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GET /api/cases/346772/
{ "id": 346772, "slug": "ovgnrw-2022-08-23-12-b-81922", "court": { "id": 823, "name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen", "slug": "ovgnrw", "city": null, "state": 12, "jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit", "level_of_appeal": null }, "file_number": "12 B 819/22", "date": "2022-08-23", "created_date": "2022-09-30T10:01:55Z", "updated_date": "2022-10-17T11:10:42Z", "type": "Beschluss", "ecli": "ECLI:DE:OVGNRW:2022:0823.12B819.22.00", "content": "<h2>Tenor</h2>\n\n<p>Die Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>\n<p>Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens.</p><br style=\"clear:both\">\n\n<span class=\"absatzRechts\">1</span><p class=\"absatzLinks\"><span style=\"text-decoration:underline\">Gründe:</span></p>\n<span class=\"absatzRechts\">2</span><p class=\"absatzLinks\">Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO erfolgte Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führt nicht zur Änderung des angefochtenen Beschlusses.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">3</span><p class=\"absatzLinks\">Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig bis zu einer Entscheidung im Widerspruchsverfahren Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für den Besuch der I. schule in C. /C1. zu gewähren, abgelehnt. Die für die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Erfolgsaussichten lägen nicht vor. Die Beschulung an der I. schule stelle keine geeignete Maßnahme zur Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung dar. Aufgrund der bestandskräftigen Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs (Bescheid vom 21. Februar 2019) stehe fest, dass die Antragstellerin eine sonderpädagogische Unterstützung mit dem Förderschwerpunkt Lernen benötige. Das sei bei der I. schule, die keine Förderschule sei und nicht ersichtlich sonderpädagogisch qualifiziertes Personal beschäftige, nicht gewährleistet. Ferner sei eine Beschulung im staatlichen Schulsystem nicht unmöglich oder unzumutbar. Auch der Vortrag der Antragstellerin, sei habe bei der Hospitation in der Förderschule U.------weg gemerkt, dass sie sozial und lebenspraktisch viel weiter entwickelt sei und deswegen wieder eine Sonderrolle inne gehabt habe, zeige dies nicht. Es fehle ferner ein Bericht der Förderschule, aus dem sich die Ungeeignetheit einer dortigen Beschulung ergeben könnte. Soweit der Facharzt für Kinder und Jugendpsychiatrie Ostermann unter dem 12. Juli 2021 ausführe, die Antragstellerin sei für den Förderbereich Lernen zu leistungsstark, sei u. a. nicht ersichtlich, wer dies konstatiert habe. Darüber hinaus sei auch kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden, weil nicht erkennbar sei, dass die Antragstellerin bzw. ihre Eltern die Schulkosten nicht zumindest vorläufig (weiterhin) selbst übernehmen könnten. Schließlich dürfte es wegen der nur wenigen im Schulhalbjahr bis zu den Sommerferien verbleibenden Wochen an einer Eignung der Hilfe und damit einem Anordnungsanspruch fehlen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">4</span><p class=\"absatzLinks\">Die mit der Beschwerde dagegen erhobenen Einwendungen der Antragstellerin führen nicht zum Erfolg.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">5</span><p class=\"absatzLinks\">Der Antrag ist sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Hilfsantrag bereits unzulässig. Bei einem Rechtsstreit um die Gewährung von Jugendhilfe kann ebenso wie im Bereich der Sozialhilfe ein Hilfeanspruch grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemacht werden, in dem der Träger der Jugendhilfe den Hilfefall geregelt hat.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">6</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Oktober 2021 - 12 A 2661/20 -, juris Rn. 5, vom 8. Oktober 2020 - 12 E 450/20 -, juris Rn. 8, und vom 14. Juli 2020 - 12 B 1488/19 -, juris Rn. 11.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">7</span><p class=\"absatzLinks\">Eine ausdrückliche Regelung trifft der ablehnende Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Februar 2022 zu dem Zeitraum, über den mit ihm entschieden worden ist, nicht.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">8</span><p class=\"absatzLinks\">Regelmäßig ist von der Regelung der Zeitraum bis zur letzten Verwaltungsentscheidung erfasst. Ein abweichender Bewilligungszeitraum kann ausdrücklich benannt sein, kann sich aber auch durch Auslegung aus dem maßgeblichen Bescheid ergeben.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">9</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Oktober 2021 - 12 A 2661/20 -, juris Rn. 5, vom 8. Oktober 2020 - 12 E 450/20 -, juris Rn. 8, und vom 14. Juli 2020 - 12 B 1488/19 -, juris Rn. 11.