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    "file_number": "2 B 947/22",
    "date": "2022-10-11",
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    "updated_date": "2022-10-17T11:11:07Z",
    "type": "Beschluss",
    "ecli": "ECLI:DE:OVGNRW:2022:1011.2B947.22.00",
    "content": "<h2>Tenor</h2>\n\n<p>Die Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>\n<p>Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldnerinnen.</p>\n<p>Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.500,00 Euro festgesetzt.</p>\n<h1> </h1><br style=\"clear:both\">\n\n<h1><span style=\"text-decoration:underline\">Gründe:</span></h1>\n<span class=\"absatzRechts\">1</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">2</span><p class=\"absatzLinks\">Das Verwaltungsgericht hat in dem Beschluss die mit der Beschwerde weiterverfolgten Eilanträge der Antragstellerinnen,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">3</span><p class=\"absatzLinks\">die aufschiebende Wirkung ihrer Klage - 1 K 7120/21 - gegen die beiden Bescheide der Antragsgegnerin vom 8. November 2021 hinsichtlich Ziffer 1 (Untersagung der Nutzung des auf dem Grundstück Q.-----weg 29 in S.     -X.           stehenden Holzgebäudes) wiederherzustellen und hinsichtlich Ziffer 3 (Androhung eines Zwangsgeldes von 3.000,00 Euro für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1) anzuordnen,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">4</span><p class=\"absatzLinks\">im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin überwiege das Aussetzungsinteresse der Antragstellerinnen. Weder sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung in Ziffer 2 der beiden Bescheide der Antragsgegnerin vom 8. November 2021 in formeller Hinsicht zu beanstanden noch falle die vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerinnen aus. Dies ergebe sich daraus, dass die angefochtene Nutzungsuntersagung bei summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig sei und an ihrer sofortigen Vollziehung auch ein besonderes öffentliches Interesse (Verhinderung einer Entwertung der Ordnungsfunktion des Bauaufsichtsrechts sowie einer Benachteiligung gesetzestreuer Bürger) bestehe; zudem bestünden auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung. Die auf § 58 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 82 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW beruhende Nutzungsuntersagung sei nach derzeitigem Sach- und Streitstand formell und materiell rechtmäßig. Insbesondere liege für das streitgegenständliche Holzgebäude auf dem im Eigentum der Antragstellerinnen stehenden Grundstück Q.-----weg 29 in S.     -X.           keine Baugenehmigung vor, obwohl hierfür eine solche aber erforderlich sei (formelle Illegalität des Gebäudes). Darüber hinaus sei die Nutzungsuntersagung weder ermessensfehlerhaft noch unverhältnismäßig. Insbesondere sei die Antragsgegnerin an einem bauaufsichtlichen Einschreiten nicht wegen einer diesem entgegenstehenden aktiven Duldung gehindert gewesen. Selbst wenn - wie die Antragstellerinnen vortragen - die Nutzung des streitgegenständlichen Gebäudes als \"Partyscheune\" durch den Voreigentümer seit etwa 1997 bei der Bevölkerung einschließlich des Bürgermeisters sowie Rats- und Verwaltungsmitgliedern allgemein bekannt gewesen und das Grundstück mit Kenntnis der Antragsgegnerin an die öffentliche Wasser- und Abwasserleitung angeschlossen und mit einer Hausnummer versehen worden sei, könne insoweit nach den von der obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten strengen Maßstäben nicht von einer aktiven Duldung ausgegangen werden. Die bloße Kenntnis und Hinnahme des illegalen Zustandes durch die Antragsgegnerin begründe schon keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand. Auch eine etwaige mündliche Zusage der Antragsgegnerin gegenüber dem Voreigentümer der Immobilie schaffe einen solchen nicht. Selbst wenn dem Voreigentümer des streitgegenständlichen Gebäudes - wie die Antragstellerinnen vortrügen - von dem damaligen Bürgermeister \"um die Jahrtausendwende\" erklärt worden wäre, dass die Stadt \"wegen eines Abrisses nichts weiter unternehmen werde\", hätte die Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt schriftlich oder dem gleichwertig einen Vertrauenstatbestand begründend hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass sie den baurechtswidrigen Zustand dauerhaft hinzunehmen bereit sei.