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GET /api/cases/173623/
{ "id": 173623, "slug": "olgk-2014-07-07-21-uf-9914", "court": { "id": 822, "name": "Oberlandesgericht Köln", "slug": "olgk", "city": null, "state": 12, "jurisdiction": null, "level_of_appeal": "Oberlandesgericht" }, "file_number": "21 UF 99/14", "date": "2014-07-07", "created_date": "2019-01-31T12:29:29Z", "updated_date": "2022-10-18T16:00:29Z", "type": "Beschluss", "ecli": "ECLI:DE:OLGK:2014:0707.21UF99.14.00", "content": "<h2>Tenor</h2>\n\n<ul class=\"ol\"><li><p>1. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt P in L bewilligt.</p>\n</li>\n</ul>\n<ul class=\"ol\"><li><p>2. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Köln vom 02.05.2014 (307 F 374/12) abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:</p>\n</li>\n</ul>\n<p>Es wird festgestellt, dass das am 13.08.2012 ausgefertigte, am 23.08.2012 zugestellte Urteil des 3. Familiengerichts in Küҫükҫekmece (Republik Türkei) vom 25.07.2012 (Aktenzeichen 2012/568; Beschlussnummer 2012/836) bezüglich seiner Nr. 2 – Übertragung des Sorgerechts für die gemeinsamen Kinder auf den Kindesvater – in Deutschland nicht nach dem Luxemburger Europäischen Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses vom 20.05.1980 anzuerkennen ist.</p>\n<ul class=\"ol\"><li><p>3. Gerichtskosten für beide Instanzen werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet</p>\n</li>\n</ul>\n<ul class=\"ol\"><li><p>4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.</p>\n</li>\n</ul><br style=\"clear:both\">\n\n<span class=\"absatzRechts\">1</span><p class=\"absatzLinks\"><strong><span style=\"text-decoration:underline\">G r ü n d e :</span></strong></p>\n<span class=\"absatzRechts\">2</span><p class=\"absatzLinks\">Die nach §§ 58 ff. FamFG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin vom 13.05.2014 hat in der Sache den erstrebten Erfolg, womit zugleich die vom Familiengericht auf Grund des Hilfsantrages ausgesprochene Wiederherstellung der gemeinsamen Sorge der Kindeseltern für ihre fünf Kinder hinfällig wird.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">3</span><p class=\"absatzLinks\">Der Antrag auf gerichtliche Feststellung der Nichtanerkennung der Sorgerechtsentscheidung in dem zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner ergangenen Scheidungsurteil eines türkischen Gerichts ist zulässig und begründet.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">4</span><p class=\"absatzLinks\">Unabhängig davon, inwieweit im Streitfall die Regelung der §§ 108, 109 FamFG gemäß § 97 FamFG durch in unmittelbar anwendbares deutsches Recht umgesetzte völkerrechtliche Bestimmungen verdrängt wird, findet gemäß § 32 des Gesetzes zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts vom 26.01.2005 (Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz – IntFamRVG, BGBl. 2005 I S. 162) in Verbindung mit §§ 10 ff., 16 ff. IntFamRVG im Verhältnis zur Türkei als Signatarstaat des Luxemburger Europäischen Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses vom 20.05.1980 (Europäisches Sorgerechtsübereinkommen – ESÜ, BGBl. 1990 II S. 220) eine Feststellung der Nichtanerkennung der ausländischen Sorgerechtsentscheidung im Inland durch das Familiengericht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts der betroffenen Kinder statt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">5</span><p class=\"absatzLinks\">In der Sache ist – wovon nach dem Jugendamtsbericht vom 12.06.2013 und seinem eigenen Vorbringen (Schriftsätze vom 25.06., 26.11. und 17.12.2013) auch der Antragsgegner ausgeht – die Entscheidung des 3. Familiengerichts in Küҫükҫekmece (Republik Türkei) vom 25.07.2012, das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder dem Antragsgegner allein zu übertragen, in Deutschland nicht anzuerkennen. Der Anerkennung steht gemäß §§ 19, 32 IntFamRVG in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 lit. a und b ESÜ entgegen, dass die Wirkungen der Entscheidung mit Grundwerten des deutschen Familien- und Kindschaftsrechts offensichtlich unvereinbar sind und auch im Hinblick auf die seither veränderten Verhältnisse offensichtlich nicht dem Kindeswohl entsprechen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">6</span><p class=\"absatzLinks\">In dem Verfahren vor dem türkischen Gericht hatte die Antragstellerin durch ihren Vertreter beantragt, ihr das Sorgerecht für die gemeinsamen ehelichen Kinder, die unstreitig alle in Deutschland geboren wurden und dort stets ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, zu übertragen. Der Antragsgegner war dem nicht entgegengetreten. Ein von der Antragstellerin benannter Zeuge hatte ausgesagt, dass die Eheleute bei ihrem letzten Besuch in der Türkei heftig gestritten hätten; vom Hörensagen wisse er, dass der Antragsgegner Alkoholprobleme habe und dass die Kinder mit ihm zusammen lebten. Ohne persönlicher Anhörung der Kinder, hinsichtlich derer dem türkischen Gericht nur eine Familienstandsbescheinigung vorlag, und der Eheleute hat das 3. Familiengerichts in Küҫükҫekmece daraufhin das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder „nach Bewertung der tatsächlichen Situation“ dem Antragsgegner übertragen; eine näher ausgeführte Begründung der Bewertung fehlt. Diese Verfahrensweise lässt nicht erkennen, dass das türkische Gericht vor seiner Sorgerechtsentscheidung eine Prüfung des Wohls der Kinder, bei dem es sich um einen der wichtigsten Grundwerte des deutschen Familien- und Kindschaftsrechts handelt (vgl. Nr. 47 des Erläuternden Berichts zum ESÜ, BT-Drs. 11/5314 S. 65), auch nur in Erwägung gezogen hätte. Nach den im Urteil mitgeteilten Umständen hat offensichtlich keine fundierte Kindeswohlprüfung stattgefunden. Naheliegende verfahrensleitende Maßnahmen und Feststellungen sind unterblieben und die Entscheidung, das Sorgerecht entgegen dem Begehren der Antragstellerin von Amts wegen allein dem Antragsgegner zu übertragen, an dessen Erziehungseignung sich auf Grund seiner möglichen Alkoholprobleme durchaus Zweifel ergeben hatten, wurde nicht nachvollziehbar begründet. Jedenfalls nachdem die Beteiligten am 14.12.2012 vor dem Familiengericht in S Einvernehmen über den gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder bei der Antragstellerin erzielt haben, ist jetzt nicht einmal unter Berücksichtigung des Kontinuitätsprinzips irgendein Grund für die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den Antragsgegner erkennbar.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">7</span><p class=\"absatzLinks\">Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Die Wertfestsetzung folgt § 45 FamGKG.</p>\n " }