List view for cases

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    "file_number": "4 K 743/20 VTa",
    "date": "2021-02-24",
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    "updated_date": "2022-10-17T10:57:04Z",
    "type": "Urteil",
    "ecli": "ECLI:DE:FGD:2021:0224.4K743.20VTA.00",
    "content": "<h2>Tenor</h2>\n\n<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>\n<p>Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.</p>\n<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p><br style=\"clear:both\">\n\n<span class=\"absatzRechts\">1</span><p class=\"absatzLinks\"><strong>Tatbestand:</strong></p>\n<span class=\"absatzRechts\">2</span><p class=\"absatzLinks\">Am 10.02.2020 führten Beamte der Kontrolleinheit Verkehrswege des Beklagten eine Steueraufsichtsmaßnahme in dem vom Kläger betriebenen Shisha Café durch und stellten dabei in der Zubereitungsküche des Shisha-Cafés folgende Waren in Dosen fest:</p>\n<span class=\"absatzRechts\">3</span><p class=\"absatzLinks\">“………………………………………“</p>\n<span class=\"absatzRechts\">4</span><p class=\"absatzLinks\">Die Dosen wiesen weder gültige Steuerzeichen noch die üblichen Warnhinweise auf.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">5</span><p class=\"absatzLinks\">Da die Beamten die Erzeugnisse als Steuergegenstände nach § 1 Abs. 8 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 TabStG ansahen, stellten sie die Dosen nach § 215 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b der Abgabenordnung (AO) sicher.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">6</span><p class=\"absatzLinks\">Den schon bei der Sicherstellung eingelegten Einspruch des Klägers wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 25.02.2020 als unbegründet zurück und führte dazu aus, die Sicherstellung der sog. Wasserpfeifenwatte sei nach § 33 Abs. 3 TabStG in Verbindung mit § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b AO zu Recht erfolgt. Er habe die Wasserpfeifenwatte sicherstellen dürfen, weil sie im Handel ohne vorschriftsmäßige Steuerzeichen vorgefunden worden sei und es sich deshalb um nicht verkehrsfähige Ware gehandelt habe. Die Wasserpfeifenwatte stelle einen Steuergegenstand dar, für den die Steuer nach § 17 Abs. 1 TabStG durch Verwendung von Steuerzeichen zu entrichten sei. Dazu seien die Steuerzeichen zu entwerten und auf den Kleinverkaufspackungen anzubringen, was aber nicht geschehen sei. Daher sei die Sicherstellung geboten gewesen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">7</span><p class=\"absatzLinks\">Zur Begründung seiner fristgerecht erhobenen Klage trägt der Kläger vor, er betreibe eine Shisha-Bar und habe zur Vermeidung von Verstößen gegen das TabStG sein Sortiment auf Wasserpfeifenwatte umgestellt. Dabei handele es sich um ein Zellstoffmaterial, das keinen Tabakanteil mehr enthalte, aber ein gleichartiges Verdampfungsverhalten wie Tabak habe und deshalb – mit Aromen behandelt – ein ähnliches Rauchgefühl wie Wasserpfeifentabak bei einem Konsum mit einer Wasserpfeife erzeuge. Maßgeblicher Unterschied sei aber, dass nichts verbrannt werde, sondern alles ähnlich wie ein Liquid in einer E-Zigarette verdampfe.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">8</span><p class=\"absatzLinks\">Die Voraussetzungen eines Steuergegenstands seien nicht gegeben. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 sei Rauchtabak (Feinschnitt oder Pfeifentabak) geschnittener oder anders zerkleinerter oder gesponnener oder in Platten gepresster Tabak, der sich ohne weitere industrielle Verarbeitung zum Rauchen eigne. Dies treffe auf die sichergestellte Ware nicht zu.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">9</span><p class=\"absatzLinks\">Der Kläger beantragt,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">10</span><p class=\"absatzLinks\">die Sicherstellung der Wasserpfeifenwatte vom 10.02.2020 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.02.2020 aufzuheben.