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GET /api/cases/346675/
{ "id": 346675, "slug": "ovgnrw-2022-09-14-19-a-138122", "court": { "id": 823, "name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen", "slug": "ovgnrw", "city": null, "state": 12, "jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit", "level_of_appeal": null }, "file_number": "19 A 1381/22", "date": "2022-09-14", "created_date": "2022-09-23T10:01:09Z", "updated_date": "2022-10-17T11:10:28Z", "type": "Beschluss", "ecli": "ECLI:DE:OVGNRW:2022:0914.19A1381.22.00", "content": "<h2>Tenor</h2>\n\n<p>Der Antrag wird abgelehnt.</p>\n<p>Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.</p>\n<p>Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.</p><br style=\"clear:both\">\n\n<span class=\"absatzRechts\">1</span><p class=\"absatzLinks\"><span style=\"text-decoration:underline\">Gründe:</span></p>\n<span class=\"absatzRechts\">2</span><p class=\"absatzLinks\">Der Berufungszulassungsantrag ist unbegründet. Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO zuzulassen, wenn einer der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt wird und vorliegt. Der Kläger stützt seinen Antrag auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Aus der Zulassungsbegründung ergeben sich jedoch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">3</span><p class=\"absatzLinks\">Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">4</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. statt vieler BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 18. März 2022 ‑ 2 BvR 1232/20 ‑, NVwZ 2022, 789, juris, Rn. 23, vom 7. Juli 2021 ‑ 1 BvR 2356/19 -, NVwZ-RR 2021, 961, juris, Rn. 23, vom 16. April 2020 ‑ 1 BvR 2705/16 ‑, NVwZ-RR 2020, 905, juris, Rn. 21, und Beschluss vom 18. Juni 2019 ‑ 1 BvR 587/17 -, BVerfGE 151, 173, juris, Rn. 28 ff.; VerfGH NRW, Beschlüsse vom 13. Oktober 2020 ‑ VerfGH 82/20.VB-2 ‑, juris, Rn. 19, und vom 17. Dezember 2019 ‑ VerfGH 56/19.VB-3 -, NVwZ-RR 2020, 377, juris, Rn. 17 ff., jeweils m. w. N.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">5</span><p class=\"absatzLinks\">Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die auf § 35 Abs. 1 StAG gestützte und mit Bescheid vom 30. März 2017 verfügte Rücknahme der am 2. Mai 2012 vollzogenen Einbürgerung des Klägers rechtmäßig sei, weil im Zeitpunkt seiner Einbürgerung der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Satz 1 StAG vorgelegen habe. Tatsächliche Anhaltspunkte im Sinn dieser Vorschrift hätten die Annahme gerechtfertigt, dass der Kläger Bestrebungen unterstützt habe, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet gewesen seien (juris, Rn. 36 ff.). Über diese Unterstützung habe er die Einbürgerungsbehörde arglistig getäuscht.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">6</span><p class=\"absatzLinks\">Der Kläger macht mit seinem Zulassungsantrag geltend, das Verwaltungsgericht habe eine nicht vertretbare Entscheidung zu der Frage getroffen, ob er bereits im Zeitpunkt der Stellung seines Einbürgerungsantrags im Dezember 2011 und bei Aushändigung der Einbürgerungsurkunde im Mai 2012 Bestrebungen unterstützt habe, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet gewesen seien. Hierbei habe das Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf eine vermeintliche Mitgliedschaft in der Gruppierung DAWA EU, geringfügige Spenden für Koranvervielfältigungen und die Inhaberschaft der Domain www.alhijra.de abgestellt. Die Einstufung der Gruppierung DAWA EU als verfassungsfeindlich fuße fast ausschließlich auf den Angaben des Zeugen M. , obwohl erhebliche Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit bestünden. Die genannten Spenden ließen sich nicht als Indiz für eine verfassungsfeindliche Gesinnung anführen, weil sie zu einem Zeitpunkt erfolgten, als die Koranverteilungen im Rahmen der Aktion „Lies!“ noch völlig unverdächtig hinsichtlich möglicher verfassungsfeindlicher Bestrebungen gewesen seien. Die Domain www.alhijra.de sei zu einem Zeitpunkt eingerichtet worden, zu welchem der Bürgerkrieg in Syrien noch nicht ausgebrochen, ein Islamischer Staat (IS) noch nicht gegründet und der Begriff „Hijra“ eine völlig andere Bedeutung als einige Jahre später gehabt habe. Da er im Zeitpunkt seiner Einbürgerung keine salafistischen Bestrebungen unterstützt habe, habe er über diesen Umstand auch nicht täuschen können. Zudem hätten auch das Landesamt für Verfassungsschutz und die anderen polizeilichen Behörden keine Bedenken gegen seine Einbürgerung angemeldet, obwohl bereits seit 2011 Berichte über ihn und über DAWA EU vorgelegen hätten.