List view for cases

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    "date": "2021-06-08",
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    "type": "Beschluss",
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    "content": "<h2>Tenor</h2>\n\n<p>Die weitere Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, die durch das Beschwerdevorbringen nicht erschüttert werden, auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.</p><br style=\"clear:both\">\n\n<span class=\"absatzRechts\">1</span><p class=\"absatzLinks\"><span style=\"text-decoration:underline\">Zusatz:</span></p>\n<span class=\"absatzRechts\">2</span><p class=\"absatzLinks\">Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen sowie auf den Schriftsatz der Verteidigerin vom 28. Mai 2021 merkt der Senat Folgendes an:</p>\n<span class=\"absatzRechts\">3</span><p class=\"absatzLinks\">1. Der Haftgrund der Flucht nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO liegt vor. Flüchtig ist der  Angeklagte, wenn er sich von seinem bisherigen räumlichen Lebensmittelpunkt absetzt, um für Ermittlungsbehörden und Gerichte (zumindest auch) in dem gegen ihn anhängigen Verfahren unerreichbar zu sein und ihrem Zugriff zu entgehen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. März 1986 - 1 Ws 1102/85, NJW 1986, 2204, 2205; KK-StPO/Graf, 8. Aufl. 2019, StPO § 112 Rn. 11). Die für den Haftgrund der Flucht erforderliche Willensrichtung des Angeklagten ergibt sich hier aus den äußeren Umständen, dass er sich trotz noch laufender Antragstellung seiner Pflichtverteidigerin vom 04. Dezember 2020, die Meldeauflage aufzuheben und den Reisepass des Angeklagten herauszugeben, ohne Ankündigung nach Erhebung zweier Anklagen und ohne erklärte Rückkehrabsicht am 19. Dezember 2020 ins Ausland absetzte und auch in der Folgezeit keine Mitteilung über seinen Verbleib bei den zuständigen Stellen abgab. Insbesondere setzte sich der Angeklagte ohne seinen Reisepass ab, den er als Auflage zur Außervollzugsetzung des damaligen Haftbefehls abgegeben hatte und den er mit dem Antrag seiner Verteidigerin vom 04. Dezember 2020 herausverlangte.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">4</span><p class=\"absatzLinks\">Zwar kann eine Flucht zu verneinen sein, wenn ein Deutscher seinen Wohnsitz an einen bekannten Wohnort im Ausland zwecks Arbeitsaufnahme verlegt und dies der Justiz mitteilt (OLG München, Beschluss vom 22.Februar 2002 - 3 Ws 95/02, LSK 2002, 190319, beck-online; KK-StPO/Graf, 8. Aufl. 2019, StPO § 112 Rn. 11). Jedoch liegt hier kein solcher Fall vor. Zwar lag dem Antrag vom 04. Dezember 2020 zu Grunde, dass sich der Angeklagte für eine Firma, die als sein Arbeitgeber dargestellt wurde, nach Afrika begeben wollte. Konkrete Kontaktmöglichkeiten wurden weder vom Angeklagten noch in dem dem Antrag beiliegenden Schreiben der Firma mitgeteilt. Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft teilte die Firma unter dem 21. Januar 2021 vielmehr mit, dass der Beschwerdeführer nicht in dem dortigen Unternehmen beschäftigt, jedoch Ende Dezember 2020 als „freier Mitarbeiter“ nach Westafrika geflogen sei. Ein aktueller Aufenthaltsort des Beschwerdeführers sei der Firma nicht bekannt. „Mitte vergangener Woche“ seien die Untersuchungen des Beschwerdeführers abgeschlossen gewesen, teilte die Firma in ihrem Schreiben vom 21. Januar 2021 weiter mit. Dies lässt erkennen, dass, selbst wenn man eine Tätigkeit für diese Firma in Westafrika unterstellt, diese Gelegenheit lediglich als Vorwand genutzt wurde, um zu fliehen. Auch nach der Beendigung der Tätigkeit für die Firma in Westafrika kehrte der Beschwerdeführer nicht wieder nach Deutschland zurück, sondern wurde erst am 13. Februar 2021 in Dakar/Senegal auf Grund des Europäischen Haftbefehls des Amtsgerichts Herford vom 14. Januar 2021 in Polizeigewahrsam genommen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">5</span><p class=\"absatzLinks\">Auch versandte der Beschwerdeführer während seiner Flucht weiterhin Emails von der auch bislang von ihm genutzten Emailadresse