List view for cases

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    "file_number": "5 K 96/17 U",
    "date": "2020-08-13",
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    "updated_date": "2022-10-17T10:44:56Z",
    "type": "Urteil",
    "ecli": "ECLI:DE:FGMS:2020:0813.5K96.17U.00",
    "content": "<h2>Tenor</h2>\n\n<p>Der Umsatzsteuerbescheid 2015 vom 29.09.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.12.2016 wird dahingehend ge&#228;ndert, dass die Umsatzsteuer um 34.771,17 &#8364; gemindert wird.</p>\n<p>Die Kosten des Verfahrens tr&#228;gt der Beklagte.</p>\n<p>Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorl&#228;ufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in H&#246;he des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kl&#228;ger zuvor Sicherheit in H&#246;he des vollstreckbaren Betrages leistet.</p><br style=\"clear:both\">\n\n<span class=\"absatzRechts\">1</span><p class=\"h2 absatzLinks\">T a t b e s t a n d</p>\n<span class=\"absatzRechts\">2</span><p class=\"absatzLinks\">Streitig ist, ob die w&#228;hrend der vorl&#228;ufigen Eigenverwaltung begr&#252;ndeten Umsatzsteuerverbindlichkeiten der B GmbH den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil oder die Insolvenzmasse betreffen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">3</span><p class=\"absatzLinks\">Der Kl&#228;ger ist Insolvenzverwalter der B GmbH (Insolvenzschuldnerin). Unternehmensgegenstand der Insolvenzschuldnerin war [&#8230;].</p>\n<span class=\"absatzRechts\">4</span><p class=\"absatzLinks\">Am 29.07.2015 wurde ein Antrag auf Er&#246;ffnung des Insolvenzverfahrens &#252;ber das Verm&#246;gen der Insolvenzschuldnerin gestellt. Mit Beschluss des Amtsgerichts E vom selben Tag (Az. xyz) wurde der Kl&#228;ger zum vorl&#228;ufigen Sachwalter bestellt und zur Vorbereitung einer Sanierung nach &#167; 270b Insolvenzordnung (InsO) die vorl&#228;ufige Eigenverwaltung angeordnet (sog. Schutzschirmverfahren). Ferner hei&#223;t es in dem Beschluss:</p>\n<span class=\"absatzRechts\">5</span><p class=\"absatzLinks\">&#8222;Die Schuldnerin wird gem&#228;&#223; &#167; 270b Abs. 3 InsO erm&#228;chtigt, zum Zweck der Finanzierung des laufenden Gesch&#228;ftsbetriebs wegen eines Darlehens im Rahmen der Insolvenzgeldvorfinanzierung und der in diesem Zusammenhang stehenden R&#252;ckzahlungsanspr&#252;che, Zinsen und Geb&#252;hren Masseverbindlichkeiten im Rang des &#167; 55 Abs. 2 InsO zu begr&#252;nden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">6</span><p class=\"absatzLinks\">Die Schuldnerin wird gem. &#167; 270b Abs. 3 InsO erm&#228;chtigt, zum Zweck der Aufrechterhaltung des laufenden Gesch&#228;ftsbetriebs im Er&#246;ffnungsverfahren mit Zustimmung des vorl&#228;ufigen Sachwalters gegen&#252;ber Dienstleistern und Lieferanten Masseverbindlichkeiten im Rang des &#167; 55 Abs. 2 InsO zu begr&#252;nden.&#8220;</p>\n<span class=\"absatzRechts\">7</span><p class=\"absatzLinks\">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Amtsgerichts E vom 29.07.2015 Bezug genommen (Bl. 8 f. der Umsatzsteuerakte).