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    "slug": "olgham-2019-12-10-4-rvs-12819",
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    "file_number": "4 RVs 128/19",
    "date": "2019-12-10",
    "created_date": "2020-01-14T11:01:09Z",
    "updated_date": "2022-10-17T06:30:02Z",
    "type": "Beschluss",
    "ecli": "ECLI:DE:OLGHAM:2019:1210.4RVS128.19.00",
    "content": "<h2>Tenor</h2>\n\n<p>Die Revision wird mit der Maßgabe, dass das der Neben- und Adhäsionsklägerin zugesprochene Schmerzensgeld erst ab dem 19.10.2018 zu verzinsen ist, als offensichtlich unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels einschließlich der der Nebenklägerin insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.</p>\n<p>2.</p>\n<p>Der Adhäsionsklägerin wird für das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin A aus N bewilligt (§§ 404 Abs. 5 StPO, 119 Abs. 1 ZPO).</p><br style=\"clear:both\">\n\n<span class=\"absatzRechts\">1</span><p class=\"absatzLinks\"><span style=\"text-decoration:underline\">Zusatz:</span></p>\n<span class=\"absatzRechts\">2</span><p class=\"absatzLinks\">1.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">3</span><p class=\"absatzLinks\">a) Eine nähere Bestimmung der Blutalkoholkonzentration und deren revisionsgerichtliche Überprüfung ist anhand der im angefochtenen Urteil mitgeteilten Daten nicht möglich (vgl. dazu: BGH, Beschl. v. 25.09.2019 – 4 StR 448/19 = BeckRS 2019, 29556). Es wird lediglich der BAK-Wert bzgl. der dem Angeklagten um 9.30 Uhr am 01.05.2017 entnommenen Blutprobe (1,4 Promille) sowie der umgerechnete Atemalkoholwert einer bei ihm kurz nach 14 Uhr am 30.04.2017 durchgeführten Atemalkoholkontrolle (1,2 Promille) mitgeteilt. Ansonsten ergeben sich aus den Urteilsgründen der Tatzeitraum nur vage (Beginn nach dem Entweichen des Angeklagten aus der JVA am Abend des 30.04.; Ende im „Morgengrauen“ des 01.05.2017) sowie ein weiterer Alkoholgenuss des Angeklagten (in unbekannter Menge) aus einer Flasche Wodka nach der Rückkehr zur Nebenklägerin am Abend des 30.04. „regelmäßig bis in die frühen Morgenstunden“. Angesichts des während des mehrstündigen Tatablaufs gezeigten Leistungsverhaltens des Angeklagten mit zwischenzeitlichen „Rauchpausen“ sowie Vorkehrungen des Angeklagten gegen Morgen, dass die bei der Nebenklägerin befindlichen Kinder diese nicht mit den vom ihm zugefügten Hämatomen sehen sollten und nachfolgender Fortsetzung der sexuellen Übergriffe, auf welches auch das Landgericht teilweise abstellt, kann der Senat ausschließen, dass der Angeklagte bei Begehung der Taten schuldunfähig i.S.v. § 20 StGB war, selbst wenn  er zumindest in einzelnen Tatabschnitten womöglich einen BAK-Wert von mehr als 3 Promille gehabt hätte.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">4</span><p class=\"absatzLinks\">b) Die womöglich gegebene Alkoholisierung der Nebenklägerin im Tatzeitraum war hier – trotz der Verschiebung im Aussageverhalten (zunächst nur Kundgabe „bloßer“ Gewalttätigkeiten in der ersten Aussage; Bekundung von sexuellen Übergriffen erst in einer späteren Vernehmung) – unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Beeinträchtigung der Wahrnehmungs- oder Wiedergabefähigkeit der Nebenklägerin noch nicht erörterungsbedürftig. Zum einen kann anhand der mitgeteilten Umstände ausgeschlossen werden, dass die Alkoholisierung im Tatzeitraum einen BAK-Wert von 1 Promille wesentlich überschritt. Zum anderen hat das Landgericht den Wechsel im Aussageverhalten überzeugend mit der Schambehaftetheit der Thematik für die Nebenklägerin begründet.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">5</span><p class=\"absatzLinks\">2.