List view for cases

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    "date": "2022-10-05",
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    "type": "Beschluss",
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    "content": "<h2>Tenor</h2>\n\n<p>1.</p>\n<p>Das in der Hauptsache erledigte Verfahren wird eingestellt.</p>\n<p>Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.</p>\n<p>2.</p>\n<p>Der Streitwert wird auf 5.000,00  Euro festgesetzt.</p><br style=\"clear:both\">\n\n<span class=\"absatzRechts\">1</span><p class=\"absatzLinks\"><strong>Gründe</strong></p>\n<span class=\"absatzRechts\">2</span><p class=\"absatzLinks\">I.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">3</span><p class=\"absatzLinks\">Die Klägerin ist albanische Staatsangehörige und reiste im Juli 2015 gemeinsam mit dem Ehemann, R.     W.       , sowie den gemeinsamen minderjährigen Kindern E.      , E1.         und. E2.     zum Zwecke der Asylantragstellung in das Bundesgebiet ein.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">4</span><p class=\"absatzLinks\">Mit Datum vom 21.10.2015 erfolgte die förmliche Asylantragstellung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">5</span><p class=\"absatzLinks\">Mit Bescheid des BAMF vom 22.10.2015 wurde der Asylantrag der Familie als offensichtlich unbegründet abgelehnt und zudem festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen. Überdies wurde die Abschiebung in das Zielland Albanien angedroht.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">6</span><p class=\"absatzLinks\">Die Abschiebungsandrohung ist seit dem 30.10.2015 vollziehbar.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">7</span><p class=\"absatzLinks\">Der Ehemann R.     W.       wurde indessen in der LVR Klinik C.    stationär behandelt. Unter dem 11.07.2017 wurde ein Asylfolgeantrag hinsichtlich des Ehemannes gestellt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">8</span><p class=\"absatzLinks\">Mit Bescheid BAMF vom 24.01.2019 wurde der Asylfolgeantrag des Ehemannes als unzulässig abgelehnt. Überdies wurde der Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 22.10.2015 bzgl. der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG ebenfalls abgelehnt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">9</span><p class=\"absatzLinks\">Gegen diese Entscheidung erhob der Ehemann der Klägerin am 24.01.2019 Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln (24 K 876/19.A) und stellte zudem am 29.01.2020 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (24 L 224/20.A). Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Köln vom 05.03.2020 (24 L 224/20.A) wurde der vorgenannte Antrag abgelehnt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">10</span><p class=\"absatzLinks\">Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für die Klägerin und ihre Kinder wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Köln vom 27.05.2020 (Az.: 5 L 332/20) als unzulässig abgelehnt, da der Klägerin bereits eine materielle Duldung erteilt worden war. Denn dem Sohn E.      wurde 2021 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG erteilt, so dass der Klägerin eine Duldung analog zur Gültigkeit der Aufenthaltserlaubnis Ihres Sohnes nach der Regelung des § 60a Abs. 2b AufenthG ausgestellt wurde.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">11</span><p class=\"absatzLinks\">Unter dem 04.08.2021 beantragte die Klägerin erstmals die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach § 32 Abs. 2 Nr. 5 BeschV, hilfsweise die Erteilung der Nebenbestimmung „Beschäftigung nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde erlaubt\".</p>\n<span class=\"absatzRechts\">12</span><p class=\"absatzLinks\">Für den Fall der Versagung der beantragten Beschäftigungserlaubnis nach § 60a Abs. 6 AufenthG führte der Prozessbevollmächtigte aus, dass er eine solche Handhabung für verfassungswidrig halte.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">13</span><p class=\"absatzLinks\">Mit Bescheid vom 26.08.2021 wurde der Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach § 32 Abs. 2 Nr. 5 BeschV abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass gemäß § 60a Abs. 6 Nr. 3 AufenthG einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden dürfe, wenn er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a AsylG sei und sein nach dem 31.08.2015 gestellter Asyl-/ Asylfolgeantrag abgelehnt worden sei. Beide Voraussetzungen lägen hier vor. Gesetzgeberisches Ziel von § 60a Abs. 2b AufenthG sei es, die Ausübung des Sorgerechts der Eltern für ihre minderjährigen Kinder zu schützen, und nicht, diesen auch eine Beschäftigung zu ermöglichen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">14</span><p class=\"absatzLinks\">Zudem habe sich die Abwägung, ob eine Beschäftigungserlaubnis erteilt werden könne, an einwanderungspolitischen Aspekten auszurichten. Deshalb finde die Forderung, dem Duldungsinhaber nach § 60a Abs. 2b AufenthG müsse zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Weiteres eine Beschäftigung erlaubt werden, in § 60a Abs. 2b AufenthG keine Stütze.