw&#228;rtigen Verkehr zu reagieren, sind tats&#228;chlich sehr begrenzt. Insbesondere, wenn er vor dem Abbiegen zum Stehen gekommen ist, erscheint es fraglich, wann er bei einem sich von hinten n&#228;hernden Fahrzeug das Bestehen einer Gefahr erkennen k&#246;nnen soll und ob er bei dem Erkennen einer Gefahr &#252;berhaupt noch wirksam reagieren kann. Von einer typischerweise vorliegenden Verantwortung des Abbiegers f&#252;r einen Auffahrunfall kann man daher auch aus diesem Grunde nicht die Rede sein.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">50</span><p class=\"absatzLinks\">Im Ergebnis ist also ein schuldhafter Versto&#223; des Kl&#228;gers nicht erwiesen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">51</span><p class=\"absatzLinks\">3.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">52</span><p class=\"absatzLinks\">Demgegen&#252;ber trifft den Beklagten zu 1) ein Verschulden, f&#252;r welches die Beklagten als Gesamtschuldner haften.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">53</span><p class=\"absatzLinks\">Gegen die Beklagten spricht insoweit ein Anscheinsbeweis. Denn es ist nach der Lebenserfahrung wahrscheinlich, dass der Auffahrunfall auf einem schuldhaften Verhalten des Auffahrenden, n&#228;mlich zu geringem Abstand, Unaufmerksamkeit oder unangepasster Geschwindigkeit, beruht (<em>K&#246;nig</em> in Hentschel, StVR, &#167; 4 StVO Rn. 35 m.w.N.; Senat, Urteil vom 29.11.2004 &#8211; I-1 U 108/04 m.w.N.).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">54</span><p class=\"absatzLinks\">a)</p>\n<span class=\"absatzRechts\">55</span><p class=\"absatzLinks\">Immerhin hat das OLG Dresden aus dem Umstand, dass bei einem Auffahrunfall sowohl gegen den Auffahrenden als auch gegen den in ein Grundst&#252;ck links Abbiegenden ein Anscheinsbeweis spreche, geschlossen, dass sich die tats&#228;chlichen Vermutungen gegenseitig aufheben, so dass die damit verbundene Beweiserleichterung jeweils entfalle (OLG Dresden, Urteil vom 24.04.2002 &#8211; 11 U 2948/01).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">56</span><p class=\"absatzLinks\">b)</p>\n<span class=\"absatzRechts\">57</span><p class=\"absatzLinks\">Dem aber folgt der Senat nicht; denn es gibt aus den oben dargestellten Gr&#252;nden keine tats&#228;chliche Vermutung f&#252;r ein Verschulden des Abbiegenden. Dagegen wird</p>\n<span class=\"absatzRechts\">58</span><p class=\"absatzLinks\">der gegen den auffahrenden Hintermann sprechende Anschein durch den Umstand, dass der Vorausfahrende seine Fahrt verz&#246;gert hat, um in ein Grundst&#252;ck einzubiegen, nicht ersch&#252;ttert. Denn insoweit kommt es auf den Grund der Verz&#246;gerung nicht an. Vielmehr gilt der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden selbst dann, wenn der Vorausfahrende hat bremsen m&#252;ssen (<em>K&#246;nig</em> in Hentschel, StVR, &#167; 4 StVO Rn. 35 m.w.N.), was sogar ein pl&#246;tzliches starkes Abbremsen mit einschlie&#223;t (Senat, Urteil vom 12.12.2005 &#8211; I-1 98/05).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">59</span><p class=\"absatzLinks\">c)</p>\n<span class=\"absatzRechts\">60</span><p class=\"absatzLinks\">Eine Besonderheit des hiesigen Falles liegt sicherlich darin, dass das Abbiegen in das Grundst&#252;ck auf einem bis zu einer Kreuzung noch weiterf&#252;hrenden Linksabbiegerstreifen erfolgt ist, was die Vorhersehbarkeit der Absicht des Vordermanns sicherlich erschwerte. So hat die Zeugin E. (Beifahrerin im Beklagtenfahrzeug) ausgesagt, dass sie auch bei eingeschaltetem linkem Blinker des vorausfahrenden Fahrzeugs wahrscheinlich gedacht h&#228;tte, dass der Kl&#228;ger ebenfalls erst an der Kreuzung w&#252;rde links abbiegen wollen (S. 2 des Protokolls vom 19.03.2014, Bl. 99 GA). Auch auf diese Verkehrssituation h&#228;tte sich aber ein aufmerksamer nachfolgender Fahrer durch die Einhaltung von gen&#252;gendem Abstand und durch erh&#246;hte Aufmerksamkeit einstellen k&#246;nnen. Damit ergeben sich keine Besonderheiten in Bezug auf die typische Verursachung des Auffahrenden aufgrund von geringem Abstand, Unaufmerksamkeit oder unangepasster Geschwindigkeit.