List view for cases

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    "content": "<h2>Tenor</h2>\n\n<p>Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat.</p>\n<p>Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. August 2020 wird aufgehoben, soweit in Ziffer 1. bis 3. eine Offensichtlichkeitsentscheidung nach § 30 Abs. 3 AsylG enthalten ist.</p>\n<p>Die weitergehende Klage wird abgewiesen.</p>\n<p>Die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6.</p>\n<p>Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.</p><br style=\"clear:both\">\n\n<span class=\"absatzRechts\">1</span><p class=\"absatzLinks\"><strong><span style=\"text-decoration:underline\">T a t b e s t a n d</span></strong></p>\n<span class=\"absatzRechts\">2</span><p class=\"absatzLinks\">Der am 00.00.0000 in Teheran/Iran geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger persischer Volkszugehörigkeit. Er verließ eigenen Angaben zufolge sein Heimatland Ende Mai 2018 und reiste nach Zwischenaufenthalten in der Türkei und in Serbien über unbekannte Länder am 8. Juli 2018 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 16. Juli 2018 einen Asylantrag stellte.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">3</span><p class=\"absatzLinks\">Im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 23. Juli 2018 gab der Kläger zur Begründung seines Asylantrags im Wesentlichen an: Er habe in Iran Bauingenieurwesen studiert und das Studium mit dem Bachelorgrad abgeschlossen. Sein Vater sei in einer religiösen Armee gewesen. Es sei die Sepah gewesen. Er sei im Kampf zwischen Iran und Irak gefallen und daher im Dienst der Armee gestorben. Da sei er selbst erst zwei Jahre alt gewesen. Aus diesem Grund habe er als Sohn eines Märtyrers eine Auszeichnungskarte erhalten, mit der er kostenlos habe studieren können. Außerdem habe er keine Steuern zahlen müssen und sei umsonst krankenversichert gewesen. Auf alles habe er Rabatt bekommen. Auch habe er ein Extrageld zu seinem Gehalt bekommen. Zum Wehrdienst habe er ebenfalls nicht gemusst. Die vielen Vergünstigungen hätten dazu geführt, dass man in der Regel immer bei der Sepah geblieben sei. Er habe nach dem Studium daher vier Jahre selbst bei der Sepah gearbeitet. Diese sei eine Art Geheimdienst und habe mehrere Bereiche, z. B. Öl, Militär und Atomindustrie. Er habe im Zivilbereich gearbeitet. Er sei in einer Ölfirma der Sepah Direktor der Abteilung Qualitätsmanagement gewesen. Sein direkter Vorgesetzter sei der Ingenieur A. B. gewesen. Der oberste Chef habe C. D. geheißen, dieser habe den Rang eines Generals gehabt. Nach vier Jahren habe er gekündigt und die letzten zweieinhalb Jahre vor der Ausreise für das Schulministerium als Architekturlehrer an der Mittelschule gearbeitet. Bei der Sepah habe er Schießübungen gemacht und an Feiertagen wie dem Gründungstag besondere Anzüge angezogen. Er sei auch bei den Basij gewesen. Diese hätten zu einer zivilen Militäreinheit gehört, die Informationen an die Sepah habe weitergeben müssen. Weil er in einer religiösen Sepah-Familie groß geworden sei, sei von ihm erwartet worden, dass er auch bei den Basij aktiv sei. Jedes aktive Mitglied habe innerhalb von zwei Monaten über jemanden, der gegen die Regierung oder den Islam gewesen sei, eine Information an die Sepah weitergeben müssen. Diese habe die Person dann festgenommen. Sie hätten die Person im Auge behalten und beobachten müssen. Diejenigen, die gegen die Regierung gewesen seien, hätten vernichtet werden müssen. Er habe das gemacht, seitdem er 18 oder 19 Jahre alt gewesen sei. Die Personen, die er observiert und gemeldet habe, seien festgenommen und gefoltert worden. Es habe sich dabei um alle Personen handeln können, also auch Familie und Freunde, andere Sepah-Mitglieder und Zivilpersonen. Man habe sich die Personen selbst ausgesucht. Bis er 24 Jahre alt gewesen sei, sei er aktives Mitglied gewesen. Danach habe er aufgehört, als Informant zu arbeiten. Er sei selbst Augenzeuge von Folterungen gewesen. Diese Personen seien in Zentren der Basij gebracht und dann unter Gewaltanwendung angehört worden. E. F. und H. G. seien die Anführer gewesen. Diese hätten die Festnahmen und Folter durchgeführt. Zwei Opfer seien aus seiner Straße gekommen, die Brüder J. und I. Das sei vor sieben Jahren gewesen. Die beiden seien damals auch festgenommen worden. Er selbst sei da 24 oder 25 Jahre alt gewesen. Er habe die beiden gemeldet, was ihn jetzt sehr traurig mache. Die Brüder hätten die Straße verlassen und umziehen müssen. Nach der Festnahme seien sie in das Zentrum K. des Geheimdienstes in Teheran in der Straße L. gebracht und dort geschlagen worden. Er habe das selbst mitbekommen. Als er später angefangen habe in der Firma zu arbeiten, die zu der Sepah gehört habe, habe er auch Informationen über Arbeitskollegen weitergeben sollen. Er habe das machen müssen. Ihm seien gute Arbeitsbedingungen und ein sehr hohes Gehalt geboten worden. Sie hätten ihm sogar ein Auto mit Fahrer gegeben, extra Bonusgeld neben dem Gehalt, kostenlose Reisen und Steuer- und Versicherungsfreiheit. An Aktionen, die sich gegen die Unversehrtheit von Personen gerichtet hätten, habe er sich selbst nicht beteiligt. Mehrmals sei er dazu aufgefordert worden, habe das aber verweigert. Im Zeitraum von seinem 18. bis zu seinem 27. Lebensjahr habe er Folterungen von über 300 Personen miterlebt. In den Zentren würden die Leute überall geschlagen, das passiere da offen. Er habe immer die Schreie der Gefolterten aus dem Anhörungsraum gehört. In jedem Bezirk von Teheran gebe es ein Zentrum. Er sei nur im Zentrum K. in der Straße L. aktiv gewesen. Das Zentrum daneben habe N. geheißen. Es gebe auch noch ein großes Zentrum in der O. Straße, das heiße P. Das stehe unter der Führung von Q. M. von der Sepah. Die Regierung und der Islam hätten seinen Vater ausgenutzt und hätten auch ihn ausnutzen wollen. Sie hätten gesagt, dass er kämpfen müsse und wenn er sterbe, dann komme er ins Paradies. Aus diesem Grund habe er sich vom Islam entfernt. Er sei depressiv geworden und habe unter einer Panikkrankheit gelitten. Neun Monate vor seiner Ausreise habe er Kontakt zum Christentum bekommen. Er sei damals wegen seiner Krankheit in ärztlicher Behandlung gewesen. Der Arzt habe ihm geraten, viel Sport zur Genesung zu treiben. In der Nähe seines Hauses sei ein Park gewesen, in den er nachmittags gegangen sei. Er sei dort gejoggt. Ihm sei es sehr schlecht gegangen. Er sei müde vom Leben gewesen und habe sich sogar selbst umbringen wollen. In dieser Situation habe er den R. S. getroffen. Er habe sich mit ihm angefreundet. Nach etwa einem Monat habe R. gesehen, dass es ihm schlecht gehe. R. habe ihm gesagt, er könne ihm den Weg der Ruhe zeigen. Er habe ihn zu einer Hauskirche in der Nähe von T. gebracht, das sei ein Ort in Teheran, nur 10 Minuten von seinem Haus entfernt. Dort sei er mit dem Christentum in Kontakt gekommen. Er habe damals gar nicht über mögliche Schwierigkeiten nachgedacht, als er sich dem R. geöffnet habe. Er sei sehr krank gewesen. Er habe gedacht, dass R. ihm wegen seiner Krankheit helfen könne. Das habe er auch gemacht. Sein erster Hauskirchenbesuch sei im Haus von U. V. in T. gewesen, in der Straße W. Dort seien ca. zehn Personen gewesen. Der Pastor sei zu ihnen gekommen und habe das Beten durchgeführt. Sie seien etwas mehr als 1 Stunde da gewesen. Es sei für ihn sehr schön gewesen. Er habe das Gefühl bekommen, dass er mit einer anderen Welt in Kontakt komme. Am Anfang sei über das Alte Testament gesprochen worden, auch über Missionierung. Danach sei er als neues Mitglied willkommen geheißen worden und es hätten alle zusammen um Vergebung gebeten und Armen gesagt. Über das Neue Testament sei auch gesprochen worden. Er habe Johannes mehr geliebt als die anderen. Er habe die Geschichte von Jesu Leben sehr geliebt. Besonders habe er die Kreuzigung und das letzte Abendmahl gemocht. In dieser Gemeinschaft sei er konvertiert worden. Getauft worden sei er nicht, weil der Pastor gesagt habe, das sei für ihn als ehemaliges Sepah-Mitglied zu gefährlich. Sein Vater sei Sepah-Mitglied gewesen und seine Familie sehr religiös. Es werde nicht akzeptiert, dass ein ehemaliger Sepah konvertiere. Das werde nicht verziehen. Das sei der große Unterschied zwischen ihm und normalen Konvertiten. Ende März 2018 habe er einmal versucht, in Aserbaidschan getauft zu werden. Er sei nach I1. gereist. Weil er Iraner sei, hätten die das aber nicht gemacht, weil es für ihn in Iran sonst zu gefährlich gewesen wäre. Seitdem er konvertiert sei, wisse er, dass man ohne Krieg und ohne Streitigkeiten in Ruhe leben könne. In Iran habe er zwei seiner Schüler missioniert, sie hätten X. und Y. geheißen. Die beiden seien noch jung gewesen, erst etwa 