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GET /api/cases/336538/
{ "id": 336538, "slug": "lg-dortmund-2021-03-10-8-o-820-kart", "court": { "id": 806, "name": "Landgericht Dortmund", "slug": "lg-dortmund", "city": 407, "state": 12, "jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit", "level_of_appeal": "Landgericht" }, "file_number": "8 O 8/20 [Kart]", "date": "2021-03-10", "created_date": "2021-04-14T10:01:22Z", "updated_date": "2022-10-17T10:57:50Z", "type": "Beschluss", "ecli": "ECLI:DE:LGDO:2021:0310.8O8.20KART.00", "content": "<h2>Tenor</h2>\n\n<p>erklärt sich das Landgericht Dortmund für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit auf den hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin vom 29. Januar 2021 gemäß § 281 ZPO ohne mündliche Verhandlung</p>\n<p>an das zuständige Landgericht <strong>Nürnberg-Fürth</strong> - Kartellzivilkammer.</p><br style=\"clear:both\">\n\n<span class=\"absatzRechts\">1</span><p class=\"absatzLinks\"><strong>Gründe:</strong></p>\n<span class=\"absatzRechts\">2</span><ul class=\"absatzLinks\"><li><span class=\"absatzRechts\">3</span><p class=\"absatzLinks\">I. </p>\n</li>\n</ul>\n<span class=\"absatzRechts\">4</span><p class=\"absatzLinks\">Die Klägerin mit Sitz in Paderborn nimmt die Beklagte zu 1) mit Sitz in 91074 Herzogenaurach und mit späterer Klageerweiterung die Beklagte zu 2) mit Sitz in 97421 Schweinfurt, welche früher als A1 GmbH firmierte, auf Kartellschadensersatz in Anspruch. Die Beklagten waren ausweislich der Entscheidung der EU-Kommission in den Jahren 2004-2011 an dem sogenannten Wälzlagerkartell beteiligt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">5</span><p class=\"absatzLinks\">Die Klägerin geht insoweit als Zessionarin aus abgetretenen Ansprüchen von 6 Unternehmen ihrer Unternehmensgruppe (vgl. ausdrücklich Bl. 14 d.A.), von denen 5 Zedentinnen ihren Sitz im europäischen Ausland und eine der Zedentinnen ihren Sitz im OLG-Bezirk Düsseldorf haben, gegen die Beklagten aus Schadensersatz vor, der nach ihrer Behauptung aus zahlreichen Erwerbsvorgängen der Zedentinnen bei den Beklagten im Kartellzeitraum folgt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">6</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beklagten haben sowohl die internationale als auch die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund gerügt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">7</span><p class=\"absatzLinks\">Auf diese Rüge hin hat die Klägerin beantragt, hilfsweise den Rechtsstreit an das Landgericht Nürnberg-Führt zu verweisen (vgl. Bl. 216).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">8</span><p class=\"absatzLinks\">Sie hat die Auffassung vertreten, das Landgericht Dortmund sei zuständig, da bei Kartellrechtsverstößen, die sich bundesweit zugetragen hätten, ein fliegender Gerichtsstand des Verstoßes gegeben sei.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">9</span><ul class=\"absatzLinks\"><li><span class=\"absatzRechts\">10</span><p class=\"absatzLinks\">II. </p>\n</li>\n</ul>\n<span class=\"absatzRechts\">11</span><p class=\"absatzLinks\">Der Rechtsstreit war nach § 281 ZPO auf den hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin zu verweisen, denn zwar ist in Deutschland ein internationaler Gerichtsstand begründet, doch ist das Landgericht Dortmund – Kartellgericht – örtlich nicht zuständig.