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">15</span><p class=\"absatzLinks\">Zudem wolle der Gesetzgeber mit der Regelung des § 60a Abs. 6 Nr. 3 AufenthG den Flüchtlingen aus sichereren Herkunftsstaaten generell die Möglichkeit nehmen, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, um so den Anreiz nach Deutschland zu kommen, zu verringern.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">16</span><p class=\"absatzLinks\">Am 04.10.2021 hat die Klägerin Klage erhoben.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">17</span><p class=\"absatzLinks\">Sie ist der Auffassung, dass die Regelung des § 60a Abs. 6 AufenthG verfassungswidrig sei. Die Verfassungsmäßigkeit von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG begegne insbesondere Bedenken mit Blick auf den Allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG (a) und das allgemeine Bestimmtheitsgebot aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG mit Blick auf die Ausnahme für die Rücknahme des Asylantrages aufgrund einer BAMF-Beratung (b). Es stelle sich die Frage der Verhältnismäßigkeit der Norm (c). Aus diesen Gründen werde eine Vorlage beim BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG angeregt (d). Es würden wesentlich gleiche Sachverhalte unterschiedlich behandelt, nämlich Ausländer aufgrund ihrer jeweiligen Staatsangehörigkeit hinsichtlich ihrer Berechtigung, in Deutschland einer Beschäftigung nachzugehen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">18</span><p class=\"absatzLinks\">Ausländer aus sicheren Herkunftsstaaten, die keinen Asylantrag gestellt hätten und solche, deren Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen worden sei, würden gegenüber denjenigen Ausländern aus sicheren Herkunftsstaaten ungleich behandelt, bei denen eine Rücknahme aufgrund einer BAMF-Beratung erfolge. Diese (gesetzliche) Ungleichbehandlung gehe auch von demselben Träger hoheitlicher Gewalt aus, nämlich der Bundesrepublik Deutschland bzw. dem Gesetzgeber des Bundes. Für die Staatsangehörigen sicherer Herkunftsstaaten bedeute das ein generelles Beschäftigungsverbot und in aller Regel eine dauerhafte Verfestigung im Aufenthaltsstatus der Duldung. Viele Personen aus diesem Kreis hätten einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, etwa aus familiären Gründen - wie im vorliegenden Fall der Klägerin - oder weil sie krankheitsbedingt dauerhaft nicht reisefähig seien. In beiden Fällen sei eine Abschiebung aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 6 GG bzw. Art. 2 Abs. 2 GG) nicht möglich. Diese Personen könnten aber aufgrund des Verbotes der Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt nicht sichern und daher nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG grundsätzlich keine Aufenthaltserlaubnis (etwa nach § 25 Abs. 5 AufenthG und auch nach § 25a Abs. 2 AufenthG) bekommen. Insbesondere die Bleiberechtsregelungen für gut integrierte langfristig Geduldete in § 25a Abs. 2 AufenthG und § 25b Abs. 1 AufenthG sowie die durch dasselbe Gesetz wie die Verschärfung von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG geschaffenen Institute der Beschäftigungsduldung nach § 60d AufenthG und der (neu gefassten) Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG seien somit für diesen Personenkreis praktisch gegenstandslos.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">19</span><p class=\"absatzLinks\">Die Klägerin hat angekündigt, zu beantragen,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">20</span><p class=\"absatzLinks\">die Beklagte unter Aufhebung der Ordnungsverfügung vom 26.08.2021, zugestellt am 02.09.2021, zu verpflichten, ihr eine Beschäftigungserlaubnis nach § 32 Abs. 2 Nr. 5 BeschV zu erteilen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">21</span><p class=\"absatzLinks\">Hilfsweise hat sie beantragt,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">22</span><p class=\"absatzLinks\">die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.08.2021, zugestellt am 02.09.2021, zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung - insbesondere in Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG - des Gerichtes neu zu entscheiden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">23</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beklagte ist dem Vortrag der Klägerin entgegengetreten.