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">7</span><p class=\"absatzLinks\">Mit diesem Zulassungsvorbringen stellt der Kläger die Würdigung des Verwaltungsgerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) nicht schlüssig in Frage.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">8</span><p class=\"absatzLinks\">Die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung des Ergebnisses einer Beweisaufnahme und der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Erstgerichts allein genügt zur Begründung ernstlicher Zweifel nicht. Soweit sich das tatsächliche Vorbringen im Zulassungsverfahren - wie dies vorliegend der Fall ist - auf die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung bezieht, kommt eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur in Betracht, wenn aufgezeigt wird, dass die Richtigkeit der richterlichen Überzeugungsbildung mangelhaft ist, weil das Verwaltungsgericht mit Blick auf entscheidungserhebliche Tatsachen von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist oder die Beweiserhebung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist, was insbesondere bei einer Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder offensichtlich sachwidriger und damit willkürlicher Beweiswürdigung anzunehmen ist.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">9</span><p class=\"absatzLinks\">OVG NRW, Beschluss vom 16. August 2022 ‑ 19 A 735/21 -, juris, Rn. 12; Bay. VGH, Beschluss vom 5. Juli 2016 ‑ 10 ZB 14.1402 -, juris, Rn. 6, jeweils m. w. N.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">10</span><p class=\"absatzLinks\">Dass derartige Mängel der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung vorliegen, zeigt der Kläger mit seiner Zulassungsbegründung nicht auf.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">11</span><p class=\"absatzLinks\">1. Dies gilt zunächst für die Einwendungen des Klägers gegen die tatrichterliche Bewertung der Angaben des Zeugen M. .</p>\n<span class=\"absatzRechts\">12</span><p class=\"absatzLinks\">Der Kläger zeigt nicht auf, dass die diesbezügliche Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist, sondern beschränkt sich darauf, einzelne Gesichtspunkte zu benennen, die aus seiner Sicht anders hätten bewertet werden können. So rügt der Kläger, dass sich das Verwaltungsgericht mit den in der Anlage zum Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11. Januar 2021 dargelegten Widersprüchen in den Angaben des Zeugen M. „inhaltlich allenfalls in Ansätzen auseinandergesetzt“ habe und weitere relevante Informationen, die für die Bewertung der Glaubwürdigkeit des Zeugen M. von Bedeutung seien, „außer Acht gelassen“ habe, insbesondere dessen Konflikte im Rahmen seiner Tätigkeit für den Verfassungsschutz.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">13</span><p class=\"absatzLinks\">Das Verwaltungsgericht hat sich jedoch ausdrücklich mit der Frage der Glaubwürdigkeit des Zeugen M. auseinandergesetzt und im Einzelnen begründet, warum es seine Berichte und Aussagen zur Tätigkeit der DAWA EU als glaubhaft ansieht (Rn. 105 ff.). Insbesondere hat es auch die Kritik des Klägers an der Glaubwürdigkeit des Zeugen M. nicht übersehen, sondern überzeugend darauf verwiesen, dass sich die geltend gemachten Widersprüche primär auf spätere Zeiträume bezögen und die Glaubwürdigkeit des Zeugen M. insgesamt nicht in Frage stellten, ebenso wenig das später gegen den Zeugen M. geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren und seine Tätigkeit für den Verfassungsschutz. Es hat sich in der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Zeugen M. verschafft und festgestellt, dass er keine Belastungstendenzen gezeigt und sich nicht in Widerspruch zu seinen früheren Angaben gegenüber dem Verfassungsschutz oder seiner polizeilichen Vernehmung gesetzt habe. Diese Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">14</span><p class=\"absatzLinks\">2. Der Kläger zeigt auch nicht auf, dass die verwaltungsgerichtliche Überzeugungsbildung im Hinblick auf die Bewertung seiner Spendenzahlungen für die Koranverteilungskampagne „Lies!“ mangelhaft ist.