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">61</span><p class=\"absatzLinks\">d)</p>\n<span class=\"absatzRechts\">62</span><p class=\"absatzLinks\">Auch in der Rechtsprechung anerkannte F&#228;lle des Fehlens der Typizit&#228;t der Unfallkonstellation sind hier nicht einschl&#228;gig (z.B. Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden erst wenige Augenblicke vor dem Auffahrunfall; Fehlen von Teil&#252;berdeckung von Heck und Front; vgl. zu weiteren F&#228;llen: <em>K&#246;nig</em> in Hentschel, StVR, &#167; 4 StVO Rn. 36).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">63</span><p class=\"absatzLinks\">e)</p>\n<span class=\"absatzRechts\">64</span><p class=\"absatzLinks\">Damit sind insgesamt keine Tatsachen erwiesen, aus denen sich die ernsthafte M&#246;glichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergibt. Auch hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass der Beklagte zu 1) ausreichenden Abstand und eine angemessene Geschwindigkeit eingehalten sowie hinreichend aufmerksam gefahren w&#228;re. Somit ist im Ergebnis die Feststellung zu treffen, dass der Unfall auf einem schuldhaften Versto&#223; des Beklagten zu 1) beruhte.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">65</span><p class=\"absatzLinks\">4.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">66</span><p class=\"absatzLinks\">Steht aber fest, dass der Unfall allein durch den Beklagten zu 1) verursacht wurde und dem Kl&#228;ger kein Sorgfaltspflichtversto&#223; nachzuweisen ist, haften die Beklagten allein f&#252;r die dem Kl&#228;ger entstandenen Sch&#228;den. Die einfache Betriebsgefahr kann hinter einem groben Verschulden des Gegners vollst&#228;ndig zur&#252;cktreten, z.B. beim Auffahren auf den Vorausfahrenden, ohne dass dieser seine Fahrlinie ge&#228;ndert oder unzul&#228;ssig gebremst h&#228;tte (<em>K&#246;nig</em> in Hentschel, StVR, &#167;&#160;17 StVG Rn. 16 m.w.N.). Die nicht erh&#246;hte Betriebsgefahr des kl&#228;gerischen Fahrzeugs tritt hier daher vollst&#228;ndig hinter dem alleinigen Verschulden des Auffahrenden zur&#252;ck. Zu keinem anderen Ergebnis f&#252;hrt der Umstand, dass der Kl&#228;ger auf einem Linksabbiegerstreifen noch vor dem Kreuzungsbereich in ein Grundst&#252;ck abbog, was sicherlich die Absicht seines fr&#252;hen Abbiegens selbst bei eingeschaltetem linkem Fahrtrichtungsanzeiger schwieriger machte. Es handelte sich hierbei aber &#8211; wie ausgef&#252;hrt &#8211; um einen zul&#228;ssigen Abbiegevorgang, auf den sich der nachfolgende Beklagte zu 1) durch das Einhalten eines ausreichenden Sicherheitsabstandes entsprechend h&#228;tte einstellen k&#246;nnen und m&#252;ssen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">67</span><p class=\"absatzLinks\"><strong>II.</strong></p>\n<span class=\"absatzRechts\">68</span><p class=\"absatzLinks\">Der Senat l&#228;sst aufgrund der Abweichung von den in den o.g. Urteilen aufgestellten Rechtss&#228;tzen gem&#228;&#223; &#167;&#160;543 Abs.&#160;2 S.&#160;1 Nr. 2 ZPO die Revision zu.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">69</span><p class=\"absatzLinks\">Streitwert f&#252;r das Berufungsverfahren: &#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160; &#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160;&#160; 5.900,00 &#8364;</p>\n      "
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