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GET /api/cases/294890/
{ "id": 294890, "slug": "olgd-2002-12-12-12-u-12202", "court": { "id": 820, "name": "Oberlandesgericht Düsseldorf", "slug": "olgd", "city": null, "state": 12, "jurisdiction": null, "level_of_appeal": "Oberlandesgericht" }, "file_number": "12 U 122/02", "date": "2002-12-12", "created_date": "2019-03-12T10:57:25Z", "updated_date": "2020-12-10T12:54:49Z", "type": "Urteil", "ecli": "ECLI:DE:OLGD:2002:1212.12U122.02.00", "content": "<h2>Tenor</h2>\n\n<p>Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der </p>\n<p>8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 20. Juni 2002 wird </p>\n<p>zurückgewiesen.</p>\n<p></p>\n<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.</p>\n<p></p>\n<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>\n<p></p>\n<p>Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.</p>\n<p></p><br style=\"clear:both\">\n\n<span class=\"absatzRechts\">1</span><p class=\"absatzLinks\" style=\"margin-left:28px\"><b><span style=\"text-decoration:underline;\">G r ü n d e</span></b></p>\n<span class=\"absatzRechts\">2</span><p class=\"absatzLinks\">Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">3</span><p class=\"absatzLinks\">A.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">4</span><p class=\"absatzLinks\">Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung in Höhe von 21.084,22\nEUR wegen angeblich anfechtbarer Zahlung der Schuldnerin an die\nBeklagte nach Verkündung, aber vor Zustellung eines\nVersäumnisurteils vom 12.8.1999 abgewiesen mit der Begründung, die\nLeistung vom 25.8.1999 sei weder inkongruent gemäß § 131 InsO\ngewesen, noch habe die Beklagte Kenntnis von der\nZahlungsunfähigkeit der Schuldnerin im Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 1\nInsO gehabt .</p>\n<span class=\"absatzRechts\">5</span><p class=\"absatzLinks\">Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Darstellung\nim Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">6</span><p class=\"absatzLinks\">Demgegenüber macht der klagende Insolvenzverwalter unter\nWiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags mit der Berufung\nweiter geltend, es handele sich bei der streitigen Zahlung um eine\ninkongruente Leistung, die die Schuldnerin nur unter dem Druck des\nKlageverfahrens und bevorstehender Vollstreckung aus dem\nVersäumnisurteil sowie der Androhung einer Strafanzeige geleistet\nhabe.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">7</span><p class=\"absatzLinks\">Außerdem habe die Beklagte aus der Verzögerung der Zahlung und\nder Nichteinlösung eines Schecks vom 4.8.1998 auf die\nZahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen müssen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">8</span><p class=\"absatzLinks\">Dem tritt die Beklagte erneut entgegen und erhebt die Einrede\nder Verjährung, da die Anfechtung nicht gemäß § 146 Abs. 1 InsO\ninnerhalb von zwei Jahren seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am\n1.12.1999 mit der am 7.2.2002 eingereichten Klage geltend gemacht\nworden sei.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">9</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beklagte bestreitet, dass die Schuldnerin schon im August\n1999 zahlungsunfähig gewesen ist.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">10</span><p class=\"absatzLinks\">Der Kläger hält dem entgegen, dass die Beklagte vorgerichtlich\nauf die Erhebung der Einrede der Verjährung bis zum 31.3.2001\nverzichtet habe.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">11</span><p class=\"absatzLinks\">B.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">12</span><p class=\"absatzLinks\">Die Berufung ist unbegründet.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">13</span><p class=\"absatzLinks\">Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf\nRückzahlung von 21.084,22 EUR aus § 143 Abs. 1 InsO.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">14</span><p class=\"absatzLinks\">I. Die von der Beklagten im Berufungsverfahren erhobene Einrede\nder Verjährung gemäß § 146 Abs. 1 InsO greift nicht durch.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">15</span><p class=\"absatzLinks\">Zwar wurde die Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage von zwei\nJahren seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.12.1999\ndurch die Einreichung der Klageschrift am 7.2.2002 deutlich nicht\neingehalten.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">16</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beklagte ist mit der Erhebung der Einrede erst in der\nBerufungsinstanz auch nicht ausgeschlossen, weil gemäß § 531 Abs. 2\nNr. 1 ZPO ein Gesichtspunkt betroffen ist, der nach der\nEntscheidung des Landgerichts unerheblich war, da mit anderer\nBegründung die Klage abgewiesen wurde.