18 Jahre alt. Den beiden Schülern habe er vertraut. Er habe ein wenig von Gott und der Liebe gesprochen. Eines Tages habe er sonntags an der Hauskirche teilnehmen wollen. Wegen eines privaten Problems habe er aber nicht hingehen können. Am Abend habe er einen Anruf vom Pastor bekommen. Dieser habe ihn informiert, dass die Hauskirche gestürmt worden sei und die Mitglieder festgenommen worden seien. Das sei am 6. Mai 2018 gewesen. Der Pastor selbst sei nicht festgenommen worden, weil er gebürtiger Christ sei. Einer der beiden Missionierungsschüler sei auch festgenommen worden. Der Pastor habe ihm gesagt, dass er unter Verfolgung stehe und flüchten müsse. Er habe eine Liste bei den Polizisten gesehen, die die Hauskirche gestürmt hätten. Da habe auch sein Name drauf gestanden. Er habe dies seiner Frau erzählt, die ihm gesagt habe, er solle am nächsten Tag nicht zur Arbeit gehen. Am Montagnachmittag habe ihn Z, ein enger Arbeitskollege, angerufen und ihm gesagt, dass die Soldaten von K1. in der Kunstschule gewesen seien, wo er Architektur unterrichtet habe. Sie hätten nach ihm gefragt. Als er das gehört habe, habe er Angst bekommen und seine Sachen gepackt. Er habe seine SIM-Karte weggeworfen und mit einer neuen SIM-Karte Kontakt aufgenommen zu seiner Schwägerin. Diese habe ihm gesagt, dass nach dem Verlassen seines Hauses die Soldaten gekommen seien und die Bibel, den Laptop und Aufzeichnungen mitgenommen und seine Frau befragt hätten. Als er zuvor die Hauskirche besucht habe, habe er den Pastor mit dem Handy aufgenommen und alles auf seinem Laptop gespeichert gehabt. Er sei dann zu seiner Oma nach A1 gegangen und habe Kontakt zu einem angeheirateten Onkel aufgenommen, der auch in der Nähe seiner Oma lebe. Dieser habe ihm gesagt, dass die Soldaten auch bei seiner Mutter gewesen seien und nach ihm gefragt hätten. Er sei etwa 20 Tage bei seiner Oma gewesen und habe sich dann entschieden, Iran zu verlassen. Er sei illegal auf dem Landweg in die Türkei gereist und von N1 aus nach Serbien gebracht worden. Dann sei er mit einem Lkw bis zur Grenze nach Deutschland und von dort aus mit einem Pkw weitergereist. Seine Frau lebe jetzt bei seiner Schwiegermutter. Wegen der weiteren Einzelheiten der Anhörung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen (Bl. 55-65 der Bundesamtsakte).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">4</span><p class=\"absatzLinks\">Wegen des Vorwurfs, dass er Mitglied bei der Sepah und den Basij gewesen sei und während dieser Tätigkeit nach seinen Angaben beim Bundesamt für diese Organisationen Personen observiert und anschließend verraten habe, die in der Folge mit seinem Wissen und teilweise seinem Beisein gefoltert worden seien, wurde gegen den Kläger durch die Staatsanwaltschaft M1 unter dem Az. 1 Js 117/20 ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung geführt. Im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung beim Polizeipräsidium M1, Kriminalinspektion Staatsschutz KK 1, am 28. Februar 2020 gab der Kläger hierzu befragt an, dass er in der Anhörung beim Bundesamt nicht die Wahrheit gesagt habe. Alles, was er zu seiner Mitarbeit bei der Sepah und den Basij gesagt habe, stimme nicht. Er habe in Deutschland Leute getroffen, die ihm gesagt hätten, wenn er bestimmte Dinge zugebe und einräume und bestimmte Dinge sage und übertreibe, dann wäre das günstig für seinen Antrag. Er habe gedacht, wenn er das so angebe, dann bekomme er einen positiven Bescheid und könne seinen Sohn und seine Frau nach Deutschland holen. Außerdem habe der afghanische Dolmetscher in der Anhörung auch einige Fehler gemacht. Richtig sei, dass sein Vater getötet worden sei, als er zwei Jahre alt gewesen sei. Sein Vater sei bei der Sepah gewesen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">5</span><p class=\"absatzLinks\">Das Ermittlungsverfahren 1 Js 117/20 wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft M1 vom 4. März 2020 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">6</span><p class=\"absatzLinks\">Mit Bescheid vom 24. August 2020, zugestellt am 27. August 2020, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.) und auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) als offensichtlich unbegründet ab. Zudem wurde der Antrag auf Gewährung subsidiären Schutzstatus als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Ziffer 3.) und es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4.). Überdies wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall, dass er die Ausreisefrist nicht einhalte, wurde die Abschiebung nach Iran oder in einen anderen Staat angedroht, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt (Ziffer 5.). Schließlich wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6.). Zur Begründung führte das Bundesamt unter anderem aus, die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG lägen vor. Der Kläger habe in seiner polizeilichen Vernehmung erklärt, seine in der Anhörung gemachten Angaben seien falsch gewesen. Er habe diese Unwahrheiten nur vorgetragen, um sich einen Vorteil im Asylverfahren zu verschaffen. Zu den falschen Angaben habe man ihm geraten. Demnach entspreche das Vorbringen des Klägers in der Anhörung offenkundig nicht den Tatsachen und erfülle damit die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">7</span><p class=\"absatzLinks\">Der Kläger hat am 2. September 2020 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (10 L 625/20.A). Zur Begründung weist er darauf hin, dass er aus einer Märtyrerfamilie stamme und zum Gegner des Regimes in Iran geworden sei. Seine oppositionelle Haltung gegenüber dem Regime habe sein Leben beeinträchtigt und für ihn und seine Familie eine Reihe verschiedenster Probleme verursacht. Außerdem sei er in Iran zum Christentum konvertiert und deshalb bei der Ausübung seines neuen Glaubens Verfolgung und Repressalien ausgesetzt gewesen. Wegen dieser beiden Gründe sei er aus seinem Heimatland geflohen. Die Ablehnung seines Asylantrags als offensichtlich unbegründet sei rechtswidrig. Vor der Anhörung beim Bundesamt sei er an einer schweren Grippe und Bronchitis erkrankt. Er habe bei der Anhörung unter den Folgen dieser Erkrankung gelitten. Er sei geschwächt und von der Krankheit gezeichnet gewesen. Er leide seit sechs Jahren an einer chronischen Depression und Panikattacken. Bei ihm seien eine Schizodepressive Störung, Zwangsneurose, Nervöse Spannung, Nervöse Instabilität, Posttraumatisches Psychosyndrom nichtpsychotischer Ausprägung, Panikattacke, Herzneurose, Somatisierungsstörung und Koronare Herzkrankheit diagnostiziert. Die Anhörung habe für ihn aufgrund seiner Erkrankung eine erhebliche Stresssituation bedeutet. Um diese einigermaßen bewältigen zu können, habe er anlässlich des Anhörungstermins Psychopharmaka eingenommen. Er sei bei der Anhörung bedingt durch die Einnahme dieser Medikamente benebelt, unkonzentriert und orientierungslos gewesen. Er habe nicht genau gewusst, wo er gewesen und was um ihn herum geschehen sei. Eine realitätsgerechte und konzentrierte Wahrnehmung der Anhörungssituation sei nicht möglich gewesen. Darüber hinaus sei die Leistung des hinzugezogenen Dolmetschers defizitär gewesen, was ihm bereits kurz nach dem Anhörungstermin aufgefallen sei. Der Dolmetscher sei afghanischer Herkunft gewesen und in Deutschland geboren. Aufgrund seiner defizitären Sprachkompetenz habe er sehr Vieles entweder völlig falsch übersetzt oder den Inhalt verzerrt wiedergegeben. Aufgrund seines prekären physischen und psychischen Zustands, in dem er sich bei der Anhörung befunden habe, habe er in dieser Situation irgendwann aufgehört, sich mit den gestellten Fragen inhaltlich überhaupt noch zu beschäftigen. Er habe sich dem Willen der Entscheiderin hingeben. Als er zum Schluss das Protokoll der Anhörung habe unterschreiben sollen, sei er geistig abwesend gewesen. Sein einziger Wunsch sei es gewesen, die Anhörung möge jetzt bald ein Ende finden. In einer ähnlichen Stresssituation habe er sich bei der Vernehmung durch die Polizei befunden. Er habe vor dem Termin Panikattacken gehabt. Kurz vor dem Termin habe er Psychopharmaka eingenommen. In der Vernehmung habe er auf die schwache Dolmetscherleistung hingewiesen und sich um inhaltliche Transparenz bemüht. Er habe mehrmals betont, er sei durch die Desinformationen aus dem Kreis der Flüchtlinge in seinem Umfeld im Unterbringungslager womöglich dazu verleitet worden, bei der Anhörung beim Bundesamt den einen oder anderen Sachverhalt etwas überdimensioniert dargestellt zu haben. Der eigentliche Fluchtgrund sei jedoch wahr. Er sei wegen seiner oppositionellen Haltung dem Regime gegenüber sowie seiner Konversion zum Christentum großen Repressalien ausgesetzt gewesen. Dies habe ihn zu seiner Flucht gezwungen. Die vernehmenden Polizeibeamten hätten zwischendurch auch die Geduld mit ihm verloren und ihn angeschrien. Er sei diesbezüglich derart unter Druck geraten, zumal trotz Medikamenteneinnahme Panikattacken gedroht hätten, dass er das Protokoll unterschrieben habe, weil er der Situation so schnell wie möglich habe entgehen wollen. Er habe auch eine Verletzung an der Schulter. Als die Polizei ihn in Iran habe festnehmen wollen, da er konvertiert gewesen sei, sei es zu Misshandlungen gekommen. Er sei zunächst gestoßen worden und sei gegen ein Fenster gefallen, welches zerbrochen sei. Dabei sei es zu der Verletzung gekommen. Des Weiteren sei er auch im Gefängnis gefoltert worden mit einem Bügeleisen oder ähnlichem. Nach etwa zwei Wochen habe er sich selbst eine Verletzung zugefügt, um das Gefängnis verlassen zu können. Seine erforderliche psychiatrische Behandlung sei im Übrigen nur im Bundesgebiet möglich, weshalb eine erhebliche Gesundheitsgefährdung im Fall einer Abschiebung nicht auszuschließen sei.