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{ "count": 33693, "next": "https://de.openlegaldata.io/api/cases/search/?page=2", "previous": null, "results": [ { "text": "Tatbestand\n\n\n \n \n 1\n \n \n Der Kläger, ein russischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen eine auf § 58a AufenthG gestützte Abschiebungsanordnung.\n \n \n \n \n 2\n \n \n Der Kläger wurde im ... in der Russischen Föderation (Dagestan) geboren. Er reiste 2002 mit weiteren Familienmitgliedern nach Deutschland ein und stellte gemeinsam mit diesen unter falschem Namen erfolglos Asylanträge. Nach Ablehnung des ersten Asylantrags konnte er mehrere Jahre lang wegen fehlender Heimreisedokumente nicht abgeschoben werden. Im April 2012 wurde dem Kläger - nach Richtigstellung der Personalien der Familie - erstmalig eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die zuletzt bis März 2018 verlängert worden ist.\n \n \n \n \n 3\n \n \n Im Jahr 2014 erließ die zuständige Ausländerbehörde gegen den Kläger ein Ausreiseverbot, nachdem zutage getreten war, dass er eine Ausreise nach Syrien geplant hatte.\n \n \n \n \n 4\n \n \n Mit Verfügung vom 13. März 2017 ordnete der Senator für Inneres der Beklagten - gestützt auf § 58a AufenthG - die Abschiebung des Klägers in die Russische Föderation an. Die Abschiebungsanordnung wurde mit der Gefahr begründet, dass der Kläger einen terroristischen Anschlag verüben oder an einem solchen mitwirken werde. Er habe sich seit 2014 zunehmend islamistisch radikalisiert und sympathisiere mit der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" ("IS"). In einem "Chat" habe er sich zur Beteiligung an einem Anschlag bereit erklärt. Bei der Auswertung seines Smartphones sei u.a. ein Video mit einer Schritt-für-Schritt Anleitung zur Herstellung einer Splitterbombe mit einfachsten Mitteln gefunden worden. Daraus und aus weiteren Einzelheiten, auf die im Rahmen der Entscheidungsgründe eingegangen wird, ergebe sich die auf Tatsachen gestützte Prognose, dass von ihm eine terroristische Gefahr ausgehe. Vor diesem Hintergrund überwiege bei der Ermessensentscheidung auch unter Berücksichtigung seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland, des erlangten Hauptschulabschlusses, der sozialen Bindungen an seine Familie und seine religiös angetraute Ehefrau das Interesse an einer Ausreise das private Interesse am Verbleib. Die Verfügung wurde dem Kläger am 14. März 2017 ausgehändigt; am gleichen Tag wurde er zur Sicherung der Abschiebung in Haft genommen. Während seiner Inhaftierung trennten sich der Kläger und seine Partnerin.\n \n \n \n \n 5\n \n \n Am 24. März 2017 hat der Kläger beim Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben. Er hält § 58a AufenthG für verfassungswidrig. Unabhängig davon sei die Abschiebungsanordnung formell und materiell rechtswidrig. Sie sei unter Verstoß gegen § 28 BremVwVfG ohne vorherige Anhörung ergangen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 58a AufenthG lägen nicht vor. Die Auslegung der Vorschrift durch den Senat führe zu einer unzulässigen Absenkung der Gefahrenschwelle. Die Gefahrenprognose beruhe auf einer unrichtigen und unzureichenden Tatsachengrundlage und sei insbesondere nicht hinreichend sachverständig erfolgt. Sie beruhe zudem auf Angaben des Klägers, die in einem Strafprozess wegen Verletzung seiner Verteidigungsrechte nicht verwertbar wären. Ein Zusammenhang zwischen den beim Kläger gefundenen Videos und Fotos und einem erwartbaren Verhalten des Klägers sei nicht herzustellen. Seine Äußerungen zeigten, dass er selbst noch auf der Suche nach der eigenen Weltsicht und Motiven für das eigene Handeln sei. Es fehle auch an einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Klägers. Die Abschiebungsanordnung sei ferner unvereinbar mit Art. 8 EMRK. Der Kläger sei in Deutschland integriert, seine Familie lebe hier, und er spreche kein Russisch. Schließlich bestehe ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot, weil zu erwarten sei, dass der Kläger in der Russischen Föderation einer Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung ausgesetzt sei. Er befürchte, inhaftiert und gefoltert sowie zum Wehrdienst eingezogen zu werden. Die russischen Stellen könnten die Gründe für seine Abschiebung unschwer den Medien entnehmen. Eine vom Kläger eingeholte Auskunft einer russischen Nichtregierungsorganisation vom 19. August 2017 bestätige seine Befürchtungen. Er könne sich in der Russischen Föderation jedenfalls nicht ohne erhebliche Gefährdung registrieren lassen. Den für die Registrierung erforderlichen Inlandspass könne er nur in Dagestan beantragen. Sowohl zur Frage des Erfordernisses einer Anhörung nach Unionsrecht als auch zur Frage der Vereinbarkeit einer Abschiebung ohne vorherige Befristung mit der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG bedürfe es eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH).\n \n \n \n \n 6\n \n \n Der Kläger beantragt,\n \n \n \n \n \n die Verfügung des Senators für Inneres der Freien Hansestadt Bremen vom 13. März 2017 aufzuheben.\n \n \n \n \n 7\n \n \n Die Beklagte beantragt,\n \n \n \n \n \n die Klage abzuweisen.\n \n \n \n \n 8\n \n \n Sie verteidigt die angegriffene Verfügung. In Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen führt sie vorsorglich aus, dass die Ermessensentscheidung auch dann zu Lasten des Klägers ausgehe, wenn er nicht über Grundkenntnisse der russischen Sprache und in der Russischen Föderation außerhalb Dagestans nicht über familiäre Kontakte verfügen sollte.\n \n \n \n \n 9\n \n \n Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und schließt sich der Auffassung der Beklagten an.\n \n \n \n \n 10\n \n \n Mit Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - hat der Senat einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - nicht zur Entscheidung angenommen. Nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine auf Antrag des Klägers am 31. Juli 2017 erlassene vorläufige Untersagung der Abschiebung am 29. August 2017 wieder aufgehoben hatte, wurde der Kläger am 4. September 2017 nach P. (Russische Föderation) abgeschoben. Mit Entscheidung vom 7. November 2017 (Nr. 54646/17) hat der EGMR die Beschwerde des Klägers in der Hauptsache hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung von Art. 3 EMRK als unzulässig, weil offensichtlich unbegründet, zurückgewiesen.\n \n \n \n \n 11\n \n \n Der Senat hat eine Liste von Erkenntnismitteln über die abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Februar 2018) erstellt und den Beteiligten zur Kenntnis gebracht.\n \n \n \n \n 12\n \n \n Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Senators (VV), die Ausländerakte des Klägers (AA), die Akten des 62. Kommissariats der Polizei Bremen (6 Bände P1 bis P6, und ein Hefter, Polizei K 62), die beigezogenen Akten verschiedener familiengerichtlicher Verfahren (Amtsgericht Bremen 71 F 172/17 SO, 71 F 212/17 EAUB, 71 F 211/17 EASO, 71 F 134/17 EAUB, 71 F 591/17 UB) sowie die beigezogene Strafakte (Staatsanwaltschaft Bremen 508 Js 9347/17, Hauptakte Bd. I und II sowie Beweismittelordner).\n \n \n \n \nEntscheidungsgründe\n\n\n \n \n 13\n \n \n Die in der mündlichen Verhandlung ohne nähere Substantiierung erhobene Besetzungsrüge greift nicht durch. Die aus dem Rubrum ersichtliche Besetzung des Senats entspricht seinem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2018.\n \n \n \n \n 14\n \n \n Die Klage gegen die Abschiebungsanordnung in dem Bescheid des Senators für Inneres vom 13. März 2017 ist zulässig, aber unbegründet.\n \n \n \n \n 15\n \n \n 1. Der Zulässigkeit der Klage steht die zwischenzeitliche Abschiebung des Klägers nicht entgegen. Hierdurch hat sich die Abschiebungsanordnung nicht erledigt, da von ihr weiterhin rechtliche Wirkungen ausgehen. Sie bildet unter anderem die Grundlage für die Rechtmäßigkeit der Abschiebung und darauf aufbauende Rechtsfolgen, etwa die Haftung des Klägers für die durch seine Abschiebung entstandenen Kosten nach §§ 66, 67 AufenthG (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 12).\n \n \n \n \n 16\n \n \n 2. Die Klage ist aber unbegründet. Die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Senators für Inneres vom 13. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).\n \n \n \n \n 17\n \n \n Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung einer Abschiebungsanordnung ist in Fällen, in denen der Ausländer - wie hier - in Vollzug der gegen ihn ergangenen Entscheidung bereits abgeschoben worden ist, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Abschiebung. Mit dem Vollzug der Abschiebungsanordnung ist der mit dieser Maßnahme verfolgte Zweck eingetreten, und die Berücksichtigung nach der Abschiebung eintretender neuer Umstände - zu Gunsten wie zu Lasten des Betroffenen - widerspräche ihrem Charakter als Vollstreckungsmaßnahme. Nachträgliche Änderungen sind daher in einem Verfahren nach § 11 AufenthG zu berücksichtigen. Auch in Bezug auf die - inzidente - Prüfung von Abschiebungsverboten kommt es nur darauf an, ob diese im Zeitpunkt der Abschiebung vorlagen. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der hinsichtlich der Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Zielstaat auf den Zeitpunkt der Abschiebung abstellt und nachträglich bekannt werdende Tatsachen nur ergänzend heranzieht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 14 unter Hinweis auf EGMR, Urteil vom 14. März 2017 - Nr. 47287/15, Ilias u. Ahmed/Ungarn - Rn. 105 m.w.N.).\n \n \n \n \n 18\n \n \n Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen.\n \n \n \n \n 19\n \n \n 2.1 Diese Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 16; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 20 ff. und vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - NVwZ 2017, 1530 Rn. 18). In seiner Entscheidung über den vorläufigen Rechtsschutz, auf die insoweit verwiesen wird (Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 9 ff.), hat sich der Senat mit den gegen die Verfassungsmäßigkeit erhobenen Einwänden des Klägers auseinandergesetzt. Diese Beurteilung ist vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet worden. Der weitere Verlauf des Klageverfahrens und der mündlichen Verhandlung gibt keine Veranlassung, davon abzuweichen.\n \n \n \n \n 20\n \n \n 2.2 Die Abschiebungsanordnung ist - wie bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren dargelegt - formell rechtmäßig. Der formellen Rechtmäßigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger vor Erlass der Verfügung möglicherweise nicht hinreichend angehört worden ist.\n \n \n \n \n 21\n \n \n a) Nach nationalem Verfahrensrecht war eine Anhörung entbehrlich. § 58a AufenthG schreibt eine Anhörung weder ausdrücklich vor noch verbietet er eine solche, so dass § 28 BremVwVfG anzuwenden ist. Nach dieser Regelung ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Abs. 1). Nach § 28 Abs. 2 BremVwVfG kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, etwa wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (Nr. 1).\n \n \n \n \n 22\n \n \n Es kann offenbleiben, ob hier vor der Übergabe der Abschiebungsanordnung eine hinreichende Anhörung durch die für deren Erlass zuständige Behörde stattgefunden hat oder diese in der Folgezeit nachgeholt worden ist; denn jedenfalls durfte auf eine Anhörung nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 BremVwVfG verzichtet werden, weil eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig war. § 58a AufenthG zielt auf die Bewältigung von beachtlichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter. Bei der mit einer Anhörung verbundenen "Vorwarnung" bestünde regelmäßig die Gefahr, dass sich der Betroffene durch Untertauchen der Abschiebung entzieht oder sonst den mit der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung verfolgten Zweck vereitelt. Der Gesetzgeber selbst anerkennt dies in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a AufenthG, nach dem ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen ist, wenn eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann; auch ist bei einer Abschiebungsanordnung eine freiwillige Ausreise nicht zu ermöglichen. Unabhängig davon war eine sofortige Entscheidung auch deshalb im öffentlichen Interesse notwendig, weil vom Kläger eine terroristische Gefahr ausgeht, die sich jederzeit aktualisieren kann (siehe näher unten). Die Anordnung von Abschiebungshaft ist erst möglich, wenn die Abschiebungsanordnung bereits ergangen ist (§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a AufenthG). Besondere, atypische Umstände, die hier vor Erlass der Abschiebungsanordnung eine umfassende vorherige Anhörung ohne Gefährdung des Zwecks der Abschiebungsanordnung oder zumindest eine eingehendere Begründung der Ermessensentscheidung für den Verzicht auf eine Anhörung erfordert hätten, liegen nicht vor (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 17).\n \n \n \n \n 23\n \n \n b) Das Vorgehen der Behörde ist auch mit den Vorgaben des Unionsrechts, wie sie vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) zu beachten sind, vereinbar. Es kann daher offenbleiben, ob diese Richtlinie auf Rückkehrverfahren, die - wie hier - nicht zu migrationsbedingten Zwecken, sondern zum Schutz der öffentlichen Sicherheit bei einer terroristischen Gefahr gegen eine zuvor legal aufhältige Person durchgeführt werden, überhaupt Anwendung findet (vgl. zu der Problematik BVerwG, Beschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 Rn. 6).\n \n \n \n \n 24\n \n \n Die Richtlinie 2008/115/EG selbst enthält nicht ausdrücklich ein Anhörungsgebot vor Erlass einer Rückkehrentscheidung. Dieses gilt aber als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (vgl. näher EuGH, Urteil vom 5. November 2014 - C-166/13 [ECLI:EU:C:2014:2336], Mukarubega - Rn. 40 - 45; BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 19). Das Recht auf Anhörung garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen. Die Regel, wonach der Adressat einer beschwerenden Entscheidung in die Lage versetzt werden muss, seinen Standpunkt vorzutragen, bevor die Entscheidung getroffen wird, soll der zuständigen Behörde erlauben, alle maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sind Grundrechte wie das Recht auf Beachtung der Verteidigungsrechte aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 [ECLI:EU:C:2014:2431], Boudjlida - Rn. 43). Dabei ist auch das Ziel der Richtlinie, nämlich die wirksame Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in ihr Herkunftsland, zu berücksichtigen (ebenda, Rn. 45).\n \n \n \n \n 25\n \n \n Weitergehende Anforderungen ergeben sich entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung und der von ihr in diesem Zusammenhang angeregten EuGH-Vorlage (Schriftsatz vom 27. März 2018, Frage I.) auch nicht aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC). Soweit sie sich auf das Recht auf eine gute Verwaltung nach Art. 41 GRC beruft, das nach Art. 41 Abs. 2 Spiegelstrich 1 GRC insbesondere das Recht jeder Person umfasst, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird, ist in der Rechtsprechung des EuGH geklärt, dass sich aus dem Wortlaut des Art. 41 GRC eindeutig ergibt, dass sich dieser nicht an die Mitgliedstaaten, sondern ausschließlich an die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union richtet (EuGH, Urteil vom 5. November 2014 - C-166/13 - Rn. 44 m.w.N.). Ein schrankenloser Anspruch auf Anhörung vor Erlass einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme durch eine nationale Ausländerbehörde ergibt sich auch nicht aus Art. 47 GRC (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht) und Art. 48 GRC (Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte), ohne dass sich in diesem Zusammenhang eine dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegende entscheidungserhebliche Zweifelsfrage stellt.\n \n \n \n \n 26\n \n \n Danach bedurfte es hier auch unionsrechtlich nicht zwingend einer Anhörung des Klägers durch die Beklagte vor Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung. Mit der grundsätzlichen Entbehrlichkeit einer Anhörung vor Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG wird u.a. bezweckt zu verhindern, dass sich die vorausgesetzte besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder terroristische Gefahr (die hier auch tatsächlich besteht, s.u.) in der Zwischenzeit realisiert (BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5). Dies wäre bei Durchführung einer vorherigen Anhörung durch die zuständige Behörde - wie oben ausgeführt - nicht hinreichend sicher gewährleistet. Angesichts des überragenden Gewichts der Gründe, die in einem solchen Fall für ein Absehen von der Anhörung sprechen, liegt darin auch im Falle eines - wie hier - bis dahin legalen Aufenthalts kein unverhältnismäßiger Eingriff in das unionsrechtlich gewährleistete Anhörungsrecht, zumal dem Betroffenen das Recht auf rechtliches Gehör im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden gerichtlichen Rechtsbehelfe verbleibt.\n \n \n \n \n 27\n \n \n 2.3 Die Verfügung ist - wie der Senat bereits im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes ausgeführt hat - auch materiell rechtmäßig. Die Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ist gegenüber der Ausweisung nach §§ 53 ff. AufenthG eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr. Sie zielt auf die Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und/oder einer terroristischen Gefahr. Eine solche Gefahr ging vom Kläger bei Abschiebung aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose aus.\n \n \n \n \n 28\n \n \n a) Der Begriff der "Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" ist - wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG - nach der Rechtsprechung des Senats enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <120> = juris Rn. 17). In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 21).\n \n \n \n \n 29\n \n \n Der Begriff der "terroristischen Gefahr" knüpft an die neuartigen Bedrohungen an, die sich nach dem 11. September 2001 herausgebildet haben. Diese sind in ihrem Aktionsradius nicht territorial begrenzt und gefährden die Sicherheitsinteressen auch anderer Staaten. Im Aufenthaltsgesetz findet sich zwar keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Terrorismus setzen aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus. Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch im Grundsatz geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist. Wesentliche Kriterien können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 (ABl. L 164 S. 3) sowie dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr. 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) gewonnen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs liegt nach der Rechtsprechung des Senats eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 m.w.N.). Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder "Szeneeinbindungen", die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern geeignet sind (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 22).\n \n \n \n \n 30\n \n \n Das Erfordernis einer "besonderen" Gefahr bei der ersten Alternative bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit. In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen. Dafür spricht auch die Regelung in § 11 Abs. 5 AufenthG, die die Abschiebungsanordnung in eine Reihe mit Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt. Geht es um die Verhinderung schwerster Straftaten, durch die im "politischen/ideologischen Kampf" die Bevölkerung in Deutschland verunsichert und/oder staatliche Organe der Bundesrepublik Deutschland zu bestimmten Handlungen genötigt werden sollen, ist regelmäßig von einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und jedenfalls von einer terroristischen Gefahr auszugehen. Da es um die Verhinderung derartiger Straftaten geht, ist nicht erforderlich, dass mit deren Vorbereitung oder Ausführung in einer Weise begonnen wurde, die einen Straftatbestand erfüllt und etwa bereits zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen geführt hat (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 23).\n \n \n \n \n 31\n \n \n Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Ungeachtet ihrer tatbestandlichen Verselbstständigung ähnelt die Abschiebungsanordnung in ihren Wirkungen einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung ist sie aber mit Verkürzungen im Verfahren und beim Rechtsschutz verbunden. Insbesondere ist die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AufenthG). Da es keiner Abschiebungsandrohung bedarf (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG), erübrigt sich auch die Bestimmung einer Frist zur freiwilligen Ausreise. Zuständig sind nicht die Ausländerbehörden, sondern grundsätzlich die obersten Landesbehörden (§ 58a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG). Die Zuständigkeit für den Erlass einer Abschiebungsanordnung begründet nach § 58a Abs. 3 Satz 3 AufenthG zugleich eine eigene Zuständigkeit für die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG ohne Bindung an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren. Die gerichtliche Kontrolle einer Abschiebungsanordnung und ihrer Vollziehung unterliegt in erster und letzter Instanz dem Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO), ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes muss innerhalb einer Frist von sieben Tagen gestellt werden (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Die mit dieser Ausgestaltung des Verfahrens verbundenen Abweichungen gegenüber einer Ausweisung lassen sich nur mit einer direkt vom Ausländer ausgehenden terroristischen und/oder dem gleichzustellenden Bedrohungssituation für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 24).