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">15</span><p class=\"absatzLinks\">Das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich berücksichtigt, dass seine Behauptung, er habe durch die Spenden lediglich den Abbau von Vorurteilen fördern wollen, bei isolierter Betrachtung nachvollziehbar und für andere Personen, die sich mit dem Thema nicht weiter auseinandergesetzt hätten, zutreffend sein möge, und dass diese Spenden zu einem Zeitpunkt erfolgten, als die „Lies!“-Kampagne noch nicht verboten gewesen sei (Rn. 120). Es hat jedoch in diesen Spenden Unterstützungshandlungen für verfassungsfeindliche Bestrebungen im Sinn des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ausdrücklich nur „in der Gesamtschau“ (Rn. 101) mit den übrigen Handlungen des Klägers gesehen, die es in den Rn. 102 ff. festgestellt hat. Maßgeblich für seine Beweiswürdigung war, dass die Gesamtumstände und das sonstige Engagement des Klägers belegten, dass er schon zum Zeitpunkt seiner Einbürgerung den Ansichten der die Projekte initiierenden Personen zugeneigt gewesen sei. Deshalb sei anzunehmen, dass der Kläger die Tätigkeit dieser Personen bewusst habe fördern wollen, und sei unglaubhaft, dass er mit den Spenden lediglich zum Abbau von Vorurteilen habe beitragen wollen (Rn. 118, 120). Auch diese Beweiswürdigung ist weder lückenhaft noch sachwidrig.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">16</span><p class=\"absatzLinks\">3. Mit seinen Einwänden gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu seiner Inhaberschaft der Domain www.alhijra.de dringt der Kläger ebenfalls nicht durch.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">17</span><p class=\"absatzLinks\">Das Verwaltungsgericht hat die vom Kläger betriebene Internetseite www.alhijra.de nicht angeführt, weil sie schon bei isolierter Betrachtung ein Indiz für eine Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen bietet, sondern weil sie sich in das Gesamtbild einfügt. Es hat letztlich nur festgestellt, dass sie jedenfalls zeige, dass Religion für den Kläger bereits vor seiner Reise nach Ägypten eine zentralere Rolle gespielt habe, als er vorgebe. Maßgeblich für die Feststellung, dass der Kläger schon zum Zeitpunkt seiner Einbürgerung verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt habe, waren seine Tätigkeiten für die Gruppierung DAWA EU und insbesondere der Betrieb der Internetseite www.dawa-eu.de. Für eine nähere Auseinandersetzung mit den Inhalten der Internetseite www.alhijra.de bestand für das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund kein Anlass.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">18</span><p class=\"absatzLinks\">4. Der abschließende Einwand des Klägers zum Fehlen einer arglistigen Täuschung im Sinn des § 35 Abs. 1 StAG knüpft an seine unbegründete Kritik an der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts an und greift daher ebenfalls nicht durch. Maßgeblich ist, dass der Kläger nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Zeitpunkt seiner Einbürgerung Bestrebungen unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet gewesen sind, und er dazu gegenüber der Einbürgerungsbehörde falsche Angaben gemacht hat. Aus welchen Gründen die Sicherheitsbehörden zum damaligen Zeitpunkt keine Bedenken gegen seine Einbürgerung angemeldet hatten, ist insoweit rechtlich nicht von Bedeutung.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">19</span><p class=\"absatzLinks\">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">20</span><p class=\"absatzLinks\">Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 40, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG. Die Bedeutung der Rücknahme der Einbürgerung für den Kläger, auf die es nach diesen Vorschriften für die Streitwertfestsetzung ankommt, bemisst der Senat im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in ständiger Praxis in Anlehnung an Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs 2013 (NWVBl. 2014, Heft 1, Sonderbeilage, S. 11) mit dem doppelten Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">21</span><p class=\"absatzLinks\">OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2019 ‑ 19 A 446/18 -, NVwZ-RR 2019, 787, juris, Rn. 23 m. w. N.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">22</span><p class=\"absatzLinks\">Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).</p>\n " }