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">8</span><p class=\"absatzLinks\">Soweit der Kläger ursprünglich auch seine Asylanerkennung begehrt hat, hat er die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">9</span><p class=\"absatzLinks\">Er beantragt nunmehr noch,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">10</span><p class=\"absatzLinks\">die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. August 2020 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">11</span><p class=\"absatzLinks\">hilfsweise,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">12</span><p class=\"absatzLinks\">ihm subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">13</span><p class=\"absatzLinks\">weiter hilfsweise</p>\n<span class=\"absatzRechts\">14</span><p class=\"absatzLinks\">festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">15</span><p class=\"absatzLinks\">äußerst hilfsweise,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">16</span><p class=\"absatzLinks\">die Offensichtlichkeitsentscheidung im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. August 2020 aufzuheben.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">17</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">18</span><p class=\"absatzLinks\">die Klage abzuweisen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">19</span><p class=\"absatzLinks\">Sie bezieht sich zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">20</span><p class=\"absatzLinks\">Die Kammer hat mit Beschluss vom 7. September 2020 dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Verfahren 10 L 625/20.A stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">21</span><p class=\"absatzLinks\">In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger informatorisch zu seinen Fluchtgründen angehört worden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">22</span><p class=\"absatzLinks\">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Verfahrens 10 L 625/20.A, auf die beigezogene Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft M1 (1 Js 117/20) sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Bundesamts Bezug genommen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">23</span><p class=\"absatzLinks\"><strong><span style=\"text-decoration:underline\">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</span></strong></p>\n<span class=\"absatzRechts\">24</span><p class=\"absatzLinks\">Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">25</span><p class=\"absatzLinks\">Die aufrecht erhaltene Klage, über die der Einzelrichter trotz Nichterscheinens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden kann, weil sie auf diese Möglichkeit mit der ordnungsgemäßen Ladung hingewiesen worden ist (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO), hat nur im tenorierten Umfang Erfolg. Insoweit ist sie zulässig und begründet, im Übrigen jedoch unbegründet.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">26</span><p class=\"absatzLinks\">Der Bescheid des Bundesamts vom 24. August 2020 erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) überwiegend als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf die mit dem Hauptantrag begehrte Flüchtlingsanerkennung noch auf die mit den Hilfsanträgen verfolgte Zuerkennung subsidiären Schutzes oder die Feststellung von Abschiebungsverboten. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots erweisen sich ebenfalls als rechtmäßig. Die Offensichtlichkeitsentscheidung in Ziffer 1. bis 3. des angefochtenen Bescheids des Bundesamts ist jedoch zu Unrecht auf § 30 Abs. 3 AsylG gestützt worden und erweist sich daher als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Sie ist mithin aufzuheben.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">27</span><p class=\"absatzLinks\">I. Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor. Ziffer 1. des Bescheids des Bundesamts erweist sich daher als rechtmäßig.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">28</span><p class=\"absatzLinks\">1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">29</span><p class=\"absatzLinks\">a. Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten zunächst Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), ferner Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). § 3a Abs. 2 AsylG nennt als mögliche Verfolgungshandlungen beispielhaft u. a. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, sowie gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">30</span><p class=\"absatzLinks\">Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind gemäß § 3c AsylG der Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatliche Akteure, sofern die in Nr. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">31</span><p class=\"absatzLinks\">Gemäß § 3a Abs. 3 AsylG muss zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne von §§ 3 Abs. 1 und 3b AsylG und der Verfolgungshandlung bzw. den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen, wobei es unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse, oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinen Verfolgern zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG). Erforderlich ist ein gezielter Eingriff, wobei die Zielgerichtetheit sich nicht nur auf die durch die Handlung bewirkte Rechtsgutsverletzung selbst bezieht, sondern auch auf die Verfolgungsgründe, an die die Handlung anknüpfen muss. Maßgebend ist im Sinne einer objektiven Gerichtetheit die Zielrichtung, die der Maßnahme unter den jeweiligen Umständen ihrem Charakter nach zukommt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">32</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 ‑ 10 C 52.07 -, juris, Rn. 22 und 24.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">33</span><p class=\"absatzLinks\">Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer - bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr - die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">34</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, juris, Rn. 32.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">35</span><p class=\"absatzLinks\">Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt. Hierfür ist erforderlich, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine individuelle Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Diese Würdigung ist auf der Grundlage einer „qualifizierenden“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Hierbei sind gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) neben den Angaben des Antragstellers und seiner individuellen Lage auch alle mit dem Herkunftsland verbundenen flüchtlingsrelevanten Tatsachen zu berücksichtigen. Entscheidend ist, ob in Anbetracht der Gesamtumstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab gilt unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Vorverfolgte werden jedoch durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie privilegiert. Danach besteht bei ihnen die tatsächliche Vermutung, dass ihre Furcht vor Verfolgung begründet ist.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">36</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 31.18 -, juris, Rn. 16 f., m. w. N.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">37</span><p class=\"absatzLinks\">Gemäß § 28 Abs. 1a AsylG kann die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat (sog. objektive Nachfluchtgründe) oder auf einem Verhalten bzw. Aktivitäten des Ausländers nach seiner Ausreise aus dem Herkunftsland (sog. subjektive Nachfluchtgründe). Ein Indiz für die Glaubhaftigkeit subjektiver Nachfluchtgründe liegt vor, wenn die Aktivitäten, auf die sich der Antragsteller stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">38</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. Marx, AsylG, Kommentar, 10. Auflage 2019,      § 28 Rn. 28.