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">17</span><p class=\"absatzLinks\">Die Erhebung der Einrede der Verjährung durch die Beklagte\nverstößt aber gegen Treu und Glauben, nachdem sie in der\nvorgerichtlichen Korrespondenz einen bis zum 31.3.2001 befristeten\nVerzicht ausgesprochen hat. Vor diesem Zeitpunkt hat der Kläger\nzeitnah die Klage eingereicht, nachdem klar war, dass die Beklagte\nzu einer außergerichtlichen Einigung nicht bereit war.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">18</span><p class=\"absatzLinks\">II. Die Zahlung der Schuldnerin an die Beklagte in Höhe von\n41.237,15 DM (= 21.084,22 EUR) am 25.8.1999 ist nicht anfechtbar\ngemäß §§ 130, 131 InsO.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">19</span><p class=\"absatzLinks\">Die Begriffe der Inkongruenz der Leistung gemäß § 131 InsO und\nder Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 130 InsO\nerfassen den vom Kläger unterbreiteten Sachverhalt nicht, wie das\nLandgericht mit zutreffender Begründung ausgeführt hat.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">20</span><p class=\"absatzLinks\">1. Auch wenn es für die Beurteilung der Anfechtbarkeit gemäß §\n131 Abs. 1 InsO wegen inkongruenter Deckung nicht wesentlich ist,\nob die Zwangsvoll- streckung im formalrechtlichen Sinne schon\nbegonnen hat sondern ausreicht, dass die Befriedigung oder\nSicherung unter dem Druck einer unmittelbar drohenden\nZwangsvollstreckung gewährt wird, der Gläubiger also zum Ausdruck\ngebracht hat, er werde alsbald die Mittel der Vollstreckung\neinsetzen, wenn der Schuldner die Forderung nicht erfülle (BGH ZIP\n2002, 1159 ff m.w.N.), liegt hier noch eine kongruente Leistung\nvor.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">21</span><p class=\"absatzLinks\">Denn der Bundesgerichtshof hält in der zitierten Entscheidung\ndaran fest, dass die Zwangsvollstreckung <b>unmittelbar</b>\nbevorstehen müsse oder der Gläubiger die Vollstreckung\n<b>angedroht</b> haben muss.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">22</span><p class=\"absatzLinks\">Beides ist hier nicht der Fall, weil die Schuldnerin noch vor\nder Zustellung des Versäumnisurteils - und auch vor der Drohung mit\neiner Strafanzeige im Schreiben vom 27.8.1999, Anlage K 7 - gezahlt\nhat. Die Vollstreckung konnte aus rechtlichen Gründen auch noch\nnicht sofort erfolgen, wie etwa bei dem Erscheinen eines\nVollstreckungsbeamten in den Geschäftsräumen eines Schuldners zur\nDurchsetzung einer titulierten Forderung.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">23</span><p class=\"absatzLinks\">Es mag sein, dass die Schuldnerin hier mit der Vollstreckung in\nabsehbarer Zeit rechnen musste, die Vollstreckung war aber noch\nnicht einmal von der Beklagten angekündigt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">24</span><p class=\"absatzLinks\">Die Durchführung eines Erkenntnisverfahrens, das regelmäßig zur\nErlangung eines vollstreckbaren Titels erst führen soll, kann einer\nkonkreten Androhung der Zwangsvollstreckung nicht gleichgestellt\nwerden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">25</span><p class=\"absatzLinks\">Es muss in dem Schwebezustand bis zur Erteilung einer\nvollstreckbaren Ausfertigung des Urteils bei sonst passivem\nVerhalten des Gläubigers Raum für freiwillige kongruente Zahlungen\ndes Schuldners bleiben, sonst wird der Versuch, die Durchsetzung\nder berechtigten Forderung einzuleiten, durch die Wirkung der\nInkongruenz \"bestraft\" mit der Folge, dass die Schuldner sehr\nfrühzeitig nur noch Druck außerhalb rechtsstaatlicher Verfahren\nausgesetzt werden können.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">26</span><p class=\"absatzLinks\">Für den einzelnen Gläubiger sind die Motive für die Verzögerung\noder Verweigerung der Zahlung in einem frühen Stadium zudem schwer\nabzuschätzen, jedenfalls muss nicht sogleich auf die\nGläubigerbenachteiligungsabsicht geschlossen werden, wenn er dann\ndoch eine Zahlung erhält.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">27</span><p class=\"absatzLinks\">Auch die vom Kläger angeführte Drohung mit einer Strafanzeige,\ndie gemäß Schreiben der Bevollmächtigten der Beklagten vom\n27.8.1999 vor der Zahlung nur mündlich erfolgt sein kann, führt\nnicht zur Inkongruenz der Leistung, weil die Beklagte dadurch weder\nselbst eine Zahlung erzwingen kann, noch das erst noch zu\nveranlassende staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren Zwang in\ndieser Richtung ausübt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">28</span><p class=\"absatzLinks\">2. Die Kenntnis der Beklagten von der Zahlungseinstellung am\n25.8.2002 oder nur der sie begründenden Umstände im Sinne des § 130\nInsO kann nicht festgestellt werden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">29</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beklagte, die nur eine Lieferantin der Schuldnerin war,\nkannte die Tatsachen, mit denen der Kläger die Zahlungsunfähigkeit\nder Schuldnerin im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO ab August 1999\nbegründen will, ersichtlich im Umfang der schriftsätzlichen\nDarlegungen nebst Anlagen dazu nicht.