\n \n \n \n \n 32\n \n \n Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten, bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, die zur Abwehr einer besonderen Gefahr lediglich eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen angesichts des hohen Schutzguts und der vom Terrorismus ausgehenden neuartigen Bedrohungen für einen abgesenkten Gefahrenmaßstab, weil seit den Anschlägen vom 11. September 2001 damit zu rechnen ist, dass ein Terroranschlag mit hohem Personenschaden ohne großen Vorbereitungsaufwand und mit Hilfe allgemein verfügbarer Mittel jederzeit und überall verwirklicht werden kann. Eine Abschiebungsanordnung ist daher schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 25).\n \n \n \n \n 33\n \n \n Diese Auslegung steht trotz der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Einklang mit dem Grundgesetz (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 42). Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vornherein für jede Art der Aufgabenwahrnehmung auf die Schaffung von Eingriffstatbeständen beschränkt, die dem tradierten sicherheitsrechtlichen Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren entsprechen. Vielmehr kann er die Grenzen für bestimmte Bereiche der Gefahrenabwehr mit dem Ziel schon der Straftatenverhinderung auch weiter ziehen, indem er die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduziert. Dann bedarf es aber zumindest einer hinreichend konkretisierten Gefahr in dem Sinne, dass tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr bestehen. Hierfür reichen allgemeine Erfahrungssätze nicht aus, vielmehr müssen bestimmte Tatsachen im Einzelfall die Prognose eines Geschehens tragen, das zu einer zurechenbaren Verletzung gewichtiger Schutzgüter führt. Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, aber bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. In Bezug auf terroristische Straftaten, die oft von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, kann dies schon dann der Fall sein, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird. Angesichts der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist eine Verlagerung der Eingriffsschwelle in das Vorfeldstadium dagegen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn nur relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Gefahren bestehen, etwa allein die Erkenntnis, dass sich eine Person zu einem fundamentalistischen Religionsverständnis hingezogen fühlt (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 26; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 45). Allerdings kann in Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamischen Auffassung für gerechtfertigt und die Teilnahme am sogenannten "Jihad" als verpflichtend ansieht, von einer hinreichend konkreten Gefahr auszugehen sein, dass diese Person terroristische Straftaten begeht (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 8.17 - juris Rn. 18).\n \n \n \n \n 34\n \n \n Für diese "Gefahrenprognose" bedarf es - wie bei jeder Prognose - zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Der Hinweis auf eine auf Tatsachen gestützte Prognose dient der Klarstellung, dass ein bloßer (Gefahren-)Verdacht oder Vermutungen bzw. Spekulationen nicht ausreichen. Zugleich definiert dieser Hinweis einen eigenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Abweichend von dem sonst im Gefahrenabwehrrecht geltenden Prognosemaßstab der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit mit seinem nach Art und Ausmaß des zu erwartenden Schadens differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss für ein Einschreiten nach § 58a AufenthG eine bestimmte Entwicklung nicht wahrscheinlicher sein als eine andere. Vielmehr genügt angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen kann (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 27).\n \n \n \n \n 35\n \n \n Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Dabei kann sich - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - in der Gesamtschau ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, auch schon daraus ergeben, dass sich ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in "religiösen" Fragen regelmäßig austauscht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 28).\n \n \n \n \n 36\n \n \n Der obersten Landesbehörde steht bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose aber keine Einschätzungsprärogative zu. Als Teil der Exekutive ist sie beim Erlass einer Abschiebungsanordnung - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) und unterliegt ihr Handeln nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen behördlichen Beurteilungsspielraum. Auch wenn die im Rahmen des § 58a AufenthG erforderliche Prognose besondere Kenntnisse und Erfahrungswissen erfordert, ist sie nicht derart außergewöhnlich und von einem bestimmten Fachwissen abhängig, über das nur oberste (Landes-)Behörden verfügen. Vergleichbare Aufklärungsschwierigkeiten treten auch in anderen Zusammenhängen auf. Der hohe Rang der geschützten Rechtsgüter und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung erfordern ebenfalls keine Einschätzungsprärogative der Behörde (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 29; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 42).\n \n \n \n \n 37\n \n \n b) In Anwendung dieser Grundsätze ging vom Kläger im (maßgeblichen) Zeitpunkt der Abschiebung aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ein beachtliches Risiko im Sinne des § 58a AufenthG aus, auch wenn den Sicherheitsbehörden kein konkreter Plan des Klägers zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt geworden ist. Es bestand ein zeitlich und sachlich beachtliches Risiko, dass er einen terroristischen Anschlag begehen oder sich an einem solchen beteiligen würde, bei dem Unbeteiligte ums Leben kämen. Dieser Einschätzung liegt folgender Sachverhalt zugrunde (dazu aa) bis dd)):\n \n \n \n \n 38\n \n \n aa) Der Kläger hat sich bereits seit dem Alter von 15 Jahren islamistisch radikalisiert. Ende 2014 war er häufiger Besucher des - inzwischen verbotenen - Kultur- und Familienvereins in B., der die "F. Moschee" betrieb und sich durch eine stark extremistische Auslegung des Islam auszeichnete. Die F. Moschee besuchte er, obwohl ihm in einer anderen Moschee mit der Begründung davon abgeraten worden war, dass er sonst "in zwei Wochen in Syrien" landen werde (P1 Bl. 35). Nach dem Freitagsgebet am 5. Dezember 2014 erfolgten dort Durchsuchungen aufgrund vereinsrechtlicher Verbotsmaßnahmen. Der anwesende Kläger wurde dabei polizeilich erfasst (AA Bl. 185). Bei anschließenden Internetrecherchen wurde ein mit großer Wahrscheinlichkeit dem Kläger zuzuordnendes ask.fm-Profil eines "C. J." aufgefunden, das die Flagge des sogenannten Islamischen Staates zeigte und weitere salafistische Inhalte aufwies. Der Nutzer gab an, dass es sein Ziel sei, "die höchste Stufe im Paradies zu bekommen", die nach jihadistischer Vorstellung den Märtyrern vorbehalten ist, und bezeichnete Kritiker des "IS" als "Medien-Opfer" (AA Bl. 179 ff., 186). Am 4. Dezember 2014 hatte der Kläger sich als Facebook-Nutzer "C. Aus F." nach Möglichkeiten erkundigt, wie er als Minderjähriger allein über die Türkei nach Syrien ausreisen könne. Drei seiner Freunde seien kürzlich ausgereist; außerdem halte sich seine ältere Schwester seit einem Monat in Raqqa/Syrien auf und stehe über Skype mit ihm in regelmäßigem Kontakt. Als Grund für seine Ausreiseabsicht gab er familiäre Probleme an, insbesondere die ablehnende Haltung seiner Eltern gegenüber seiner strenggläubigen Sicht. Kurze Zeit später traf sich der Kläger mit einem Bekannten, der schon einmal Richtung Syrien ausgereist, aber wieder zurückgekehrt war und der sich bereit erklärt habe, ihm ein Flugticket zu besorgen sowie ein Formular, das ihm die Ausreise ohne seine Eltern ermögliche (AA Bl. 184 ff.). Das Bundesamt für Verfassungsschutz schätzte die Ausreiseabsicht als glaubhaft ein und hielt fest, die Internetauftritte des Klägers und die Abkehr von seinem Bruder, der den "IS" ablehne, ließen eine Sympathie mit dem "IS" vermuten (AA Bl. 187). Aufgrund der für den 12. Dezember 2014 konkret geplanten Ausreise wurde die Wohnung des Klägers und seiner Eltern durchsucht; dabei wurden sein Reisepass, ein Laptop und ein Smartphone sichergestellt (P1 Bl. 31). Auf dem Smartphone wurden u.a. Videos mit Syrien- und "IS"-Bezug (u.a. Kriegsszenen, Bombenattentate, "IS"-Flagge) sowie sogenannte Nasheeds (Musik mit islamisch-religiösem Inhalt, P1 Bl. 67) gefunden.\n \n \n \n \n 39\n \n \n Mit Verfügung vom 11. Dezember 2014 untersagte die Stadt Bremen dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland (AA Bl. 189). Bei seiner polizeilichen Befragung hatte der Kläger auf die Frage, warum so viele Menschen nach Syrien gehen, angegeben: "Um Shahid zu werden. Also ein Märtyrer. Man kommt sofort ins Paradies. Allah zeigt dann deren Häuser, sie kriegen nicht zwei, sondern 70 Frauen. Und wenn die Eltern des Gläubigen im Leben zu viele Sünden begangen haben und in der Hölle landen, können die Märtyrer sie aus der Hölle befreien. Das steht so im Koran." Ein Märtyrer sei für ihn "einer, der keine Muslime tötet." Er habe eigentlich nicht nach Syrien gehen, sondern im Internet nur damit angeben wollen. Seine Schwester wohne in O. und nicht in Syrien; er habe nicht mal die Pässe seiner Eltern (P1 Bl. 39). Sein Bekannter habe ihm auch gesagt, dass er sich noch gedulden und erstmal seine Religion lernen solle und dass "man für den Jihad auch eine Elternerlaubnis braucht". Er habe sich umentschieden und wolle das nun wegen seiner Eltern und seiner Zukunftspläne nicht (P1 Bl. 41). Im Februar 2015 stellten seine Lehrer im Gespräch mit einem Mitarbeiter des Beratungsnetzwerks "k.", der den Kläger regelmäßig betreute, fest, dieser sei ernsthaft gefährdet, nach Syrien auszureisen und sich dort den Kämpfern des "IS" anzuschließen. Er werde derzeit falsch beschult und wolle nach Syrien, "um dort seine Ruhe zu haben".\n \n \n \n \n 40\n \n \n Entgegen der Auffassung des Klägers bedarf es nicht der Beiziehung der Verwaltungsvorgänge des Bundesamts für Verfassungsschutz, um der Gefährdungsprognose zugrunde zu legen, dass er eine Ausreise nach Syrien seinerzeit allem Anschein nach ernsthaft beabsichtigt hat. Hiervon ist allein aufgrund der geschilderten äußeren Umstände, die der Kläger nicht bestritten hat und die aktenkundig belegt sind, auszugehen. Die Vorbereitungen waren danach so weit gediehen, dass das Vorhaben - ungeachtet der "aufgebauschten", unzutreffenden Angaben über den Aufenthaltsort der Schwester - nicht mehr als eine reine Internet-Prahlerei eingestuft werden kann. Dies hat der Kläger letztlich auch selbst eingeräumt, indem er angegeben hat, er habe sich "umentschieden". An dieser Sachverhaltswürdigung hält der Senat fest, ohne dass darin - wie der Kläger meint - eine "eklektizistische Heranziehung einzelner als Tatsachen angenommener Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz" liegt.\n \n \n \n \n 41\n \n \n bb) Ab Juli 2015 war der Kläger wegen eines angespannten Verhältnisses zu seinen Eltern vorübergehend freiwillig durch das Jugendamt in einer Pflegefamilie untergebracht (P1 Bl. 71). Kurz nach Rückkehr in sein Elternhaus teilte seine Mutter der Polizei mit, ihr älterer Sohn, der "Wahhabit" sei, übe einen starken Einfluss auf den Kläger aus. Der Kläger trage seither lange Gewänder, suche regelmäßig eine Moschee in Hamburg auf und beteilige sich dort an den Koranverteilungsständen (P1 Bl. 77). Nach einem Vermerk einer Lehrerin des Klägers berichtete dieser im November 2015, dass er vor zwei Monaten in Köln ein Mädchen in einer Moschee geheiratet habe. Sie trage Burka; er kenne sie aus dem Internet und werde sie in einem Jahr nach Bremen holen. Er werde ihr erlauben zu arbeiten, und sie dürfe auch an Sportveranstaltungen nur mit Mädchen teilnehmen. Nach deutschen Gesetzen werde er nicht heiraten, da ihm dies seine Religion verbiete. Er vermeide alle deutschen Gesetze, soweit dies einigermaßen möglich sei. Er würde lieber in einem islamischen Land wohnen. Ein Schüler, der im Fach Kunst zum Thema "Karikatur" das "Kopftuchtragen" karikieren wollte, habe der Lehrerin nach Schulschluss gesagt, er traue sich nicht, wenn der Kläger in der Klasse sei. Er wolle nicht enden wie bei "Charlie Hebdo" (AA Bl. 242). Der Polizei gelangte zur Kenntnis, dass der Kläger das von den Sicherheitsbehörden überwachte Islamische Kulturzentrum ... (...) aufsuchte (AA Bl. 236, 260) und sich zudem im August 2015 an mehreren Infoständen der Koranverteilungsaktion "Siegel der Propheten" (SdP) in Hamburg beteiligt hatte, die der salafistischen Szene um Pierre Vogel und Sven Lau zuzurechnen sei. Unter den Facebook-Freunden des Klägers befänden sich viele SdP-Anhänger, die der salafistischen Szene angehörten (VV Bl. 34, AA Bl. 236). Der Kläger nahm Arabisch-Unterricht bei einem T. H., der der salafistischen Szene zuzurechnen ist und Kontakte zu Personen pflegte, die nach Syrien ausgereist waren oder dies versucht hatten. Inwieweit der Kläger auch Kontakt zur "IS"-Szene pflegte, war der Polizei seinerzeit nicht bekannt (AA Bl. 260).\n \n \n \n \n 42\n \n \n Am 14. April 2016 fand an der Wohnanschrift des Klägers im Beisein seiner Mutter und seines Erziehungsbeistandes eine Gefährderansprache statt, nachdem er zuvor nur noch mit langem Gewand und Bart zur Schule gekommen war und dort mehrmals behauptet hatte, mit dem Leben abgeschlossen und vor dem Tod keine Angst zu haben (AA Bl. 258, VV Bl. 57). Ein Antrag auf Aufhebung der Ausreiseuntersagung wurde mit Bescheid vom 28. Juni 2016 abgelehnt (AA Bl. 269).\n \n \n \n \n 43\n \n \n Im November 2016 schrieb der Kläger über einen Instagram-Account einen nach Syrien ausgereisten 19-Jährigen an, von dessen Ausreise er wusste (P1 Bl. 92). Im Dezember 2016 wurde der Kläger zum Zweck einer Befragung und Gefährderansprache von der Polizei aufgesucht (Polizei K 62 Bl. 75).\n \n \n \n \n 44\n \n \n cc) Im Januar 2017 wurde dem Landeskriminalamt (LKA) Bremen ein Vermerk des Bundesamtes für Verfassungsschutz nebst einem 30-seitigen Chatverlauf (P2 Bl. 10 ff. = Strafverfahren 508 Js 9347/17 Hauptakte Bd. I Bl. 112 ff.) übermittelt, nach dem sich ein "M. M." aus E. - nach gescheiterter Ausreise zum "IS" - gegenüber einem unbekannten Chatpartner gedanklich mit der Umsetzung eines Anschlagsvorhabens in Deutschland mittels eines Sprengstoffgürtels oder einer Schusswaffe auseinandersetzte ("Vllt. Mache ich hier eine Operation") und dafür Unterstützung suchte. Er gab an, bereits mit zwei weiteren "Brüdern" in Kontakt zu stehen, darunter dem Kläger. Weiter bat er um Unterstützung seines Vorhabens und erkundigte sich bei jenem nach Möglichkeiten zur Herstellung eines Sprengstoffgürtels. Als Anschlagsort hatte M. das E. in Q. ins Auge gefasst, da es "[d]er meist besuchteste Ort Europas" sei und sich dort viele "kuffar" aufhielten.\n \n \n \n \n 45\n \n \n Auf einer sogenannten Fake-News-Seite wurde ein - vom Kläger eingestellter - Eintrag über einen "K. C." gefunden, der angeblich nach Syrien ausgereist sei und zum Jihad aufruft (P2 Bl. 44 f., 173 ff.).\n \n \n \n \n 46\n \n \n Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung des Klägers und seiner Eltern wurden diverse mobile Endgeräte und Speicherkarten sichergestellt und der Kläger befragt (Polizei Bremen K 62 P 2 Bl. 48 ff., 53 ff.). Er gab u.a. an, "der E.er" habe ihm über seinen Account erzählt, dass er eine Operation in Deutschland machen wolle, und ihn gefragt, ob er mitmachen wolle. Er habe dann Ja gesagt. Warum, wisse er selber nicht ganz genau. Aber dann habe der andere gesagt, dass er alle Zivilisten, auch Frauen und Kinder töten wolle, was er - der Kläger - nicht gut gefunden habe. Er habe dies aber nicht gesagt, sondern sei bei "ja" geblieben. Er wisse aber nicht, was genau geplant sei. Erst sei von "Gürtelbombe", dann von "Pistole" und dann von beidem die Rede gewesen. Er - der Kläger - wolle eigentlich keinen Anschlag in Deutschland begehen, sondern eine Ausbildung machen. Der "IS" übertreibe zwar, er finde diesen aber besser als die Ex-Nusra. Was Anis Amri gemacht habe, sei nicht gut. Es seien alles unschuldige Menschen auf dem Weihnachtsmarkt gewesen. Die Aufrufe zu Attentaten missbillige er auch beim "IS". Auf die Frage, wann ein Mensch einen anderen töten dürfe, antwortete er:\n \n \n \n \n \n "Wenn der einen mit einem Messer angreift oder so. Oder wenn die Muslime bekämpft werden. Oder einen Soldaten, der einen Krieg gegen die Muslime führt. Alle unschuldigen Menschen sind raus. Man darf nur die töten, die mit Messer oder Waffe gegen die Muslime kämpfen. Oder hier in Deutschland: wenn ein Nichtmoslem einen Moslem tötet und andere Muslime sehen das, dann dürfen sie den auch töten. Das sagt der Koran. So wie Rache."\n \n \n \n \n 47\n \n \n Auf die Frage, warum er denn so einer Operation zustimme:\n \n \n \n \n \n "Ich wusste ja nicht, was er machen will. Gegen Zivilisten will ich ja nicht. Hätte ja auch sein können, dass es zum Beispiel gegen ein Justizgebäude geht, wo Muslime gefangen sind. Da hätte ich dann anders drüber gedacht. Oder ein Soldatenstützpunkt. Da hätte ich auch anders drüber nachgedacht." Vom Kläger handschriftlich ergänzt: "Anders nachgedacht drüber hätte ich es, aber es nie getan."\n \n \n \n \n \n "Polizei nicht. Aber für den IS wäre eine Polizeistation schon okay."\n \n \n \n \n 48\n \n \n Sein Glaube sage, dass ein Anschlag auf einen Soldatenstützpunkt okay wäre. Aber sein Herz tue dabei weh.\n \n \n \n \n 49\n \n \n Auf die Frage, ob er bereit wäre, sich selbst zu opfern, gab der Kläger an:\n \n \n \n \n \n "Das will ich nicht. Das habe ich dem aus E. aus gesagt. Das will ich gar nicht. Den Gelehrten, denen ich glaube, sagen alle, dass der Selbstmord nicht mit den Gesetzen Allahs vereinbar ist. Also kann ich zum Beispiel nie einen Anschlag mit Sprengstoffgürtel machen, weil das ja Selbstmord wäre. Das habe ich ihm auch gesagt. Da wollte ich dann nämlich nicht mitmachen. Aber da kam er mit seinem Scheinargument, dass man dann bei der Operation sowieso noch erschossen wird." Vom Kläger handschriftlich geändert: "vorstellen soll, was passiert, wenn man nicht erschossen wird, weil das Ziel ist, zu sterben."\n \n \n \n \n 50\n \n \n Auf die Frage nach der Art der Operation:\n \n \n \n \n \n "Ich habe ihn erstmal gefragt, wo er das machen will. Da meinte er, auf alle. Das fand ich dann ja nicht gut. Also einfach laufen und schießen und erschossen werden. Auf keinen Fall Selbstmord. Ich weiß aber ehrlich nicht, was genau mein Ziel ist. Ich bin mit meinem Glauben noch nicht so weit. Ich habe Angst ins Höllenfeuer zu kommen. Deswegen weiß ich auch nicht, warum ich ja gesagt habe. Vielleicht weil ich früher unbedingt nach Syrien wollte, um dort eine Waffe zu tragen. (...)"\n \n \n \n \n 51\n \n \n Abschließend gab er an:\n \n \n \n \n \n "Also gut finde ich Anschläge nicht. Ich stimme vielleicht am Anfang zu, bin mir aber sicher, dass ich am Ende nicht mitmache. Kurz vorm Ende würde ich dann sagen, dass ich nicht mitmache. Er meinte zu mir, dass wenn ich austrete, dass ich dann ein Heuchler bin. Meine Religion erlaubt es, aber ich finde es nicht gut und würde es nie mitmachen. Für mich ist ja Deutschland kein Land, was die Muslime angreift. So wie die Nazis halt. Deswegen würde ich hier keinen Anschlag machen."\n \n \n \n \n 52\n \n \n Er habe seinem Gesprächspartner dann noch seinen Namen zur Kontrolle geschickt. Die wüssten ja über viele Muslime in der Welt Bescheid und könnten das prüfen. Jetzt bereue er das. Er habe nicht gewusst, dass es so weit komme, und alles für ein Spiel gehalten. Seinen Namen habe er nur gegeben, um zu erfahren, was der "IS" über ihn wisse. Er habe bei der ganzen Sache eigentlich nur den Exfreund seiner Freundin an den E.er vermitteln wollen, um ihn loszuwerden. Von ihm gehe keine Gefahr aus. Er habe bei der Operation ja auch gar nicht mitmachen wollen, sondern eher daran gedacht, dass es Spaß machen könne, mit einer Waffe rumzulaufen und zu schießen, also nicht auf Menschen, sondern zum Beispiel als Sport auf Zielscheiben. Er wolle aber gar keine Menschen töten. Die Fake-News betreffend seine Ausreise nach Syrien habe er selbst erstellt, so als Scherz. Das sei nur von jemand anderem kopiert gewesen (P2 Bl. 58).