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">24</span><p class=\"absatzLinks\">Nach gerichtlichen Aufklärungs- und Hinweisverfügungen unter dem 24.01.2022 und 22.03.2022 erklärte sich die Beklagte bereit, der Klägerin unter Vorlage eines Arbeitsplatzangebotes eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b Abs. 1 AufenthG bei Vorliegens der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen zu erteilen. Unter dem 25.08.2022 teilte die Beklagte mit, dass sämtliche Unterlagen eingereicht seien und nach einem persönlichen Vorsprachetermin am 08.09.2022 die Aufenthaltskarten in Auftrag gegeben werden könnten.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">25</span><p class=\"absatzLinks\">Daraufhin haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitigen Kostenantrag gestellt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">26</span><p class=\"absatzLinks\"><strong>II.</strong></p>\n<span class=\"absatzRechts\">27</span><p class=\"absatzLinks\">In entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärte Verfahren einzustellen. Unter den gegebenen Umständen entspricht es billigem Ermessen i.S.v. § 161 Abs. 2 VwGO, dass die Beklagte die Kosten des Verfahrens trägt. Sie wäre bei streitiger Durchführung des Klageverfahrens voraussichtlich unterlegen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">28</span><p class=\"absatzLinks\">Streitgegenstand des Verfahren ist die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis, die der Klägerin aufgrund der Regelung in § 60a Abs. 6 AufenthG, die Staatsangehörige sicherer Herkunftsstaaten von der Erwerbstätigkeit ausschließt, versagt wurde.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">29</span><p class=\"absatzLinks\">Das Gericht hält die Regelung in § 60a Abs. 6 AufenthG grundsätzlich nicht für verfassungsrechtlich problematisch. Nach Auffassung der Kammer ist die Regelung zusammen mit § 26 Abs. 2 BeschV (sog. Westbalkanregelung) zu lesen. Nach dieser Vorschrift können in den Jahren 2021 bis einschließlich 2023 Zustimmungen zur Beschäftigung mit Vorrangprüfung erteilt werden. Die erstmalige Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn der Antrag bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung in dem Herkunftsland gestellt wird. Jedenfalls theoretisch, bei vertretbarer Verfahrensdauer in den deutschen Auslandsvertretungen, kann der Ausschluss jedweder Erwerbstätigkeit nach § 60a Abs. 6 AufenthG damit in fast wörtlichem Sinne „umgangen“ werden. Der Ausländer ist nach erteilter Beschäftigungserlaubnis legal im Bundesgebiet und kann bzw. wird nach § 19c Abs.1 AufenthG eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis erhalten.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">30</span><p class=\"absatzLinks\">Dass es eine vergleichbare Regelung für Ausländer aus sicheren Herkunftsstaaten, die nicht im Westbalkan liegen, nicht gibt, ist in diesem Fall nicht weiter von Belang.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">31</span><p class=\"absatzLinks\">Die Regelung kann aber in besonderen Fallkonstellationen zu verfassungsrechtlich nicht tragbaren Ergebnissen führen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">32</span><p class=\"absatzLinks\">Im vorliegenden Fall einer faktisch alleinerziehenden Albanerin mit psychisch schwer erkranktem Ehemann, der unter Betreuung steht und in einer Einrichtung wohnt, und drei minderjährigen Kindern, davon eines mit Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet, ist die Regelung des § 26 Abs. 2 BeschV zur Erlangung einer Erwerbserlaubnis dauerhaft nicht erreichbar. Die Klägerin kann ihre Kinder nicht unbetreut über Monate im Bundesgebiet zurücklassen, ihr Ehemann ist für die Betreuung der Kinder während ihrer Abwesenheit krankheitsbedingt ungeeignet. Ohne Verlust des Aufenthaltsrechts des Kindes nach § 25a AufenthG kann auch nicht die gesamte Familie ausreisen und die Beschäftigungserlaubnis allein der Klägerin aus dem Ausland beantragen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">33</span><p class=\"absatzLinks\">In einer Konstellation wie der vorliegenden, in der das Kind über seine Integration seinen zuvor ausreisepflichtigen Eltern ein Bleiberecht verschafft, stellt sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 60a Abs. 6 AufenthG aus Sicht des Rechts des aufenthaltsberechtigten Kindes auf Familienleben nach Art. 6 GG.