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">30</span><p class=\"absatzLinks\">Für eine solche Kenntnis im Detail und in der Summe der Fakten\nauf Seiten der Beklagten bestehen keine Anhaltspunkte.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">31</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beklagte hatte nur Kenntnis von ihrer eigenen seit dem\n7.12.1998 zunächst fälligen Forderung in Höhe von 52.599,16 DM\nsowie weiterer seit dem 9.2.1999 fälliger 1.809,37 DM und der\nmehrfach vergeblichen Mahnung, was im Frühjahr 1999 zur Einleitung\ndes Klageverfahrens führte.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">32</span><p class=\"absatzLinks\">Hinzu kam das \"Platzen\" eines Schecks am 4.8.1999 und die dann\naber freiwillige Zahlung von immerhin 41.237,15 DM bei durch\nVersäumnisurteil beendetem Klageverfahren.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">33</span><p class=\"absatzLinks\">Diese Umstände begründen für einen \"normalen\" Einzelgläubiger,\nwie hier einen schlichten Lieferanten mit einer nur\ndurchschnittlich hohen Forderung, noch keine Kenntnis von der\nZahlungsunfähigkeit oder von den maßgeblichen Tatsachen, die darauf\nim Sinne des § 130 Abs. 2 InsO <b>zwingend</b> schließen\nlassen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">34</span><p class=\"absatzLinks\">Die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 InsO sind erfüllt, wenn der\nInsolvenzgläubiger die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei\nzutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit\n<b>zweifelsfrei</b> folgt, wobei ein strengerer Maßstab als der\ngrob fahrlässiger Unkenntnis gelten soll (BGHZ 149, 178 ff = ZIP\n2002, 87 ff mwN).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">35</span><p class=\"absatzLinks\">Dem Insolvenzgläubiger schadet gemäß § 130 Abs. 2 InsO, ohne\ndass es auf subjektives Verschulden ankäme, nur eine zweifelsfreie\nFehlbewertung der gemäß § 17 Abs. 2 InsO relevanten Tatsachen,\nmithin des Umstandes, dass \"der Schuldner von seinen als fällig\neingeforderten Geldschulden einen nicht unwesentlichen Teil\n(wenigstens 10 %) derzeit nicht erfüllen kann und auch keine\nkonkrete Aussicht hat, hierfür ausreichende und verwendbare\nGeldmittel in den nächsten drei Wochen zu erlangen\"\n(MünchKommInsO-Kirchhof § 130 RdNr. 35).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">36</span><p class=\"absatzLinks\">Da außenstehende Gläubiger selten über entsprechende Kenntnisse\nverfügen, reicht es, wenn ein einzelner bedeutender Gläubiger seine\nverhältnismäßig hohe Forderung vergeblich eingefordert hat und\nkeine konkrete Aussicht auf eine fristgerechte Zahlung des\nSchuldners besteht (MünchKommInsO-Kirchhof, aaO.).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">37</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beklagte hatte mit insgesamt 54.408,53 DM eine im\nWirtschaftsleben weder allgemein, noch gemessen an den\nVerhältnissen der Schuldnerin verhältnismäßig hohe Forderung, wie\ndie Gläubigerliste des Klägers selbst mit einer Summe von über 11\nMillionen DM angemeldeter Ansprüche zeigt, die deutlich unter der\nGrenze von 10 % der ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten\nlag.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">38</span><p class=\"absatzLinks\">Es handelte sich bei der systematisch verzögerten Zahlungsweise\netwa zur Ersparung teurer Kredite um eine verbreitete\nVerhaltensweise durchaus auch noch zahlungsfähiger Schuldner\n(MünchKommInsO-Eilenberger § 17 RdNr. 9), der etwa durch den\nGesetzgeber anlässlich der Verschärfung der Verzugsfolgen - mit\nWirkung nach dem hier sich der Beklagten zeigenden Vorgang -\nvorbebeugt werden sollte.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">39</span><p class=\"absatzLinks\">Der gescheiterten Scheckeinlösung vom 4.8.1999 folgte im Abstand\nvon nur drei Wochen eine gleich hohe Zahlung, was letztlich eher\nfür die Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin sprach.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">40</span><p class=\"absatzLinks\">Eine zweifelsfreie Fehlbewertung der im Hinblick auf die\nZahlungsfähigkeit bedeutsamen Umstände kann der Beklagten insgesamt\nnicht vorgeworfen werden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">41</span><p class=\"absatzLinks\">III.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">42</span><p class=\"absatzLinks\">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">43</span><p class=\"absatzLinks\">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus\n§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">44</span><p class=\"absatzLinks\">Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass, § 543 Abs. 2\nZPO.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">45</span><p class=\"absatzLinks\">Der Streitwert beträgt 21.084,22 EUR.</p>\n " }