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">8</span><p class=\"absatzLinks\">Am 01.10.2015 er&#246;ffnete das Amtsgericht E das Insolvenzverfahren &#252;ber das Verm&#246;gen der Insolvenzschuldnerin, bestellte den Kl&#228;ger zum Sachwalter und ordnete die Eigenverwaltung an. Mit einem weiteren Beschluss des Amtsgerichts E vom 29.12.2015 wurde die Anordnung der Eigenverwaltung aufgehoben und der Kl&#228;ger zum Insolvenzverwalter der Insolvenzschuldnerin bestellt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">9</span><p class=\"absatzLinks\">Die Umsatzsteuer-Voranmeldung der Insolvenzschuldnerin f&#252;r den Monat Juli 2015 wurde am 10.09.2015 unter der bereits vor der Insolvenzer&#246;ffnung der Insolvenzschuldnerin zugewiesenen Steuernummer (xxxx/yyyy/z1) f&#252;r den sog. vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil &#252;bermittelt. Es wurde eine Umsatzsteuer i.H.v. 7.654,63 &#8364; unter Ber&#252;cksichtigung der gesamten im Juli ausgef&#252;hrten Ums&#228;tze erkl&#228;rt. Am 12.10.2015 ging eine berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung f&#252;r Juli 2015 beim Beklagten ein, mit der f&#252;r den gesamten Monat eine Umsatzsteuer i. H. v. 15.325,88 &#8364; erkl&#228;rt wurde.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">10</span><p class=\"absatzLinks\">Der Beklagte f&#252;hrte im Anschluss bei der Insolvenzschuldnerin eine Umsatzsteuer-Sonderpr&#252;fung durch. Die Pr&#252;ferin kam zu der Feststellung, dass die f&#252;r Juli 2015 erkl&#228;rten Ums&#228;tze aufzuteilen seien. Die bis zum Antrag auf Er&#246;ffnung des Insolvenzverfahrens ausgef&#252;hrten Ums&#228;tze und die sich daraus ergebende Umsatzsteuer seien dem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil zuzurechnen. Die nach der Antragstellung (29.07.2015) ausgef&#252;hrten Ums&#228;tze betr&#228;fen den nachinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil (neue Steuernummer: xxxx/yyyy/z2) und die sich daraus ergebende Umsatzsteuer begr&#252;nde eine Masseverbindlichkeit. Es wird wegen der Einzelheiten auf Tz.&#160;2.3 des Umsatzsteuer-Sonderpr&#252;fungsberichts vom 18.01.2016 verwiesen (USt-Akte Bl.&#160;141 ff.).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">11</span><p class=\"absatzLinks\">Der Beklagte folgte den Feststellungen der Pr&#252;ferin und setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlung f&#252;r Juli 2015 den nachinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil betreffend mit Bescheid vom 03.02.2016 auf 2.366,99 &#8364; fest.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">12</span><p class=\"absatzLinks\">Der Kl&#228;ger legte gegen den Bescheid Einspruch ein. Denn die festgesetzte Umsatzsteuer sei dem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil zuzuordnen. Die sich daraus ergebende Umsatzsteuerverbindlichkeit sei als eine Insolvenzforderung nach &#167; 38 InsO zu behandeln und nicht als Masseverbindlichkeit. Der Insolvenzschuldnerin sei im Rahmen der Unternehmensfortf&#252;hrung nach &#167; 270b Abs. 3 InsO keine Generalerm&#228;chtigung zur Begr&#252;ndung von Masseverbindlichkeiten, sondern nur eine Einzel- bzw. Gruppenerm&#228;chtigung erteilt worden. Hiervon sei die Begr&#252;ndung von Umsatzsteuerverbindlichkeiten nicht erfasst.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">13</span><p class=\"absatzLinks\">F&#252;r die Monate August und September 2015 setzte der Beklagte gegen den Kl&#228;ger mit Bescheiden jeweils vom 14.03.2016 die Vorauszahlungen auf 26.090,52 &#8364; (August 2015) und 6.313,65 &#8364; (September 2015) fest. Gegen diese Bescheide legte der Kl&#228;ger ebenfalls Einspr&#252;che ein.