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">10</span><p class=\"absatzLinks\">Entsprechendes gilt im Fall der Ablehnung einer solchen Bewilligung. Auch der eine Ablehnung betreffende Regelungszeitraum braucht nicht ausdrücklich benannt zu sein, sondern kann sich durch Auslegung aus dem maßgeblichen Bescheid ergeben.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">11</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Oktober 2020 - 12 E 450/20 -, juris Rn. 8, und vom 14. Juli 2020 - 12 B 1488/19 -, juris Rn. 11.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">12</span><p class=\"absatzLinks\">Dabei ist der auch im Jugendhilferecht geltende Grundsatz zeitabschnittsweiser Bewilligung zu berücksichtigen. Denn Voraussetzungen für eine Bewilligung sind auf der Grundlage der jeweils bestehenden Verhältnisse, die sich ändern können, immer wieder neu vom Träger der Jugendhilfe zu prüfen. Nur wenn die bei der vorangegangenen Hilfe gegebenen Verhältnisse fortbestehen, wird die konkrete Jugendhilfemaßnahme in gleicher Art auch für den nachfolgenden Zeitabschnitt erbracht. Ergeben sich hingegen Änderungen, wird nur entsprechend dem neuen Bedarf geleistet. Zur aktuellen Feststellung dieses Bedarfs dient grundsätzlich auch das Hilfeplanverfahren (§ 36 SGB VIII), mit dessen Sinn und Zweck sich die einmalige Gewährung einer Maßnahme bis zum Erreichen eines bestimmten Alters kaum vereinbaren ließe.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">13</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Dezember 2003 - 12 E 945/02 -, juris Rn. 1.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">14</span><p class=\"absatzLinks\">Für den hier streitgegenständlichen Hilfebedarf geht der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es naheliegt, die Zeitabschnitte, die zu einer weiteren Prüfung des Hilfebedarfs Anlass geben können und deshalb den Regelungszeitraum einer Bescheidung naturgemäß begrenzen, bei Hilfen, die mit der Schulbildung im Zusammenhang stehen, nach Schuljahren zu bestimmen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">15</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Oktober 2021 - 12 A 2661/20 -, juris Rn. 7, und vom 14. Juli 2020 - 12 B 1488/19 -, juris Rn. 11.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">16</span><p class=\"absatzLinks\">Danach ist hier eine Regelung nur bis zum Ende des Schuljahres 2021/2022 getroffen worden, das allerdings bereits bei Einlegung der Beschwerde beendet war. Dass die Entscheidung im Widerspruchsverfahren hier noch aussteht, steht mit Blick auf den Grundsatz der zweitabschnittweisen Bewilligung diesem Regelungsgegenstand nicht entgegen. Vielmehr zeigt das von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren u. a. angeführte Schreiben der Bezirksregierung L. vom 2. Februar 2022, in dem den Eltern der Antragstellerin die \"Beendigung der sonderpädagogischen Unterstützung\" (gemeint möglicherweise: Aufhebung der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs) mitgeteilt wird, dass zwischenzeitlich möglicherweise ein maßgeblich veränderter jugendhilferechtlicher Hilfebedarf eingetreten ist oder dieser sogar (teilweise) entfallen ist. Die Sachgerechtigkeit der - im Schulbereich regelmäßig auf Schuljahre oder sogar nur auf Schulhalbjahre begrenzten - zeitabschnittsweisen Bewilligung kommt darin gerade zum Ausdruck. Ob und welcher Hilfebedarf auch für die folgenden Schuljahre gegeben ist, bedarf einer neuen Überprüfung durch den Jugendhilfeträger auf der Grundlage der (gegebenenfalls) veränderten Verhältnisse.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">17</span><p class=\"absatzLinks\">Ein rechtlich schutzwürdiges Interesse an der Überprüfung der Rechtmäßigkeit von in der Vergangenheit liegenden Bewilligungszeiträumen besteht im verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz regelmäßig - so auch hier - nicht. Der erstmals im Beschwerdeverfahren hilfsweise gestellte Antrag auf Verpflichtung zur Bewilligung von Eingliederungshilfe (Übernahme Privatschulkosten) für das erste Schulhalbjahr 2022/2023 ist - unabhängig von der Frage der Statthaftigkeit einer darin möglicherweise liegenden Antragserweiterung - aus den genannten Gründen ebenfalls unzulässig.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">18</span><p class=\"absatzLinks\">Der Antrag ist außerdem - auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens - mit seinem Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, § 294 ZPO). Die für die hier mit dem Antrag begehrte Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Erfolgsaussichten liegen nicht vor.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">19</span><p class=\"absatzLinks\">Dies dürfte allerdings nicht bereits daraus folgen, dass die Beschulung an der I. schule deswegen als ungeeignete Hilfemaßnahme angesehen werden müsste, weil die Bezirksregierung L. mit Bescheid vom 21. Februar 2019 festgestellt hat, dass für die Antragstellerin Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung mit dem Förderschwerpunkt Lernen besteht und dieser, wie erstinstanzlich festgestellt, an der I.