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    "file_number": "4 RVs 62/20",
    "date": "2020-05-19",
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    "updated_date": "2022-10-17T06:32:14Z",
    "type": "Beschluss",
    "ecli": "ECLI:DE:OLGHAM:2020:0519.4RVS62.20.00",
    "content": "<h2>Tenor</h2>\n\n<p>Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.</p>\n<p>Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.</p>\n<p>Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen</p><br style=\"clear:both\">\n\n<span class=\"absatzRechts\">1</span><p class=\"absatzLinks\"><strong><span style=\"text-decoration:underline\">Gründe</span></strong></p>\n<span class=\"absatzRechts\">2</span><p class=\"absatzLinks\">                            I.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">3</span><p class=\"absatzLinks\">Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">4</span><p class=\"absatzLinks\">Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, der eine Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">5</span><p class=\"absatzLinks\">II.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">6</span><p class=\"absatzLinks\">Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und zur Zurückverweisung der Sache insoweit (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO). Im Übrigen war sie gem. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">7</span><p class=\"absatzLinks\">Näherer Erörterung bedarf nur die Begründung, mit der das Landgericht die Annahme der Voraussetzungen nach § 46a StGB verneint hat. Diese ist nicht frei von Rechtsfehlern.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">8</span><p class=\"absatzLinks\">Das Landgericht hat festgestellt, dass der von Sozialleistungen lebende Angeklagte im November 2019, also nach Eröffnung des Hauptverfahrens, zusammen mit dem Geschädigten eine Vereinbarung unterzeichnet habe, in der er sich zur ratenweisen Rückzahlung der Kosten des gestohlenen Fahrrades in Höhe von 399 Euro verpflichtet habe. Er habe sodann vier Raten zu je 100 Euro an den Geschädigten gezahlt (je eine im Dezember 2019 und Januar 2020 sowie zwei im Februar 2020). Zur Frage des Vorliegens eines Täter-Opfer-Ausgleichs führt das Landgericht aus:</p>\n<span class=\"absatzRechts\">9</span><p class=\"absatzLinks\">„Die Voraussetzungen für eine Milderung der Strafe nach §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB liegen nach Auffassung der Kammer nicht vor. Der sogenannte Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB setzt einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der Ausdruck der Übernahme von Verantwortung ist und umfassende Ausgleichsbemühungen zum Ausdruck bringt. Auch die sogenannte Entschädigung des Opfers nach Nr. 2 setzt voraus, dass die Leistungen Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sind und der Ausgleich dem Täter erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht abgefordert hat. Allein der rein rechnerische Schadensausgleich ist für die Annahme beider Milderungsgründe nicht ausreichend. Hier hat der Angeklagte sich zwar nach Eröffnung des Hauptverfahrens in erster Instanz zum Schadensausgleich verpflichtet und im Zeitraum bis zur Durchführung der Berufungshauptverhandlung auch den Schaden tatsächlich ausgeglichen. Jedoch ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass dieser Schadensausgleich tatsächlich über die rein zivilrechtlich geschuldete Entschädigung hinaus Ausdruck von Übernahme von Verantwortung für seine Tat gegenüber dem Geschädigten war, dass diesem ein kommunikativer Prozess vorausging, oder dass er für den Angeklagten mit erheblichen persönlichen Leistungen oder persönlichem Verzicht verbunden war.