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">39</span><p class=\"absatzLinks\">Es ist Sache des Schutzsuchenden, von sich aus unter Angabe von Einzelheiten den der Prognose zugrunde zu legenden, aus seiner Sicht die Verfolgungsgefahr begründenden Lebenssachverhalt zu schildern (§ 25 Abs. 1 AsylG).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">40</span><p class=\"absatzLinks\">Einem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3e AsylG allerdings nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftsstaates keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz nach § 3d AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2), sog. inländische Fluchtalternative.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">41</span><p class=\"absatzLinks\">b. Im Rahmen der Prüfung, ob gemäß §§ 3 ff. AsylG eine begründete Furcht vor Verfolgung wegen der Religion vorliegt, ist in Fällen, in denen nicht schon die bloße Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft als solche die Gefahr einer Verfolgung begründet, bei der Frage, ob ein Eingriff in die Religionsfreiheit eine hinreichend schwere Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG, Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Qualifikationsrichtlinie darstellt, in einem ersten Schritt in objektiver Hinsicht festzustellen, welche Maßnahmen und Sanktionen gegenüber dem Betroffenen im Herkunftsstaat voraussichtlich ergriffen werden, wenn er eine bestimmte Glaubenspraxis dort ausübt, und wie gravierend diese sind. Die erforderliche Schwere kann insbesondere erreicht sein, wenn ihm durch die Betätigung seines Glaubens - im privaten oder öffentlichen Bereich - die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, (tatsächlich) strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Dabei kann bereits der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung die Qualität der Verfolgung erreichen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">42</span><p class=\"absatzLinks\">Sodann ist in einem zweiten Schritt in subjektiver Hinsicht festzustellen, ob die Befolgung einer solchermaßen als verfolgungsträchtig bestimmten Glaubenspraxis ein zentrales Element für die religiöse Identität des Schutzsuchenden und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist. Maßgeblich ist, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Für die Beurteilung der religiösen Identität eines Schutzsuchenden ist dabei nicht nur die informatorische gerichtliche Anhörung zu berücksichtigen, sondern es sind auch äußere Anknüpfungstatsachen heranzuziehen, die Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Betroffenen erlauben.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">43</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 2020 - 2 BvR 1838/15 -, juris, Rn. 33, m. w. N.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">44</span><p class=\"absatzLinks\">Es bedarf im Rahmen der Beweiswürdigung in aller Regel der Gesamtschau einer Vielzahl von Gesichtspunkten, die Aufschluss über die religiöse Identität des Schutzsuchenden geben können, wie etwa die religiöse Vorprägung des Betroffenen und seiner Familie, eine Glaubensbetätigung bereits im Herkunftsland, der äußere Anstoß für den Konversionsprozess sowie dessen Dauer oder Intensität, die inneren Beweggründe für die Abwendung vom bisherigen Glauben, die Vorbereitung auf die Konversion und deren Vollzug, die Information und Reaktion des familiären und sozialen Umfeldes, das Wissen über die neue Religion und die Konversionskirche, die Bedeutung und Auswirkungen des neuen Glaubens für beziehungsweise auf das eigene Leben sowie Art und Umfang der Betätigung des neuen Glaubens wie zum Beispiel die Teilnahme an Gottesdiensten, an Gebeten und am kirchlichen Leben.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">45</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. Berlit/Dörig/Storey, Glaubhaftigkeitsprüfung bei Asylklagen aufgrund religiöser Konversion oder Homosexualität: Ein Ansatz von Praktikern (Teil 1), ZAR 2016, 281, 284 ff.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">46</span><p class=\"absatzLinks\">Dabei werden die Beweisanforderungen auch im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 10 Abs. 1 GR-Charta und Art. 9 Abs. 1 EMRK nicht überspannt, wenn von einem volljährigen Antragsteller im Regelfall erwartet wird, dass er schlüssige und nachvollziehbare Angaben zu den inneren Beweggründen für die Konversion machen kann und mit den Grundzügen seiner neuen Religion hinreichend vertraut ist, um die von ihm behauptete Gefahr der Verfolgung aus religiösen Gründen gebührend zu substantiieren. Allerdings wird der Umfang des Wissens über die neue Religion maßgeblich von der individuellen Geschichte des Antragstellers, seiner Persönlichkeit, seinem Bildungsniveau und seiner intellektuellen Disposition abhängen, die bei der Beweiswürdigung daher angemessen Berücksichtigung finden müssen. Es ist jedoch keine inhaltliche „Glaubensprüfung“ vorzunehmen. Vielmehr ist es nicht ausgeschlossen, dass eine identitätsprägende Hinwendung zu einem Glauben auch ohne eine derartige Vertrautheit vorliegt, wenn aussagekräftige und gewichtige Umstände des Einzelfalls festzustellen sind, die die Prognose rechtfertigen, dass der Schutzsuchende sich den Verhaltensleitlinien seines neu gewonnenen Glaubens derart verpflichtet sieht, dass er ihnen auch nach Rückkehr in seinen Heimatstaat folgen und sich damit der Gefahr von Verfolgung oder menschenunwürdiger Behandlung aussetzen wird. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV gebieten es, auch derartige Fallkonstellationen zutreffend zu erfassen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">47</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 2020 - 2 BvR 1838/15 -, juris, Rn. 36 ff.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">48</span><p class=\"absatzLinks\">Für die Frage einer Verfolgungsgefahr wegen Konversion kommt es daher darauf an, ob im Fall einer Rückkehr einer konvertierten Person davon auszugehen ist, dass diese ihren neu aufgenommenen Glauben - und die damit verbundene Abkehr von der alten Religion - aktiv im Herkunftsland ausüben oder nur erzwungener Maßen, unter dem Druck der dort drohenden Verfolgung, auf eine Glaubensbetätigung verzichten wird. Insoweit ist auf der Rechtstatsache der Kirchenmitgliedschaft aufbauend zu prüfen, ob die Befolgung einer bestimmten, nach den obigen Feststellungen gefahrträchtigen religiösen Praxis für den Konvertiten zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist und ihm deshalb ein hinreichend schwerer Eingriff in seine Religionsfreiheit droht.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">49</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 - 1 B 40/15 -, juris, Rn. 11, m. w. N.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">50</span><p class=\"absatzLinks\">Beide Prüfungsschritte unterliegen der eigenständigen tatrichterlichen Würdigung der Verwaltungsgerichte. Die innere Tatsache, dass die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für die religiöse Identität des Betroffenen zentrale Bedeutung hat, muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">51</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 2020 - 2 BvR 1838/15 -, juris, Rn. 27.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">52</span><p class=\"absatzLinks\">2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe droht dem Kläger in Iran keine flüchtlingsrelevante Verfolgung. Zur Überzeugung des Gerichts steht vielmehr fest, dass er weder in Iran wegen seines christlichen Glaubens verfolgt worden ist, noch dass ihm Verfolgung bei einer Rückkehr nach Iran droht, vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">53</span><p class=\"absatzLinks\">a. Zunächst hat die Kammer bereits durchgreifende Zweifel an den vom Kläger geschilderten Vorfluchtgründen. Die Zweifel gründen vor allem einerseits darauf, dass der Kläger eigenen Angaben zufolge bei seiner Anhörung beim Bundesamt hinsichtlich seiner Mitgliedschaft bei der Sepah und den Basij und damit bezogen auf den Hintergrund seiner Verfolgungsgeschichte bewusst die Unwahrheit gesagt hat. Zum anderen steht auch die Schilderung der eigentlichen Verfolgungshandlungen in der mündlichen Verhandlung in diametralem Widerspruch zu deren Schilderung in der Anhörung beim Bundesamt. Dieses Aussageverhalten und die aufgezeigten erheblichen Widersprüche konnte der Kläger im Klageverfahren nicht überzeugend auflösen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">54</span><p class=\"absatzLinks\">Beim Bundesamt hat der Kläger angegeben, jahrelang Mitglied der Sepah und bei den Basij gewesen zu sein, in dieser Funktion vielfach vermeintliche Regimegegner verraten zu haben und überdies bei einer Vielzahl von Folterungen anwesend gewesen zu sein. Im Rahmen seiner späteren Beschuldigtenvernehmung durch die Kriminalpolizei hat er auf Befragen dem gegenüber angegeben, dass er weder Mitglied bei der Sepah noch bei den Basij gewesen sei. Er habe auch weder Personen observiert noch irgendwelche Informationen an die Sepah weitergegeben. Bei Folterungen sei er nicht dabei gewesen. Alle Angaben zu seiner Mitarbeit bei der Sepah und bei den Basij stimmten nicht. Er habe gedacht, wenn er das so aussage, sei das gut für seine Akte. Das sei ihm so von Leuten aus seiner Flüchtlingsunterkunft geraten worden. Damit hat der Kläger ausdrücklich eingeräumt, bei seiner Bundesamtsanhörung in für sein Verfolgungsschicksal wesentlichen Punkten bewusst die Unwahrheit gesagt zu haben. Auch in der mündlichen Verhandlung hat er noch einmal bestätigt, nicht bei der Sepah und den Basij gewesen zu sein.