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">11</span><p class=\"absatzLinks\">Der Beklagte beantragt,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">12</span><p class=\"absatzLinks\">die Klage abzuweisen,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">13</span><p class=\"absatzLinks\">und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus, als Rauchtabak gölten auch Erzeugnisse, die statt aus Tabak ganz oder teilweise aus anderen Stoffen bestünden und die sonstigen Voraussetzungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 TabStG für Rauchtabak erfüllten. Die Wasserpfeifenwatte bestehe nicht aus herkömmlichem Tabak, sondern aus anderen Stoffen wie Zellulose, welche als Trägermaterial diene und in einer für Wasserpfeifentabak typischen aromatisierten Flüssigkeit (Molasse/ Liquid) getränkt sei. Die Zelluloseteile seien im Hinblick auf ihre Größe mit anderen Trägerstoffen wie Tabak, Früchten oder Pflanzenteilen vergleichbar, die im herkömmlichen Wasserpfeifentabak verwendet würden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">14</span><p class=\"absatzLinks\">Nach den Angaben des Herstellers auf der Verpackung und seiner Homepage werde empfohlen, das Erzeugnis in E-Shishas oder mit elektrischer Kohle nur auf 150 bis 200°C zu erhitzen, so dass es nur zum Verdampfen der Aromastoffe und nicht zu einer Verbrennung komme. Diese Empfehlung stelle nur eine beispielhafte Konsumempfehlung für ein „gesünderes“ Rauchen dar.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">15</span><p class=\"absatzLinks\">Diese Konsumempfehlung schließe eine Verwendung der Wasserpfeifenwatte in einer konventionellen Shisha mit Naturkohle nicht aus. Zudem könne auch mit einer E-Shisha die Temperatur auf weit über 500°C eingestellt werden. Auch sei im Rahmen von Steueraufsichtsmaßnahmen festgestellt worden, dass die Wasserpfeifenwatte üblicherweise auch in normalen Wasserpfeifen verwendet werde und als Ersatz für Wasserpfeifentabak diene. Zudem handele es sich bei der Wasserpfeifenwatte unabhängig von ihrer Rauchfreiheit um ein Erzeugnis, das ganz aus Tabakersatzstoffen hergestellt worden sei und das auf Grund seiner Aufmachung und Beschaffenheit dazu geeignet und bestimmt sei, ohne weitere industrielle Bearbeitung in einer Wasserpfeife geraucht zu werden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">16</span><p class=\"absatzLinks\">In den vom Beklagten vorgelegten Auszügen aus der Homepage wurde einerseits auf die Rauch- und Tabakfreiheit hingewiesen, andererseits aber auch ausgeführt, dass das Produkt in jedem Fall ganz einfach wie herkömmlicher Wasserpfeifentabak verwendet werden könne und für jede Wasserpfeife und jeden Shishakopf geeignet sei. Die Ausführungen zur Verwendung der Wasserpfeifenwatte wie herkömmlicher Wasserpfeifentabak wurden in der Folgezeit von der Homepage entfernt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">17</span><p class=\"absatzLinks\">Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat wegen einer kurzfristig aufgetretenen Erkrankung eine Aufhebung und Verlegung des für den 24.02.2021 anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung beantragt. Er hat später, mit Schriftsatz vom 24.02.2021, auf mündliche Verhandlung verzichtet. Der Beklagte hat ebenfalls mit Schriftsatz vom 24.02.2021 auf mündliche Verhandlung verzichtet.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">18</span><p class=\"absatzLinks\"><strong>Entscheidungsgründe:</strong></p>\n<span class=\"absatzRechts\">19</span><p class=\"absatzLinks\">1. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO). Der Sachverhalt ist geklärt, so dass eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Es bedurfte daher auch keiner Terminsverlegung (§ 155 Satz 1 FGO, § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">20</span><p class=\"absatzLinks\">2. Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat am 10.02.2020 zu Recht die Rauchwatte sichergestellt. Die Anordnung der Sicherstellung der Rauchwatte vom 10.02.2020 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.02.2020 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">21</span><p class=\"absatzLinks\">Nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b AO kann eine Finanzbehörde verbrauchsteuerpflichtige Waren, die ein Amtsträger im Handel ohne eine den Steuergesetzen entsprechende Verpackung oder ohne vorschriftsmäßige Steuerzeichen vorfindet, durch Wegnahme sicherstellen. Diese Voraussetzungen liegen vor:</p>\n<span class=\"absatzRechts\">22</span><p class=\"absatzLinks\">a) Die sichergestellten Waren sind verbrauchsteuerpflichtig. Sie gelten als Tabakwaren, nämlich Rauchtabak, und unterliegen als solcher der Tabaksteuer. Gem. § 1 Abs. 8 Satz 1 TabStG gelten Erzeugnisse als Rauchtabak, die statt aus Tabak ganz oder teilweise aus anderen Stoffen bestehen und die sonstigen Voraussetzungen für Rauchtabak nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 TabStG erfüllen. Die auch als Rauchwatte bezeichnete Wasserpfeifenwatte gilt danach als Rauchtabak, denn sie besteht statt aus Tabak aus anderen Stoffen und erfüllt die sonstigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 TabStG.