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">34</span><p class=\"absatzLinks\">Zwar wird dem Recht des Kindes auf Familienleben insofern Rechnung getragen, dass es keine aufenthaltsrechtliche Trennung von den Eltern und Geschwistern befürchten muss. Diese erhalten eine Duldung nach § 60a Abs. 2b AufenthG. Die alleinerziehende Mutter ist vorliegend jedoch durch § 60a Abs. 6 AufenthG von der Integration in die bundesrepublikanischen Verhältnisse durch Erwerbstätigkeit <span style=\"text-decoration:underline\">allein</span> aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit eines Landes, das als sicherer Herkunftsstaat qualifiziert wurde, ausgeschlossen und gegenüber anderen Eltern von Jugendlichen, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG innehaben und die nicht Staatsangehörige sicherer Herkunftsstaaten sind, benachteiligt. Die Regelung in § 60 a Abs. 6 AufenthG knüpft allein an die Staatsangehörigkeit und nicht an ein früheres Verhalten der Klägerin an. Andere Eltern, etwa aus Borundi, Ruanda, Jemen oder Armenien, dürfen bei völlig gleicher Einwanderungs- oder Asylverfahrensgeschichte erwerbstätig sein und ihnen kann bei Sicherung des Lebensunterhalts nach § 25a Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">35</span><p class=\"absatzLinks\">Dieser in § 60a Abs. 6 AufenthG liegende Ausschluss von Integration durch Erwerbstätigkeit stellt nach Sicht des Gerichts einen ungerechtfertigten Eingriff in das Familienleben des aufenthaltsberechtigten Kindes nach Art. 6 GG und/oder Art. 8 EMRK dar, da er nicht aus einem sachlichen Grund gerechtfertigt werden kann,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">36</span><p class=\"absatzLinks\">vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 07.02.2012 - 1 BvL 14/07 (Ausschluss von Personen vom bayrischen Landeserziehungsgeld aus Gründen der Staatsangehörigkeit), zitiert nach juris, wonach es möglich ist, dass eine „Ungleichbehandlung ausländischer Staatsangehöriger in bestimmten Konstellationen hinsichtlich ihrer nachteiligen Auswirkungen auf die Betroffenen einer Unterscheidung nach den in Art. 3 III 1 GG genannten Merkmalen nahe kommt, so dass strenge verfassungsrechtliche Anforderungen an die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zu stellen sind.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">37</span><p class=\"absatzLinks\">Den Gesetzgeber trifft die verfassungsrechtliche Pflicht, das Familienleben zu schützen. Es muss durch sachliche Gründe rechtfertigbar sein, wenn Eltern eines aufenthaltsberechtigten Kindes einem Erwerbsverbot unterliegen, das ihnen die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht zur Pflege und Erziehung der Kindern beeinträchtigt. Das Erwerbstätigkeitsverbot wirkt sich zwangsläufig auf die wirtschaftliche Situation der Familie aus. Erschwerend sind diese Familien zudem auch vom Bezug vom Kindergeld ausgeschlossen, denn beim Bezug des Kindergeldes kommt es auf die aufenthaltsrechtliche Situation der Eltern und nicht der Kinder an.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">38</span><p class=\"absatzLinks\">Die Gründe, die den Gesetzgeber bewogen haben, Staatsangehörige aus sicheren Herkunftsstaaten hinsichtlich des Zugangs zum Erwerbsleben zu benachteiligen, sind sämtlich genereller Natur, dienen der „Abschreckung“ der im Herkunftsland verbliebenen, sollen „Fehlanreize“ im Asylrecht beseitigen,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">39</span><p class=\"absatzLinks\">vgl. Hailbronner in: Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar § 60 a X. Beschäftigungsverbot (Abs. 6) Rn 181 zitiert nach juris und Werdermann, Die Vereinbarkeit von Sonderrecht für Asylsuchende und Geduldete aus sicheren Herkunftsstaaten mit Art. 3 GG in ZAR 2018, 11.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">40</span><p class=\"absatzLinks\">Sie knüpfen also anders als die in § 60a Abs. 6 Nr. 1 und 2 AufenthG niedergelegten Gründe nicht an ein individuelles Verhalten des Ausländers, sondern allein an seine Staatsangehörigkeit an.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">41</span><p class=\"absatzLinks\">Der verfassungsrechtliche Eingriff in das Rechts auf Familienleben des aufenthaltsberechtigten Kindes kann nicht durch das Argument vermieden werden, dass die gesamte Familie nach Albanien zurückkehren und dort leben und arbeiten könne.