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">6</span><p class=\"absatzLinks\">Das Landgericht ist bei der Strafzumessung jeweils von dem nach §§ 21, 49 StGB gemilderten Strafrahmen, im Falle der Vergewaltigung dem des § 177 Abs. 6 StGB, ausgegangen. „Minder schwere Fälle“ hat es mangels deutlicher Abweichungen vom „Normalfall des Regebeispiels“ abgelehnt. Das begegnet rechtlichen Bedenken. Die §§ 223 und 240 StGB sehen überhaupt keine minder schweren Fälle vor. Ein minder schwerer Fall eines besonders schweren Falles i.S.v. § 177 Abs. 6 StGB ist in § 177 Abs. 9 StGB nicht vorgesehen. Zu prüfen wäre gewesen, ob die Regelbeispielswirkung des § 177 Abs. 6 StGB hier widerlegt ist (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 177 Rdn. 191). Sollte die o.g. Formulierung so auszulegen sein, dass das Landgericht im Falle der Vergewaltigung tatsächlich statt des Vorliegens eines minder schweren Falles die Widerlegung des Regelbeispiels geprüft hat, so wäre in diese Prüfung allerdings auch das Vorliegen des vertypten Strafmilderungsgrundes nach §§ 21, 49 StGB einzubeziehen gewesen, wenn man – wie hier - nicht schon allein anhand der allgemeinen Strafzumessungserwägungen zu einer Widerlegung kommt (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 05.08.2008 – 4 Ss 286/08 – juris; OLG Köln, Beschl. v. 09.11.2000 – Ss 457/00 –juris, jew. m.w.N.). Das ist nicht geschehen.  Erst in einem weiteren Schritt wäre dann, wenn man zur Widerlegung der Regelbeispielswirkung gekommen wäre,  ggf. zu prüfen gewesen, ob zusätzlich der dann hier einschlägige Strafrahmen nach § 177 Abs. 5 StGB wegen Vorliegens eines minder schweren Falles nach § 177 Abs. 9 StGB zu mildern gewesen wäre.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">7</span><p class=\"absatzLinks\">Der Rechtsfehler beschwert den Angeklagten indes nicht. Der vom Landgericht zu Grunde gelegte, nach §§ 21, 49 StGB gemilderte Strafrahmen des § 177 Abs. 6 StGB (also sechs Monate bis elf Jahre und drei Monate) ist günstiger als der Strafrahmen des § 177 Abs. 5 StGB (ein Jahr bis 15 Jahre). Dass das Landgericht bei zutreffendem Vorgehen nach einer etwaigen Verneinung der Regelbeispielswirkung des § 177 Abs. 6 StGB unter Heranziehung des hier vorliegenden vertypten Strafmilderungsgrundes dann auch noch einen minder schweren Fall nach § 177 Abs. 5 und 9 StGB angenommen hätte, kann der Senat sicher ausschließen. Denn das Landgericht hat das Vorliegen „minder schwerer Fälle“ unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungserwägungen verneint (s.o.).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">8</span><p class=\"absatzLinks\">3.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">9</span><p class=\"absatzLinks\">Der Adhäsionsausspruch weist in der Hauptsache Rechtsfehler nicht auf. Der Antrag konnte auch noch im Berufungsverfahren gestellt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 404 Rdn. 4). Allerdings ist ein Grund für einen Zinsbeginn am 01.05.2017, also dem Tag der unerlaubten Handlung, nicht erkennbar. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung vom Zeitpunkt der Entstehung an mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen sei, ist dem deutschen Recht fremd; vielmehr handelt es sich bei § 849 BGB um eine bewusste Ausnahmeregelung (KG Berlin, Urt. v. 26.09.2019 – 4 U 51/19 – juris m.w.N.). Der Beginn der Verzinsung wurde daher vom Senat (entsprechend § 354 Abs. 1 StPO) auf den Zeitpunkt ab Rechtshängigkeit, also dem 19.10.2018, abgeändert (§ 291 BGB).</p>\n      "
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