\n \n \n \n \n 53\n \n \n Im Nachgang der Befragung brach der Kläger plötzlich zusammen und berichtete dem ihn begleitenden Polizeibeamten von Depressionen und Suizidgedanken:\n \n \n \n \n \n "Ich habe seit drei bis vier Jahren Depressionen und Selbstmordgedanken. Meine Eltern haben mich früher geschlagen und es geht mir schon lange sehr schlecht. Ich habe diese Kontakte in das radikale Milieu mit der Religion und diesen Anschlagsplanungen nur, weil ich eigentlich einfach sterben will und nicht mehr hier sein möchte. Es geht bei diesen Kreisen viel um das Leben nach dem Tod und den Tod und deswegen beschäftige ich mich damit. Einfach weil ich sterben will. Ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen.\n \n \n \n \n \n Letztes Jahr wollte ich mich eigentlich schon vor einen Zug werfen und hatte einen Abschiedsbrief fertig geschrieben. Ich habe dann aber kurz vorher abgebrochen, weil ich nach Allahs Gesetzen ja ins Höllenfeuer komme, wenn ich Selbstmord begehe. Ich will unbedingt sterben und deswegen suche ich immer den Kontakt zu solchen radikalen Leuten. Die Religion ist da eigentlich gar nicht so im Vordergrund.\n \n \n \n \n \n Ich will einfach ins Paradies kommen und nicht im Höllenfeuer landen. Ich halte es hier nicht mehr aus. Ich kann mit niemandem darüber sprechen. Ich hatte erst heute, ca. zwei Stunden bevor sie bei mir zuhause waren, Selbstmordgedanken. Ich denke sehr viel darüber nach und will einfach weg hier. Ich weiß einfach nicht weiter. Deswegen habe ich zu dem Plan des Anschlags in Deutschland auch 'Ja' gesagt. Ich will unbedingt sterben, aber darf nach meinem Glauben nicht durch Selbstmord sterben." (P2 Bl. 64).\n \n \n \n \n 54\n \n \n Der Kläger wurde sodann zunächst nach § 16 PsychKG, anschließend gemäß § 1631b BGB zwecks Erstellung eines Gutachtens zur Fremd- und Eigengefährdung im Klinikum B. untergebracht, wo er sich vom 14. Januar bis 2. März 2017 aufhielt (AA Bl. 428). Bei der Aufnahmeuntersuchung ist aufgrund einer psychiatrischen Untersuchung des Klägers als vorläufige Diagnose festgehalten "schwere depressive Episode mit suizidalen Gedanken"; der Kläger könne sich vorstellen, im Rahmen eines Attentats zu sterben (P2 Bl. 69 f.). Dem anordnenden Richter gegenüber erklärte er bei seiner Anhörung: Er könne sich niemals vorstellen, Selbstmord zu begehen, auch keinen Selbstmordanschlag. Das verbiete ihm der Islam. Die Kontaktperson aus E. habe ihm gegenüber geäußert, er wolle sich mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft sprengen und dabei auch Zivilisten mit in den Tod reißen. Er, der Kläger, habe ihn dann gefragt, ob er Beweise dafür habe, dass das nach islamischem Recht erlaubt sei, die Beweise habe dieser ihm aber nicht nennen können. Der Mann aus E. wolle jedenfalls einen Anschlag durchführen, wobei es geeignete Ziele überall in Europa gebe. Die Gelehrten des sogenannten "Islamischen Staates", die Selbstmordanschläge billigten oder dazu aufriefen, seien selbsternannte Gelehrte. Die richtigen Gelehrten, nach denen er sich richte, die vor mehreren hundert Jahren gelebt hätten, und die heutigen richtigen Gelehrten (etwa der Großmufti von Saudi-Arabien) würden den Suizid verbieten, auch Selbstmordanschläge, bei denen "Ungläubige" getötet würden. Jeder, der sich umbringe, komme ins Höllenfeuer. Daran glaube er, deshalb würde er sich nicht umbringen. Es sei von Anfang an nicht ernst gemeint gewesen, sich an Anschlägen zu beteiligen. Man dürfe Ungläubige nicht töten. Etwas anderes könne gelten, wenn zum Beispiel jemand ein Land besetze, dann dürfe man sich wehren (Polizei K 62 Bl. 73 f.).\n \n \n \n \n 55\n \n \n Bei der Auswertung des sichergestellten Smartphones des Klägers wurden insgesamt ca. 42 000 Bilddateien mit Enthauptungsszenen und anderen Gewaltdarstellungen, Anschlagsszenarien, "IS"-Propagandamaterial, Abbildungen und Bedienungsanweisungen von Kurzwaffen etc. aufgefunden (Polizei K 62 am Ende; P3 Bilder). Eine Vielzahl der ca. 1 000 Videodateien enthielten Bezüge zum sogenannten Islamischen Staat (religiöse Lehrvideos, Märtyrerverherrlichungen, Propagandavideos des "IS", militärische Ausbildung von Kindern für den "IS") sowie brutale Gewalt- bzw. Folterdarstellungen oder entstellte Leichname (P2 Bl. 129). Ein Video, auf das zuletzt am 28. Dezember 2016 zugegriffen worden war, enthielt eine konkrete Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Herstellung einer Splitterbombe mit einfachsten Mitteln. Eine weitere Videosequenz zeigte einen Kurzfilm, in dem eine vermummte Person erklärt, wie ein Mensch mit einem einfachen Messer zu töten ist (P3 Videodateien). Aufgrund dieser Funde wurde gegen den Kläger ein Strafverfahren gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 2 StGB eingeleitet (Staatsanwaltschaft Bremen 508 Js 9347/17).\n \n \n \n \n 56\n \n \n Weiter wurde ein Chatverlauf gefunden, in dem der Kläger einem "C.U." bestätigt, er wolle mitmachen und habe mit einem "C.W." (M. aus E., vgl. P2 Bl. 130) bereits über eine "Op" gesprochen. Dieser habe ihm gesagt, dass die "Op von höchste abteilung von Dawla kommt", dass "wir nen wagen brauchen", und dass "jeder für die glock 2 monition bekommt". Auf Nachfrage des Chatpartners, ob er schon mal mit anderen Brüdern über eine Operation nachgedacht habe, erklärte der Kläger, er habe drei oder vier gefragt, einer überlege, die anderen wollten nicht und seien "Weicheier". Auf die Frage des Chatpartners, ob sie schon konkretere Planungen hätten, antwortete der Kläger: "Von C. W. nicjt • Er meinte wenn du der bist dass du es iwie planst • Er weiss nicht mal weöche stadt". Sein Chatpartner erwiderte, dies sei ein Missverständnis, er könne "von hier aus nichts planen", sondern sei nur um Rat gefragt worden. Der Kläger gab nunmehr an, er kenne sich in Bremen gut aus, wisse, wo die Polizeistationen, Justiz oder viele Menschen seien. Es gebe "hier auch kurdendemo usw". Schlussendlich erklärte er: "Ich plane dann mit C. W. • Aber woher das geld fpr sacjen kaufen • Und woher die sachen zum bomben bauen? • Und woher die GLOCK?" (Akte Polizei K 62, nicht nummeriert).\n \n \n \n \n 57\n \n \n Nach einer Gefährderansprache am 13. Januar 2017 ging die Polizei von der Einschätzung aus, zum jetzigen Zeitpunkt bestehe keine unmittelbar bevorstehende Gefährdungslage, der Sachverhalt sei jedoch ernst zu nehmen (siehe auch VV Bl. 70: "hohe Gefahr, jedoch keine unmittelbare konkrete Gefahr"). Der Kläger stehe grundsätzlich für die Durchführung von Attentaten zur Verfügung. Er habe jedoch keinen eigenen Plan zur Durchsetzung, mithin keinen Tatentschluss. Es seien keine Vorbereitungshandlungen festgestellt worden. Hinweise auf direkte Kontakte zur terroristischen Organisation "Islamischer Staat" lägen derzeit nicht vor (P2 Bl. 60).\n \n \n \n \n 58\n \n \n In seiner Beschuldigtenvernehmung im Strafverfahren am 7. Februar 2017 erklärte der Kläger, dass er wisse, um welches Video mit einer Bombenbauanleitung es gehe. Er habe sich dieses nur zum Teil angeschaut. Dieses und weitere Videos habe er aus einer Telegram-Chatgruppe, in welcher Werbung für den "Islamischen Staat" gemacht werde, heruntergeladen, um sie teilweise später anzuschauen. Zu dem Chatverkehr erläuterte er die dort erwähnten Personen. Er habe ein paar Leute gefragt, ob sie mitmachen wollen, einen aus Br. und einen aus S., den er nicht persönlich kenne und der gleich abgelehnt habe (P2 Bl. 130, 136).\n \n \n \n \n 59\n \n \n Der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Dr. K. führte in seinem Gutachten vom 16. Februar 2017 u.a. aus: Der Kläger habe noch zum Aufnahmezeitpunkt im Klinikum konkrete Suizidgedanken benannt, die er eigenen Angaben zufolge bereits längere Zeit und wiederholt gehabt habe; von Anschlagsgedanken zumindest auf nicht-zivile Ziele habe er sich nicht ausreichend distanzieren können. Die verbale Einstellungsänderung könne aufgrund des kurzen Klinikaufenthalts kaum das Resultat einer intensiven therapeutischen Einflussnahme sein. Ob wegen der salafistisch-religiösen Einstellung eine konkrete Fremdgefährdung bestehe, könne er - der Sachverständige - nicht differenziert beurteilen. Allerdings sei der Salafismus identitätsstiftend und fördere das Zusammengehörigkeitsgefühl. Der Kläger verfüge über eine beeinträchtigte Empathie. Durch die Kontakte zur radikal-islamistischen Szene habe er sich wohl deutlich aufgewertet. Eine gesicherte psychiatrische Diagnosestellung sei zum Untersuchungszeitpunkt nicht möglich. Die Reife des - leicht beeinflussbaren - Klägers entspreche ohne Zweifel dem Stand eines Jugendlichen und nicht dem eines Erwachsenen.\n \n \n \n \n 60\n \n \n Zusammenfassend kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, es bestehe derzeit weiterhin die Gefahr bzw. ein "mittleres Risiko", dass der Kläger gravierende gewalttätige Handlungen unter Einschluss einer Eigen- und Fremdgefährdung bis hin zur Tötung begehe. Diese Gefährdung sei jedoch nicht als akut einzuschätzen (d.h. innerhalb von Stunden oder Tagen). Um mittel- und langfristig eine Gefahr für das Wohl des Betroffenen auszuschließen, sei ein Aufenthalt von zumindest einem halben Jahr in einer geschlossenen Jugendhilfeeinrichtung erforderlich, der nach Eintritt der Volljährigkeit allerdings seine Zustimmung voraussetze.\n \n \n \n \n 61\n \n \n dd) Die Bedenken des Klägers gegen die Verwertung dieses Gutachtens im Rahmen der Gefahrenprognose greifen nicht durch. Dass das Gutachten in einem anderen Kontext und mit einer anderen Zielrichtung erstellt worden ist, steht der - nur ergänzenden und inhaltlich wertenden - Heranziehung im Rahmen der vorliegend anzustellenden Gefahrenprognose nach der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters vom 22. Mai 2017 nicht entgegen (Gerichtsakte - GA - 1 VR 3.17 Bl. 319). Der Gutachter räumt ein, dass die Manuale HCR 20 und SAVRY, nach denen die Prognosebeurteilung vorgenommen worden ist, für Personen entwickelt worden sind, die bereits durch gewalttätige Straftaten in Erscheinung getreten sind. Auch wenn daher keine 1:1-Übersetzung vorgenommen werden könne, seien die Kriterien dieser Prognoseinventare in einer gesamtkontextuellen Bewertung dennoch zweckmäßig anzuwenden. Grundsätzlich würden zum Teil auch bei Personen, die noch keine strafrechtlich relevanten Taten begangen hätten, die in den genannten Prognosemanualen angeführten Kriterien überprüft. Er habe die Prognoseinventare als orientierende Leitlinie genutzt und sei sich dabei deren eingeschränkter Anwendbarkeit bewusst gewesen. Elemente der Begutachtung könnten daher durchaus für die vorliegende Fragestellung Verwendung finden. Jedenfalls beruht das Ergebnis des Gutachtens auf einer umfassenden Auswertung des dem Gutachter zur Verfügung gestellten Aktenmaterials, aus dem der Gutachter Schlüsse zieht, die auch unabhängig von den dem Senat im Einzelnen nicht bekannten Prognosemanualen nachvollziehbar erscheinen und im Einklang mit der ordnungsrechtlichen Gefahrenbewertung stehen, wie sie auch nach dem Akteninhalt im Übrigen veranlasst ist. Die Einschränkung des Sachverständigen, er könne nicht differenziert beurteilen, ob aus Gründen salafistischer Einstellungen eine Fremdgefährdung bestehe, da er Kinder- und Jugendpsychiater und kein Islamforscher sei (GA 1 VR 3.17 Bl. 320), begründet ebenfalls keine grundsätzlichen Zweifel an der nur ergänzenden, die Prognose im Übrigen stützenden Heranziehung dieses Gutachtens.\n \n \n \n \n 62\n \n \n Entgegen der Auffassung des Klägers (GA 1 VR 3.17 Bl. 365) begründet die Übermittlung des Schriftsatzes seiner Prozessbevollmächtigten an den Sachverständigen durch die Beklagte zwecks Stellungnahme zu der dort angeführten Kritik an seinem Gutachten jedenfalls im Ergebnis kein Verbot, diese im gerichtlichen Verfahren zu verwerten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Fehlen einer Entbindung des Gutachters von der Schweigepflicht seitens des Klägers - dessen sich der Gutachter im Übrigen bewusst war - den von diesem gegebenen, lediglich abstrakten und die zugrunde gelegten Prognosemaßstäbe betreffenden Antworten entgegenstehen könnte. Auch sonst begegnet die Verwertung der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters ebenso wie die Verwertung des Gutachtens als solches, das bereits von der Beklagten für die angefochtene Anordnung herangezogen und ausgewertet worden war, ohne dass dies beanstandet worden wäre, und auf das vom vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers selbst Bezug genommen worden ist, im vorliegenden Verfahren mit Blick auf den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) nach Vorlage der entsprechenden Akten jedenfalls im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken (s.a. § 98 VwGO i.V.m. § 411a ZPO ). Zu einer näheren Auseinandersetzung mit den Prognosemanualen sieht der Senat auch weiterhin keinen Anlass, zumal er das Gutachten nur wie eine in die Gefahrenprognose einfließende Stellungnahme und nicht wie ein echtes Sachverständigengutachten, dessen es hier nicht bedarf (siehe unten), verwertet.\n \n \n \n \n 63\n \n \n Unerheblich ist, ob die - z.T. vorstehend wiedergegebenen - mündlichen Angaben, die der Kläger bei verschiedenen Befragungen u.a. durch die Polizei gemacht hat, in einem Strafverfahren verwertbar wären, was er weiterhin bezweifelt. Die im Klageverfahren aufrecht erhaltenen und vertieften Rügen des Klägers betreffen insoweit spezifisch strafprozessuale Garantien (z.B. die Eröffnung vor einer Vernehmung, welche Tat einem Beschuldigten zur Last gelegt wird <§ 136 Abs. 1 Satz 1 StPO>, Belehrung über das Schweigerecht, das Recht, vor der Vernehmung einen Verteidiger zu befragen <§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO> oder die Notwendigkeit der Zuziehung eines Pflichtverteidigers; jugendspezifische Modifikationen solcher Belehrungen gemäß § 70a JGG), die im vorliegenden gefahrenabwehrrechtlichen Zusammenhang nicht einschlägig sind, weshalb ihre - unterstellte - Missachtung in diesem Zusammenhang kein Verwertungsverbot begründen könnte. Darin liegt keine "Umgehung" strafprozessualer Garantien. Dass die Befragungen elementaren rechtsstaatlichen Anforderungen, zu denen etwa das Folterverbot zählt, oder Grundsätzen rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung nicht genügt haben könnten, woraus ggf. auch im gefahrenabwehrrechtlichen Kontext ein - verfassungsunmittelbares - Verwertungsverbot erwachsen könnte, ist anhand der Einwände des Klägers und unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Polizei vom 12. Mai 2017 (Verwaltungsvorgang = VV Bl. 447) nicht erkennbar.\n \n \n \n \n 64\n \n \n ee) Dieser Sachverhalt rechtfertigt die Bewertung, dass von dem Kläger ein beachtliches Risiko ausgeht, dass er einen terroristischen Anschlag, bei dem Unbeteiligte ums Leben kämen, begeht oder sich an einem solchen beteiligt. Nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden ist er der radikal-islamistischen Szene in Deutschland zuzurechnen und pflegt Kontakte mit Personen aus diesem Umfeld. Er sympathisiert mit der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" sowie deren Märtyrerideologie und billigt die Anwendung von Gewalt bis hin zur Tötung von Menschen unter bestimmten, selbstdefinierten Voraussetzungen. Die von ihm gemachten Einschränkungen (keine Zivilisten/unschuldige Menschen) schließen zum einen terroristische Anschläge, etwa auf Soldatenstützpunkte oder Justizgebäude, nicht aus. Zum anderen sind sie nicht glaubhaft, weil der Kläger in dem erwähnten Chat mit der "C. U." genannten Person auch geäußert hat, er wisse, wo sich in B. "viele Menschen" oder eine "Kurdendemo" befänden. Auch der M. wollte nach Angaben des Klägers einen Anschlag auf Zivilisten planen; hierzu erklärte sich der Kläger ohne Einschränkungen bereit. Warum er in diesem Zusammenhang nicht widersprach, wenn er dies eigenen Angaben zufolge nicht billigte, konnte er nicht erklären. Die Schädigung auch und vor allem von Zivilisten entspricht im Übrigen dem typischen Bild der in den letzten Jahren in Europa verübten, dem "IS" zugerechneten Terroranschläge. Dies ist auch dem Kläger bekannt, auf dessen Smartphone u.a. Bildmaterial zu dem Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz aufgefunden worden ist.\n \n \n \n \n 65\n \n \n Ohne Erfolg wendet der Kläger gegen die Würdigung der verschiedenen Chats ein, der Senat habe bestimmte Widersprüche übersehen (Schriftsatz vom 9. Februar 2018, S. 3 f.). Dieser Annahme liegen vielmehr Missverständnisse des Klägers zum Akteninhalt und zum Senatsbeschluss zum vorläufigen Rechtsschutz zugrunde. Soweit M. M. nach polizeilichen Erkenntnissen davon ausgegangen ist, dass sein Chatpartner nach Syrien ausgereist sei (vgl. Strafanzeige vom 8. Februar 2017, Strafakte Hauptakte Bd. I, Bl. 3 ff.), betrifft dies den Chat mit einem unbekannten Partner, also nicht dem Kläger (Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 40). Die Angaben des Klägers in seiner Beschuldigtenvernehmung am 7. Februar 2017 (P2 Bl. 136) deuten dabei darauf hin, dass es sich bei diesem Unbekannten um die "C. U." genannte Person handelt, mit der der Kläger seinerseits später gechattet hat. Auch wird in Rn. 40 des zitierten Beschlusses keineswegs ausgeführt, der Kläger habe gegenüber M. M. aus E. angegeben, eine "Operation in Deutschland zu planen". Soweit die Aussagen und Angaben des Klägers im Übrigen von Ambivalenzen durchsetzt sind, unterliegen auch diese der gerichtlichen Beweiswürdigung.\n \n \n \n \n 66\n \n \n Die Hinwendung des Klägers zu einer gewaltbejahenden, jihadistischen Ausrichtung des Salafismus kommt schließlich in der von ihm ins Internet gestellten Fake-News zum Ausdruck, in der er offen zum Jihad aufruft: "Wenn ihr schon nicht auswandert und kämpft, dann macht es hier. Allah gibt euch die Möglichkeit, den Jihad auch hier zu führen". Sie wird weiter bestätigt durch die Menge und insbesondere den Inhalt des auf seinem Smartphone aufgefundenen "IS"-Propagandamaterials. Inwieweit er dieses bereits angesehen hat, spielt dabei keine Rolle. Denn jedenfalls ist davon auszugehen, dass er im Wesentlichen wusste, was er dort herunterlud, und die Dateien irgendwann auch ansehen wollte. Der Einwand, kriminologisch bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Konsum medialer Gewalt und deren Anwendung in der außervirtuellen Realität, mag für allgemeine Gewalthandlungen dem überwiegenden Forschungsstand entsprechen, der aber nicht auf ideologisch motivierte Gewalthandlungen bezogen ist. Dies führt daher ebenso wenig zu einer günstigeren Prognose wie der Umstand, dass nicht alles, was der Kläger im Internet gepostet hat, eine Entsprechung in der Realität hat. Denn die im Verhalten des Klägers jedenfalls nicht nur punktuell oder vorübergehend zum Ausdruck kommende gewaltbejahende Haltung ist vorliegend nur ein Element im Rahmen einer vom Senat vorgenommenen umfassenden Persönlichkeitsbewertung.\n \n \n \n \n 67\n \n \n Der Kläger hat sich auch nicht nur passiv abwartend verhalten oder auf Anstöße Dritter lediglich positiv reagiert. Er hatte vielmehr eigenen Angaben zufolge bereits mehrere andere Personen gefragt, ob sie sich an einem Anschlag beteiligen würden. Nicht zuletzt das Herunterladen einer konkreten Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Bau einer Splitterbombe mit einfachen Mitteln dokumentiert, dass der Kläger ernsthaft mit dem Gedanken eines Anschlags spielte. Dies bestätigte er in dem aus der Abschiebehaft heraus gegebenen Interview, in dem er angesprochen auf das Bombenbau-Video erklärte, dieses aus Interesse heruntergeladen zu haben. Auch im Rahmen seiner richterlichen Vernehmung zur Anordnung von Untersuchungshaft hat der Kläger eine intensive Befassung mit diesem Video und ein ohne Anschlagspläne nicht hinreichend erklärliches, ausgeprägtes Interesse an den Verwendungsmöglichkeiten und Auswirkungen von Bomben erkennen lassen (Strafverfahren 508 Js 9347/17, Hauptakte Bd. II, Bl. 244).\n \n \n \n \n 68\n \n \n Die Einschätzung, dass ein Terroranschlag unter Beteiligung des Klägers in überschaubarer Zukunft im Zeitpunkt seiner Abschiebung hinreichend wahrscheinlich war, wird auch durch die von ihm selbst gegenüber verschiedenen Adressaten (Schule, Polizei) geäußerten Suizidgedanken bestätigt. Seine spätere Distanzierung hiervon rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil sie Ausdruck der vielfältigen Stimmungs- und Meinungsschwankungen des Klägers und im Übrigen nicht glaubhaft ist. In einem Vermerk der Polizei ist festgehalten, dass der Kläger "in der damaligen Situation seine Depression und Suizidgedanken sehr eindringlich und überzeugend darstellte. Zu Beginn sackte er vor KOK B. zu Boden und schilderte in Folge über einen längeren Zeitraum immer wieder unter Tränen gegenüber der Polizei sowie dem Sozialpsychiatrischen Dienst seine Suizidgedanken". Noch im Gespräch mit dem Sachverständigen Anfang 2017 hat sich der Kläger von Suizidgedanken nicht eindeutig distanziert, sondern diese letztlich bestätigt. So hat der Kläger ausweislich des Gutachtens von Dr. K. angegeben: "Die Selbstmordgedanken seien erst nach der Razzia gekommen, das sei so gewesen wie nach der ersten Razzia vor etwa drei Jahren. Sonst habe er niemals Selbstmordgedanken gehabt. Er habe auch niemals ein Attentat machen wollen. Das Ziel des Sterbens sei doch lediglich, ins Paradies zu kommen, das wolle er." Der Sachverständige geht von einer zum Zeitpunkt der stationären Einweisung akuten suizidalen Gefährdung aus. Bezogen auf den Zeitpunkt der Gutachtenerstellung erkannte er weiterhin die - lediglich nicht (mehr) akute - Gefahr, dass der Betroffene sich selber tötet oder erheblichen Schaden zufügt oder aber in diesem Zusammenhang auch andere tötet oder diesen erheblichen Schaden zufügt (VV Bl. 183). Dies erscheint auch angesichts des vergleichsweise kurzen Klinikaufenthalts und der vom Kläger selbst geschilderten, bereits wiederholt aufgetretenen Suizidgedanken für den Senat nachvollziehbar.