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">23</span><p class=\"absatzLinks\">Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 TabStG ist Rauchtabak (Feinschnitt oder Pfeifentabak) geschnittener oder anders zerkleinerter oder gesponnener oder in Platten gepresster Tabak, der sich ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen eignet. Die Wasserpfeifenwatte eignet sich ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen. Denn sie entspricht bis auf ihren Zelluloseanteil herkömmlichem Wasserpfeifentabak, der neben zerkleinertem Rohtabak aus Glycerin und Aromastoffen besteht. Insoweit ersetzt die Zellulose nur den zerkleinerten Rohtabak. Die Wasserpfeifenwatte kann wie handelsüblicher Wasserpfeifentabak in Wasserpfeifen geraucht werden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">24</span><p class=\"absatzLinks\">Dass beim Einsatz elektrischer Shishas unter der Bedingung, dass die Temperaturen 200°C nicht übersteigen, die in der Wasserpfeifenwatte enthaltenen Aromastoffe nur verdampfen und der Nutzer deshalb nur Dampf einatmet, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Zunächst ändert dies nichts daran, dass ein Konsument die Wasserpfeifenwatte genauso wie Wasserpfeifentabak rauchen könnte, sie sich also im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 TabStG zum Rauchen „eignet“.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">25</span><p class=\"absatzLinks\">Darüber hinaus ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass für die Frage des Steuergegenstandes nach dem TabStG allein entscheidend ist, ob der nach der Hitzeeinwirkung entstehende Rauch bzw. Dampf durch Einziehen in den Mundraum bzw. Inhalation genossen werden kann (vgl. Bundesgerichtshof – BGH – Beschluss v. 27.07.2016, 1 StR 19/16, HFR 2017, 181). Ein Nutzer, der die in der Wasserpfeifenwatte enthaltenen Stoffe nur verdampfen lässt, nimmt sie ebenso wie ein Raucher durch Inhalieren auf (vgl. BGH Urteil v. 23.12.2015, 2 StR 525/13, BGHSt 61, 110, NJW 2016, 1251).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">26</span><p class=\"absatzLinks\">Im Übrigen spielt es schon beim Genuss von Wasserpfeifentabak keine Rolle, ob die in der Wasserpfeife stattfindende Verschwelung des Tabaks als ein langsames Brennen ohne offenes Feuer unter starker Rauchentwicklung anzusehen ist oder ob sie eine gegenüber dem direkten Verbrennen andere Form der Stoffumwandlung darstellt. Denn bei beiden Sichtweisen, wenn sie denn überhaupt unterschiedlich sind, ist der Genuss der Wasserpfeife dem Rauchen zuzuordnen (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss v. 05.03.2014, 20 ZB 13.2439, juris).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">27</span><p class=\"absatzLinks\">b) Die Wasserpfeifenwatte kann nicht mit nicht steuerbaren Liquids für sog. E-Zigaretten verglichen werden, denn die Liquids enthalten neben Glycerin Aromastoffe und gegebenenfalls Nikotin, aber keine Trägerstoffe wie die Zellulose bei der Wasserpfeifenwatte oder der Tabak, teilweise auch mit Früchten und Pflanzenteilen gemischt, beim Wasserpfeifentabak.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">28</span><p class=\"absatzLinks\">c) Für die Wasserpfeifenwatte als Tabakware ist die Tabaksteuer nach § 17 Abs. 1 Satz 1 TabStG durch Verwendung von Steuerzeichen zu entrichten. Dabei umfasst die Verwendung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 TabStG das Entwerten und das Anbringen der Steuerzeichen auf den Kleinverkaufspackungen. Die vom Beklagten sichergestellte Ware wies jedoch keine Steuerzeichen auf und war nicht versteuert gewesen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">29</span><p class=\"absatzLinks\">d) Die Anordnung der Sicherstellung steht im Ermessen der Finanzbehörde, dessen Ausübung das Gericht nur eingeschränkt gem. § 102 Satz 1 FGO überprüfen kann. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich: Die Wasserpfeifenwatte gewerbsmäßig unversteuert angeboten.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">30</span><p class=\"absatzLinks\">e) Die Regelungen in § 1 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 8 Satz 1 TabStG entsprechen Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/64/EU des Rates über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">31</span><p class=\"absatzLinks\">3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision aus § 115 Abs. 2 FGO.</p>\n      "
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