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">55</span><p class=\"absatzLinks\">Dieses widersprüchliche und unglaubhafte Aussageverhalten vermag der Kläger nicht damit zu erklären, er sei sowohl bei seiner Anhörung beim Bundesamt als auch bei der Beschuldigtenvernehmung aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, die Wahrheit zu sagen und einen stimmigen und widerspruchsfreien Vortrag zu liefern, er habe vielmehr unter dem Eindruck starker Psychopharmaka gestanden, sei richtiggehend benebelt gewesen, habe nicht mehr gewusst, wo er sei und wie ihm geschehe, und habe nur noch gewollt, dass die Befragung endlich aufhöre. Außerdem habe der Dolmetscher beim Bundesamt viele Fehler gemacht und Vieles falsch oder verzerrt übersetzt. Diese Erklärungsversuche vermögen das Gericht nicht zu überzeugen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">56</span><p class=\"absatzLinks\">Dies gilt zunächst für die geltend gemachten erheblichen Defizite der Sprachkompetenz des bei der Anhörung eingesetzten Dolmetschers. Der Kläger hat ausweislich der über die Anhörung beim Bundesamt gefertigten Niederschrift auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben hat. Das vollständige Protokoll wurde ihm eine Stunde lang in die persische Sprache rückübersetzt und die inhaltliche Richtigkeit schließlich mit seiner Unterschrift bestätigt. Wäre bei der Rückübersetzung eine Verfolgungsgeschichte deutlich geworden, die mit der selbst erlebten in keinem Zusammenhang steht, hätte nichts näher gelegen, als hierauf sofort hinzuweisen und die Unterschrift unter eine derart falsche Niederschrift zu verweigern. Dies ist jedoch nicht geschehen. Angesichts dessen hat das Gericht auch keinen Zweifel daran, dass die Niederschrift die vom Kläger in seiner Anhörung vorgetragenen Asylgründe vollständig und inhaltlich richtig wiedergibt. Im Übrigen mögen Sprach- bzw. Verständigungsdefizite beim Dolmetschen vielleicht die fehlerhafte oder sinnentfremdende Übersetzung einzelner Wörter oder Sätze erklären. Insoweit hat der Kläger darauf verwiesen, der Dolmetscher habe etwa den Begriff „Revolutionsgarden“ fehlerhaft übersetzt und von einer „religiösen Armee“ gesprochen. Außerdem habe er offenbar den Unterschied zwischen einer iranischen Geburtsurkunde und einem iranischen Personalausweis nicht gekannt, weil er „Geburtsurkunde“ mit „Ausweis“ übersetzt habe. Derartige Übersetzungsfehler stehen hier jedoch nicht in Rede. Eine vollständige, in diametralem Widerspruch zu späterem Vorbringen stehende Schilderung eines Verfolgungsgeschehens lässt sich so nicht erklären.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">57</span><p class=\"absatzLinks\">Im Ergebnis das Gleiche gilt für den Erklärungsversuch des Klägers, er sei aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen an einer schlüssigen, widerspruchsfreien und konsistenten Schilderung seines Verfolgungsschicksals gehindert gewesen. Im Hinblick auf die ihn treffende Mitwirkungspflicht ist es grundsätzlich Sache des Asylsuchenden, seine guten Gründe für eine politische Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen und glaubhaft zu machen. Er muss also unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (vgl. hierzu auch § 25 Abs. 1 bis 3 AsylG).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">58</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. BVerwG, u. a. Urteil vom 22. März 1983 - 9 C 68.81 -, juris, Rn. 5.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">59</span><p class=\"absatzLinks\">Die Tatsachengerichte haben im Zuge der Würdigung und Abwägung aller Tatsachen und Tatsachenschlüsse auf ihren Aussage- und Beweiswert für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen auch Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand, Herkunft usw. derjenigen Personen zu berücksichtigen, auf deren Angaben und Informationen sie dabei zurückgreifen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">60</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. August 1990 - 9 B 45.90 -, juris, Rn. 2.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">61</span><p class=\"absatzLinks\">Ist ein Asylsuchender aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, sich zu seinem Verfolgungsschicksal zu äußern, und ist dieser Zustand nicht nur vorübergehender Natur, so fällt damit die wichtigste Erkenntnisquelle, die zum Nachweis einer Vorverfolgung im Heimatland zur Verfügung steht, aus. Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheidet in diesem Fall grundsätzlich aus, da der Asylsuchende die materielle Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Asylanspruchs trägt und dementsprechend verbleibende Ungewissheiten über das Verfolgungsschicksal zu seinen Lasten gehen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">62</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 1988 - 9 C 12.88 -, juris, Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 1. August 2018 - 14 A 619/17.A -, juris, Rn. 55 ff; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29. Mai 2020 - A 2 S 111/20 -, juris, Rn. 14.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">63</span><p class=\"absatzLinks\">Ist ein Asylsuchender infolge einer psychischen Erkrankung nicht generell unfähig, sich zu seinem Verfolgungsschicksal zu äußern, sondern hat er Angaben zu seinem Verfolgungsschicksal gemacht, muss das Gericht in den Blick nehmen, inwieweit im Hinblick auf eine festzustellende Erkrankung die allgemein üblichen Anforderungen an die konkrete Schlüssigkeit und Widerspruchsfreiheit eines Asylvorbringens mit Rücksicht auf die Erkrankung herabgesetzt werden müssen und dürfen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">64</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2001 - 1 B 118.01 -, juris, Rn. 4; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29. Mai 2020 - A 2 S 111/20 -, juris, Rn. 15.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">65</span><p class=\"absatzLinks\">Ausgehend hiervon hat der Kläger - der in Deutschland das Zertifikat Deutsch B2 erlangt und erfolgreich den Integrationskurs des Bundesamts und dessen Test „Leben in Deutschland“ bestanden hat, inzwischen als Bauingenieur mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag arbeitet und zudem in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, dass es ihm inzwischen gesundheitlich insgesamt besser gehe - bereits nicht zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht, überhaupt an einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung zu leiden bzw. im Zeitpunkt der Anhörung beim Bundesamt und auch seiner Beschuldigtenvernehmung bei der Kriminalpolizei gelitten zu haben. Soweit der Kläger zum Nachweis seiner Erkrankung auf fachärztliche Bescheinigungen der Fachärztin für Allgemeinmedizin B1. C1. vom 6. Februar 2019 und vom 1. April 2022 verweist, denen zufolge bei ihm eine Vielzahl von (auch psychischen) Erkrankungen diagnostiziert worden sei (Schizodepressive Störung, Zwangsneurose, Nervöse Spannung, Nervöse Instabilität, Posttraumatisches Psychosyndrom nichtpsychotischer Ausprägung, Panikattacke, Herzneurose, Somatisierungsstörung, Chronisches Schmerzsyndrom, Schlafstörung, Borderline-Persönlichkeitsstörung und Koronare Herzkrankheit), erfüllen diese Bescheinigungen schon nicht die Mindestanforderungen, die an ein fachärztliches Attest zum Nachweis einer psychischen Erkrankung zu stellen sind, die aufgrund der Unschärfen des Krankheitsbildes und der vielfältigen Symptome mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung zu vergleichen ist. Aus dem Attest muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">66</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - und - 10 C 17.07 -, jeweils juris, Rn. 15, sowie Beschluss vom 26. Juli 2012 - 10 B 21.12 -, juris, Rn. 7; OVG NRW, Beschlüsse vom 8. März 2016 - 19 A 1670/13.A -, juris, Rn. 36, vom 21. März 2017 - 19 A 2461/14.A -, juris, Rn. 17, vom 11. August 2021 - 1 A 73/20.A -, juris, Rn. 23, und vom 4. November 2021 - 19 E 216/21 -, juris, Rn. 4.