wiederum an eine Vielzahl wahlloser Empfänger, wobei sich zumindest die Emails vom 12., 13. und 15. Januar 2021 erneut zu bisherigen Geschädigten der angeklagten Taten und dem entsprechenden Themenkomplex verhalten. Dadurch bringt der Beschwerdeführer weiterhin zum Ausdruck, dass er sich geistig immer noch nicht von den angeklagten Taten distanziert, sondern diese fortführt, sobald er dazu die Gelegenheit erhält. Angesichts eines solchen Verhaltens ist bei der Gesamtwürdigung der vorliegenden Gründe (KK-StPO/Graf, 8. Aufl. 2019, StPO § 112 Rn. 14; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage, § 112 Rn. 15) festzustellen, dass nicht davon auszugehen ist, dass der Angeklagte sich dem Strafverfahren aus freien Stücken stellen wird, sondern sich vielmehr auf der Flucht befindet.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">6</span><p class=\"absatzLinks\">2. Dem angegriffenen Haftbefehl steht auch nicht entgegen, dass die Untersuchungshaft gemäß § 112 Abs. 1 S. 2 StPO zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis stünde. Der verfassungsmäßige Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) ergibt, findet im § 112 Abs. 1 S. 2 StPO für das Untersuchungshaftrecht eine spezialgesetzliche Regelung. Weil die Auslieferungshaft nach § 51 Abs. 1 und 3 StGB auf eine zeitige Freiheitsstrafe anzurechnen ist, ist bei der Prüfung, ob der Haftbefehl unverhältnismäßig ist, grundsätzlich auch die im Ausland erlittene Auslieferungshaft zu berücksichtigen (OLG München, Beschluss vom 03. Februar 1982 - 1 Ws 44/82, NJW 1982, 1241, beck-online). Eine sehr lange Auslieferungshaft allein begründet aber noch keine Unverhältnismäßigkeit (OLG München, Beschluss vom 03. Februar 1982 - 1 Ws 44/82, NJW 1982, 1241, 1242, beck-online), weil die Inhaftierung eine selbstständige hoheitliche Maßnahme des ersuchten Staates, nicht der Bundesrepublik darstellt (BVerfG, Beschluss vom 25. März 1981 - 2 BvR 1258/79, NJW 1981, 1154, 1155; KK-StPO/Graf, 8. Aufl. 2019, StPO § 112 Rn. 45). Angesichts der staatlichen Souveränität des Senegals und des Umstandes, dass die Voraussetzungen und die mögliche Dauer der Auslieferungshaft eine innerstaatliche Angelegenheit des Senegals sind, auf die deutsche Gerichte und Behörden keinen unmittelbaren Einfluss haben, bewirkt das Auslieferungsersuchen weder unmittelbar noch mittelbar einen der Bundesrepublik Deutschland zurechenbaren Eingriff in die Freiheit des Beschwerdeführers (vgl. OLG München, Beschluss vom 03. Februar 1982 - 1 Ws 44/82, NJW 1982, 1241, 1242, beck-online). Daher wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz selbst dann nicht verletzt, wenn die Auslieferung durch den senegalesischen Staat verzögert werden würde (OLG München, a.a.O.).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">7</span><p class=\"absatzLinks\">a. Auch in Ansehung der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe führt die bislang erlittene Auslieferungshaft des Angeklagten nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit des Haftbefehls. Im vorliegenden Fall bemisst sich die Bedeutung der Sache danach, dass der Beschwerdeführer nach dem Ermittlungsergebnis über einen Zeitraum von über zwei Jahren 575 selbstständige Taten beging, wobei er in 490 Fällen gegen vollstreckbare Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz verstieß und es sich hierbei in 67 Fällen um zwei tateinheitliche Fälle handelte, in einem weiteren Fall tateinheitlich versuchte einen Menschen rechtswidrig durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung zu nötigen und in einem weiteren Fall tateinheitlich einen anderen beleidigte, in einer weiteren selbständigen Handlung tateinheitlich zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellte und gebrauchte sowie einen anderen beleidigte, in weiteren 83 Fällen andere beleidigte, wobei er in einem Fall tateinheitlich versuchte, einen anderen Menschen rechtswidrig durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung zu nötigen sowie in einem weiteren Fall versuchte, einen anderen Menschen rechtswidrig durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung zu nötigen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">8</span><p class=\"absatzLinks\">Hierbei machte der Angeklagte deutlich, dass er sich von staatlichen Maßnahmen wie den Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz, erlittener Ordnungshaft sowie auch durch die kurzeitige Untersuchungshaft auf Grund des ursprünglichen Haftbefehls vom 14. September 2020 nicht beeindrucken lässt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">9</span><p class=\"absatzLinks\">Zwar ist der Beschwerdeführer nicht vorbestraft, jedoch ist für die zu erwartende Strafe von nicht unerheblichem Gewicht, dass der Beschwerdeführer seine Taten auch unter dem Vollzug der Ordnungshaft fortführte und mehrmals drohte, entsprechende Taten über Jahre fortzusetzen. Auch das zumindest in Bezug auf einige Taten abgelegte Geständnis aus dem Termin zur Haftbefehlsverkündung vom 28. September 2020 dürfte nur mit geringer strafmildernder Wirkung zu berücksichtigen sein, weil es kein von Reue und Bedauern getragenes Geständnis ist. Vielmehr zeigt der Beschwerdeführer auch durch sein weiteres Verhalten, dass er nicht gewillt ist, sein Verhalten zu ändern. Offensichtlich konnte seine erste Hafterfahrung ihn nicht hinreichend beeindrucken. Hieraus ergibt sich, dass die zu erwartende Gesamtfreiheitsstrafe voraussichtlich nicht unter einem Jahr betragen dürfte. Wegen seiner wiederholten Äußerung, seine Taten fortzusetzen, und auch der entsprechenden Umsetzung seiner Ankündigung erscheint es fraglich, ob die festzusetzende Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Nach dem derzeitigen Sachstand dürfte vielmehr die Legalprognose nach § 56 Abs. 1 StGB nicht günstig auszufallen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">10</span><p class=\"absatzLinks\">Auch unter Berücksichtigung, dass die erlittene Untersuchungshaft von 11 Tagen in dieser Sache nach § 51 Abs. 1 S. 1 StGB sowie die bisherige Auslieferungshaft seit dem 16. Februar 2021 nach § 51 Abs. 1 und 3 StGB anzurechnen sind – wobei die entsprechenden Feststellungen dem Tatrichter vorbehalten bleiben –, ist der Haftbefehl derzeit nicht unverhältnismäßig, zumal eine voraussichtliche Rückführung des Angeklagten nach Deutschland im Juni oder Juli 2021 gemäß der Mitteilung des Bundesamtes für Justiz vom 14. Mai 2021 erfolgen dürfte.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">11</span><p class=\"absatzLinks\">b. Der angegriffene Haftbefehl ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die im Ausland erlittene Haft möglicherweise auf den Beschwerdeführer materiell, physisch und psychisch sich erschwerender auswirkt als Untersuchungshaft im Inland. Insofern ist nämlich hervorzuheben, dass sich aus dem Akteninhalt - sonstige Erkenntnisse sind hier nicht vorhanden - eine solche Erschwerung nicht ergibt. Zum anderen wäre zu berücksichtigen, wenn denn solche Erschwerungen tatsächlich vorlägen, dass der Beschwerdeführer sie selbst schuldhaft herbeigeführt hat, indem er sich dem Strafverfahren durch Flucht nach Afrika entziehen wollte (vgl. OLG München, Beschluss vom 03. Februar 1982 - 1 Ws 44/82, NJW 1982, 1241, beck-online). Die Flucht des Angeklagten ab dem 19. Dezember 2020 hat die Auslieferungshaft erst ausgelöst, was sich auch auf das ganze Verfahren verzögernd auswirkt. Dieses eigene schuldhafte Verhalten, das etwaige Erschwerungen in der senegalesischen Auslieferungshaft erst verursacht hätte, führt im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit dazu, dass die Haftbedingungen im Senegal keine Unverhältnismäßigkeit des deutschen Haftbefehls bewirken (vgl. OLG München, Beschluss vom 03. Februar 1982 - 1 Ws 44/82, NJW 1982, 1241, 1241 f., beck-online).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">12</span><p class=\"absatzLinks\">Das Schreiben der Verteidigerin vom 01. Juni 2021 lag bei der Beschlussabfassung vor, führt jedoch aus den voranstehenden Gründen zu keinem anderen Ergebnis.</p>\n      "
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