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">20</span><p class=\"absatzLinks\"> schule nicht hätte gewährleistet werden können. Denn die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren ein an ihre Eltern gerichtetes Schreiben der Bezirksregierung L. vom 2. Februar 2022 vorgelegt, wonach \"nach Überprüfung der eingereichten Unterlagen\" die sonderpädagogische Förderung \"beendet\" werde. Dieses Schreiben legt nahe, dass seitens der für die Feststellung des Förderbedarfs nach der \"Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung\" (AO-SF) zuständige Bezirksregierung kein sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf mehr gesehen wird. Allerdings wird weder nachvollziehbar, auf der Grundlage welcher (eingereichter) Unterlagen diese Entscheidung getroffen worden ist, noch welche Motivlage der auf Anfrage der I. Privatschule, nicht der Antragstellerin oder ihrer Eltern, erfolgten Überprüfung zugrunde lag.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">21</span><p class=\"absatzLinks\">Unabhängig davon liegt indessen ein Anordnungsanspruch gleichwohl nicht vor, weil nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit eine Beschulung an einer öffentlichen Schule unmöglich oder unzumutbar ist bzw. die begehrte Beschulung an der I. Privatschule die einzige in Betracht kommende Möglichkeit für eine angemessene Schulbildung darstellt. Nur dann, wenn sich der dem Jugendhilfeträger bei der Entscheidung über die Art und Weise der Gewährung der Hilfeleistung zukommende Beurteilungsspielraum in dieser Weise verengt hat, besteht ein Anspruch auf die begehrte Hilfemaßnahme.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">22</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 4. August 2022 - 12 A 1205/21 -, juris, vom 30. März 2020 - 12 A 1896/17 -, juris Rn. 8 m. w. N., vom 20. September 2017 - 12 B 989/17 -, juris Rn. 8, 11, Urteil vom 11. August 2015 - 12 A 1350/14 -, juris Rn. 91.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">23</span><p class=\"absatzLinks\">Die Antragstellerin beruft sich in diesem Zusammenhang im Wesentlichen darauf, dass die zweiwöchige Hospitation in der Förderschule \"Am U.------weg \" ausgereicht habe, um das Schulsystem kennen zu lernen und um einschätzen zu können, dass es ungeeignet sei, die Teilhabebeeinträchtigung zu mindern oder gar zu beseitigen. Dass eine solche eigene Einschätzung nicht ausreichend ist, eine fachlich fundierte, hier offenbar u. a. auch auf der Grundlage des umfassenden Sonderpädagogischen Gutachtens aus dem Jahr 2019 getroffene Entscheidung über den Hilfebedarf in Frage zu stellen, hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend dargestellt (vgl. Seite 5 der Beschlussabschrift). Soweit die Beschwerde erneut auf den Arztbrief des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie P. vom 24. Februar 2022 verweist, wonach sich gezeigt habe, dass die Antragstellerin an der Förderschule unterfordert gewesen sei, ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage der Facharzt diese Aussage getroffen hat. Insbesondere ist diese Einschätzung, wie die Beschwerde aber möglicherweise meint, nicht rechtlich bindend. Die Auswahl der konkret geeigneten Hilfemaßnahmen unterliegt vielmehr der Beurteilung des Jugendamtes. Jedenfalls bietet die Einschätzung des Facharztes keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass für die Antragstellerin ausschließlich die Beschulung an der I. schule in Betracht kommt. Entsprechendes gilt für die im Beschwerdeverfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Vaters der Antragstellerin, wonach die Förderschule nicht geeignet gewesen sei, weil die Antragstellerin dort zu den Besten der Klasse gehört habe und ihr die dadurch entstandene Sondersituation missfallen habe.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">24</span><p class=\"absatzLinks\">Entgegen der Auffassung der Beschwerde kann die Antragstellerin nichts für sich daraus herleiten, dass die Antragsgegnerin ihr keine (weiteren) konkreten Beschulungsalternativen benannt hat. Die Antragstellerin besuchte bereits mit Beginn des Schuljahres 2021/22 die I. schule und lehnte neben dem Besuch einer Förderschule auch den Besuch einer Gesamtschule (nicht nur der in der Vergangenheit besuchten Gesamtschule J ) ab, obwohl dies nach dem Sonderpädagogischen Gutachten in Betracht kam. Der Hinweis der Beschwerde, eine Beschulung an einer (anderen) Gesamtschule stehe in diametralem Widerspruch zu den Ausführungen der Gesamtschule J im Schulbericht, lässt jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren nicht erkennen, dass eine Beschulung an einer öffentlichen Schule, gegebenenfalls mit ergänzenden Hilfen, unzumutbar (gewesen) wäre.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">25</span><p class=\"absatzLinks\">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">26</span><p class=\"absatzLinks\">Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.</p>\n " }