\n \n \n \n \n 69\n \n \n Zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung - etwa durch eine vom Kläger angeregte Vernehmung der beiden bei seinem Zusammenbruch anwesenden Polizeibeamten - hatte der Senat in diesem Zusammenhang angesichts des hinreichend stimmigen Bildes keinen Anlass. Einen förmlichen Beweisantrag hat der Kläger im Übrigen hierzu in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt.\n \n \n \n \n 70\n \n \n Gegen eine vom Kläger ausgehende Gefahr eines Terroranschlags spricht auch nicht, dass er immer wieder betont hat, ein Selbstmord sei mit seinem Glauben nicht zu vereinbaren. Selbst wenn man die Glaubensüberzeugung als verfestigte annimmt, hindert dies nicht die Begehung eines Anschlags, bei dem er in Kauf nimmt, selbst getötet zu werden ("Also einfach laufen und schießen und erschossen werden", s.o.).\n \n \n \n \n 71\n \n \n Bei der Gefährdungseinschätzung ist weiter zu berücksichtigen, dass der Kläger als naiv, leicht beeinflussbar und seine Meinungen rasch ändernd beschrieben wird, was durch zahlreiche seiner Äußerungen bestätigt wird. Soweit er durch seine bei Anhörungen und Vernehmungen und in den in der Haft verfassten Briefen getätigten Aussagen den Eindruck vermittelt hat, einem "friedlichen" Zweig des Salafismus zuzuneigen, wonach ein Selbstmordanschlag verboten sei, und denjenigen "Gelehrten" zu vertrauen, die dies ablehnen, handelt es sich erkennbar auch um verfahrensangepassten Vortrag. Überdies weist es nicht auf eine hinreichend gefestigte Meinungs- und Einstellungsänderung, weil an anderer Stelle angegeben wird, er sei ein "Suchender" und wisse "ehrlich nicht, was genau mein Ziel ist. Ich bin mit meinem Glauben noch nicht so weit" (AG Bremen 71 F 134/17 EAUB Bl. 57, 58). Er oszillierte zwischen einer gemäßigten und einer klar jihadistischen Ausrichtung seiner religiösen Vorstellungen jedenfalls verbal hin und her und hat auch für letztere deutliche Sympathien gezeigt. Zu den nicht hinreichend stabilen und zudem verfahrensangepassten Äußerungen rechnet auch seine zuletzt erfolgte Distanzierung von jihadistischen Vorstellungen. So bezeichnete er nunmehr C. Y. und weitere distanzierend als "Hassprediger, die zum IS aufrufen. Die radikalisierten lernen ALLE von den" (VV Bl. 353). Dabei ließ er aber unerwähnt, dass er laut einem Chat mit seiner Partnerin von Dezember 2016 die "gleiche aqidah" (Glaubensüberzeugung, Fundament) wie C. Y. hat und zu diesem auch persönlich Kontakt hatte (P6 Chatverlauf U. G.).\n \n \n \n \n 72\n \n \n Angesichts seiner von vielen Beobachtern - darunter auch seiner Mutter - beschriebenen Leichtgläubigkeit und Beeinflussbarkeit brauchte es nach der Einschätzung des Senats selbst dann, wenn der Kläger im Zeitpunkt seiner Abschiebung von der Begehung eines Terroranschlags noch nicht überzeugt gewesen sein sollte, nur eines geringen Anstoßes durch "Freunde" bzw. "IS"-Kontakte, um ihn zu einem solchen Schritt zu bewegen. Dazu konnte etwa ausreichen, dass ihn jemand davon überzeugte, Deutschland sei ein Land, das die Muslime "angreift". Von eben dieser Ideologie gehen seiner Meinung nach die "Hassprediger, die zum IS aufrufen", aus, und er hat in einem handschriftlichen Brief eingeräumt, diesen bis vor kurzem auch gefolgt zu sein. Erst drei Wochen zuvor habe er sich von diesen Leuten abgewandt und sich von dieser Ideologie distanziert. Gründe für diesen plötzlichen Sinneswandel hat er jedoch nicht benannt. Auch Dr. K. hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass ein Mangel an tiefgreifender Einsicht bestehe und die vorgegebenen Einsichten eher oberflächlicher Natur seien. Dessen Einschätzung, die gezeigte plötzliche Reue und Einsicht könne kaum die Folge eines reflektierten Prozesses in dieser Kürze der Zeit sein, sondern dürfte lediglich unter dem Eindruck der eingeleiteten Maßnahmen entstanden sein und sei insofern nicht als ausreichend tiefgreifend und stabil anzusehen (Gutachten S. 48), ist für den Senat ohne Weiteres nachvollziehbar und wird durch die beigezogenen Verwaltungsvorgänge bestätigt.\n \n \n \n \n 73\n \n \n Der Kläger konnte einer weiteren Einflussnahme durch Internetkontakte und schnell als Freunde betrachtete Bekannte aus der salafistischen Szene etwa in dem von ihm frequentierten Islamischen Kulturzentrum ... (...) aus seiner Persönlichkeit heraus, aufgrund familiärer Einbindung oder Betreuung durch die Jugendhilfe im Zeitpunkt seiner Abschiebung auch nichts (Hinreichendes) entgegensetzen (siehe auch Gutachten S. 49). Wie ein Polizeibeamter festgestellt hat und sich auch aus seinen zur Akte gelangten handschriftlichen Schreiben ergibt, kreiste sein ganzes Denken praktisch ausschließlich um den Islam und die Frage, was die Religion ihm gebietet. Trotz mehrerer Gefährderansprachen und einer ihm zur Seite gestellten Erziehungsbeistandschaft hat er sich von der radikalen islamistischen Szene nicht lösen können. Noch nach Erlass der angefochtenen Verfügung suchte er aus der Abschiebehaft heraus Kontakt zu einer der Personen, die er zwecks Teilnahme an einem Attentat angefragt hatte, sowie zu dem M. aus E., der nach Angaben des LKA D. eine psychische Erkrankung/Schizophrenie aufweisen soll. Letzterer sowie zwei weitere Personen, die zwecks Ausreise nach Syrien in die Türkei gereist und dort festgenommen worden waren, hätten nach Einschätzung des Klägers ihre Ansichten nunmehr geändert und seien nicht mehr radikal. Dem M. vertraue er jetzt (P2 Bl. 220). Schließlich hat der Kläger weiterhin Kontakt zu seinem Freund und Arabisch-Lehrer T. H. unterhalten, der - u.a. als Besucher des ... - der salafistischen Szene in B. zuzurechnen ist (vgl. AA Bl. 260) und ihn in der Abschiebehaft besuchen wollte (GA 1 VR 3.17 Bl. 360, 379 ff.). Dies bekräftigt die bei Abschiebung gerechtfertigte Prognose, dass der Kläger auch zukünftig nicht in der Lage sein wird, sich aus der radikal-salafistischen Szene zu lösen, und dass er aufgrund seiner bereits tiefen Verstrickung in diese und seinen absolut überzeugten religiösen Ansichten zeitnah wieder an einen Punkt gelangen kann und wird, an welchem er terroristischen Handlungen zuneigt (s.a. P2 Bl. 226).\n \n \n \n \n 74\n \n \n Für eine weiter fortschreitende Empfänglichkeit für radikales Gedankengut und eine dieses umsetzende Gewaltbereitschaft spricht auch, dass der Kläger in den radikal-salafistischen Kreisen eine Aufwertung und ein Gefühl des Dazugehörens erfahren hat, die ihm im sonstigen Leben angesichts weitgehenden schulischen Versagens und den daraus resultierenden Konflikten mit seinen Eltern nicht zuteil geworden sind. Zahlreiche Einschätzungen etwa von Lehr- und Betreuungspersonen, Polizeibeamten sowie des Pflegepersonals im Klinikum wiesen auf eine schwierige Zukunftsperspektive hin. So hat etwa ein Polizeibeamter seine Eindrücke dahin geschildert, dass sich die Interessen des Klägers ganz auf den Islam fokussierten: "Der Betroffene wirkte sehr schlicht und naiv. Er weist keine seinem Alter entsprechende Intelligenz auf. Sein Wissen dreht sich nur über den Islam. Dadurch wird das Allgemeinwissen komplett in den Hintergrund gedrängt. Viele ihm gestellte Fragen konnte der Betroffene nicht beantworten oder er gab eine Antwort, die keinen Sinn ergab" (AA Bl. 259). Ebenso wenig konnte darauf vertraut werden, dass eine stabile Beziehung zu seiner Freundin/islamisch angetrauten Ehefrau im Ernstfall geeignet sein könnte, ihn von der Begehung eines Terroranschlags abzuhalten. Diese bewegt sich in den gleichen islamistischen Kreisen wie der Kläger. Ihr früherer Lebensgefährte soll ihr geraten haben, den Kläger in der Haftanstalt mit einem Bombengürtel zu besuchen. Mit diesem früheren Lebensgefährten U. C. hat auch der Kläger Kontakte gepflegt. Er ist eine der Personen, die der Kläger für die Beteiligung an einem Anschlag angefragt hat ("S"), und auch in einem Chat mit seiner Freundin tauschten beide sich umfangreich über U. C. und dessen Ausreisepläne aus (Kläger: "Er lösst dich vllt hier - Und geht mit mir" ). Unabhängig davon war die Beziehung des Klägers zu seiner Partnerin nach dem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 11. Juni 2017 (S. 13) aber noch vor seiner Abschiebung beendet und kam schon deshalb als mögliches "Korrektiv" nicht mehr in Betracht.\n \n \n \n \n 75\n \n \n Aus den vorstehend genannten Gründen hält der Senat es - bezogen auf den Zeitpunkt der Abschiebung - tatsachengestützt für hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger in überschaubarer Zukunft einen - ohne großen Vorbereitungsaufwand möglichen - Terroranschlag in Deutschland begehen würde, bei dem auch Unbeteiligte ums Leben kämen. Die von ihm ausgehende Bedrohungssituation konnte sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dieser gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen. Der Senat verkennt nicht, dass auch andere Deutungen der festgestellten Tatsachen und Äußerungen nicht ausgeschlossen sind. Die für einen in überschaubarer Zukunft drohenden Terroranschlag sprechenden tatsächlichen Anhaltspunkte und Gründe waren aber mindestens ebenso gewichtig wie die möglicherweise für eine gegenteilige Prognose sprechenden Gründe. Dies reicht nach den oben dargelegten Maßstäben für das im Rahmen von § 58a AufenthG erforderliche, aber auch ausreichende beachtliche Risiko aus.\n \n \n \n \n 76\n \n \n ff) Der Senat hat bereits im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes darauf hingewiesen, dass er zu dieser bewertenden Gesamtschau gelangen kann, ohne auf das vom Bundeskriminalamt entwickelte Risikobewertungsinstrument RADAR-iTE (Regelbasierte Analyse potentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos - islamistischer Terrorismus - dazu Pressemitteilung des Bundeskriminalamts vom 2. Februar 2017) oder vergleichbare Instrumente zur Risiko- bzw. Gefährlichkeitseinschätzung (s. dazu Rettenberger, Die Einschätzung der Gefährlichkeit bei extremistischer Gewalt und Terrorismus, Kriminalistik 2016, 532) zurückgreifen zu müssen. Derartige Instrumente können bei Beachtung ihrer methodischen Anwendungsvoraussetzungen und unter Berücksichtigung der Grenzen ihrer Aussagekraft für eine erste Risikoeinschätzung nützlich und hilfreich sein und etwa die sicherheitsbehördliche Entscheidung über das Ob und den Umfang zu treffender Maßnahmen unterstützen; es handelt sich aber nicht um Instrumente, deren Einsatz notwendige Voraussetzung der gebotenen gerichtlichen Gesamtschau ist. Dies bestätigen die Angaben der Vertreter der Beklagten und des LKA Bremen in der mündlichen Verhandlung zur Funktion und Handhabung von RADAR-iTE. Danach handelt es sich hierbei lediglich um ein Instrument zur strukturierten Erhebung der für eine Gefährdungsprognose relevanten Tatsachen, das der Priorisierung der polizeilichen Arbeit dient, eine eigenständige Gefahrenbewertung durch die Polizeibehörden aber nicht ersetzt.\n \n \n \n \n 77\n \n \n Der Vertreter des LKA Bremen hat auf Nachfrage weiter ausgeführt, das Bundeskriminalamt (BKA) habe RADAR-iTE auf den Kläger angewandt und das Ergebnis dem LKA Bremen am 7. Februar 2017 übermittelt. Das LKA Bremen habe sich sodann einen eigenen Eindruck verschafft und eine Gefährdungsbewertung erstellt. Alle der RADAR-iTE-Anwendung und der Gefährdungsbewertung des LKA zugrunde gelegten Tatsachen seien dem Senator für Inneres zur Verfügung gestellt worden und Bestandteil der dem Senat vorliegenden Akten. Im Ergebnis habe RADAR-iTE beim Kläger zu einem Punktwert von 5 geführt, der für sich allein ein "moderates Risiko" bedeute. Der eher geringe Punktwert ergebe sich vor allem daraus, dass hier kein Fall vorliege, in dem der Betroffene bereits unmittelbar physische Gewalt angewandt habe. Zusätzlich seien beim Kläger jedoch zwei "rote Flaggen" festgestellt worden, nämlich die "behördliche oder gerichtliche Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung" sowie Suizidalität bzw. "psychiatrische Erkrankungsvermutung". Der Punktwert 5 in Verbindung mit den beiden "roten Flaggen" bedeute im Ergebnis ein "auffälliges Risiko", d.h. die erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Begehung einer schweren Gewalttat in Deutschland. Dabei seien auch die hohe Beeinflussbarkeit des Klägers, sein verminderter "Überlebensinstinkt", und die Tatsache berücksichtigt worden, dass die Familie keinen ausreichenden "Schutzraum" dargestellt habe. Das BKA habe die RADAR-iTE-Anwendung als Verschlusssache eingestuft, weshalb diese nicht Bestandteil der dem Gericht vorgelegten Verwaltungsvorgänge (sondern aus diesen ausgeheftet worden) sei.\n \n \n \n \n 78\n \n \n Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers, das Prognoseinstrument RADAR-iTE in das Verfahren einzubeziehen und auf den Kläger anwenden zu lassen, war vor diesem Hintergrund schon deshalb abzulehnen, weil er durch die vorstehenden Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überholt war. Auch dem Antrag, die so gewonnenen Erkenntnisse im Kontext des aktuellen Forschungsstandes von einem Sachverständigen bewerten zu lassen, brauchte der Senat nicht nachzukommen, weil er nicht auf eine dem Beweis zugängliche Tatsache gerichtet war. Bei beiden Begehren handelte es sich zudem insgesamt um einen Beweisermittlungsantrag.\n \n \n \n \n 79\n \n \n Ebenso wenig war dem Antrag zu entsprechen, die Verwaltungsvorgänge des LKA Bremen und des BKA betreffend die RADAR-iTE-Anwendung auf den Kläger beizuziehen. Es ist weder plausibel dargelegt noch ersichtlich, inwiefern die Beiziehung dieser Akten geeignet sein könnte, zu einer für den Kläger günstigeren Gefährlichkeitsbewertung zu führen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 42). Zum einen spricht angesichts der dargelegten Erläuterungen des Vertreters des LKA Bremen nichts dafür, dass diese Vorgänge weitere, bisher im vorliegenden Verfahren nicht aktenkundige Basistatsachen enthalten, die in die Gefahrenprognose einzustellen wären. Zum anderen ist das Ergebnis der RADAR-iTE-Anwendung, es bestehe ein "auffälliges Risiko", mit dem Ergebnis der vom Senat vorgenommenen Prognose auch nicht erkennbar unvereinbar.\n \n \n \n \n 80\n \n \n Anders als der Kläger meint, bedarf es für diese - auf einer breiten Tatsachengrundlage beruhende - Gesamtschau auch nicht der Einholung eines konkret auf die Gefahreneinschätzung im Sinne des § 58a AufenthG bezogenen, "psychowissenschaftlichen" Sachverständigengutachtens. Dem Beweisantrag,\n \n \n \n \n \n "zum Beweis der Tatsache, dass die von dem Kläger getätigten Äußerungen betreffend terroristische Anschläge jugendtypischem Geltungsbedürfnis entsprungen sind und nicht auf einer tatsächlichen Bereitschaft zu einem terroristischen Anschlag beruhen, dem Kläger das Betreten des Bundesgebiets zu ermöglichen und ihn durch einen im Bereich Jihadismus und Jugendkultur kompetenten Sachverständigen begutachten zu lassen,"\n \n \n \n \n \n war daher schon wegen eigener hinreichender Sachkunde des Gerichts nicht nachzugehen. Im Gegensatz zur Sicherungsverwahrung hat der Gesetzgeber vor dem Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG die vorherige Einholung eines Gutachtens nicht vorgesehen. Ein solches ist auch nicht von Verfassungs wegen erforderlich. Mit einer Abschiebungsanordnung steht zwar ebenfalls ein schwerwiegender Grundrechtseingriff in Rede, die Auswirkungen einer langfristigen Freiheitsentziehung auf die selbstbestimmte Lebensführung des Betroffenen sind im Vergleich dazu aber noch gewichtiger. Bei Ausweisungen entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass die Behörde bzw. das Gericht die Gefahrenprognose aus eigener Kompetenz treffen können, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung bestehen (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 11. September 2015 - 1 B 39.15 - Buchholz 402.261 § 6 FreizügG/EU Nr. 3 Rn. 12). Der Senat sieht auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bei Abschiebungsanordnungen nach § 58a AufenthG häufig noch keine Straftat begangen bzw. in einem Strafverfahren rechtskräftig nachgewiesen wurde, keinen Anlass, insoweit von anderen Grundsätzen auszugehen. Danach ist der Senat vorliegend zu einer eigenständigen Gefahreneinschätzung berufen. Das Vorliegen einer psychischen Erkrankung ist hier zuletzt mit forensisch-psychiatrischer Stellungnahme zur Frage der Haftfähigkeit vom 4. Mai 2017 (AA Bl. 593 ff.) verneint worden. Der Gutachter Dr. K. hatte eine definierte psychiatrische Störung zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ebenfalls nicht erkennen können, wenngleich ihm eine gesicherte psychiatrische Diagnosestellung nicht möglich war.\n \n \n \n \n 81\n \n \n Der Senat musste den Kläger vor der Entscheidung über die vorliegende Klage auch nicht deshalb sachverständig begutachten lassen, weil sich die Prognosegrundlagen in der Zeit nach dem Beschluss des Senats vom 13. Juli 2017 - wie der Kläger meint - "entscheidend verändert" haben könnten. Eine solche Veränderung ist bis zu der Anfang September 2017 erfolgten Abschiebung als dem für die gerichtliche Überprüfung maßgeblichen Zeitpunkt weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Eventuellen Veränderungen nach diesem Zeitpunkt ist in einem Verfahren nach § 11 AufenthG Rechnung zu tragen.\n \n \n \n \n 82\n \n \n Es bestand keine Veranlassung zu der vom Kläger angeregten Beiziehung der "vollständigen Akten" aller Sicherheitsbehörden, deren Einschätzungen und Stellungnahmen dieser Prognose unter anderem zugrunde liegen. Sowohl die Beklagte als auch der Senat haben die Gefahrenprognose auf Mitteilungen anderer Behörden lediglich insoweit gestützt, als diese sich aus den Akten schlüssig ergaben und dem Kläger somit eine Stellungnahme möglich war. Der Kläger teilt nicht mit, an welchen ergebnisrelevanten Einschätzungen anderer Behörden konkrete Zweifel bestünden, die gerade durch Beiziehung weiterer dort vermuteter Unterlagen behoben werden könnten. Der Senat sieht sich jedenfalls nicht gehalten, gewissermaßen ins Blaue hinein bei einer Vielzahl weiterer Bundes- und Landesbehörden das Vorhandensein etwaig einschlägiger, bisher nicht aktenkundiger Unterlagen zu erfragen. Dies ist insbesondere nicht erforderlich, um zu ermitteln, "auf welcher Grundlage die Chatpartner und indirekten Kontakte des Klägers tatsächlich als dem zugehörig betrachtet werden können". Für die Gefahrenprognose ist ausreichend, dass der Chatteilnehmer M. M. aus E. selbst behauptet hat, Verbindungen zum "Islamischen Staat" zu haben und nachweislich zumindest versucht hat, solche aufzunehmen. Das ergibt sich aber hinreichend aus dessen eigenen Angaben im Chatverlauf, wonach er "nach Syrien oder Iraq" wollte und deshalb eine Verfügung mit räumlicher Geltungsbeschränkung seines Personalausweises auf das Inland erhalten hat, sowie aus der Äußerung, dass sein Plan "der beste in der Geschichte von dawla sei"; Dawla werde in die Geschichte eingehen. Auch der Kläger selbst hat angegeben, M. habe ihm gesagt, dass die "Op von höchste abteilung von Dawla kommt". Hinsichtlich des weiteren Chatpartners Abdul Aziz Al Shami hat der Kläger eigenen Angaben zufolge selbst angenommen, dass dieser dem "IS" angehört und ein "Kämpfer" war (Beschuldigtenvernehmung des Klägers vom 7. Februar 2017, S. 2 = Akte P5 Bl. 63; Strafakte Bd. II S. 243). Von weitergehenden Nachweisen für eine tatsächliche Zugehörigkeit des M. oder des C. U. zum "IS" ist die hier zu treffende Risikoeinschätzung nicht abhängig.\n \n \n \n \n 83\n \n \n Abzulehnen war auch der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, die Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz beizuziehen und Einsicht insbesondere in den darin enthaltenen 30-seitigen Chat aus dem Gefahrermittlungsvorgang der Polizei zu gewähren. Entgegen der Annahme des Klägers befindet sich dieser Chat einschließlich des - hier ungeschwärzten - Übersendungsschreibens des Bundesamtes für Verfassungsschutz an das LKA Bremen und LKA NRW vollständig in der beigezogenen Strafakte (Hauptakte Bd. I, Bl. 111 ff.). Soweit in der Begründung des Antrags die Vermutung angedeutet wurde, es könne sich bei dem Chatpartner um einen "agent provocateur" handeln, wurden Anknüpfungstatsachen für diese (spekulative) Andeutung nicht benannt.