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">14</span><p class=\"absatzLinks\">W&#228;hrend des Einspruchsverfahrens erlie&#223; der Beklagte am 29.09.2016 einen Umsatzsteuerjahresbescheid und setzte die Umsatzsteuer 2015 unter der Steuernummer xxxx/yyyy/z2 f&#252;r den nachinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil auf 61.520,14 &#8364; fest. Dabei ber&#252;cksichtigte er im Wege der Sch&#228;tzung und hinsichtlich der H&#246;he in Absprache mit dem Kl&#228;ger die in der Zeit vom 29.07.2015 (Beginn des Insolvenzer&#246;ffnungsverfahren unter Anordnung der vorl&#228;ufigen Eigenverwaltung) bis zum 30.09.2015 (Er&#246;ffnung des Insolvenzverfahrens und Anordnung der Eigenverwaltung) ausgef&#252;hrten und im Rahmen der jeweiligen Umsatzsteuer-Voranmeldungen erkl&#228;rten Ums&#228;tze.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">15</span><table class=\"absatzLinks\" cellpadding=\"0\" cellspacing=\"0\"><tbody><tr><td><p>Monat</p>\n</td>\n<td><p>Angemeldete Umsatzsteuer</p>\n</td>\n</tr>\n<tr><td><p>Juli</p>\n</td>\n<td><p>2.366,99 &#8364;</p>\n</td>\n</tr>\n<tr><td><p>August</p>\n</td>\n<td><p>26.090,53 &#8364;</p>\n</td>\n</tr>\n<tr><td><p><span style=\"text-decoration:underline\">September</span></p>\n</td>\n<td><p><span style=\"text-decoration:underline\">6.313,65 &#8364;</span></p>\n</td>\n</tr>\n<tr><td><p>Summe</p>\n</td>\n<td><p>34.771,17 &#8364;</p>\n</td>\n</tr>\n</tbody>\n</table>\n<span class=\"absatzRechts\">16</span><p class=\"absatzLinks\">Dar&#252;ber hinaus ber&#252;cksichtigte er die f&#252;r die Monate Oktober bis Dezember 2015 angemeldeten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">17</span><table class=\"absatzLinks\" cellpadding=\"0\" cellspacing=\"0\"><tbody><tr><td><p>Monat</p>\n</td>\n<td><p>Angemeldete Umsatzsteuer</p>\n</td>\n</tr>\n<tr><td><p>Oktober</p>\n</td>\n<td><p>12.131,67 &#8364;</p>\n</td>\n</tr>\n<tr><td><p>November</p>\n</td>\n<td><p>12.078,87 &#8364;</p>\n</td>\n</tr>\n<tr><td><p><span style=\"text-decoration:underline\">Dezember</span></p>\n</td>\n<td><p><span style=\"text-decoration:underline\">2.539,68 &#8364;</span></p>\n</td>\n</tr>\n<tr><td><p>Summe</p>\n</td>\n<td><p>26.750,22 &#8364;</p>\n</td>\n</tr>\n</tbody>\n</table>\n<span class=\"absatzRechts\">18</span><p class=\"absatzLinks\">Der Umsatzsteuerjahresbescheid 2015 erging unter dem Vorbehalt der Nachpr&#252;fung.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">19</span><p class=\"absatzLinks\">Der Beklagte wies die Einspr&#252;che des Kl&#228;gers mit seiner Entscheidung vom 12.12.2016 als unbegr&#252;ndet zur&#252;ck. Die in der Zeit der vorl&#228;ufigen Eigenverwaltung ausgef&#252;hrten Ums&#228;tze seien der Insolvenzmasse zuzurechnen und die sich daraus ergebende Umsatzsteuerverbindlichkeit sei als Masseverbindlichkeit zu erfassen. Zwar finde &#167; 55 Abs.&#160;4 InsO auf den vorl&#228;ufigen Sachwalter w&#228;hrend der vorl&#228;ufigen Eigenverwaltung grunds&#228;tzlich keine Anwendung. Etwas anderes gelte jedoch, wenn in diesem Fall das Insolvenzgericht den Schuldner bzw. den vorl&#228;ufigen Sachwalter zur Begr&#252;ndung von Masseverbindlichkeiten erm&#228;chtige. Eine solche Erm&#228;chtigung sei vom Amtsgericht E am 29.07.2015 erteilt worden und diese umfasse auch die Umsatzsteuerverbindlichkeiten. Eine wirksame Einzelerm&#228;chtigung liege nicht vor, da die hierf&#252;r erforderlichen Voraussetzungen nicht erf&#252;llt seien. Daher sei von einer erteilten Globalerm&#228;chtigung auszugehen. Wegen der Pflicht des Insolvenzgerichts, den Schuldner ohne Pr&#252;fung zur Begr&#252;ndung von Masseverbindlichkeiten im beantragten Umfang zu erm&#228;chtigen, gingen Formulierungsunklarheiten zu Lasten der Insolvenzschuldnerin bzw. des Kl&#228;gers. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung vom 12.12.2016 (Bl. 8 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">20</span><p class=\"absatzLinks\">Mit seiner am 09.01.2017 erhobenen Klage verfolgt der Kl&#228;ger sein Begehren weiter.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">21</span><p class=\"absatzLinks\">Mit Beschluss vom 15.02.2018 hat der damalig zust&#228;ndige Berichterstatter das Verfahren in Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Az. XI R 35/17 anh&#228;ngige Revisionsverfahren nach &#167; 251 Satz 1 der Zivilprozessordnung i. V. m. &#167; 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ruhend gestellt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">22</span><p class=\"absatzLinks\">Nachdem der BFH mit seinem Urteil vom 27.11.2019 in der Sache entschieden hatte, ist das Verfahren fortgesetzt worden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">23</span><p class=\"absatzLinks\">Der Kl&#228;ger tr&#228;gt vor, dass die f&#252;r die Zeit der vorl&#228;ufigen Eigenverwaltung geschuldete Umsatzsteuer keine Masseverbindlichkeit darstelle. Die Erm&#228;chtigung des Amtsgerichts E beziehe sich ausschlie&#223;lich auf Lieferanten und Dienstleister. Aus dieser personellen Beschr&#228;nkung der Erm&#228;chtigung folge, dass keine Globalerm&#228;chtigung erteilt worden sei. Zur Verneinung einer Globalerm&#228;chtigung gen&#252;ge es, dass das Insolvenzgericht im Beschlusstenor eine Beschr&#228;nkung auf die zur Finanzierung des laufenden Gesch&#228;ftsbetriebs notwendigen Verbindlichkeiten gegen&#252;ber Dienstleistern und Lieferanten vornehme. Soweit danach Unklarheiten best&#252;nden, m&#252;sse ggf. eine Auslegung der Befugnisse des Schuldners nach objektiven Grunds&#228;tzen und nicht nach den subjektiven Vorstellungen der am Beschluss Beteiligten erfolgen. So folge schon aus der amtlichen &#220;berschrift der Regelung zum Schutzschirmverfahren nach &#167; 270b InsO (&#8222;Verfahren zur Vorbereitung einer Sanierung&#8220;) eine Beschr&#228;nkung auf solche Verbindlichkeiten, die den Sanierungszweck f&#246;rderten. Nur in diesem Rahmen gelte &#167; 55 Abs. 2 InsO im Eigenverwaltungsverfahren entsprechend. Zahlungen an Sozialversicherungstr&#228;ger und Finanzkassen f&#246;rderten nicht den Sanierungszweck.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">24</span><p class=\"absatzLinks\">Er beantragt (vgl. Bl. 62 f. der Gerichtsakte),</p>\n<span class=\"absatzRechts\">25</span><p class=\"absatzLinks\">den Jahres-Umsatzsteuerbescheid 2015 vom 29.09.2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.12.2016 um die folgenden Betr&#228;ge:</p>\n<span class=\"absatzRechts\">26</span><p class=\"absatzLinks\">Umsatzsteuer 7/2015: 2.366,99 &#8364;,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">27</span><p class=\"absatzLinks\">Umsatzsteuer 8/2015: 26.090,53 &#8364; sowie</p>\n<span class=\"absatzRechts\">28</span><p class=\"absatzLinks\">Umsatzsteuer 9/2015: 6.313,65 &#8364;,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">29</span><p class=\"absatzLinks\">(insgesamt 34.771,17 &#8364;) zu vermindern.