“</p>\n<span class=\"absatzRechts\">10</span><p class=\"absatzLinks\">Es ist davon auszugehen, dass § 46a Nr. 1 StGB das Angebot an den Täter und das Opfer macht, mit Hilfe eines Vermittlers oder einer sonstigen auf Ausgleich ausgerichteten Kommunikation eine von allen Beteiligten einverständlich getragene Regelung zu finden, die geeignet ist, Konflikte beizulegen, die zu der Straftat geführt haben oder durch sie verursacht wurden. Ergeben die Ausgleichsbemühungen, dass die Wiedergutmachung ganz oder zum überwiegenden Teil aus materiellen Leistungen in Form von Schadensersatz oder Schmerzensgeld bestehen, so verlangt § 46a Nr. 2 StGB, dass der Täter diese tatsächlich erbracht und dafür erhebliche persönliche Anstrengungen unternommen und Verzicht geleistet hat. Beide Alternativen des § 46a StGB beschreiben selbständige Voraussetzungen, die übereinstimmend einen Schadensausgleich bezwecken. Der Tatrichter kann die Strafmilderung für den Täter nach den Umständen des Einzelfalles auf jede der beiden Alternativen stützen; liegen jedoch die Voraussetzungen für beide Alternativen vor, können sie nebeneinander festgestellt werden. Der Unterschied zwischen Nr. 1 und Nr. 2 besteht darin, dass Nr. 2 für die materiellen Wiedergutmachungsleistungen den Eintritt des Erfolges (d.h. die geleistete Zahlung) verlangt, während sich Nr. 1 unter Umständen mit den mit dem erstrebten Erfolg verbundenen Ausgleichsbemühungen (hinsichtlich der materiellen Leistungen deren Zusage) begnügt (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 405/02 –, BGHSt 48, 134-147, Rn. 8).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">11</span><p class=\"absatzLinks\">Dementsprechend ist § 46a Nr. 2 StGB als Regelung über den Täter-Opfer-Ausgleich, die an den Ausgleich der durch die Tat entstandenen materiellen Schäden anknüpft, zu verstehen. Der Täter-Opfer-Ausgleich nach dieser Vorschrift verlangt auf der Seite der Opfer, dass sie \"ganz oder zum überwiegenden Teil\" entschädigt worden sind sowie täterseitig \"erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht\". Damit eine erfolgte Schadenswiedergutmachung ihre friedenstiftende Wirkung entfalten kann, muss der Täter einen über eine rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag erbringen. Dafür genügt die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein nicht. Vielmehr muss sein Verhalten Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein. Mit diesen Anforderungen wird den Vorstellungen des Gesetzgebers entsprochen, einen Täter-Opfer-Ausgleich dann anzunehmen, wenn die vollständige oder wenigstens teilweise Entschädigung des Opfers durch die persönliche Leistung oder den persönlichen Verzicht des Täters die materielle Entschädigung möglich geworden ist (BGH, Urteil vom 09. August 2016 – 1 StR 121/16 –, Rn. 17, juris).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">12</span><p class=\"absatzLinks\">Gemessen daran trägt die Begründung des Landgerichts eine Ablehnung der Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 2 StGB nicht. Der Angeklagte hat den Schaden vollständig wieder gut gemacht. Berücksichtigt man, dass das von ihm gestohlene Fahrrad „ursprünglich“ 399 Euro gekostet hatte, also offenbar nicht ladenneu war und dementsprechend womöglich einen geringeren Zeitwert bei Tatbegehung hatte, und dass der Angeklagte 400 Euro statt nur 399 Euro an den Geschädigten gezahlt hat, so hätte es der Erörterung bedurft, ob der Angeklagte damit einen „über eine rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Betrag“ in dem o.g. Sinne erbracht hat. Weiter hätte es der Erörterung bedurft, ob nicht die Zahlung von 400 Euro innerhalb von weniger als drei Monaten angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte von Sozialleistungen lebt, einen erheblichen persönlichen Verzicht des Täters bedeutete, in dem eine Übernahme von Verantwortung (in Zusammenhang mit der schriftlichen Vereinbarung mit dem Geschädigten, deren näherer Inhalt nicht festgestellt ist) liegt. Auch das Vorliegen eines kommunikativen Prozesses, der ebenfalls für § 46a Nr. 2 StGB erforderlich sein soll (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 133 f; Schneider in: LK-StGB, 13. Aufl., § 46a Rdn. 27; aA: Maier in: MK-StGB, 3. Aufl., § 46a Rdn. 42), liegt hier nahe, da es zu einer Entschädigungsvereinbarung zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten gekommen ist (vgl. BGH a.a.O.).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">13</span><p class=\"absatzLinks\">Der Senat kann nicht hinreichend sicher ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung die Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB bejaht hätte und sodann jedenfalls zu einer Strafrahmenverschiebung und infolgedessen zu einer milderen Bestrafung des Angeklagten gelangt wäre.</p>\n      "
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