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">12</span><p class=\"absatzLinks\">1) Der internationale Gerichtsstand folgt für die beiden Beklagten hier unproblematisch aus Artt. 4 Abs. 1, 63 Abs. 1 Brüssel Ia-VO.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">13</span><p class=\"absatzLinks\">2) Doch ist ein Gerichtsstand vor dem Landgericht Dortmund hier nicht eröffnet.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">14</span><p class=\"absatzLinks\">Zunächst haben weder die Beklagte zu 1) noch die Beklagte zu 2) ihren allgemeinen Gerichtsstand gemäß §§ 12, 17 ZPO im Bereich der sich aus den §§ 87, 89 Abs. 1 GWB i.V.m. § 1 Ziff. 2 KartKonzVO NRW ergebenden örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund – Kartellgericht. Vielmehr haben sie ihren jeweiligen Gesellschaftssitz im Sinne des § 17 Abs. 1 ZPO in Ismaning (die Beklagte zu 1) beziehungsweise in Schweinfurt (die Beklagte zu 2).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">15</span><p class=\"absatzLinks\">Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund ergibt sich auch nicht aus § 32 ZPO i.V.m. § 1 Ziff. 2 KartKonzVO NRW. Nach § 32 ZPO sind für Klagen aus unerlaubter Handlung auch die Gerichte örtlich zuständig, in deren Zuständigkeitsgebiet der Begehungsort des Deliktes liegt. Der Begehungsort ist bei den Begehungsdelikten sowohl der Ort, an dem der Täter gehandelt hat (Handlungsort), als auch der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (Erfolgsort) (BGHZ 124, 245 = NJW 94, 1414; 132, 111 = NJW 96, 1413; 176, 346 = NJW 2008, 2344; 184, 313 Tz 8 = NJW 2010, 1752; <em>Schultzky</em> in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 32 ZPO, Rn. 19).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">16</span><p class=\"absatzLinks\">Dies führt indes nicht dazu, dass – wie die Klägerin meint - der Erfolgsort im Sinne eines „fliegenden Gerichtsstandes“ überall dort ist, wo sich das wettbewerbswidrige Verhalten bestimmungsgemäß ausgewirkt hat.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">17</span><p class=\"absatzLinks\">Wenn wie bei § 33a GWB bzw. § 33 Abs. 3 GWB a.F. auf den Eintritt eines Vermögensschadens abzustellen ist, entspricht der Ort, an dem der Schaden eintritt, dem Erfolgsort (ständige Rspr. der Kammer, vgl. etwa LG Dortmund, 8 O 42/18 = NZKart 2020, 553 = WuW 2020, 684 sowie auch schon OLG Frankfurt a. M. NJOZ 2007, 4637 (4638); OLG Celle DVBl 2010, 532 Ls. = BeckRS 2010, 9739 unter II. 1.; OLG München MDR 2020, 753 = BeckRS 2020, 3497 Rn. 12; BeckOK ZPO/<em>Toussaint</em> ZPO § 32 Rn. 13; MüKoZPO/<em>Patzina</em> ZPO, 6. Auflage 2020, § 32 Rn. 19).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">18</span><p class=\"absatzLinks\">Im Hinblick auf den Erfolgsort zur internationalen Zuständigkeitsbestimmung bei einer behaupteten Zuwiderhandlung nach Art. 101 AEUV hat der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens in der Rechtssache B2< am 29.07.2019 entschieden, dass sich eben dieser Erfolgsort nicht auf jeden Ort erstreckt, an dem die schädlichen Folgen eines Ereignisses spürbar werden können, das bereits einen Schaden verursacht hat, der tatsächlich an einem anderen Ort entstanden ist. (ECLI:EU:C:2019:635, Rn. 27 ff. = NZKart 2019, 483, beck-online ; ECLI:EU:C:2018:533 = NZKart 2018, 357 Rn. 32 – flyLAL-Lithuanian Airlines; ECLI:EU:C:2015:37 = NJW 2015, 1581, beck-online).