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">30</span><p class=\"absatzLinks\">Der Beklagte beantragt,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">31</span><p class=\"absatzLinks\">die Klage abzuweisen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">32</span><p class=\"absatzLinks\">Er nimmt zur Begr&#252;ndung auf seine Einspruchsentscheidung Bezug.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">33</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beteiligten haben auf die Durchf&#252;hrung einer m&#252;ndlichen Verhandlung verzichtet (Bl. 56, 58 der Gerichtsakte).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">34</span><p class=\"h2 absatzLinks\">E n t s c h e i d u n g s g r &#252; n d e</p>\n<span class=\"absatzRechts\">35</span><p class=\"absatzLinks\">Der Senat entscheidet mit Einverst&#228;ndnis der Beteiligten ohne m&#252;ndliche Verhandlung (&#167; 90 Abs. 2 FGO).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">36</span><p class=\"absatzLinks\">Die Klage hat Erfolg.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">37</span><p class=\"absatzLinks\">Der Umsatzsteuerbescheid 2015 vom 29.09.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.12.2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kl&#228;ger in seinen Rechten (&#167; 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Unrecht die w&#228;hrend der vorl&#228;ufigen Eigenverwaltung vom 29.07.2015 bis zum 30.09.2015 ausgef&#252;hrten Ums&#228;tze der Insolvenzmasse zugerechnet. Der Beklagte h&#228;tte die sich daraus ergebende Umsatzsteuerverbindlichkeit als Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden m&#252;ssen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">38</span><p class=\"absatzLinks\">1. Die Er&#246;ffnung des Insolvenzverfahrens hat zur Folge (vgl. hier nur BFH, Urteil vom 27.11.2019, XI R 35/17, BFH/NV 2020, 482, Rn. 26 m.w.N.), dass trotz fortbestehender Unternehmenseinheit das Verm&#246;gen der Insolvenzschuldnerin einem unterschiedlichen Rechtsregime unterworfen ist. Der Besteuerungszeitraum wird zwar nicht unterbrochen, aber innerhalb des Besteuerungszeitraums ist die auf die Zeit nach Insolvenzer&#246;ffnung entfallende Umsatzsteuer (in der Praxis: unter einer neuen Steuernummer, die der Masse zugeteilt wird) durch Steuerbescheid festzusetzen und die auf die Zeit bis zur Insolvenzer&#246;ffnung entfallende Umsatzsteuer nur nach den Vorschriften &#252;ber das Insolvenzverfahren zu verfolgen, das hei&#223;t im Regelfall zur Tabelle anzumelden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">39</span><p class=\"absatzLinks\">2. Bei den im vorl&#228;ufigen Eigenverwaltungsverfahren vom 29.07.2015 bis zum 30.09.2015 begr&#252;ndeten Umsatzsteuerschulden handelt es sich nicht um Masseverbindlichkeiten.