\n \n \n \n \n 84\n \n \n Eine persönliche Anhörung des - in die Russische Föderation abgeschobenen - Klägers durch den Senat war schließlich ebenfalls nicht geboten. Die Gefahrenprognose beruht auf einer umfassenden Tatsachengrundlage, die der Senat aus den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgängen, der Strafakte, den Akten des familiengerichtlichen Verfahrens und dem Gefahrermittlungsvorgang der Polizei gewonnen hat. In diesem umfangreichen Aktenmaterial ist auch der Kläger in vielfacher Weise zu Wort gekommen und zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen befragt worden. Im Verfahren über die Abschiebehaft wurde er durch die dafür zuständigen Richter mehrfach persönlich angehört. Im gerichtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sowie erneut im Klageverfahren vor dem Senat hatte er Gelegenheit, sich über seine Prozessbevollmächtigte schriftlich zu äußern. All dies hat der Senat zur Kenntnis genommen und verwertet; eine weitere Amtsermittlung durch persönliche Anhörung des Klägers, für die dieser nach Erteilung einer Betretenserlaubnis kurzfristig zurück nach Deutschland geholt werden müsste, drängte sich nicht auf.\n \n \n \n \n 85\n \n \n Auch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt sich hier kein Anspruch auf persönliches Erscheinen vor dem Bundesverwaltungsgericht. Art. 6 Abs. 1 EMRK ist in asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren, in denen sich ein Kläger gegen seine Abschiebung wendet, bereits nicht anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2002 - 1 C 15.01 - BVerwGE 116, 123 <125>; EGMR , Urteil vom 5. Oktober 2000 - Nr. 39652/98, Maaouia/Frankreich - Rn. 35 ff., EZAR 939 Nr. 1 = InfAuslR 2001, 109 ; ebenso EGMR, Urteile vom 12. Juli 2001 - Nr. 44759/98, Ferrazzini/Italien - Rn. 28 und vom 10. Januar 2012 - Nr. 22251/07, G.R./Niederlande - Rn. 48). Zwar kann sich der Kläger hinsichtlich seiner Rechte aus Art. 3 und 8 EMRK auf das Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art. 13 EMRK berufen; diesem ist aber mit den vorliegend vor dem Bundesverwaltungsgericht eröffneten Rechtsbehelfen (Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit aufschiebender Wirkung und Klage), die das Recht auf Gehör mittels anwaltlicher Vertretung gewährleisten und zu einer umfassenden gerichtlichen Überprüfung führen, Genüge getan. Einen Anspruch auf persönliche Anhörung vor der nationalen Beschwerdeinstanz in einer mündlichen Verhandlung hat der EGMR aus Art. 13 EMRK hingegen bisher nicht abgeleitet (vgl. Meyer-Ladewig/Renger, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 13 Rn. 13).\n \n \n \n \n 86\n \n \n c) Unterstellt, dass die Abschiebungsanordnung dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG unterfällt, ist sie auch mit den sich hieraus ergebenden materiellen unionsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise musste dem Kläger schon wegen der von ihm ausgehenden Gefahr einer terroristischen Gewalt nicht eingeräumt werden (Art. 7 Abs. 4 Richtlinie 2008/115/EG). Dem steht nicht die Rechtsprechung des EuGH entgegen, wonach nicht automatisch auf normativem Weg oder durch die Praxis davon abgesehen werden darf, eine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren, wenn die betreffende Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - C-554/13 [ECLI:EU:C:2015:377] - Rn. 70). Denn in den Fällen des § 58a AufenthG liegt bereits in der einzelfallbezogenen Prüfung und Feststellung des Tatbestandes die vom EuGH (ebenda Rn. 50, 57) verlangte einzelfallbezogene Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des betreffenden Drittstaatsangehörigen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt, die so gravierend ist, dass von einer Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise ganz abgesehen werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 35).\n \n \n \n \n 87\n \n \n Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung steht auch nicht entgegen, dass die Ausländerbehörde es nach Durchführung der Abschiebung mit Verfügung vom 1. Dezember 2017 abgelehnt hat, das Aufenthalts- und Einreiseverbot zu befristen, was bei Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie und daraus folgender Unionsrechtswidrigkeit des in § 11 Abs. 1 AufenthG vorgesehenen gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots als Anordnung eines unbefristeten Einreiseverbots durch die Behörde ausgelegt werden könnte (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 71 f.); diese Verfügung dürfte mit der zunächst gescheiterten, im März 2018 aber wiederholten Bekanntgabe an die Prozessbevollmächtigte des Klägers inzwischen auch wirksam geworden sein. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob und inwieweit die Regelung in § 11 Abs. 1, 2 und 5 AufenthG, wonach bei jeder Abschiebung kraft Gesetzes ein Einreise- und Aufenthaltsverbot eintritt, das von der Ausländerbehörde beim Vollzug einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG nicht befristet werden darf, solange die oberste Landesbehörde nicht im Einzelfall eine Ausnahme zulässt, für die hier gegenständliche Fallkonstellation einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG an der Richtlinie 2008/115/EG zu messen und mit dieser ggf. zu vereinbaren ist. Dies hängt davon ab, ob die Richtlinie auch ein Einreiseverbot erfasst, das - wie hier - nicht im Zusammenhang mit einer Rückführung wegen Verletzung geltender Migrationsbestimmungen steht, sondern der Sache nach an eine Abschiebungsanordnung zum Schutze der öffentlichen Sicherheit wegen der von einem Drittstaatsangehörigen ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags anknüpft. Hierbei könnte es sich auch um ein neben der Rückführungsrichtlinie zulässiges nationales Einreiseverbot zu nicht migrationsbedingten Zwecken handeln (vgl. hierzu die Ausführungen des Senats im Verweisungsbeschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 Rn. 6 m.w.N. und der neuerliche Hinweis in der Empfehlung 2017/2338 der Kommission vom 16. November 2017 für ein gemeinsames "Rückkehr-Handbuch" , das von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Durchführung rückkehrbezogener Aufgaben heranzuziehen ist). Diese Frage ist vorliegend aber nicht entscheidungserheblich. Gleiches gilt für die - bei unterstellter Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/115/EG - von der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Frage, ob eine Abschiebung rechtswidrig ist, wenn zuvor nicht eine Befristung eines mit der Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots nach Art. 11 der Richtlinie 2008/115/EG erfolgt ist. Im vorliegenden Verfahren geht es weder um die Rechtmäßigkeit der hier von der Ausländerbehörde erst nach der Abschiebung getroffenen Entscheidung zur Anordnung bzw. Dauer eines unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots noch um die Rechtmäßigkeit der Abschiebung des Klägers. Streitgegenständlich ist nur die Abschiebungsanordnung, die nach nationalem Recht nicht mit einem gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot verbunden ist. Auch eine fehlerhafte oder - wie hier - im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung zunächst unterbliebene behördliche Entscheidung zur Anordnung bzw. Dauer eines Einreiseverbots würde nicht zur Unionsrechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen. Denn das Einreiseverbot soll zwar im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung angeordnet werden (vgl. Art. 11 Abs. 1a Richtlinie 2008/115/EG: "gehen ... einher"), stellt aber gleichwohl eine eigenständige Entscheidung dar, für die vorliegend eine andere Behörde zuständig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 Rn. 3 f.), und die gesondert anfechtbar ist (vgl. Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 36). Ausgehend davon lassen sich der Richtlinie Anhaltspunkte für einen "Rechtswidrigkeitszusammenhang" zwischen dem Einreiseverbot und seiner Befristung einerseits und der Rückkehrentscheidung andererseits nicht entnehmen. Damit bedarf es auch insoweit nicht des von der Prozessbevollmächtigten des Klägers angeregten Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH (vgl. Schriftsatz vom 27. März 2018, Frage II.).\n \n \n \n \n 88\n \n \n d) Der Erlass einer Abschiebungsanordnung durch die oberste Landesbehörde war im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung weder ermessensfehlerhaft noch unverhältnismäßig. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73 und 1 BvR 155/73 - BVerfGE 35, 382 <402 f.>, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 - BVerfGE 141, 220 Rn. 96, 132). Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 58a AufenthG vor, hat die oberste Landesbehörde zu prüfen, ob sie eine Abschiebungsanordnung erlässt oder ggf. anderweitige Maßnahmen durch die Ausländerbehörde - etwa der Erlass einer sofort vollziehbaren Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung - oder Maßnahmen auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts ausreichen (Entschließungsermessen); ein Auswahlermessen kommt hingegen nur bei mehreren möglichen Zielstaaten in Betracht, was hier nicht der Fall ist (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 39).\n \n \n \n \n 89\n \n \n Vorliegend hat die oberste Landesbehörde ihr Entschließungsermessen fehlerfrei dahin ausgeübt, dass andere im Aufenthaltsgesetz vorgesehene Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung oder sonstige gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten nicht ausreichen, um der besonderen vom Kläger ausgehenden Gefahr zu begegnen. Mildere, zur Gefahrenabwehr gleich geeignete Mittel waren nicht verfügbar. Eine stationäre, geschlossene Jugendhilfemaßnahme von zumindest einem halben Jahr, die der Sachverständige Dr. K. als die am besten geeignete Maßnahme bezeichnet hat, um das Wohl des Klägers und der Allgemeinheit zu sichern, scheiterte an der seit Volljährigkeit erforderlichen Zustimmung des Klägers, die dieser ungeachtet seiner Bereitschaft, an anderweitigen Maßnahmen mitzuwirken, gerade nicht erteilt hatte. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst erkennbar, dass der Kläger diese Entscheidung vor seiner Abschiebung glaubhaft revidiert hätte. Auf die Frage, ob ausreichende Bemühungen entfaltet worden sind, einen entsprechenden Platz für den Kläger zu finden, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an. Die Unterbringung in einer offenen Jugendhilfeeinrichtung ist zu einer effektiven Abwehr der in Deutschland drohenden Anschlagsgefahren demgegenüber nicht gleich geeignet wie eine Abschiebung in die Russische Föderation. Gleiches gilt umso mehr für ambulante Maßnahmen der Betreuung, etwa durch die "k.", die schon in der Vergangenheit eine fortschreitende Radikalisierung des Klägers nicht verhindern konnten.\n \n \n \n \n 90\n \n \n Polizeirechtliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr hat die Beklagte ermessensfehlerfrei als nicht hinreichend effektiv angesehen. Auf wiederholte Gefährderansprachen hat der Kläger nicht reagiert. Die vom Amtsgericht Bremen durch Beschlüsse vom 17. Januar 2017 (nicht umgesetzt aufgrund der Unterbringung des Klägers) und vom 27. Februar 2017 auf Antrag der Polizei jeweils für einen Monat getroffenen Anordnungen längerfristiger verdeckter Observation nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 BremPolG (P2 Bl. 100 und 139) sind nicht gleichermaßen geeignet wie eine Abschiebung, eine Realisierung der vom Kläger ausgehenden terroristischen Gefahr in Deutschland zu verhindern. Nichts anderes gilt für denkbare andere polizeirechtliche Maßnahmen wie die elektronische Fußfessel, eine Überwachung der Internetkommunikation oder gar die dem Kläger durch Verfügung vom 24. Februar 2017 auferlegte Meldepflicht (vgl. P2 Bl. 146).\n \n \n \n \n 91\n \n \n Die Abschiebungsanordnung erweist sich angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags auch im Übrigen als verhältnismäßig und mit Art. 8 EMRK vereinbar. Die oberste Landesbehörde hat bei ihrer Entscheidung gewürdigt, dass sich der im Zeitpunkt seiner Abschiebung ...-jährige Kläger seit fünfzehn Jahren (2002) im Bundesgebiet aufhielt, hier den Hauptschulabschluss erlangt hat, bis zu seiner Verhaftung weiter die Schule besuchte und über soziale Bindungen an Eltern und Geschwister verfügt, in deren Haushalt er lebte, sowie an Freunde und die nach religiösem Ritus angetraute deutsche Ehefrau, die in einem getrennten Haushalt lebte. Dabei ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass diese Ehe jedoch nicht dem Schutz des Art. 6 GG unterfällt (zur fehlenden aufenthaltsrechtlichen Anerkennung vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2009 - 1 C 40.07 - BVerwGE 133, 72 Rn. 16). Unabhängig davon war diese Beziehung nach den Angaben im Schriftsatz des Klägers vom 11. Juni 2017 noch vor seiner Abschiebung beendet und konnte einer Abschiebung schon deshalb nicht mehr entgegenstehen. Die Beklagte hat ihre Ermessenserwägungen zudem im Klageverfahren sinngemäß dahin ergänzt, dass das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das private Interesse des Klägers am Verbleib in Deutschland auch dann überwiege, wenn der Kläger kein Russisch spreche und in den für eine Rückkehr in Frage kommenden Regionen seines Herkunftslandes nicht über familiäre Verbindungen verfüge.\n \n \n \n \n 92\n \n \n Diese Ermessenserwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 und 2 VwGO). Insbesondere war die Aufenthaltsbeendigung unter den hier gegebenen Umständen auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK nicht unverhältnismäßig. Zwar stellt die Abschiebung einen Eingriff in das Recht des Klägers auf Familien- und Privatleben dar (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 23. Juni 2008 - Nr. 1638/03, Maslov/Österreich - Rn. 61 ff.). Dieser ist aber gesetzlich vorgesehen, verfolgt mit der Abwehr terroristischer Gefahren für die Bevölkerung in Deutschland ein legitimes Ziel von höchstem Rang und erweist sich vor diesem Hintergrund auch als in einer demokratischen Gesellschaft erforderlich.\n \n \n \n \n 93\n \n \n Hierbei war dem Kläger der langjährige Aufenthalt in Deutschland, wo er seine gesamte Schulausbildung erworben hat, zugute zu halten, wie auch seine Bindung an die in Deutschland legal aufhältigen Eltern und Geschwister, die russische Staatsangehörige sind. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass er mit seinen Eltern und Geschwistern zunächst erfolglos unter falschem Namen Asylverfahren betrieben hat und erst - nachdem eine Abschiebung wegen Passlosigkeit jahrelang nicht möglich war - seit dem Jahr 2012 (nach Richtigstellung der Personalien) über einen legalen Aufenthalt verfügte, der bis zu seiner Abschiebung in befristeten Aufenthaltserlaubnissen bestand. Demgegenüber verfügte er außerhalb Dagestans - soweit im Zeitpunkt der Abschiebung bekannt - über keine familiären Bindungen in seinem Herkunftsland Russische Föderation, das ihm weitgehend unbekannt gewesen sein dürfte. Der Senat geht im Klageverfahren zudem zugunsten des Klägers davon aus, dass er nicht über Grundkenntnisse der russischen Sprache verfügt (anders noch Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 77). Der Kläger hat angegeben, außer Deutsch nur die in Dagestan gebräuchliche und in seiner Familie allein verwendete Sprache Kumykisch zu sprechen. Dies ist ihm ohne weitere Sachverhaltsaufklärung nicht zu widerlegen. Da sich die Aufenthaltsbeendigung - wie im Folgenden ausgeführt wird - auch dann als verhältnismäßig erweist, wenn der Kläger im Zeitpunkt der Abschiebung nicht über Russischkenntnisse verfügte, waren die Beweisanträge des Klägers, zum Beweis fehlender Grundkenntnisse der russischen Sprache drei namentlich benannte Zeugen zu vernehmen, als für die Entscheidung unerheblich abzulehnen.\n \n \n \n \n 94\n \n \n Da der Kläger im Zeitpunkt der Abschiebung nicht in seine Heimatrepublik Dagestan zurückkehren konnte (siehe dazu unten e) aa)), musste davon ausgegangen werden, dass die Integration in die russischen Lebensverhältnisse ihm angesichts der fehlenden Sprachkenntnisse, fehlenden familiären Rückhalts und seiner Unerfahrenheit erhebliche Schwierigkeiten bereiten würde. Mit Blick auf die von ihm ausgehende überaus schwerwiegende Gefahr eines terroristischen Anschlags lagen hier aber überragend wichtige Gründe vor, die eine Abschiebung gleichwohl rechtfertigten. Das gilt selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Radikalisierung und die der Abschiebungsanordnung zugrunde gelegten Tatsachen noch in die Zeit seiner Minderjährigkeit fallen. Der EGMR hat anerkannt, dass schwere Gewalttätigkeiten eine Ausweisung auch dann rechtfertigen können, wenn sie von einem Minderjährigen begangen worden sind (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Juni 2008 - Nr. 1638/03 - Rn. 84 f.). Dies ist auf Fälle übertragbar, in denen eine Begehung - noch schwerer wiegender - terroristischer Gewalttaten droht. Dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abschiebungsanordnung schon dann erfüllt sind, wenn ein beachtliches Risiko für einen terroristischen Anschlag besteht, ohne dass die künftige Entwicklung sicher prognostiziert werden kann, führt hier entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu einem anderen Ergebnis.\n \n \n \n \n 95\n \n \n Auch ohne die Unterstützung durch Verwandte oder Bekannte sowie ohne Russischkenntnisse, die die Integration in die russischen Lebensverhältnisse zweifellos erleichtern würden, war es dem volljährigen und arbeitsfähigen Kläger im Zeitpunkt seiner Abschiebung zuzumuten, sich in der Russischen Föderation eine Existenz aufzubauen. Daran ändert der Umstand nichts, dass er von seiner Persönlichkeitsentwicklung und Reife noch einem Jugendlichen entsprochen haben mag. Dies bedeutete nicht, dass ihm ein Leben ohne familiäre Unterstützung und anfangs ohne Kenntnisse der russischen Sprache unter Berücksichtigung der hier bestehenden hohen Zumutbarkeitsschwelle nicht möglich sein würde. Vielmehr war davon auszugehen, dass sich der Kläger Sprachkenntnisse, die für das tägliche Leben und einfache (Hilfs-)Arbeiten zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreichen, vor Ort rasch aneignen kann. Unabhängig davon hat das Klagevorbringen nach der Abschiebung, wonach der Kläger in Nordwestrussland bei einem entfernteren Bekannten seiner Eltern aufgenommen wurde, aber auch erwiesen, dass er entgegen früherer Behauptung in der Russischen Föderation außerhalb Dagestans durchaus über Kontakte und Hilfestellung verfügt.\n \n \n \n \n 96\n \n \n Bei der Frage der Zumutbarkeit auch größerer Integrationserschwernisse in der Russischen Föderation kann schließlich nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger die einzige Maßnahme der Jugendhilfe - eine solche stationärer Art -, die mit Aussicht auf Erfolg erzieherisch auf ihn hätte einwirken können, abgelehnt hat. Weiter berücksichtigt der Senat, dass die Ausländerbehörde des Beklagten vor der Abschiebung Maßnahmen getroffen hat, die dem Kläger die erste Orientierung in P. erleichtern sollten (vgl. die Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 18. August 2017 im Verfahren Nr. 54646/17 vor dem EGMR sowie Schreiben des Migrationsamts vom 26. Juli 2017). Ihm wurden die Kontaktdaten von Hilfsorganisationen mitgeteilt; er wurde auch über mögliche ärztliche Versorgung an den P.er Flughäfen und Verkehrsverbindungen in die Innenstadt sowie Unterkunftsmöglichkeiten informiert. Zudem wurde er vor der Ankunft in P. mit einem Handgeld in Höhe von 300 € versorgt, um nicht mittellos zu sein. Vor diesem Hintergrund und angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags führen die gewichtigen privaten und familiären Belange hier nicht zur Unverhältnismäßigkeit der verfügten Aufenthaltsbeendigung und ihres Vollzugs.\n \n \n \n \n 97\n \n \n Die Abschiebungsanordnung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie nach der deutschen Rechtslage - deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Einzelnen noch offen ist - zunächst mit einer grundsätzlich unbefristeten Fernhaltung vom Bundesgebiet verbunden sein soll (vgl. § 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 AufenthG). Auch in diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob das von der Ausländerbehörde nach erfolgter Abschiebung des Klägers angeordnete unbefristete Einreise- und Aufenthaltsverbot rechtmäßig ist und ob der Kläger möglicherweise unabhängig davon nach seiner zwischenzeitlichen Abschiebung einem gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot unterliegt. Denn auch der Adressat einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG kann jedenfalls eine nachträgliche Aufhebung oder Verkürzung eines aufgrund behördlicher Anordnung oder kraft Gesetzes entstandenen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 AufenthG erreichen, wenn er glaubhaft darlegen kann, dass von ihm aufgrund nachhaltiger Veränderungen seines Verhaltens keine Gefahr mehr ausgeht. Eine spätere Wiedereinreise in das Bundesgebiet ist mithin - zumindest besuchsweise - nicht ausgeschlossen, auch wenn der Kläger dafür eines neuen Aufenthaltstitels bedürfte.\n \n \n \n \n 98\n \n \n Die Abschiebungsanordnung ist schließlich nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Abschiebung von Terrorverdächtigen das internationale Ansehen Deutschlands schädigen würde. Die Auswirkungen derartiger Abschiebungsanordnungen auf das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland sind in § 58a AufenthG mit berücksichtigt. Es ist nicht Aufgabe der rechtsanwendenden Behörden oder Gerichte, die damit vom Gesetzgeber vorgenommene Bewertung zu korrigieren. Dass § 58a AufenthG oder seine Anwendung auf den vorliegenden Einzelfall gegen bindendes Völkerrecht verstoßen könnte (GA 1 VR 3.17, Bl. 270 ff.), vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen.\n \n \n \n \n 99\n \n \n e) Die Abschiebungsanordnung ist nicht wegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots (teil-)rechtswidrig, da im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung des Klägers in die Russische Föderation im September 2017 kein solches Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG bestand. Nach der gesetzlichen Konstruktion des § 58a AufenthG führt das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG dazu, dass der Betroffene nicht in diesen Staat, nach (rechtzeitiger) Ankündigung aber in einen anderen (aufnahmebereiten oder -verpflichteten) Staat abgeschoben werden darf. Die zuständige Behörde hat beim Erlass einer Abschiebungsanordnung in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der Abschiebung in den beabsichtigten Zielstaat ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG entgegensteht. Dies umfasst sowohl die Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz als Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) oder als subsidiär Schutzberechtigter (§ 60 Abs. 2 AufenthG) vorliegen, als auch die Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Wird im gerichtlichen Verfahren ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot festgestellt, bleibt die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung im Übrigen hiervon unberührt (§ 58a Abs. 3 i.V.m. § 59 Abs. 2 und 3 AufenthG in entsprechender Anwendung).\n \n \n \n \n 100\n \n \n Vorliegend sprach im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung des Klägers einiges dafür, dass hinsichtlich Dagestan bzw. der nordkaukasischen Teilrepubliken der Russischen Föderation die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK gegeben waren (aa). Das hinderte jedoch nicht die Vollziehung der Abschiebungsanordnung in andere Teile der Russischen Föderation, in denen dem Kläger eine zumutbare interne Niederlassungsmöglichkeit zur Verfügung stand (bb). Dies zugrunde gelegt bedurfte es keiner Zusicherung menschenrechtskonformer Behandlung seitens russischer Regierungsstellen (cc). Es lag auch kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot wegen Suizidgefahr vor (dd).\n \n \n \n \n 101\n \n \n aa) Der Senat sieht zumindest gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger angesichts des anzunehmenden Bekanntwerdens der Gründe seiner Abschiebung in der Russischen Föderation (dazu (1)) bei einer Rückkehr nach Dagestan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit durch die dortigen Sicherheitsbehörden einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt worden wäre (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, dazu (2)).\n \n \n \n \n 102\n \n \n (1) Im Zeitpunkt der Abschiebung war davon auszugehen, dass die Gründe und Hintergründe der beabsichtigten Abschiebung des Klägers (Gefahr eines radikal-islamistisch motivierten Terroranschlags, salafistisch-religiöse Einstellung mit grundsätzlicher Billigung der Aktionen des sogenannten "Islamischen Staates") den russischen staatlichen Stellen aller Voraussicht nach bekannt werden würden. Dies war vor allem aufgrund der öffentlichen Berichterstattung in den Medien bzw. im Internet unter Nennung zur Identifizierung hinreichender Daten (K. C. aus B., geboren im ... in Dagestan) anzunehmen. Hinzu kam im vorliegenden Fall das im russischen Pass eingetragene, zwischenzeitlich aufgehobene Ausreiseverbot, das gegen den Kläger im Dezember 2014 angeordnet worden war und die Aufmerksamkeit der russischen Behörden zusätzlich auf sich zu ziehen drohte. Unabhängig davon ergibt sich aus einem Schreiben des Generalkonsulats der Russischen Föderation in Hamburg an die JVA B. vom 31. Juli 2017, das diesem die beabsichtigte Abschiebung des Klägers und die Gründe dafür aufgrund einer DPA-Nachricht ("Bundesgericht billigt Abschiebung von Islamisten nach Russland") bekannt gewesen ist.\n \n \n \n \n 103\n \n \n (2) Unter Berücksichtigung dieses anzunehmenden Bekanntwerdens der Abschiebegründe bestand im Zeitpunkt der Abschiebung die tatsächliche Gefahr, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Dagestan durch die dortigen Sicherheitsbehörden der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK, Art. 4 GRC ausgesetzt würde (vgl. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK).\n \n \n \n \n 104\n \n \n (a) Dabei geht der Senat für den maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung weiterhin von folgender Lagebeurteilung aus: Teile des Nordkaukasus und insbesondere Dagestan sind nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen der regionale Schwerpunkt der Menschenrechtsverletzungen in Russland. Hintergrund sind die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und islamistischen Extremisten (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Juni 2017, S. 13).\n \n \n \n \n 105\n \n \n Der "IS" wird in der Russischen Föderation und speziell im Nordkaukasus in den letzten Jahren zunehmend als echte Bedrohung wahrgenommen, auf die seitens der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden vor allem im Nordkaukasus mit großer Härte reagiert wird: In diesem Landesteil gehen die Behörden gegen tatsächliche oder mutmaßliche Islamisten mit teils gewaltsamer Repression vor. Es kommt zu Razzien in Moscheen, Festnahmen, Zerstörung von Wohnhäusern angeblicher Islamisten, Misshandlungen, Entführungen und Fällen von "Verschwindenlassen" sowie "außergerichtlichen" Tötungen. Im Nordkaukasus wenden die lokalen Polizeibehörden sowie die nationalen Sicherheitsbehörden auch Folter an (vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 40; Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Baudacci, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, Update vom 13. Mai 2016, S. 6 und 7; zu den o.g. Maßnahmen siehe auch Accord, ecoi.net-Themendossier zur Russischen Föderation: Sicherheitslage in Dagestan & Zeitachse von Angriffen, 15. Januar 2016, http://www.ecoi.net/local_link/323719/463296_de.html (Zugriff am 28. September 2016). Salafisten werden von Angehörigen des Militärs und der Geheimdienste verdächtigt, den bewaffneten Aufstand zu unterstützen oder daran beteiligt zu sein, und nicht selten entführt und in der Folge getötet (Accord, ecoi.net-Themendossier zur Russischen Föderation: Sicherheitslage in Dagestan & Zeitachse von Angriffen, a.a.O.). Aktionen von Sicherheitskräften nehmen auch die Familienangehörigen von bewaffneten Untergrundkämpfern ins Visier. Menschenrechtsorganisationen beklagten ein Klima der Straflosigkeit für Täter aus den Reihen der Sicherheitskräfte (vgl. Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 13 - 15). Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden - ihrer Straflosigkeit gewiss - missbrauchten ihre Macht, um im "Krieg gegen den Terror" Erfolgsquoten zu liefern oder gar um Geld von den Angehörigen der Verhafteten zu erpressen (Accord, Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Dagestan: Korruption bei der Polizei, 12. Oktober 2016).\n \n \n \n \n 106\n \n \n Salafistische Organisationen bzw. Muslime, die religiösem Extremismus nahe stehen oder unter ausländischem Einfluss stehen sollen, werden in Dagestan als Wahhabiten bezeichnet und teilweise pauschal mit Terroristen gleichgesetzt (Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25. Juli 2014, S. 1 f.; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 52, 65). Sie müssen in Tschetschenien und Dagestan bereits ohne Hinzutreten weiterer Handlungen oder konkreter Verdächtigungen befürchten, von den Sicherheitsbehörden als "Extremisten" verhaftet zu werden. Auch das Tragen langer Bärte oder salafistischer Kleidung kann bereits zu Verhaftungen und Misshandlungen führen (Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Baudacci, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, Update vom 13. Mai 2016, S. 15).\n \n \n \n \n 107\n \n \n (b) Ausgehend von dieser Erkenntnislage sprach bezogen auf den Abschiebezeitpunkt einiges dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Dagestan dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung durch die lokalen oder föderalen Sicherheits- bzw. Strafverfolgungsbehörden ausgesetzt würde, selbst wenn er sich dort einer salafistischen Betätigung, soweit diese die Grenzen der geschützten Religionsfreiheit überschreitet, enthält (siehe auch BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 90 f.).\n \n \n \n \n 108\n \n \n bb) Dem Kläger standen im Zeitpunkt seiner Abschiebung auf der Grundlage der dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisse jedoch Alternativen für eine Niederlassung in sonstigen Bereichen der Russischen Föderation außerhalb der Teilrepubliken des Nordkaukasus (etwa in der Umgebung des Abschiebeziels P.) zur Verfügung. Hinsichtlich dieser Bereiche lagen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht vor. Sie erfüllen hier zugleich die Voraussetzungen des internen Schutzes im Sinne von § 3e Abs. 1, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Daher stand dem Kläger auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG als subsidiär Schutzberechtigter zu, ohne dass entschieden werden muss, ob dieses Abschiebungsverbot ohnehin wegen der vom Kläger ausgehenden Gefahren ausgeschlossen wäre (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG).\n \n \n \n \n 109\n \n \n (1) Nach der dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnislage drohte dem Kläger außerhalb des Nordkaukasus wegen der Handlungen und Äußerungen im Bundesgebiet nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass er unter Berücksichtigung der ihm zugeschriebenen Terrorgefahr durch Sicherheitsbehörden oder Strafverfolgungsorgane der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt oder zwangsweise nach Dagestan zurückverbracht wird. Etwaige erst nach Rückkehr in die Russische Föderation entfaltete Aktivitäten, die den Verdacht begründen könnten, er neige dem gewaltbereiten Jihadismus zu oder plane oder unterstütze Terroranschläge, können kein Abschiebungshindernis begründen und waren außer Betracht zu lassen.\n \n \n \n \n 110\n \n \n Der Senat verkennt nicht, dass aus Sicht der russischen Behörden auch außerhalb des Nordkaukasus die Gefahr von Terroranschlägen besteht. Radikale islamistische Netzwerke aus dem Nordkaukasus und Dagestan verfügen über Zellen in ganz Russland - von Moskau, St. Petersburg bis nach Sibirien (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25. Juli 2014, S. 3 und 15). Der russische Staat geht auch im übrigen Staatsgebiet konsequent gegen islamistische Terroristen vor. Erst im Juli 2016 wurde in der Russischen Föderation mit dem Ziel der effektiveren Bekämpfung des Terrorismus und der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit das Strafrecht deutlich verschärft, worauf der Kläger hingewiesen hat (www.icnl.org/research/library/files/Russia/Yarovaya.pdf, GA 1 VR 3.17 Bl. 264). Zuvor ist im November 2013 in Russland ein neues Gesetz verabschiedet worden, mit dem die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen erreicht werden sollte und das darauf abzielte, die "harte Form" des Kampfes gegen den Aufstand, die bereits in mehreren Republiken im Nordkaukasus praktiziert wird, zu legalisieren. Die neue Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, die Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien dazu zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, die durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Die durch sie erlaubten Kollektivbestrafungen werden von den Behörden im Nordkaukasus bereits angewendet (Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 34; Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25. Juli 2014, S. 4 f.). Von einer entsprechenden Praxis außerhalb des Nordkaukasus wird demgegenüber bisher nicht berichtet; auch belegt diese Gesetzeslage ebenso wenig wie die Verschärfung des Strafrechts eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung von Terrorverdächtigen.\n \n \n \n \n 111\n \n \n Nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Ad-hoc-Bericht, Stand: Juni 2017, S. 20 f.) ist der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen aus Angst vor Terroranschlägen erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichteten von häufig willkürlichem Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen ständen unter einer Art Generalverdacht. Solange die Konflikte im Nordkaukasus nicht endgültig gelöst sind, ist nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Das gilt insbesondere für Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagieren bzw. denen ein derartiges Engagement unterstellt wird, oder die - wie hier - im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren.\n \n \n \n \n 112\n \n \n Selbst wenn diese besondere Aufmerksamkeit auch Dagestanern entgegengebracht werden sollte, rechtfertigte die Zugehörigkeit zu einer solchen Risikogruppe ebenfalls noch nicht die Annahme, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Dies entspricht im Wesentlichen der in der fallbezogen erteilten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29. Mai 2017 wiedergegebenen Einschätzung von Mitarbeitern der russischen Nichtregierungsorganisation "Komitee zur Verhinderung von Folter": Danach habe der Kläger im Falle seiner Abschiebung in die Russische Föderation mit einer Befragung und Überwachung zu rechnen (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 29. Mai 2017 zu Frage 1a). Es erscheine jedoch nahezu ausgeschlossen, dass er "präventiv" gefoltert oder einer anderen Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung ausgesetzt würde. Der Zuverlässigkeit dieser Auskunft steht nicht entgegen, dass der Leiter dieser Organisation nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes Mitglied des präsidialen Menschenrechtsrats ist (vgl. näher BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - NVwZ 2017, 1531 Rn. 96). Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat in seiner Stellungnahme vom 10. August 2017 bestätigt, dass das "Komitee zur Verhinderung von Folter" eine allseits geachtete Organisation sei, deren Expertise auch in die Lageberichte des Auswärtigen Amtes einfließe.\n \n \n \n \n 113\n \n \n Die vom Kläger eingeholte, im Verfahren vor dem EGMR vorgelegte Auskunft von U. I. (Civic Assistance Committee, Human Rights Center Memorial vom 19. August 2017 insbesondere zu Frage 3) gibt keinen Anlass zu einer anderen Bewertung. Darin heißt es, eine aus Deutschland abgeschobene Person werde zweifellos unter sozialer Kontrolle stehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie verfolgt und gefoltert werde, sei erheblich und noch um ein Vielfaches höher, wenn sie mit dem Stigma, einen terroristischen Anschlag beabsichtigt zu haben, abgeschoben würde. Der Senat misst der gegenteiligen Einschätzung des "Komitees zur Verhinderung von Folter" weiterhin die größere Bedeutung bei. Zum einen kann sich die Auskunft von Frau I. nicht erkennbar auf konkrete Referenzfälle stützen (vgl. auch EGMR, Entscheidung vom 7. November 2017 - 54646/17, X./Germany - Rn. 33). Mit der des Klägers vergleichbare Fallgestaltungen werden auch in den von ihr beigefügten Berichten der Nichtregierungsorganisationen Memorial Human Rights Center/Civic Assistance Committee nicht benannt ("Chechens in Russia", Moscow 2014; "Counter-terrorism in the North Caucasus: a human rights perspective. 2014-first half of 2016"; Moscow 2016, sowie "On the situation of Chechen Republic and Republic of Ingushetia residents in the Russian penal system, September 2011 to August 2014", September 2014, Moscow). Zum anderen wird die im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gewonnene Gefahrenbewertung des Senats nunmehr bestätigt durch die aktualisierte Einschätzung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, das sich in seiner Stellungnahme vom 10. August 2017 der Bewertung des "Komitees zur Verhinderung von Folter" angeschlossen und an seiner früheren abweichenden, pauschalen Stellungnahme vom 17. Mai 2017 nicht mehr festgehalten hat. Danach werden Personen, die sich in der Russischen Föderation nicht islamistisch betätigt haben oder dort aufgefallen sind, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit misshandelt. Zum Beleg verweist das Bundesamt auf Erkenntnisse der österreichischen Staatendokumentation vom 29. Juni 2017. Danach konnten keine Informationen mit Hinweisen darauf gefunden werden, dass Personen, die im Ausland wegen Mitgliedschaft in der Terrororganisation "IS" strafgerichtlich verurteilt wurden und eine Haftstrafe bereits verbüßt haben, in der Russischen Föderation abseits einer eigentlichen Strafverfolgung Opfer von Menschenrechtsverletzungen wurden (vgl. Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation an BVwG, Russische Föderation - Menschenrechtsverletzungen von im Ausland verurteilten Personen wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vom 29. Juni 2017).\n \n \n \n \n 114\n \n \n Vor diesem Hintergrund vermag der Senat auch aus der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 25. Juli 2014 (A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, S. 3 f.) nicht abzuleiten, dass dem Kläger in der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Art. 3 EMRK zuwiderlaufende Behandlung drohen würde. Zwar wird dort von Angaben der Nichtregierungsorganisation Memorial (U. I.) berichtet, wonach Familienangehörige von Terrorismusverdächtigen aus Dagestan auch in anderen Regionen in Russland von staatlichen Behörden verfolgt und schikaniert werden und dem ständigen Risiko einer willkürlichen Strafverfolgung ohne Begründung ausgesetzt sind. Auch werde von einer Reihe dokumentierter Fälle berichtet, in denen ganze Familien in Moskau, St. Petersburg und weiteren russischen Städten Opfer von gewaltsamem "Verschwindenlassen" geworden seien. Dies sei vor allem in den Fällen geschehen, in welchen die Behörden der nordkaukasischen Republiken Interesse daran hatten, Maßnahmen gegen Familienangehörige zu ergreifen. "Wahhabiten" und ihre Familienmitglieder würden in ganz Russland verfolgt. Der Modus Operandi der Behörden des Nordkaukasus finde mittlerweile auch im übrigen Russland Anwendung. Seit 2009 sei die Zahl der Verhaftungen und Entführungen von Personen aus dem Nordkaukasus in ganz Russland gestiegen. Rund 20 Prozent der dokumentierten Entführungen fänden mittlerweile außerhalb des Nordkaukasus statt.\n \n \n \n \n 115\n \n \n Diesen Ausführungen ist nichts dafür zu entnehmen, dass der russische Staat auch einer im europäischen Ausland entfalteten islamistisch-jihadistischen Betätigung - insbesondere Planung/Vorbereitung eines Terroranschlags in Deutschland - in der Russischen Föderation mit derart drastischen Maßnahmen begegnen würde. Ein vergleichbares Interesse der russischen Behörden, gegen eine Person wie den Kläger menschenrechtswidrig vorzugehen, ist in einem solchen Fall mangels Referenzfällen nicht belegbar und kann auch nicht ohne Weiteres unterstellt werden. Denn spezifisch russische Interessen hat der Kläger bisher nicht verletzt.\n \n \n \n \n 116\n \n \n Der Senat hat es daher im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung auch nicht für beachtlich wahrscheinlich erachtet, dass in der Russischen Föderation gegen den Kläger ein Strafverfahren eingeleitet oder er in Polizeigewahrsam genommen würde. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen hat, dass nach russischem Strafrecht für Auslandstaten russischer Staatsbürger das Personalitätsprinzip gilt, rechtfertigt dieser Hinweis auf die Rechtslage für sich allein noch nicht den Schluss auf eine entsprechende Praxis. Auch die Erklärung des russischen Generalstaatsanwalts von November 2015, wonach 650 Strafverfahren aufgrund der Beteiligung in einer illegalen bewaffneten Gruppierung im Ausland eröffnet wurden, wovon laut Chef des FSB (Inlandsgeheimdienst) 1 000 Personen betroffen seien (vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 27), lässt nicht hinreichend auf eine Betroffenheit auch des Klägers schließen. Es liegen keine Hinweise darauf vor, dass sich der Fokus der russischen Strafverfolgungsbehörden auch auf Personen richten würde, die nicht aus Syrien, Irak oder der Türkei, sondern aus dem westeuropäischen Ausland zurückkehren.\n \n \n \n \n 117\n \n \n Berichte über Strafprozesse auf der Grundlage fingierten Materials gegen angebliche Terroristen aus dem Nordkaukasus (vgl. Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 10) beziehen sich zumeist auf den Nordkaukasus. Gegen Tschetschenen (bzw. Personen aus dem Nordkaukasus), die sich in Moskau oder anderen Bereichen der Russischen Föderation niedergelassen haben, kommen Strafverfahren aufgrund falscher Anschuldigungen heute kaum noch vor (vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 85 f.). Nach Angaben einer westlichen Botschaft in Moskau aus dem Jahr 2012 kommen fingierte Strafverfahren zwar vor, insbesondere gegen junge muslimische Personen aus dem Nordkaukasus, jedoch nicht in systematischer Weise (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25. Juli 2014, S. 6; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 82).