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">19</span><p class=\"absatzLinks\">Danach hängt die Frage, wo sich der Ort befindet, an dem sich der Erfolg eines auf die Verletzung von Art. 101 AEUV gestützten Schadens verwirklicht hat, davon ab, ob es sich um einen sich unmittelbar aus dem kausalen Ereignis ergebenden Erstschaden handelt, oder um die darauffolgenden nachteiligen Konsequenzen, die keine Zuständigkeitszuweisung zu begründen vermögen (ECLI:EU:C:2019:635, Rn. 27 ff. = NZKart 2019, 483, beck-online; EuGH, ECLI:EU:C:2018:533 = NZKart 2018, 357 Rn. 32 – flyLAL-Lithuanian Airlines; ferner zuvor schon EuGH C-168/02, ECLI:EU:C:2004:364 -, Kronhofer, Rn. 21 und EuGH, U.v. 28. Januar 2015 – C-375/13 – Kolassa/Barclays, Rn. 48 f., juris und insbesondere auch EuGH, Urt. v. 21.05.2015, C-352/13 – <em>CDC Hydrogen Peroxide</em>, Rn. 5).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">20</span><p class=\"absatzLinks\">Dem ist auch im Rahmen der Bestimmung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO zu folgen (Vgl. etwa BayObLG, Beschl. v. 30.4.2019 – 1 AR 30/19, LSK 2019, 7913 = WuW 2019, 479; ständige Rspr. der Kammer, vgl. LG Dortmund, 8 O 42/18 = NZKart 2020, 553 = WuW 2020, 684).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">21</span><p class=\"absatzLinks\">Vorliegend handelt es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten Schäden – ihrem eigenen Vortrag folgend – allein um solche, die ihren Ausgangspunkt darin finden, dass andere Unternehmen der Unternehmensgruppe der Klägerin kartellierte Güter zu kartellbedingt überhöhten Preisen erwarben und die daraus vermeintlich folgenden Schadensersatzansprüche an die Klägerin abgetreten haben.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">22</span><p class=\"absatzLinks\">Soweit die Klägerin nun allein aus abgetretenem Recht dieser Unternehmen vorgeht, kann es bei Zessionen im Rahmen von § 32 ZPO aber allein darauf ankommen, ob der unmittelbare Schaden beim Zedenten eingetreten ist (so ausdrücklich BGH, B. v. 27.11.2018 − X ARZ 321/18 = NZKart 2019, 221 Tz 18 – Gerichtsstand Zuckerkartell, dem folgend die Kammer in ständiger Rspr., vgl. LG Dortmund, 8 O 42/18 = NZKart 2020, 553 = WuW 2020, 684; vgl. zu diesem Aspekt ferner schon EuGH C‑147/12 – ÖFAB, Tz. 56 f. - Juris), weshalb bezüglich des deliktischen Gerichtsstands auch auf den Zedenten abgestellt werden muss. Die Gesellschaftssitze sämtlicher Zedentinnen liegen indes nicht im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm und mithin auch nicht im Bezirk des Landgerichts Dortmund als Kartellgericht. Auf den Sitz der Klägerin in ihrer Rolle als Zessionarin kommt es daher keinesfalls an.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">23</span><p class=\"absatzLinks\">Selbst wenn, worauf sich die Klägerin aber schon nicht berufen hat, man dem Vorschlag C1 (WuW 2019, 290, 297) folgend das (Gesamt-)Unternehmen als Gläubiger eines Schadensersatzanspruchs ansehen wollte, könnte nicht außer Betracht bleiben, dass der Schaden primär bei den über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügenden Zedentinnen eingetreten wäre. Auch wenn man also das Gesamtunternehmen aufgrund von Wertungsgesichtspunkten im Rahmen des Kartellrechts als Gläubigerin ansehen wollte, muss es dennoch für den deliktischen Gerichtsstand bei den oben dargelegten Grundsätzen bleiben (ständige Rspr. der Kammer, vgl. LG Dortmund, 8 O 42/18 = NZKart 2020, 553 = WuW 2020, 684).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">24</span><p class=\"absatzLinks\">Damit ist ein Gerichtsstand in Dortmund aber nicht begründet und der Rechtsstreit war dem Hilfsantrag der Klägerin folgend zu verweisen.</p>\n " }