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">40</span><p class=\"absatzLinks\">a) Das vorl&#228;ufige Eigenverwaltungsverfahren ist in den &#167;&#167; 270a und 270b InsO geregelt. Nach &#167; 270b Abs. 3 InsO hat das Gericht im sog. Schutzschirmverfahren auf Antrag anzuordnen, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begr&#252;ndet. &#167; 55 Abs. 2 InsO gilt dann entsprechend. Nach &#167; 55 Abs. 2 InsO gelten Verbindlichkeiten, die von einem vorl&#228;ufigen Insolvenzverwalter begr&#252;ndet worden sind, auf den die Verf&#252;gungsbefugnis &#252;ber das Verm&#246;gen des Schuldners &#252;bergegangen ist, nach der Er&#246;ffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">41</span><p class=\"absatzLinks\">b) Danach gelten die in der Zeit vom 29.07.2015 bis zum 30.09.2015 begr&#252;ndeten Umsatzsteuerverbindlichkeiten nicht mit Er&#246;ffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten. Denn die Anordnung des Amtsgerichts E vom 29.07.2015, mit der die Insolvenzschuldnerin auf ihren Antrag hin zur Begr&#252;ndung von Masseverbindlichkeiten erm&#228;chtigt wurde, erfasst nicht die streitigen Umsatzsteuerverbindlichkeiten.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">42</span><p class=\"absatzLinks\">aa) Die Regelung des &#167; 270b Abs. 3 InsO er&#246;ffnet dem Schuldner die M&#246;glichkeit, zwischen dem Antrag auf Erlass einer pauschalen oder globalen Erm&#228;chtigung einerseits und dem Antrag auf Erlass einer Einzel- oder Gruppenerm&#228;chtigung andererseits zu w&#228;hlen (OLG Dresden, Urteil vom 15.10.2014, 13 U 1605/13, Zeitschrift f&#252;r Wirtschaftsrecht (ZIP) 2015, 1937; LG Hamburg, Urteil vom 24.4.2015, 303 O 236/14, Zeitschrift f&#252;r das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht (ZInsO) 2016, 1108; Kern in: M&#252;nchener Kommentar zur Insolvenzordnung (M&#252;KoInsO), 4. Aufl. 2020, &#167; 270b Rn. 113).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">43</span><p class=\"absatzLinks\">Die Einzel- oder Gruppenerm&#228;chtigung dient der Erleichterung der Sanierung des schuldnerischen Unternehmens und sch&#252;tzt damit zugleich den Schuldner. Bei einer globalen Erm&#228;chtigung werden s&#228;mtliche vom Schuldner begr&#252;ndeten sowie die von &#167;&#160;55 Abs. 2 Satz 2 InsO erfassten Verbindlichkeiten im er&#246;ffneten Verfahren als Masseverbindlichkeiten behandelt, ohne dass es darauf ank&#228;me, ob ihre vorrangige Befriedigung zur Sanierung des Unternehmens notwendig oder angezeigt ist. Die vollst&#228;ndige Befriedigung aller w&#228;hrend des Er&#246;ffnungsverfahrens begr&#252;ndeter Verbindlichkeiten im Rang von Masseverbindlichkeiten ist zur Aufrechterhaltung des Betriebs des Schuldners im Regelfall nicht erforderlich. Es reicht, wenn der Antrag des Schuldners und danach auch die Erm&#228;chtigung des Insolvenzgerichts konkret beschreibt, welche Verbindlichkeiten erfasst sein sollen (OLG Dresden, Urteil vom 15.10.2014, 13 U 1605/13, ZIP 2015, 1937).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">44</span><p class=\"absatzLinks\">Die Frage, ob das Insolvenzgericht eine Globalerm&#228;chtigung oder eine Einzel bzw. Gruppenerm&#228;chtigung angeordnet hat, ist ebenso wie die Frage nach dem Umfang und der Reichweite der beiden letztgenannten Erm&#228;chtigungen ggf. durch Auslegung festzustellen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 15.10.2014, 13 U 1605/13, ZIP 2015, 1937; Kern in: M&#252;KoInsO, 4. Aufl. 2020, &#167; 270b Rn. 116). So liegt z.B. eine Globalerm&#228;chtigung vor, wenn eine Beschr&#228;nkung auf bestimmte Gesch&#228;fte nicht vorgenommen wurde (BGH, Urteil vom 16.06.2016, IX ZR 114/15, Neue Zeitschrift f&#252;r Insolvenz- und Sanierungsrecht (NZI) 2016, 779 Rn. 20). Ist eine Erm&#228;chtigung erteilt worden, hat der Schuldner kein Wahlrecht, ob er im Einzelfall Masseverbindlichkeiten begr&#252;nden m&#246;chte oder nicht. Die Begr&#252;ndung von Masseschulden richtet sich vielmehr nach den Vorschriften, die f&#252;r den starken vorl&#228;ufigen Verwalter gelten (BGH, Urteil vom 16.06.2016, IX ZR 114/15, NZI 2016, 779, Rn. 21 f.; Kern in: M&#252;KoInsO, 4. Aufl. 2020, &#167; 270b Rn.