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">42</span><p class=\"absatzLinks\">Würde so argumentiert werden, verlöre § 25a AufenthG, der eben nicht zwischen Jugendlichen aus sicheren Herkunftsstaaten und sonstigen Drittausländern differenziert, für integrierte Jugendliche aus diesen Ländern faktisch Relevanz. Jede Schlechterbehandlung dieser Familien könnte mit dem Argument, dass diese Familien doch dahin zurückgehen könnten, wo sie herkommen, gerechtfertigt werden. Der gesetzgeberische Gedanke, gut integrierten Jugendlichen eine Bleibeperspektive zu geben würde konterkariert.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">43</span><p class=\"absatzLinks\">Die Schlechterbehandlung von Familien aus sicheren Herkunftsstaaten mit aufenthaltsberechtigtem Jugendlichen nach § 25a AufenthG ist aus sachlichen Gründen nicht zu rechtfertigen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">44</span><p class=\"absatzLinks\">Aus diesem verfassungsrechtlichen Grund, den die Beklagte hätte erkennen müssen, stellt sich dann die Frage nach der verfassungskonformen Anwendung des Aufenthaltsgesetzes. Kann § 60a Abs. 6 AufenthG unter Zuhilfenahme der sonstigen Regelungen des AufenthG nicht verfassungskonform ausgelegt werden, dann muss das Gericht die Norm nach Art. 100 Abs. 1 GG wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG vorlegen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">45</span><p class=\"absatzLinks\">§ 60 a Abs. 6 AufenthG ist eine zwingende Vorschrift, die keine Ausnahmen in atypischen Fallgestaltungen kennt. Bei der Frage der verfassungskonformen Auslegung des § 60 a Abs. 6 AufenthG muss also geprüft werden, ob zur Vermeidung des Erwerbstätigkeitsverbotes die Erteilung eines Aufenthaltsrechts, konkret eines humanitären Aufenthaltsrecht nach dem 5. Titel des Aufenthaltsgesetz in Betracht kommt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">46</span><p class=\"absatzLinks\">Das Gericht verkennt nicht, dass aus Artikel 6 GG oder Artikel 8 EMRK kein Recht auf einen bestimmen Aufenthaltstitel folgt, solange das Recht auf gemeinsames Familienleben gewahrt ist. Dementsprechend sieht auch § 25a AufenthG in § 25a Abs 2 AufenthG nur unter bestimmten Bedingungen eine Aufenthaltserlaubnis für Eltern und Geschwister vor, ansonsten verbleibt es bei einer Duldung, allerdings mit der Beschäftigungsmöglichkeit nach § 32 Abs. 2 Nr. 5 BeschV.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">47</span><p class=\"absatzLinks\">Hätte die Klägerin eine Aufenthaltsberechtigung nach § 25 Abs. 5 AufenthG inne, dann wäre das Erwerbsverbot nach § 60a Abs. 6 AufenthG für sie gegenstandslos. Vorliegend steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht die Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegen, denn der Asylantrag der Klägerin wurde nicht nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 AsylG abgelehnt. Um ihr erst die Aufnahme der Sicherung des Lebensunterhalts der Familie zu ermöglichen, kann die Beklagte von dem Erfordernis nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG absehen. Das behördliche Ermessen dürfte hier aus den verfassungsrechtlichen Gründen reduziert sein.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">48</span><p class=\"absatzLinks\">Es entbehrt im vorliegenden Fall nicht einer gewissen Ironie, dass die Beklagte für die Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG in Betracht gezogen hat, da nach der gesetzlichen Überschrift die Vorschrift für besonders gut integrierte Ausländer gelten soll. Diese Integration sollte aber durch den § 60a Abs. 6 AufenthG verhindert werden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">49</span><p class=\"absatzLinks\">Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">50</span><p class=\"absatzLinks\"><strong>Rechtsmittelbelehrung</strong></p>\n<span class=\"absatzRechts\">51</span><p class=\"absatzLinks\">Ziffer 1 dieses Beschlusses ist unanfechtbar (entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 2, § 158 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).</p>\n<span class=\"absatzRechts\">52</span><p class=\"absatzLinks\">Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">53</span><p class=\"absatzLinks\">Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">54</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem das Verfahren sich erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">55</span><p class=\"absatzLinks\">Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">56</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">57</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.</p>\n      "
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