\n \n \n \n \n 118\n \n \n Die vorstehend dargelegte Gefahreneinschätzung wird schließlich ex post dadurch bestätigt, dass es dem Kläger gelungen ist, unbehelligt in die Russische Föderation einzureisen und bei entfernten Bekannten seiner Eltern in Nordwestrussland Aufenthalt zu nehmen. Der Senat ist davon ausgegangen, dass den russischen Staatsbehörden die Gründe für die Abschiebung des Klägers bekannt waren (s.o.); zudem ist er mit seinem russischen Reisepass, aus dem das von Deutschland zeitweise verfügte Ausreiseverbot hervorging und der bei einer Einreise vorzulegen ist, abgeschoben worden. Daraus kann nur geschlossen werden, dass seitens der russischen Sicherheitsbehörden kein Interesse bestand, gegen den Kläger ein Strafverfahren einzuleiten oder ihn in Polizeihaft zu nehmen. Auch wenn es für die hier vorzunehmende Prognose auf den Zeitpunkt der Abschiebung ankommt, können Vorkommnisse nach der Abschiebung als - wie hier - bestätigendes Indiz für die Richtigkeit der gerichtlichen Prognose ergänzend herangezogen werden (EGMR, Urteil vom 14. März 2017 - Nr. 47287/15, Ilias u. Ahmed/Ungarn - Rn. 105 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 ff. Rn. 14). Dass sich der Kläger an seinem Aufenthaltsort nicht angemeldet hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung.\n \n \n \n \n 119\n \n \n Das Risiko, dass die Behörden in Dagestan, soweit sie von der Abschiebung des Klägers erfahren, den Kläger außerhalb Dagestans aufsuchen und dort misshandeln oder nach Dagestan verbringen würden, hält der Senat ebenfalls für gering. Das Auswärtige Amt führt in seinem aktuellen Lagebericht zwar aus, die regionalen Strafverfolgungsbehörden könnten Menschen auf der Grundlage von in ihrer Heimatregion erlassenen Rechtsakten auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation in Gewahrsam nehmen und in ihre Heimatregion verbringen. Kritiker, die Tschetschenien aus Sorge um ihre Sicherheit verlassen mussten, fühlten sich häufig auch in russischen Großstädten vor dem "langen Arm" des Regimes von Ramsan Kadyrow nicht sicher. Bewaffnete Kräfte, die Kadyrow zuzurechnen seien, seien etwa auch in Moskau präsent (vgl. Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 15 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Baudacci, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, Update vom 13. Mai 2016, S. 24; Memorial Human Rights Center/Civic Assistance Committee, Chechens in Russia, 2014, S. 7). Bei Umzügen in eine andere Region der Russischen Föderation informiert das FMS-Büro, bei dem die Registrierung erfolgt, das FMS-Büro am Ort der ursprünglichen Registrierung (siehe auch U. I. , Auskunft vom 19. August 2017, zu Frage 5 und 6). Ob diese Information durch die Behörden des ursprünglichen Wohnorts in irgendeiner Weise aktiv verwendet wird, ist aber eine andere Frage. Dies hängt davon ab, wie wichtig die Person für die dortigen Behörden war/ist (vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 68). Ausgehend davon ist eher unwahrscheinlich, dass dagestanische Strafverfolgungsbehörden aufgrund der gegen den Kläger in Deutschland erhobenen Vorwürfe Anlass sehen werden, ein Strafverfahren gegen ihn einzuleiten oder gegen ihn in irgendeiner Weise extralegal vorzugehen, wenn er - der Dagestan schon im Kleinkindalter verlassen hat - nicht in Kontakt zu Dagestan tritt und insbesondere andernorts seinen Wohnsitz nimmt. Gründe dafür ergeben sich auch nicht aus der Auskunft von Frau I. (Civic Assistance Committee, Human Rights Center Memorial) vom 19. August 2017. Der Kläger hat weder in Dagestan auf der Seite der Aufständischen gekämpft noch ist er in Syrien gewesen. Durch Vorlage seines im Juli 2013 ausgestellten russischen Reisepasses (AA Bl. 169) kann er dies ab diesem Zeitpunkt sogar belegen; aus dem temporären Ausreiseverbot ergibt sich nichts anderes.\n \n \n \n \n 120\n \n \n Hinreichend tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr drohte, gegen seinen Willen durch russische föderale Stellen nach Dagestan zurückverbracht zu werden, waren den ausgewerteten Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen. Soweit die Schweizerische Flüchtlingshilfe von rückgeführten Tschetschenen berichtet, die etwa vom russischen Geheimdienst nach Ankunft am Flughafen Moskau festgenommen und nach Tschetschenien gebracht oder nach Rückkehr aus dem westeuropäischen Ausland verhaftet und gefoltert worden seien (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Baudacci, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, Update vom 13. Mai 2016, S. 22), werden die jeweiligen Hintergründe nicht mitgeteilt. Schlüsse für den hier zu entscheidenden Fall waren daraus mithin nicht zu ziehen, zumal der Kläger bei seiner Einreise dieses Schicksal nicht erlitten hat.\n \n \n \n \n 121\n \n \n (2) Der Kläger hat auch nicht infolge einer Einziehung zum Wehrdienst mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten.\n \n \n \n \n 122\n \n \n (a) Es ist bereits nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Kläger in absehbarer Zeit nach seiner Rückkehr in die Russische Föderation zum Wehrdienst eingezogen wird.\n \n \n \n \n 123\n \n \n Männliche Staatsbürger im Alter von 18 bis 27 Jahren unterliegen in der Russischen Föderation der einjährigen Wehrpflicht (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Juni 2017, S. 10). Darunter fällt grundsätzlich auch der ...-jährige Kläger. Die reale Gefahr, zum Wehrdienst eingezogen zu werden, wird durch die mit seiner Person verbundenen Sicherheitsbedenken jedoch deutlich vermindert.\n \n \n \n \n 124\n \n \n Die allgemeine Wehrpflicht besteht in der gesamten Russischen Föderation. Grundsätzlich wird einem 18- bis 28-jährigen Mann in der Russischen Föderation ein Musterungsbescheid zugestellt, um ihn für den Wehrdienst in den Streitkräften zu mustern. Eine Einberufung in die Streitkräfte ist damit jedoch nicht zwingend verbunden (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 29. Mai 2017, zu Frage 2). Junge Männer aus dem Nordkaukasus, insbesondere aus Tschetschenien, wurden in zurückliegenden Jahren über längere Zeit praktisch nicht zum Wehrdienst eingezogen. Dem lag im Wesentlichen zugrunde, dass man nicht "potenzielle Terroristen und Untergrundkämpfer" an der Waffe ausbilden wolle. Nordkaukasier könnten einen radikalen Islam in der Armee verbreiten; sie seien besonders undiszipliniert und würden eine "Dedowschtschina" auf ethnischer Grundlage betreiben (vgl. O., Wien, Gutachten vom 2. Februar 2015 für VG Berlin, S. 19 f.). Etwa nach dem Beginn des russischen militärischen Vorgehens gegen die Ukraine im Frühjahr 2014 änderten sich die Rahmenbedingungen aber. So wurden im Herbst 2014 wieder Rekruten aus dem Nordkaukasus einberufen (Dagestan: ca. 2 000, Tschetschenien: ca. 500, vgl. O., ebenda, S. 20, sowie Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Bremen vom 13. November 2015). Bei den tschetschenischen Rekruten soll es sich dabei überwiegend um Freiwillige mit abgeschlossenem Hochschulstudium gehandelt haben, von denen viele eine militärische Karrierelaufbahn anstrebten (vgl. Accord, Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Strafen bei Wehrdienstverweigerung etc., 12. November 2014). In Dagestan wurden im Frühling 2016 1 800 junge Männer eingezogen, ein Drittel mehr als im Jahr zuvor. Trotzdem seien mehr als 2 000 junge Männer nicht auffindbar, die eingezogen werden sollten (vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 50). Als ein Grund für die Änderung der Einberufungspraxis wird Personalnot bei den Streitkräften benannt, der mit einer Erhöhung der Einberufungsquote und auch durch den Rückgriff auf Wehrpflichtige aus dem Nordkaukasus begegnet werden sollte. Die kritische Personallage habe Sicherheitsbedenken gegenüber Rekruten aus dem Nordkaukasus zurücktreten lassen. Persönliche Garantien von Mitgliedern der jeweiligen Administrationen und Familienangehörigen sollen nun die wahrgenommenen Risiken eindämmen (vgl. Pester, Russlands Militärreform: Herausforderung Personal, SWP-Studie, November 2013, S. 24, 26; Klein/Pester, Russlands Streitkräfte: Auf Modernisierungskurs, SWP-Aktuell, Dezember 2013, S. 4).\n \n \n \n \n 125\n \n \n Trotz der zunehmenden Personalengpässe und der geänderten Einberufungspraxis in den russischen Streitkräften hält der Senat eine Einberufung des Klägers zum Wehrdienst nicht für wahrscheinlich. Zwar liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei ihm Gründe für eine Befreiung vom Wehrdienst, Ausschlussgründe oder ein Recht auf Verschiebung/Aufschub des Militärdienstes gegeben sind (vgl. dazu O., Wien, Gutachten vom 2. Februar 2015 für VG Berlin, S. 12 ff.). Angesichts der anzunehmenden Bekanntheit der Abschiebungsgründe und der Befragung und Überwachung durch den Inlandsgeheimdienst FSB oder die Polizei, mit der nach Abschiebung in die Russische Föderation zu rechnen war, spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass eine Einberufung des Klägers wegen des damit verbundenen erheblichen Sicherheitsrisikos unterbleiben wird. Dass Wehrpflichtige aus dem Nordkaukasus aktuell nicht mehr pauschal als Sicherheitsrisiko betrachtet werden, steht dem nicht entgegen, weil vom Kläger individuell die Gefahr eines islamistisch motivierten terroristischen Anschlags ausgeht. Es ist nicht nahe liegend, dass die für die Einberufung zuständigen Behörden in der Russischen Föderation das Risiko eingehen werden, eine solche Person an der Waffe auszubilden. Die Frage nach persönlichen Garantien stellt sich bei einem derart evidenten Sicherheitsrisiko schon nicht mehr; im Übrigen ist aber auch nicht ersichtlich, wer für den Kläger außerhalb des Nordkaukasus bürgen könnte.\n \n \n \n \n 126\n \n \n (b) Unabhängig davon liegen nach der aktuellen Auskunftslage keine stichhaltigen Gründe (mehr) dafür vor, dass Wehrdienstleistenden in der Russischen Föderation eine Art. 3 EMRK verletzende Behandlung droht, indem sie dem System der sogenannten Dedowschtschina, d.h. der systematischen Misshandlungen und Erniedrigung von Soldaten durch Vorgesetzte aller Dienstgrade oder ältere Wehrpflichtige, ausgesetzt werden. Nach aktueller Auskunftslage ist dies zwar weiterhin nicht auszuschließen, aber nicht mehr beachtlich wahrscheinlich.\n \n \n \n \n 127\n \n \n Anders als das Verwaltungsgericht Bremen (Urteil vom 18. November 2016 - 3 K 1982/09.A - juris Rn. 52 ff.) hält der Senat unter zusätzlicher Einbeziehung des jüngsten Lageberichts des Auswärtigen Amtes (Ad-hoc-Bericht Stand: Juni 2017) trotz der weiterhin problematischen Menschenrechtslage in den Streitkräften aktuell nicht mehr die Feststellung für gerechtfertigt, dass einem Wehrpflichtigen eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ("real risk") droht. Bereits im Lagebericht von Anfang 2016 hatte das Auswärtige Amt berichtet, die im Jahr 2013 eingeleiteten Maßnahmen zur "Humanisierung" und Attraktivitätssteigerung des Wehrdienstes seien im Berichtszeitraum weiter umgesetzt worden. Diese Maßnahmen umfassten u.a. die Möglichkeit der heimatnahen Einberufung für Verheiratete, Wehrpflichtige mit Kindern oder Eltern im Rentenalter. Verbesserungen bei der Verpflegung, längere Ruhezeiten sowie die Erlaubnis zur Benutzung privater Mobiltelefone seien ebenfalls eingeführt worden. Offizielle Verlautbarungen zu Menschenrechtsverletzungen in den Streitkräften der Russischen Föderation habe es zuletzt nicht gegeben. Die Nichtregierungsorganisationen "Komitee der Soldatenmütter" und "Armee.Bürger.Recht" hätten jedoch von Soldaten berichtet, die sich aus ganz Russland mit der Bitte um Unterstützung beim Schutz ihrer Rechte an die Nichtregierungsorganisationen gewendet hätten. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Menschenrechtslage in den russischen Streitkräften weiterhin problematisch sei. Es sei zu vermuten, dass es nach wie vor zu Misshandlungen von Soldaten durch Vorgesetzte aller Dienstgrade oder ältere Wehrpflichtige komme, jedoch nicht mehr im Ausmaß der Vergangenheit. Die Bildung einer Militärpolizeibehörde, die vor allem die "Dedowschtschina", aber auch Diebstahlsdelikte in den Streitkräften bekämpfen sollte, sei noch nicht vollständig abgeschlossen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Januar 2016, S. 14 f.). Im aktuellen Lagebericht, der eine im Übrigen unveränderte Einschätzung enthält, wird nunmehr ergänzend berichtet, Staatspräsident Putin habe im Jahr 2015 ein Dekret erlassen, das die Aufgaben der Militärpolizei erheblich erweitert habe und seitdem ausdrücklich die Bekämpfung der "Dedowschtschina" sowie von Diebstählen innerhalb der Streitkräfte umfasse. Insgesamt seien zunehmend einzelne Verbesserungen zu erkennen, weil - teilweise auf Initiative der Soldatenmütter - vor drei bis vier Jahren ein Beschwerderecht für Soldaten eingeführt worden sei, seit kurzem jeder Soldat ein Gehaltskonto haben müsse, um Korruption und Erpressung durch Vorgesetzte zu verhindern, und sich die soziale Lage durch den Neubau von Kasernen und die damit einhergehende Abnahme der Überbelegung verbessert habe. Dadurch seien auch die Misshandlungen jüngerer durch ältere Soldaten zurückgegangen (Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 10 f.).\n \n \n \n \n 128\n \n \n Die darin zum Ausdruck kommende graduelle Verbesserung der Situation der Wehrdienstpflichtigen in den russischen Streitkräften wird bestätigt durch die vom Senat fallbezogen eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29. Mai 2017 (zu Frage 3a). Darin wird ergänzend ausgeführt, das Ministerium der Verteidigung der Russischen Föderation veröffentliche zwar keine genauen Zahlen zu Misshandlungen innerhalb der Streitkräfte. Zahlreiche Indikatoren wiesen jedoch darauf hin, dass diese Art von Dienstvergehen in den Streitkräften zurückgehe. Seit Beginn der Reform der Streitkräfte im Jahr 2008, insbesondere jedoch unter dem derzeitigen Minister für Verteidigung Sergei Schoigu, liege das Hauptaugenmerk der militärischen und politischen Leitung der Streitkräfte auf der Steigerung der Attraktivität der Streitkräfte. Das Maßnahmenpaket umfasse z.B. eine Erhöhung der Besoldung, den Wohnungsbau für Soldatenfamilien und medizinische Versorgung von Soldaten und deren Angehöriger. Der Aufrechterhaltung der Disziplin werde ein höherer Stellenwert als in den Jahren zuvor eingeräumt, wozu auch die konsequente Ahndung von Dienstvergehen wie z.B. Misshandlung gehöre. Es liegen schließlich auch keine Erkenntnisse dazu vor, dass die islamistische Radikalisierung des Klägers die allgemein nicht mehr den Grad einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit erreichende Gefahr, Opfer unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK während eines Wehrdienstes zu werden, in relevanter Weise erhöhen würde (vgl. dazu Auswärtiges Amt, Auskunft vom 29. Mai 2017, zu Frage 3a).\n \n \n \n \n 129\n \n \n Es besteht auch nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger im Rahmen eines Wehrdienstes gegen seinen Willen nach Dagestan zurückkehren müsste. Allerdings führt O. aus, dass Wehrpflichtige, die keine Bestechungsgelder leisten könnten oder wollten, riskierten, in die Krisengebiete des östlichen Nordkaukasus (Inguschetien, Tschetschenien, Dagestan) oder aber in einen Truppenteil geschickt zu werden, in denen eine harte "Dedowschtschina" herrsche (Gutachten vom 2. Februar 2015 für VG Berlin, S. 21). Da die vom Auswärtigen Amt berichteten graduellen Verbesserungen der Menschenrechtslage in den russischen Streitkräften in den letzten beiden Jahren in diesem bereits Anfang 2015 erstellten Gutachten jedoch noch nicht berücksichtigt sein konnten, ist bereits fraglich, inwieweit diese Aussage noch zutrifft. Im Ergebnis bestehen stichhaltige Gründe dafür, dass der Kläger tatsächlich Gefahr läuft, im Nordkaukasus zum Einsatz zu kommen, jedenfalls aus den Gründen nicht, aus denen schon seine Einberufung nicht beachtlich wahrscheinlich ist (s.o.).\n \n \n \n \n 130\n \n \n (3) Die weiteren Voraussetzungen für eine interne Ausweichmöglichkeit in die Gebiete der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus liegen vor.\n \n \n \n \n 131\n \n \n Nach der Rechtsprechung des EGMR zur Berücksichtigung internen Schutzes muss die abzuschiebende Person in der Lage sein, in das betroffene Gebiet zu reisen, Zutritt zu diesem zu erhalten und sich dort niederzulassen. Außerdem dürfen die voraussichtlichen Lebensbedingungen dort nicht gegen Art. 3 EMRK verstoßen (vgl. EGMR, Urteile vom 11. Januar 2007 - Nr. 1948/04, Salah Sheekh/Niederlande - Rn. 141 ff., vom 28. Juni 2011 - Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich - Rn. 278 ff. und vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09, Husseini/Schweden - Rn. 65; siehe auch § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG sowie Art. 8 Richtlinie 2011/95/EU zum subsidiären internationalen Schutz).\n \n \n \n \n 132\n \n \n Diese Voraussetzungen sind hier auch unter Berücksichtigung der individuellen Merkmale des Klägers gegeben. Der Kläger sollte unter Berücksichtigung der Gründe des Senatsbeschlusses vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - nach P., also nicht in den Nordkaukasus, abgeschoben werden; so ist es auch geschehen. Nach der vorliegenden Erkenntnislage war es dem Kläger bei Abschiebung grundsätzlich möglich und zumutbar, in der Russischen Föderation etwa in der weiteren, ländlicheren Umgebung von P. legal Wohnsitz zu nehmen und insbesondere registriert zu werden.\n \n \n \n \n 133\n \n \n Entgegen seiner Annahme ist der Kläger nicht gezwungen, sich für die zu einer Registrierung erforderliche Ausstellung eines Inlandspasses nach Dagestan an seinen letzten Wohnort zu begeben. Sowohl Inlands- wie Auslandspässe können in der Russischen Föderation in jedem FMS-Büro beantragt und abgeholt werden. Beantragt eine Person den Pass beispielsweise in Moskau, erscheint das FMS-Büro Moskau als ausstellende Behörde, ohne dass es darauf ankommt, wo die Person mit ihrem Wohnsitz registriert ist (vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 66). Der gegenteiligen Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25. Juli 2014, S. 8, 10) folgt der Senat auch weiterhin nicht. Denn seine Annahme, dass eine Beantragung und Ausstellung des Inlandspasses auch außerhalb des letzten Wohnortes möglich ist, wird durch eine im Klageverfahren eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amts vom 21. Februar 2018 bestätigt. Das Auswärtige Amt teilt darin mit, dass ein russischer Staatsangehöriger nach der Passverordnung der Russischen Föderation vom 8. Juli 1997 einen Inlandspass auch außerhalb der Region seines letzten Wohnorts beantragen könne; lediglich die Bearbeitungszeit verlängere sich dann von sonst 10 auf 30 Tage. Durchgreifende Gründe, an der Verlässlichkeit dieser Auskunft zu zweifeln, sind nicht ersichtlich.\n \n \n \n \n 134\n \n \n Mit seinem Einwand, er könne einen neuen Inlandspass nicht zumutbar beantragen, weil er dazu - um sich auszuweisen - seinen Reisepass mit dem daraus noch ersichtlichen, vormaligen deutschen Ausreiseverbot vorlegen müsse, kann der Kläger nicht durchdringen. Der Senat hat vorstehend an seiner im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vertretenen Einschätzung festgehalten, dass dem Kläger in der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK garantierten Rechte droht. Dabei ist er davon ausgegangen, dass den russischen staatlichen Stellen die Gründe und Hintergründe einer Abschiebung des Klägers voraussichtlich bekannt werden, und dass insbesondere auch der russische Pass im Zuge der Abschiebung den russischen Einreisebehörden wird vorgelegt werden müssen. Vor diesem Hintergrund ist dem Kläger dessen Vorlage auch bei der Meldebehörde zumutbar.\n \n \n \n \n 135\n \n \n Auch Personen aus dem Nordkaukasus ist es möglich, in der übrigen Russischen Föderation eine Wohnung zu finden, auch wenn sie dabei auf größere Schwierigkeiten stoßen werden als ethnische Russen. Zwar haben Kaukasier größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, einen Vermieter zu finden (vgl. Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 21). In Moskau ist es besonders schwierig, eine Unterkunft zu finden, weil freie Wohnungen selten und die Mieten hoch sind. Die schon allgemein bestehenden Schwierigkeiten sind für Tschetschenen/Kaukasier infolge ihres allgemein schlechten Ansehens noch größer (vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 83). Letzten Endes gelingt es aber auch Tschetschenen immer, eine Bleibe zu finden, weil es keine obdachlosen Tschetschenen etwa in Moskau gibt; üblicherweise gelingt dies mit der Hilfe von Freunden oder Verwandten (Danish Immigration Service, a.a.O., S. 84). Dem Kläger dürfte dies zumindest außerhalb von P. auch ohne Freunde oder Verwandte möglich sein, zumal nicht alle Vermieter nur an ethnische Russen vermieten.