&#160;113). Der Schuldner kann die mit der erteilten Erm&#228;chtigung einhergehende Liquidit&#228;tsbelastung im Wege der Beantragung einer Einzel- oder Gruppenerm&#228;chtigung vermeiden (dies wird in der Literatur vielfach als empfehlenswert angesehen, vgl. z.B. Martini in: Beck-Onlinekommentar Insolvenzordnung, &#167; 270b Rn. 73, Kern in: M&#252;KoInsO, 4.&#160;Aufl. 2020, &#167; 270b Rn. 113).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">45</span><p class=\"absatzLinks\">bb) Unter Ber&#252;cksichtigung dieser Grunds&#228;tze legt der Senat die Anordnung des Amtsgerichts E vom 29.07.2015 dahingehend aus, dass es sich um eine wirksame Gruppenerm&#228;chtigung und nicht um eine Globalerm&#228;chtigung handelt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">46</span><p class=\"absatzLinks\">Die vom Amtsgericht E erteilte Erm&#228;chtigung enth&#228;lt bereits eine Beschr&#228;nkung dahingehend, dass hiervon nur Verbindlichkeiten aus R&#252;ckzahlungsanspr&#252;chen, Zinsen und Geb&#252;hren wegen eines Darlehens im Rahmen der Insolvenzgeldvorfinanzierung zum Zweck der Finanzierung des laufenden Gesch&#228;ftsbetriebs als Masseverbindlichkeiten erfasst werden. Schon aus diesem Grund liegt keine Globalerm&#228;chtigung vor, die keine Beschr&#228;nkungen vorsieht.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">47</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beschr&#228;nkung wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass das Amtsgericht die Insolvenzschuldnerin dar&#252;ber hinaus dahingehend erm&#228;chtigt, im Insolvenzer&#246;ffnungsverfahren Masseverbindlichkeiten zum Zweck der Aufrechterhaltung des laufenden Gesch&#228;ftsbetriebs mit Zustimmung des vorl&#228;ufigen Sachwalters gegen&#252;ber Dienstleistern und Lieferanten zu begr&#252;nden. Denn insoweit ist die Erm&#228;chtigung auf eine bestimmte Gruppe an Gl&#228;ubigern beschr&#228;nkt. Danach sind z.B. s&#228;mtliche Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin bzw. Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin, die sich aus dem Abschluss von Kaufvertr&#228;gen mit ihren Kunden ergeben (z.B. Sachm&#228;ngelanspr&#252;che) nicht in den Rang einer Masseverbindlichkeit gehoben worden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">48</span><p class=\"absatzLinks\">Die Gruppenerm&#228;chtigung des Amtsgerichts E ist auch hinreichend konkret. Denn anhand der Zweckbestimmung (Finanzierung bzw. Aufrechterhaltung des laufenden Gesch&#228;ftsbetriebs) und der personellen Bezeichnung (Dienstleister und Lieferanten) ist die Gruppe der davon erfassten Gl&#228;ubiger zumindest bestimmbar.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">49</span><p class=\"absatzLinks\">cc) Die nach dem 29.07.2015 begr&#252;ndeten Umsatzsteuerverbindlichkeiten werden von der erteilten Gruppenerm&#228;chtigung nicht erfasst.