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">5</span><p class=\"absatzLinks\">Die Beschwerdebegründung der Antragstellerinnen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Bewertung.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">6</span><p class=\"absatzLinks\">Soweit die Antragstellerinnen zunächst meinen, das Verwaltungsgericht habe sich auf Seite 11 unten des angefochtenen Beschlusses nicht dazu verhalten, was aus seiner Sicht dafür spreche, dass die Duldungszusage schriftlich erfolgen müsse, geht dieser Einwand bereits im Ansatz fehl. Denn der Grund, warum aus Sicht des Verwaltungsgerichts in Übereinstimmung mit der auf Seite 12 oben des angefochtenen Beschlusses zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">7</span><p class=\"absatzLinks\">vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25. Oktober 2021 - 10 A 3199/20 -, juris Rn. 13, vom 8. Mai 2020 - 2 B 457/20 und 2 B 461/20 -, jeweils juris Rn. 15, vom 21. März 2019 - 10 A 684/18 -, juris Rn. 6 ff., und vom 20. September 2018 - 7 B 1192/18 -, juris Rn. 5,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">8</span><p class=\"absatzLinks\">viel dafür spricht, dass eine länger andauernde Duldung oder Duldungszusage - soll sie Vertrauensschutz vermitteln - schriftlich erfolgen muss, lässt sich dem vorhergehenden Satz in dem angefochtenen Beschluss auf Seite 11 unten eindeutig entnehmen. Dieser lautet nämlich: \"Angesichts des Ausnahmecharakters und der weitreichenden Folgen einer solchen sog. aktiven Duldung, bei der die Behörde an der Beseitigung rechtswidriger Zustände gehindert ist, muss den entsprechenden Erklärungen der Behörde mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, ob, in welchem Umfang und ggf. über welchen Zeitraum die Duldung des illegalen Zustands erfolgen soll.\"</p>\n<span class=\"absatzRechts\">9</span><p class=\"absatzLinks\">Ebenfalls erfolglos bleibt der weitere Einwand der Antragstellerinnen, aus einer Gesamtschau der von ihnen vorgetragenen Umstände (jahrzehntelange Kenntnis der Antragsgegnerin von den baurechtswidrigen Zuständen, kein behördliches Einschreiten mehr vom 3. Juli 2012 bis November 2021 nach vorangegangenen Versuchen, damalige Eigentümer in die Pflicht zu nehmen, Anschluss des Grundstücks an die Wasser- und Abwasserleitung, Ausbau der Zufahrt zum Grundstück und Zuteilung einer Hausnummer) ergebe sich im Zusammenhang mit der Erklärung des damaligen Bürgermeisters gegenüber dem Voreigentümer des Grundstücks, die Antragsgegnerin werde wegen eines Abrisses (des darauf befindlichen Holzgebäudes) nichts weiter unternehmen, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts eine einer schriftlichen Duldungszusage gleichwertige Zusage.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">10</span><p class=\"absatzLinks\">Denn zum einen hat bereits das Verwaltungsgericht auf Seite 12 des angefochtenen Beschlusses unter Rückgriff auf die hierzu ergangene obergerichtliche Rechtsprechung,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">11</span><p class=\"absatzLinks\">vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25. Oktober 2021 - 10 A 3199/20 -, juris Rn. 13, vom 21. März 2019 - 10 A 684/18 -, juris Rn. 6, vom 20. September 2018 - 7 B 1192/18 -, juris Rn. 5, und vom 3. September 2018 - 10 B 1126/18 -, juris Rn. 9,</p>\n<span class=\"absatzRechts\">12</span><p class=\"absatzLinks\">zutreffend ausgeführt, dass allein die Untätigkeit der Behörde bzw. eine faktische Duldung - selbst wenn sie lange andauere - nicht ausreiche, um eine aktive Duldung anzunehmen und einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand zu schaffen. Die schlichte Hinnahme eines baurechtlich formell illegalen Geschehens für eine längere Zeit hindere die Bauaufsichtsbehörde nicht, ihre bisherige Praxis zu beenden und auf die Herstellung baurechtmäßiger Zustände hinzuwirken. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend darauf abgestellt, dass auch die Versorgung eines Gebäudes mit Strom, Gas und Wasser, die Abrechnung des Verbrauchs und die Erhebung von Grundbesitzabgaben noch keine aktive Duldung begründeten. Selbst wenn das Grundstück der Antragstellerinnen mit Kenntnis der Antragsgegnerin an die öffentliche Wasser- und Abwasserleitung angeschlossen und mit einer Hausnummer versehen worden sei, könne nach den von der obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten strengen Maßstäben nicht von einer aktiven Duldung ausgegangen werden. Gleiches gilt für den von den Antragstellerinnen ebenfalls vorgebrachten Ausbau der Zufahrt zum Grundstück durch die Antragsgegnerin. Grund hierfür ist, dass allen von den Antragstellerinnen angeführten äußeren Umständen kein (eindeutiger) Erklärungswert dahingehend zu entnehmen ist, ob, in welchem Umfang und ggf. über welchen Zeitraum die Duldung des baurechtlich illegalen Zustands auf dem Grundstück erfolgen soll. Dies ist aber erforderlich, da sich aus einer aktiven Duldung eine zumindest in den praktischen Auswirkungen einer Baugenehmigung im Ansatz angenäherte Rechtsposition ergibt.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">13</span><p class=\"absatzLinks\">Vgl. Hüwelmeier, in: Spannowsky / Saurenhaus, BeckOK Bauordnungsrecht Nordrhein-Westfalen, Stand: 1. Mai 2022, § 74 Rn. 12 m. w. N.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">14</span><p class=\"absatzLinks\">Zum anderen ist das Vorbringen der Antragstellerinnen auf Seite 2 unten im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 14. April 2022, dem Grundstücksvoreigentümer T.        sei von dem damaligen Bürgermeister K.             um die Jahrtausendwende eindeutig erklärt worden, dass die Stadt wegen eines Abrisses (des auf dem Grundstück befindlichen Holzgebäudes) nichts weiter unternehmen werde, bereits zu unsubstantiiert, um daraus eine den strengen Anforderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung genügende - einer schriftlichen Duldungszusage gleichwertige - aktive Duldung der Antragsgegnerin ableiten zu können. Denn insoweit fehlt es zunächst schon an der Darlegung jeglichen Erklärungszusammenhangs bzw. Kontextes, in dem die mündliche Äußerung des ehemaligen Bürgermeisters der Antragsgegnerin erfolgt sein soll. Dies ist aber erforderlich, um insbesondere die Ernsthaftigkeit und Rechtsverbindlichkeit der (lediglich) mündlich getätigten Äußerung bewerten zu können. Ferner geht aus der von den Antragstellerinnen angeführten Äußerung nicht hervor, aus welchem Grund \"die Stadt wegen eines Abrisses nichts weiter unternehmen werde\". Sollte dieser Grund etwa in einem Personalmangel bei der Antragsgegnerin (vgl. hierzu die Erklärung von Frau H.     , Mitarbeiterin des Fachbereichs Bauordnung der Antragsgegnerin, auf Seite 8 Mitte des Protokolls des Ortstermins vom 31. März 2022) gelegen haben, reichte dies für eine aktive Duldung nicht aus, weil hierfür die Erklärung der Antragsgegnerin erforderlich wäre, sich mit dem baurechtswidrigen Zustand abgefunden zu haben und deshalb dagegen nicht mehr einzuschreiten. Außerdem bezieht sich die von den Antragstellerinnen angeführte mündliche Äußerung (allenfalls) auf einen Abriss des auf dem Grundstück befindlichen Holzgebäudes und nicht auf dessen Nutzung - um die es hier allein geht - und lässt im Übrigen auch nicht erkennen, welche konkreten Arten der Nutzung des Gebäudes - insbesondere welche dortigen Feierlichkeiten in welchem Umfang - von der Antragsgegnerin aktiv geduldet worden sein sollen. Schließlich ergibt sich aus der Äußerung auch nicht, ob die Duldung nur für einen bestimmten Zeitraum erfolgen sollte oder zeitlich unbegrenzt. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass jedenfalls dem Rechtsvorgänger der Antragstellerinnen, Herrn I.    T.        , aufgrund des im Verfahren VG Minden 1 K 265/80 geschlossenen Vergleichs durchaus bekannt gewesen sein dürfte, was unter einer schriftlichen aktiven Duldung bzw. einer gleichwertigen Erklärung zu verstehen ist.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">15</span><p class=\"absatzLinks\">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">16</span><p class=\"absatzLinks\">Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 11 a), 13 c) und 14 a) des Streitwertkatalogs der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 2019 (BauR 2019, 610). Der Senat sieht keine Veranlassung, von der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts abzuweichen.</p>\n<span class=\"absatzRechts\">17</span><p class=\"absatzLinks\">Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).</p>\n      "
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