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">67</span><p class=\"absatzLinks\">Diesen Anforderungen genügen die vorgelegten Bescheinigungen offenkundig nicht. Denn sie beschränken sich auf eine bloße Aufzählung der durch die Fachärztin für Allgemeinmedizin B1. C1. gestellten Diagnosen einer Vielzahl von Erkrankungen, die zudem jedenfalls bezogen auf die diagnostizierten psychischen Erkrankungen (Schizodepressive Störung, Zwangsneurose, Nervöse Instabilität, Posttraumatisches Psychosyndrom nichtpsychotischer Ausprägung, Herzneurose, Somatisierungsstörung, Borderline-Persönlichkeitsstörung) hinsichtlich der Unschärfen des Krankheitsbildes und der vielschichtigen Symptomatik sicher ohne weiteres mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung verglichen werden können. In den Bescheinigungen fehlen Angaben dazu, auf welcher Grundlage die Ärztin ihre Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheiten im konkreten Fall darstellen, insbesondere auch dazu, ob die vom Kläger geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Auffällig ist insoweit überdies, dass der Kläger ausweislich der Bescheinigung vom 1. April 2022 seit dem 4. Februar 2019 bei der Fachärztin für Allgemeinmedizin B1. C1. in Behandlung ist, das erste Attest, das u. a. bereits die Diagnosen etwa einer Schizodepressiven Störung, einer Zwangsneurose und eines Posttraumatischen Psychosyndroms ausweist, aber schon auf den 6. Februar 2019 datiert und damit allenfalls auf einer einmaligen Vorstellung des Klägers beruht haben wird. Auf welcher Grundlage der Ärztin zu diesem Zeitpunkt bereits eine derart weitreichende Diagnostik möglich war, bleibt völlig offen. Dass auf der Grundlage dieses Attestes das Gesundheitsamt der Städteregion M1 die damals angefragte Maßnahme (Unterbringung in einer Einzelwohnung) für „unerlässlich“ gehalten hat, ist für das vorliegende Verfahren nicht von Bedeutung. Weitere ärztliche Atteste, etwa zu der im Attest vom 1. April 2022 angesprochenen und vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Weiterbehandlung durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie D1. E1. wurden nicht vorgelegt. Bei dieser Sachlage war das Gericht auch nicht gehalten, die Frage des Vorliegens einer psychischen Erkrankung und ggf. ihrer Auswirkungen auf das Aussageverhalten des Klägers von Amts wegen weiter aufzuklären.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">68</span><p class=\"absatzLinks\">Ungeachtet dessen und selbstständig tragend weist das Gericht darauf hin, dass das Aussageverhalten des Klägers, wie es sich aus dem Anhörungsprotokoll ergibt, auch keine Hinweise darauf gibt, dass dem Kläger eine schlüssige, widerspruchsfreie und konsistente Schilderung seiner Verfolgungsgeschichte krankheitsbedingt nicht oder nur eingeschränkt möglich gewesen ist. Insoweit wäre zu erwarten, dass die Angaben eines Menschen, der psychisch so stark erkrankt ist, dass er seine Lebensgeschichte nicht mehr plausibel erzählen kann, möglicherweise ungeordnet, ohne (konsistente) zeitliche Einordnung, unsubstantiiert, farblos oder detailarm bleiben, er etwa erst auf (wiederholte) Nachfrage(n) oder auch überhaupt nicht zu erlittenen Traumata und Verfolgungshandlungen vortragen kann und insgesamt eher einen verschlossenen und niedergeschlagenen Eindruck macht. Nichts dergleichen ergibt sich aus dem Anhörungsprotokoll. Dort befindet sich lediglich ein vorab aufgenommener Vermerk, dem zufolge der Kläger extrem und andauernd gehustet habe. Er habe insoweit angegeben, an einer schweren Atemwegsinfektion zu leiden. Überdies leide er an einer Panikkrankheit, die auch in Iran schon stationär und fortdauernd behandelt worden sei. Es handele sich dabei um eine Art Depression. Ausweislich des Anhörungsprotokolls hat der Kläger sich angesichts dieser gesundheitlichen Beschwerden jedoch nicht außerstande gesehen, die Anhörung durchzuführen. Auch seitens der anhörenden Einzelentscheiderin, die einen persönlichen Eindruck vom Kläger gewinnen konnte, wurde offenbar keinen Anlass gesehen, den Termin zur Anhörung mit Blick auf dessen Verfassung zu verschieben. Bei der Befragung selbst haben sich ebenfalls keine Hinweise auf eine krankheitsbedingt stark eingeschränkte Vortragsfähigkeit ergeben. Es finden sich zwar an zwei Stellen des Protokolls Vermerke, dass der Kläger geweint habe. Geweint hat er jedoch wiederholt auch in der mündlichen Verhandlung, an der er eigenen Angaben zufolge in einer besseren psychischen Verfassung und ohne Medikamenteneinnahme teilgenommen hat. Einen Rückschluss auf eine „Vernehmungsunfähigkeit“ erlaubt dies daher nicht. Dass eine Anhörung beim Bundesamt ebenso wie eine polizeiliche Beschuldigtenvernehmung und auch eine Befragung im Rahmen der mündlichen Verhandlung eine Stresssituation darstellen und der Kläger bei seiner Anhörung beim Bundesamt (eigenen Angaben zufolge aufgrund einer Lungenentzündung) geschwächt gewesen sein mag, erkennt die Kammer an. Die aufgezeigten erheblichen Widersprüche in der Schilderung des angeblichen Verfolgungsgeschehens lassen sich damit aber nicht erklären. Der Kläger hat ausweislich des Anhörungsprotokolls ausführlich und detailreich insbesondere zu seiner Mitgliedschaft bei der Sepah und den Basij vorgetragen. Er hat diese Schilderung ausgestattet mit Einzelheiten zu der Organisation und ihrer Arbeitsweise, mit verschiedenen Namen von Anführern und Verantwortlichen und mit Namen und Adressen der Folterzentren. Dass eine derart detailreiche Schilderung einer völlig anderen Lebensgeschichte auf die vorgetragenen psychischen Erkrankungen zurückzuführen sein könnte, hält die Kammer für ausgeschlossen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">69</span><p class=\"absatzLinks\">Gleiches gilt für die Schilderung der angeblichen Verfolgungshandlungen, die in diametralem Widerspruch zu seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung steht. Insoweit hat er beim Bundesamt ebenfalls detailreich unter Angabe einzelner Namen von seiner Teilnahme an den Hauskirchen berichtet und ausgeführt, er habe an einem Abend einen Anruf von dem Pastor erhalten, der ihn darüber informiert habe, dass die Hauskirche am 6. Mai 2018 gestürmt worden sei und die Mitglieder, unter anderem einer der beiden von ihm missionierten Schüler, festgenommen worden seien. Der Pastor habe ihm gesagt, dass er bei den Polizisten eine Liste gesehen habe, auf der auch sein Name gestanden habe. Am nächsten Tag sei er von einem Arbeitskollegen angerufen und darüber informiert worden, dass die Soldaten auch in der Kunstschule gewesen seien, in der er unterrichtet habe. Dies sei für ihn der Anlass gewesen, seine Sachen zu packen und zu seiner Oma in A1 zu gehen. Damit auch nicht ansatzweise in Einklang zu bringen ist die Schilderung in der mündlichen Verhandlung, er sei von den Polizisten zu Hause verhaftet und mitgenommen und in der Haft gefoltert worden. Nach etwa zweieinhalb Wochen sei ihm, nachdem er sich selbst verletzt habe und in ein Krankenhaus gebracht worden sei, die Flucht gelungen. Diese Diskrepanz in den Schilderungen ist in keiner Weise durch eine möglicherweise krankheitsbedingt eingeschränkte Vortragsfähigkeit zu erklären. Dass der Kläger, wie er in seiner Klagebegründung vorträgt, krankheitsbedingt und nach der Einnahme von Psychopharmaka bei der Anhörung benebelt, unkonzentriert und orientierungslos gewesen ist und nicht genau gewusst hat, wo er war und was um ihn herum geschah, dass er sich deswegen irgendwann „dem Willen der Entscheiderin hingegeben“ hat, ist für die Kammer nicht im Ansatz erkennbar. Dem widerspricht eindeutig sein Aussageverhalten. Im Übrigen hat der Kläger auch nicht - wie dies aber zu erwarten gewesen wäre, wenn er nach Erhalt des Anhörungsprotokolls die Aufnahme eines erheblich abweichenden Vortrags festgestellt hätte - unverzüglich die angeblich falschen Angaben richtiggestellt. Mit seiner am 2. September 2020 vorgelegten Antrags- und Klagebegründung hat er lediglich auf seine psychische Verfassung und Dolmetscherfehler hingewiesen, ohne den angeblich falsch aufgenommenen Vortrag richtigzustellen und spätestens dann oder jedenfalls in einem frühen Stadium des Verfahrens die angeblich wahre Geschichte, namentlich seine Festnahme, Inhaftierung, Folter und Flucht, zu schildern. Erst mit seinem am 16. April 2022 bei Gericht eingegangenen persönlichen Schreiben vom „27. März 2021“ hat er erstmals von „Verletzungen, die durch das Fenster des Krankenhauses bei der Flucht passierten“ gesprochen. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21. April 2022 hat er insoweit ausgeführt, dass es zu Misshandlungen gekommen sei, als die Polizei ihn in Iran wegen seiner Konversion habe festnehmen wollen. Er sei zunächst gestoßen worden und gegen ein Fenster gefallen, welches zerbrochen sei. Dabei sei es zu der Verletzung an der Schulter gekommen. Im Gefängnis sei er gefoltert worden mit einem Bügeleisen oder ähnlichem. Nach etwa zwei Wochen habe er sich dann selbst eine Verletzung zugefügt, um das Gefängnis verlassen zu können. Dieser Vortrag, in dem von einer Flucht übrigens nicht die Rede ist, nebst Richtigstellung der angeblich falsch aufgenommenen Angaben beim Bundesamt wäre bereits zu Beginn des im September 2020 anhängig gemachten Klageverfahrens und nicht erst eineinhalb Jahre später zu erwarten gewesen. Die Kammer hält ihn nach alledem für gesteigert und unglaubhaft.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">70</span><p class=\"absatzLinks\">Vor diesem Hintergrund ist auch nicht glaubhaft, dass der Kläger mehrfach gerichtliche Vorladungen erhalten haben soll. Angesicht der dargelegten erheblichen Defizite im Vorbringen hat die Kammer keinen Anlass, davon auszugehen, dass es sich um echte Dokumente wahren Inhalts handelt. Echte iranische Dokumente unrichtigen Inhaltes sind einfach zu beschaffen. Auch für Justizunterlagen wie Urteile, Vorladungen etc. kann eine mittelbare Falschbeurkundung nicht ausgeschlossen werden. Denn einerseits ist das Justizsystem korruptionsanfällig; andererseits ist es in der iranischen Kultur nicht unüblich auf der Grundlage von Beziehungsgeflechten Hilfeleistungen und Gefälligkeiten zu erbringen. Außerdem ist es für iranische Staatsangehörige relativ leicht, an gefälschte Dokumente zu gelangen, was auch mit der regelmäßig schlechten Qualität originaler Unterlagen zu erklären ist. Dokumentenfälschungen haben seit den krisenhaften Entwicklungen im Frühjahr 2018 zugenommen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">71</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Iran vom 28. Januar 2022 (Stand: 23. Dezember 2021), S. 22 f.; BfA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Iran, Gesamtaktualisierung am 22. Dezember 2021, S. 96.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">72</span><p class=\"absatzLinks\">Vorliegend kommt hinzu, dass schon nicht glaubhaft ist, dass im April 2018, im September 2018 und angeblich sogar noch im September 2020 gleichlautende Ladungsschreiben an den Kläger zugestellt worden sein sollen, obwohl bereits in der ersten Vorladung darauf hingewiesen worden ist, dass bei Nichterscheinen ein Urteil in Abwesenheit gefällt wird. Dass trotz zweimaligen Nichterscheinens kein Urteil in Abwesenheit gefällt wird, sondern vielmehr zwei Jahre später eine weitere Vorladung erfolgt, ist nicht glaubhaft. Auch lässt sich das Datum der ersten Vorladung (April 2018) nicht mit dem Datum der ersten Verfolgungshandlung in Einklang bringen, die der Kläger in seiner Anhörung beim Bundesamt mit der Stürmung der Hauskirche auf den 6. Mai 2018 datiert hat. An dem Umstand, dass die Kammer dem Kläger seine Verfolgungsgeschichte nicht glaubt, ändern daher die vorgelegten Dokumente nichts.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">73</span><p class=\"absatzLinks\">b. Das Gericht ist unter Würdigung des Akteninhalts sowie nach dem persönlichen Eindruck, den sich der Einzelrichter im Rahmen der zweieinhalbstündigen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung machen konnte, überdies nicht davon überzeugt, dass der Kläger sich aufgrund einer ernsthaften inneren Überzeugung dem Christentum zugewandt hat und der Glaubenswechsel (jedenfalls) nunmehr seine religiöse Identität prägt, und dass ihm deswegen Verfolgung bei einer Rückkehr nach Iran droht, vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">74</span><p class=\"absatzLinks\">aa. Erkenntnisse dahingehend, dass iranischen Asylsuchenden in ihrem Heimatland eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung allein wegen der formalen Zugehörigkeit zu einer (christlichen) Kirche drohen könnte, liegen nicht vor. Vielmehr belegen die Quellen, dass davon auszugehen ist, dass eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein nicht zu einer Verhaftung oder sonstigen erheblichen staatlichen Sanktionen führen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">75</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. BfA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Iran, Gesamtaktualisierung am 22. Dezember 2021, S. 48 ff., 51 f., 54; Danish Immigration Service/Danish Refugee Council, Iran - House Churches and Convents, Februar 2018, S. 7 f.; OVG NRW, Beschluss vom 6. Januar 2021 - 6 A 3413/20.A -, juris, Rn. 15.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">76</span><p class=\"absatzLinks\">In Iran kann der schlichte Abfall vom Glauben hingegen dann zu Verfolgungsmaßnahmen führen, wenn es zu öffentlichen Äußerungen bzw. insbesondere zur Missionstätigkeit kommt. Denn die Behörden zwingen in Iran allen Glaubensrichtungen einen Kodex für das Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Der Abfall vom Islam (Apostasie) kann nach der bestehenden Rechtslage mit der Todesstrafe geahndet werden. Zwar ist die Strafbarkeit der Apostasie nicht ausdrücklich im Strafgesetzbuch bestimmt, sie ergibt sich aber aus der Festlegung, dass die Scharia in nicht gesetzlich geregelten Fällen Anwendung findet. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie allerdings selten; zumeist erfolgt nicht die Bestrafung wegen Apostasie, sondern aufgrund anderer Delikte.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">77</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. BfA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Iran, Gesamtaktualisierung am 22. Dezember 2021, S. 51 f.; Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Iran vom 28. Januar 2022 (Stand: 23. Dezember 2021), S. 10 f.; OVG NRW, Beschluss vom 6. Januar 2021 - 6 A 3413/20.A -, juris, Rn. 15.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">78</span><p class=\"absatzLinks\">Aus der aktuellen Erkenntnislage ergibt sich, dass in Iran zum Christentum konvertierte ehemalige Muslime dann gefährdet sind, wenn sie nach außen erkennbar eine missionarische Tätigkeit entfalten, eine herausgehobene Rolle einnehmen oder ihre Abkehr vom Islam dadurch nach außen sichtbar werden lassen, dass sie in Ausübung ihres Glaubens an öffentlichen Riten wie etwa Gottesdiensten teilnehmen wollen. Diese Konvertiten laufen in Iran Gefahr, wegen ihres Glaubenswechsels menschenrechtswidrig behandelt zu werden. Christliche Konvertiten leben bereits seit Jahren in einem Klima der Bedrohung, Einschüchterung und Ausgrenzung. Ihre Lage hat sich jedenfalls seit 2008/2009 stetig verschlechtert.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">79</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Iran vom 28. Januar 2022 (Stand: 23. Dezember 2021), S. 10 f.; amnesty international, Report Iran 2019, 18. Februar 2020, S. 6; UK Home Office, Country Policy and Information Note - Iran: Christian and Christian converts, Februar 2020, S. 23 ff.; BAMF, Länderreport 10: Iran - Situation der Christen, 3/2019, S. 9 ff.; BfA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Iran, Gesamtaktualisierung am 22. Dezember 2021, S. 51 f.; Danish Immigration Service/Danish Refugee Council, Iran - House Churches and Convents, Februar 2018, S. 7 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Januar 2021 - 6 A 3413/20.A -, juris, Rn. 12, und vom 19. Februar 2020 - 6 A 1502/19.A -, juris, Rn. 21 ff., sowie Urteil vom 7. November 2012 - 13 A 1999/07.A -, juris, Rn. 47 ff.; Bay. VGH, Urteil vom 25. Februar 2019 - 14 B 17.31462 -, juris, Rn 25.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">80</span><p class=\"absatzLinks\">bb. Eine die religiöse Identität prägende Hinwendung des Klägers zum Christentum, die zudem die christlich-religiöse Betätigung für ihn unverzichtbar macht, vermag das Gericht nicht festzustellen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">81</span><p class=\"absatzLinks\">Dies folgt zum einen schon daraus, dass die Kammer den Kläger für unglaubwürdig hält. Diese Wertung fußt vor allem auf seinem im gesamten Verfahren gezeigten Aussageverhalten, insbesondere auf der aufgezeigten im Klageverfahren vorgenommenen erheblichen Steigerung seines Vorbringens und den hinsichtlich seiner Mitgliedschaft bei der Sepah und den Basij bewusst unwahren Angaben, die seinen eigenen Angaben bei seiner Beschuldigtenvernehmung zufolge asyltaktischen Gründen gedient haben. Bei diesem Befund und angesichts dessen, dass der Kläger nicht erst in Deutschland konvertiert sein will, seine - unglaubhafte - Verfolgungsgeschichte vielmehr unmittelbar mit der bereits in Iran erfolgten Hinwendung zum Christentum zusammenhängt, kann die Kammer schon nicht davon ausgehen, dass der Kläger jedenfalls zu seiner Konversion die Wahrheit gesagt hat.