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">50</span><p class=\"absatzLinks\">Die Gruppenerm&#228;chtigung bezieht sich nur auf Gl&#228;ubiger, von denen die Insolvenzschuldnerin Eingangsleistungen bezieht (Dienstleister und Lieferanten). Die Verbindlichkeiten gegen&#252;ber den Gl&#228;ubigern im Zusammenhang mit Rechtsgesch&#228;ften, die zu umsatzsteuerpflichtigen Ausgangsums&#228;tzen f&#252;hren, sind nicht von der vom Amtsgericht E erteilten Erm&#228;chtigung erfasst. Schon aus diesem Grund handelt es sich bei den Umsatzsteuerverbindlichkeiten, die mit der Ausf&#252;hrung der Ausgangsums&#228;tze nach dem 29.07.2015 begr&#252;ndet wurden, nicht um Masseverbindlichkeiten. Die Frage, ob z.B. im Fall einer Globalerm&#228;chtigung die Umsatzsteuer, die bei der Vorbereitung einer Sanierung im Schutzschirmverfahren gem. &#167; 270&#8201;b InsO entsteht, nachdem das Gericht angeordnet hat, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begr&#252;ndet, als Masseverbindlichkeit und nicht als Insolvenzforderung zu behandeln ist, kann danach dahinstehen (bejahend FG N&#252;rnberg, Gerichtsbescheid vom 28.03.2018, 2 K 1105/15, EFG 2018, 1229; ablehnend Witfeld, NZI 2018, 652).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">51</span><p class=\"absatzLinks\">dd) Entgegen der Ansicht des Beklagten l&#228;ge eine Globalerm&#228;chtigung, welche die nach dem 29.07.2015 begr&#252;ndeten Umsatzsteuerverbindlichkeiten erfassen w&#252;rde, auch dann nicht vor, wenn es sich bei der vom Amtsgericht E erteilten Erm&#228;chtigung mangels einer hinreichenden Individualisierung der Gl&#228;ubiger um keine wirksame Gruppenerm&#228;chtigung handeln w&#252;rde. Denn dann l&#228;gen die Voraussetzungen f&#252;r die Begr&#252;ndung einer Masseverbindlichkeit nach &#167;&#160;270b Abs. 3 InsO insgesamt nicht vor (vgl. zur Folge einer unzul&#228;ssigen Anordnung auch BGH, Urteil vom 18.07.2002, IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625, Rn. 32 ff.). Im Rahmen des Schutzschirmverfahrens (&#167; 270b InsO) werden jedoch nur insoweit Masseverbindlichkeiten begr&#252;ndet, als der Schuldner vom Insolvenzgericht hierzu erm&#228;chtigt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2018, IX ZR 167/16, DStR 2019, 174; BFH, Urteil vom 27.11.2019, XI R 35/17, BFH/NV 2020, 482). Soweit der Beklagte darauf abstellt, dass Unklarheiten zu Lasten der Insolvenzschuldnerin gingen und in einem solchen Fall von einer Globalerm&#228;chtigung auszugehen sei, ist zu beachten, dass damit nicht nur die Liquidit&#228;t der Insolvenzschuldnerin belastet werden w&#252;rde, sondern dar&#252;ber hinaus auch mit Blick auf das Ausfallrisiko s&#228;mtliche Alt-Gl&#228;ubiger im Vergleich zu den Neu-Gl&#228;ubigern benachteiligt w&#252;rden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">52</span><p class=\"absatzLinks\">3. Die Kostenentscheidung folgt aus &#167; 135 Abs. 1 FGO.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">53</span><p class=\"absatzLinks\">Die Revision war mangels des Vorliegens eines Revisionsgrundes i.S.d. &#167; 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">54</span><p class=\"absatzLinks\">Die Entscheidung &#252;ber die vorl&#228;ufige Vollstreckbarkeit beruht auf &#167;&#167;&#160;151 Abs.&#160;3, 155 FGO i.&#160;V.&#160;m. &#167;&#167;&#160;708 Nr.&#160;10, 711 der Zivilprozessordnung.</p>\n      "
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