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">82</span><p class=\"absatzLinks\">Ungeachtet dessen und selbstständig tragend hat die Kammer aber auch aus anderen Gründen nicht die Überzeugung einer identitätsprägenden Hinwendung des Klägers zum Christentum gewinnen können. Zwar hat er durch die bereits im Bundesamtsverfahren vorgelegte Bescheinigung seiner am 1. September 2019 erfolgten Taufe belegt, dass er formal zum Christentum konvertiert ist. Dass der Taufakt und der hierdurch formal vollzogene Religionswechsel auf einer identitätsprägenden Glaubensüberzeugung beruhten, hat sich aus dem Vorbringen des Klägers und dem sonstigen Akteninhalt jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">83</span><p class=\"absatzLinks\">Seine Angaben zur Konversion waren bereits beim Bundesamt nicht überzeugend. Hier konnte der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht formal konvertiert war, die - wie bereits dargelegt aus anderen Gründen nicht glaubhafte - Teilnahme an einer Hauskirche und deren Stürmung zwar einigermaßen detailliert schildern. Sobald es aber um Inhalte ging, darum, was er etwa besonders an der Geschichte von Jesu Leben liebe, wie er seinen Glauben lebe und wie er die beiden Schüler missioniert habe, waren seine Angaben auffallend pauschal und inhaltsleer. Auch in der mündlichen Verhandlung ist der Kläger meist im Allgemeinen verblieben und hat eine echte, tiefe innere Bindung zum christlichen Glauben und ein intensives Bedürfnis, den christlichen Glauben auszuüben, nicht glaubhaft machen können. Er hat insbesondere nicht nachvollziehbar erklären können, warum er sich nicht nur vom Islam abgewendet, sondern der christlichen Religion und hier der protestantischen Kirche zugewendet hat, zumal er sich ausweislich einer Bescheinigung der Flüchtlingsseelsorge im Bistum M1 - Region Eifel - vom 12. Oktober 2018 seit September 2018 engagiert auf die Taufe und die Aufnahme in die katholische Kirche vorbereitet haben soll. Das Gericht glaubt ihm zwar, dass er in F. und wohl auch in G1. einen Taufvorbereitungskurs und Gottesdienste - aufgrund der coronabedingten Einschränkungen beim Kirchgang zwischenzeitlich auch online-Gottesdienste - besucht hat. Er war in der mündlichen Verhandlung spontan auch in der Lage, seinen Taufvers vorzutragen und kannte die Zehn Gebote. Seine Angaben zu Inhalten seines Glaubens, dazu, was das Besondere für ihn am Christentum sei, und welchen Einfluss sein neuer Glauben auf seinen Alltag habe, blieben jedoch blass und wenig überzeugend. Trotz der nicht zu bestreitenden Befassung mit dem Christentum konnte die Kammer im Ergebnis nicht die Überzeugung gewinnen, dass die kirchlichen Aktivitäten des Klägers und seine Taufe auf einer identitätsprägenden Hinwendung zum Christentum und nicht lediglich auf asyltaktischen Überlegungen beruhten (§ 108 Abs. 1 VwGO).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">84</span><p class=\"absatzLinks\">cc. Alles in allem konnte der Kläger daher nicht den Eindruck vermitteln, dass seine Entscheidung, sich taufen zu lassen, religiös motiviert war. Hiervon ausgehend ist nicht anzunehmen, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Iran seiner Glaubensüberzeugung folgen und aus einem tiefen inneren Bedürfnis heraus öffentliche Gottesdienste besuchen sowie sich an kirchlichen Aktivitäten beteiligen würde. Eine Verfolgungsgefahr kann vor diesem Hintergrund nicht angenommen werden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">85</span><p class=\"absatzLinks\">c. Auch die Stellung des Asylantrags löst schließlich bei einer Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">86</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Iran vom 28. Januar 2022 (Stand: 23. Dezember 2021), S. 21; BfA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Iran, Gesamtaktualisierung am 22. Dezember 2021, S. 93; OVG NRW, Urteil vom 7. Juni 2021 - 6 A 2115/19.A -, juris, Rn. 55 ff.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">87</span><p class=\"absatzLinks\">II. Der Kläger hat auch nicht den von ihm mit seinen Hilfsanträgen geltend gemachten Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG bzw. auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass ihm in seiner Heimat ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG ‑ insbesondere die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1) bzw. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (Nr. 2) ‑ drohen könnte, sind aus den vorgenannten Gründen ebenso wenig gegeben wie Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird ergänzend auf die Begründung zu den Ziffern 3. und 4. des angefochtenen Bescheids Bezug genommen, die das Gericht für zutreffend hält (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Insbesondere hat der Kläger das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG), nicht glaubhaft gemacht. Auf die Ausführungen zum (fehlenden) Nachweis einer erheblichen psychischen Erkrankung wird insoweit ergänzend verwiesen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">88</span><p class=\"absatzLinks\">III. Das Bundesamt hat seine Ablehnungsentscheidung jedoch rechtsfehlerhaft mit einer Offensichtlichkeitsentscheidung nach § 30 Abs. 3 AsylG verbunden. Insoweit hat die Klage mit dem auf eine Aufhebung dieser Offensichtlichkeitsentscheidung gerichteten weiteren Hilfsantrag Erfolg.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">89</span><p class=\"absatzLinks\">Für dieses Anfechtungsbegehren besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, weil nach § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG einem Ausländer, dessen Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 AsylG abgelehnt wurde, vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden darf. Insoweit hat der Betroffene ein Interesse an der Aufhebung dieser aus dem Offensichtlichkeitsausspruch des Bundesamts folgenden Sperrwirkung.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">90</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl.              BVerwG, Urteil vom 21. November 2006 - 1 C 10.06 -, juris, Rn. 22.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">91</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beklagte konnte die Ablehnung als offensichtlich unbegründet nicht - wie hier geschehen - auf § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG stützen. Nach dieser Vorschrift ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm liegen schon mit Blick auf den formalen Übertritt des Klägers zum Christentum und die insoweit geltend gemachte Verfolgungsgefahr wegen Konversion nicht vor. Dies hat die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 7. September 2020 im Verfahren 10 L 625/20.A ausgeführt. Auf diese Ausführungen, die die Kammer nach wie vor für zutreffend hält, wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Dass die Offensichtlichkeitsentscheidung aus einem anderen Grund gerechtfertigt werden kann, ist für die Kammer nicht erkennbar.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">92</span><p class=\"absatzLinks\">IV. Die unter Ziffer 5. des angegriffenen Bescheids verfügte Abschiebungsandrohung mit Ausreiseaufforderung unter Fristsetzung von 30 Tagen ist zutreffend auf §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AufenthG gestützt und rechtlich nicht zu beanstanden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">93</span><p class=\"absatzLinks\">V. Schließlich ist auch die Anordnung eines auf 30 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziffer 6. des angefochtenen Bescheids) nach Maßgabe des sich aus § 114 Satz 1 VwGO ergebenden (eingeschränkten) Prüfungsumfangs des Gerichts rechtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesamt hat sich mit der Fristbestimmung am Mittelwert der in § 11 Abs. 3 Satz 2 AsylG genannten Frist von bis zu 5 Jahren orientiert. Besondere Umstände, die eine abweichende Befristungsentscheidung nahe legen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">94</span><p class=\"absatzLinks\">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO, 83b AsylG. Die tenorierte Kostenquotelung entspricht dem jeweiligen Maß von Obsiegen und Unterliegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.</p>\n      "
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