\n \n \n \n \n 136\n \n \n Die Registrierung ist jedenfalls nach einem Aufenthalt von drei Monaten obligatorisch. Bei Abschiebung war davon auszugehen, dass sie dem Kläger auch möglich sein würde. Auch wenn es Fälle von geforderten Bestechungsgeldern oder Diskriminierungen durch Behördenvertreter gibt, ist letzten Endes jeder in der Lage, eine Registrierung zu erhalten, auch ohne ein Bestechungsgeld zu zahlen. Bei fehlender Bereitschaft zur Zahlung eines Bestechungsgeldes dauert die Registrierung nur länger, ungefähr drei Wochen, sie wird am Ende aber vorgenommen. Seitens einer tschetschenischen sozialen und kulturellen Vereinigung wird berichtet, die Registrierung sei deutlich einfacher geworden als noch vor zwei Jahren. Das FMS habe ein Service-Center in Moskau eingerichtet, bei dem man alle notwendigen Informationen erhalte und die geforderten Dokumente (etwa eine Kopie des Inlandspasses) einreichen und die Registrierungsunterlagen ausfüllen könne. Es sei nicht mehr notwendig, zur Polizei oder zur Hausverwaltung zu gehen, und das administrative Verfahren sei vereinfacht worden, einschließlich der Möglichkeit, es elektronisch durchzuführen. Das Verfahren sei nunmehr in ein paar Tagen abschließend durchzuführen (zu Vorstehendem: Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 75 f.). Der Annahme im Zeitpunkt der Abschiebung, dass dem Kläger eine Registrierung und damit die Begründung eines legalen Aufenthalts in der russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus möglich sein würde, steht auch nicht die Aussage des Auswärtiges Amtes entgegen, wonach der legale Zuzug von Tschetschenen an vielen Orten durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert werde (Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 21). Ungeachtet dessen, dass die dort erwähnten Zuzugserschwernisse nicht überall, sondern nur "an vielen Orten" bestehen sollen, hat der in der mündlichen Verhandlung anwesende Vertreter des Auswärtigen Amtes erläutert, dass diese Aussage im Lagebericht explizit nur Tschetschenen betreffe. Zudem sei sie zeitlich überholt; der künftige Lagebericht für das Jahr 2018 werde diese Einschränkung nicht mehr enthalten. Angesichts dieser Erläuterungen drängte sich dem Senat eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht auf.\n \n \n \n \n 137\n \n \n Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, zum Beweis der Tatsache, dass einer Registrierung des Klägers in Russland auch Rechtsvorschriften entgegenstehen, eine weitere erklärende Auskunft des Auswärtigen Amtes einzuholen, brauchte der Senat ebenfalls nicht nachzugehen. Zum einen war dieser Antrag gemäß § 87b Abs. 3 VwGO als verspätet zurückzuweisen, weil der Kläger ihn nicht innerhalb der ihm nach § 87b Abs. 1 und 2 Nr. 1 VwGO bis zum 9. Februar 2018 gesetzten Frist (vgl. gerichtliche Verfügung vom 5. Dezember 2017, Nr. 1a) gestellt hat. Obwohl die o.g. Aussage des Auswärtigen Amtes bereits wortgleich im vorangegangenen Lagebericht vom 24. Januar 2017 (Stand: Dezember 2016) enthalten war, den der Senat dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zugrunde gelegt hat, hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers ihre hierauf gestützten Zweifel an der Möglichkeit einer Registrierung und den diesbezüglichen Beweisantrag erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebracht. Dies ist nicht genügend entschuldigt worden, und die Einholung einer weiteren schriftlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes hätte die Erledigung des im Übrigen entscheidungsreifen Rechtsstreits verzögert, weil die mündliche Verhandlung hätte vertagt werden müssen. Der Kläger ist in der Verfügung vom 5. Dezember 2017 auch über die Folgen einer Fristversäumnis belehrt worden (§ 87b Abs. 3 VwGO). Zum anderen ist die Beweisfrage angesichts der im Lagebericht ausdrücklich auf Tschetschenen beschränkten Aussage und der nach Rücksprache im Auswärtigen Amt erfolgten Bestätigung dieser Beschränkung durch den in der mündlichen Verhandlung anwesenden Vertreter des Auswärtigen Amtes bereits beantwortet.\n \n \n \n \n 138\n \n \n Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, eine Registrierung könne ihm mit Blick auf ihm drohende Gefahren als terrorverdächtigen Islamisten sowie eine drohende Einziehung zum Wehrdienst nicht zugemutet werden. Da ihm Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte, war ihm die Registrierung zur Ermöglichung der damit verbundenen existenzsichernden Vorteile (etwa einer legalen Arbeitsstelle) im Zeitpunkt der Abschiebung auch zumutbar. Nachteile wie auch eventuelle Gefahrerhöhungen, die nunmehr damit verbunden sein können, dass der Kläger nach eigenem Vortrag inzwischen seit mehreren Monaten ohne Registrierung in der Russischen Föderation lebt, können schon deshalb nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen, weil sie auf einem erst nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt gezeigten (eigenverantwortlichen) Verhalten des Klägers beruhen.\n \n \n \n \n 139\n \n \n Daran anknüpfend geht der Senat davon aus, dass der Kläger auch außerhalb Dagestans seinen Lebensunterhalt auf einem einfachen Niveau sichern kann. Dazu ist erforderlich, dass er unter Berücksichtigung seiner persönlichen Voraussetzungen das wirtschaftliche Existenzminimum, sei es durch eigene Arbeit, sei es durch staatliche oder sonstige Hilfen, erlangen kann und nicht der Obdachlosigkeit ausgesetzt ist (BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2007 - 1 C 24.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz Nr. 30 Rn. 11; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Mai 2017 - 2 BvR 157/17 - juris Rn. 21). Dies ist vorliegend anzunehmen. Zwar wird die Arbeitsuche für einen Kaukasier, der in einem anderen Gebiet der Russischen Föderation dauerhaft Aufenthalt nehmen will, als schwierig bezeichnet (vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 83). Auch hat der Kläger keine Berufsausbildung und verfügte - soweit im Abschiebezeitpunkt feststellbar - nicht über Verwandte oder Bekannte außerhalb Dagestans. Diese Annahme hat sich allerdings insoweit als nicht vollständig zutreffend erwiesen, als er nunmehr bei entfernten Bekannten seiner Eltern in Nordwestrussland aufgenommen worden ist. Zudem ist er ein gesunder und arbeitsfähiger junger Mann, der über einen in Deutschland erworbenen Hauptschulabschluss verfügt und sich grundlegende Russischkenntnisse (nachdem er bereits Deutsch und Kumykisch spricht, in der Schule Englisch gelernt und privat Arabisch-Unterricht genommen hat) vor Ort schnell wird aneignen können. Ihm sind außer kriminellen Tätigkeiten alle Arbeiten zumutbar, auch solche, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2007 - 1 C 24.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz Nr. 30 Rn. 11). Eine solche Tätigkeit wird er nach entsprechend ausdauernder Arbeitsuche finden können. Dass der Kläger nach dem Gutachten des Dr. K. noch nicht wie ein Erwachsener wirkt und ihm nach Beobachtungen von Pflegern in der B.er Klinik "jegliche Alltagspraxis" fehle, rechtfertigte bei seiner Abschiebung keine andere Prognose.\n \n \n \n \n 140\n \n \n cc) Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen war die Abschiebungsanordnung auch ohne eine Zusicherung menschenrechtskonformer Behandlung seitens russischer Regierungsstellen mit Art. 3 EMRK vereinbar. Der mit Schriftsatz vom 11. Juli 2017 im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes vom Kläger eingereichte Entwurf einer Verbalnote des Auswärtigen Amtes führt auch weiterhin nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Verbalnote ließ keinen Rückschluss darauf zu, dass eine Zusicherung nach der Beurteilung des Auswärtigen Amtes erforderlich sei, um einer abschiebungserheblichen Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung zu begegnen. Sie war vielmehr vorsorglich für den Fall vorgesehen, dass sich eine Zusicherung nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes als erforderlich erweisen sollte. Dies war jedoch nicht der Fall (vgl. den Beschluss des Senats vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5). Daher bedurfte es auch nicht der von der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Eilverfahren beantragten Beiziehung der Dokumentation zum "deutsch-russischen Dialog zu Migration und Rückkehr" am 21. Juni 2017 in Berlin.\n \n \n \n \n 141\n \n \n dd) Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis lag nicht deshalb vor, weil im Zeitpunkt der Abschiebung konkret zu befürchten gewesen wäre, dass sich der Kläger nach einer Abschiebung in die Russische Föderation dort das Leben nehmen könnte. Die sich aus der Aktenlage und dem Gutachten des Sachverständigen Dr. K. ergebende Persönlichkeitsbewertung deutet nicht auf eine Bereitschaft oder Neigung des Klägers, seinem Leben unabhängig von einem Terroranschlag ein Ende zu setzen. Die Äußerungen zu einer "Todessehnsucht" stehen in untrennbarem Zusammenhang mit dem Wunsch des Klägers, ins Paradies zu kommen, und der entsprechenden Märtyrerideologie des sogenannten "Islamischen Staates". Soweit er bei seinem Zusammenbruch nach seiner Aussage bei der Polizei beteuert hat, die Religion stehe bei seinen Suizidgedanken nicht im Vordergrund, er wolle einfach sterben, ist dies nicht glaubhaft. Ein - damit allein in Betracht zu ziehender - Terroranschlag, bei dem er sein Leben bewusst und gezielt aufs Spiel setzt, begründete mangels relevanter psychiatrischer Störungen oder Beeinträchtigungen des Klägers kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis.\n \n \n \n \n 142\n \n \n 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.\n \n \n \n \n", "decision_type": "Urteil", "court_level_of_appeal": "Bundesgericht", "date": "2018-03-27", "court_jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit", "court": "BVerwG", "slug": "bverwg-2018-03-27-1-a-417" }, { "text": "Tenor\n\n\n \n \n \n Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 16. November 2017 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin K. aus H. beizuordnen, wird abgelehnt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.\n \n \n \n \nGründe\n\n\n \n \n 1\n \n \n I. Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 80 und die Zuerkennung des Merkzeichens G. Dieses Begehren hat das LSG mit Urteil vom 16.11.2017 verneint. Die beim Kläger vorliegende mittelgradige psychische Störung sei mit einem Einzel-GdB von 40, das Wirbelsäulenleiden mit einem Einzel-GdB von 20 und die entzündliche Darmerkrankung ohne Einfluss auf den Kräfte- und Ernährungszustand mit einem Einzel-GdB von 10 einzustufen. Da das seelische Leiden zu einer Intensivierung des Schmerzerlebens im Rahmen der orthopädischen Beeinträchtigungen führe, sei ein Gesamt-GdB von 50 gerechtfertigt. Hinsichtlich einer sich nicht auf das Gehvermögen auswirkenden psychischen Störung seien die Voraussetzungen des Merkzeichens G nur dann erfüllt, wenn ihre Auswirkungen mit denen der Regelbeispiele bei Anfällen und Störungen der Orientierungsfähigkeit nach Teil D Nr 1 f der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vergleichbar seien. Gemäß Teil D Nr 1 f der Anlage zu § 2 VersMedV entfalteten Orientierungsstörungen infolge geistiger Behinderung grundsätzlich jedoch erst ab einem GdB von wenigstens 70 Merkzeichenrelevanz. Bei einem GdB unter 80 komme eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht. Die Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht. Vielmehr bedinge das seelische Leiden, das ursächlich für die vom Kläger beschriebenen Konzentrations- und Orientierungsstörungen sei, nach den überzeugenden gutachterlichen Ausführungen des nervenärztlichen Sachverständigen G. vom 24.7.2017 lediglich einen Einzel-GdB von 40. Auch der Befundbericht des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vom 12.5.2016 und der Entlassungsbericht der M.-Klinik vom 29.8.2013 rechtfertigten keine andere Beurteilung.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 2\n \n \n Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten beantragt. Er macht als Zulassungsgründe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel geltend.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 3\n \n \n II. 1. Der PKH-Antrag des Klägers ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger die wirtschaftlichen Voraussetzungen für PKH erfüllt. Er hat die notwendige Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt (§ 117 Abs 2 und 4 ZPO). Jedenfalls hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht (dazu unter 2.). Damit entfällt zugleich die Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 4\n \n \n 2. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung vom 29.1.2018 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 5\n \n \n a. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 6\n \n \n \n \n \n \n \n \n aa. Der Kläger hält zunächst folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam,\n \n \n \n \n \n "ob bei psychischen Erkrankungen ohne Auswirkungen auf das Gehvermögen eine Vergleichbarkeit mit den Regelfällen bei Anfällen und Störungen der Orientierungsfähigkeit überhaupt an der Höhe des GdB festzumachen, bzw. die Vergleichbarkeit auf die Höhe des GdB zu beschränken ist",\n \n \n \n \n \n "ob die Unfähigkeit, sich den Lebensraum um sich herum zu erschließen, weil man psychisch krank, wahrnehmungsgestört, pseudodement, desorientiert, etc., ist entweder mit einem GdB auch unter 70/80 wegen der Regelung in Teil D, Nr. 1 f, letzter Satz, als besonderen Einzelfall bei nicht abschließender Aufzählung der Regelbeispiele und im Hinblick auf die immer schwerer und häufiger werdenden psychischen Erkrankungen rechtlich gleichzusetzen ist i.S.v. Teil D, Nr 1 f VMG",\n \n \n \n \n \n "ob im Rahmen der Rechtsfortbildung auch bei einer psychischen Beeinträchtigung, die sich nicht spezifisch auf das Gehvermögen auswirkt, auch andere Regelbeispiele und geringere GdB als Vergleichsmaßstab in Betracht zu ziehen sind, vor dem Hintergrund der Regelung in Teil D, Nr 1 f letzter Satz und vor dem Hintergrund der schweren Beeinträchtigung der Raumentfaltung durch psychische Erkrankungen",\n \n \n \n \n \n "ob bei psychischen Erkrankungen, die eine Wahrnehmungsstörung, Orientierungslosigkeit bis hin zur Pseudodemenz beinhalten, nicht sogar eine psychische Beeinträchtigung ergibt, die sich dadurch spezifisch auf das Gehvermögen auswirkt, dass es im Ergebnis auf dasselbe herauskommt, ob jemand einen Ort nicht erreichen kann, weil die Beine ihn nicht hintragen oder weil die Beine ihn woanders hintragen, und er sein avisiertes Ziel jedenfalls nicht erreicht."\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 7\n \n \n Der Senat lässt offen, ob und inwieweit der Kläger damit hinreichend klar bezeichnete Rechtsfragen iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG dargetan hat. Jedenfalls hat er die (erneute) Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragestellungen nicht hinreichend aufgezeigt. Nach seinem Vortrag in der Beschwerdebegründung stützt der Kläger die vom ihm begehrte Zuerkennung des Merkzeichens G insbesondere auf eine bei ihm vorliegende - sich nicht unmittelbar auf sein Gehvermögen auswirkende - psychische Störung. In diesem Zusammenhang weist er selbst auf das Urteil des Senats vom 11.8.2015 (B 9 SB 1/14 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 21) hin. Er behauptet zwar, dass sich aus dieser Entscheidung keine Antworten auf die gestellten Fragen ergäben. Der Kläger versäumt es jedoch, sich mit dieser Entscheidung auseinanderzusetzen und zu prüfen, ob sich bereits aus den dortigen Ausführungen und Hinweisen hinreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Fragestellungen ergeben. Denn auch dann gilt eine Rechtsfrage als höchstrichterlich geklärt (stRspr, zB BSG Beschluss vom 14.9.2017 - B 5 R 258/17 B - Juris RdNr 10).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 8\n \n \n Der Senat hat in seinem vorgenannten Urteil vom 11.8.2015 seine Rechtsprechung bekräftigt, dass auch eine psychische Störung zum Vorliegen der Voraussetzungen des Merkzeichens G führen kann. Hierzu hat er Senat ua ausgeführt (aaO RdNr 21-22):\n \n "Der umfassende Behindertenbegriff im Sinne des § 2 Abs 1 S 1 SGB IX gebietet im Lichte des verfassungsrechtlichen als auch des unmittelbar anwendbaren UN-konventionsrechtlichen Diskriminierungsverbots (Art 3 Abs 3 S 2 GG; Art 5 Abs 2 UN-Behindertenrechtskonvention) die Einbeziehung aller körperlichen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen. (…) Anspruch auf Nachteilsausgleichs G hat deshalb auch ein schwerbehinderter Mensch, der nach Prüfung des einzelnen Falles aufgrund anderer Erkrankungen als den in Teil D Nr 1 Buchst d bis f der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Regelfällen dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion gleichzustellen ist (vgl BSG Urteil vom 13.8.1997 - 9 RVs 1/96 - SozR 3-3870 § 60 Nr 2). Dies gilt auch für psychosomatische oder psychische Behinderungen und Krankheitsbilder (…).\n Schwerbehinderte Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen hat der Senat schon in der Vergangenheit von der Vergünstigung des Nachteilsausgleichs G nicht generell ausgeschlossen, sondern lediglich psychische Beeinträchtigungen, durch welche die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sein kann, ohne dass das Gehvermögen betroffen ist, auf eine Vergleichbarkeit mit den Regelfällen bei Anfällen und Störungen der Orientierungsfähigkeit beschränkt (BSG Beschluss vom 10.5.1994 - 9 BVs 45/93 - Juris). Für psychische Beeinträchtigungen, die sich spezifisch auf das Gehvermögen auswirken, gilt diese Beschränkung indessen nicht. In solchen Fällen sind auch andere Regelbeispiele als Vergleichsmaßstab in Betracht zu ziehen (…)."\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 9\n \n \n Die Kläger setzt sich nicht damit auseinander, warum sich auf Grundlage dieser Senatsrechtsprechung die von ihm aufgeworfenen Fragestellungen nicht beantworten lassen. Er beschäftigt sich überdies - anders als geboten - nicht hinreichend mit den hier einschlägigen Inhalten des Teils D Nr 1 der Anlage zu § 2 VersMedV. Schließlich hat der Kläger in diesem Zusammenhang aber auch die Klärungsfähigkeit der von ihm formulierten Fragen nicht in ausreichendem Maße aufgezeigt. Er legt nicht dar, ob und inwieweit die Fragen jeweils für sich nach Maßgabe der das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) zu den psychischen Gesundheitsstörungen und den daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers in dem von ihm angestrebten Revisionsverfahren überhaupt entscheidungserheblich wären. Rein hypothetische Fragestellungen muss das BSG nicht beantworten. Sollte der Kläger mit seinen Fragestellungen die Schlussfolgerungen des LSG aus der zitierten Senatsrechtsprechung bezogen auf seinen Einzelfall in Frage stellen wollen, wendet er sich gegen die Unrichtigkeit der Rechtsanwendung in seinem Einzelfall. Hierauf kann jedoch eine Grundsatzrüge nicht gestützt werden (vgl Senatsbeschluss vom 21.8.2017 - B 9 SB 3/17 B - Juris RdNr 13).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 10\n \n \n bb. Soweit der Kläger schließlich im Zusammenhang mit seinem Begehren nach einem Gesamt-GdB von 80 als grundsätzlich bedeutsam die Frage aufwirft, "ob einem medizinischen Sachverständigen überhaupt eine Kompetenz dahingehend zugeschrieben werden kann, die tatsächlichen Sachverhaltsfeststellungen zu den Einschränkungen der Antragsteller unter die juristischen Begriffe von Gesetzen oder der VMG zu subsumieren", setzt er sich nicht mit der ständigen Rechtsprechung des BSG zur Rolle des medizinischen Sachverständigen als "Gehilfe des Gerichts" im sozialgerichtlichen Verfahren auseinander (vgl zB Senatsbeschluss vom 8.5.2017 - B 9 V 78/16 B - Juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 7.6.2016 - B 13 R 40/16 B - Juris RdNr 10). Der medizinische Sachverständige soll dem Richter seine besondere medizinische Sachkunde zur Verfügung stellen. Grundlage sind dabei stets die neuesten Erkenntnisse des Fachgebiets des Sachverständigen (Senatsbeschluss vom 2.12.2010 - B 9 VH 3/09 B - Juris RdNr 14). Die Rechtsfragen muss der Richter aber selbst entscheiden, wie hier die Frage über die Einschätzung des (Gesamt-)GdB, wozu der Sachverständige indes Rat geben und Vorschläge machen muss (vgl Keller in Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 118 RdNr 11a). Überdies hat der Kläger die Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) der aufgeworfenen Fragestellung nicht aufgezeigt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 11\n \n \n b. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 12\n \n \n Der Kläger rügt eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs. Das LSG habe vor Erlass seines Urteils nicht erkennen lassen, dass es entgegen der Einschätzung des SG "nicht von einer schweren Störung im Rechtssinne" ausgehe, sondern den medizinischen Sachverhalt nur unter eine "mittelgradige Störung subsumieren möchte und dass es dadurch eine wesentlich geringeren GdB und in der Folge auch keinen vergleichbaren Regelfall für das Merkzeichen G annehmen möchte".\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 13\n \n \n Soweit der Kläger damit eine Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) durch Erlass einer Überraschungsentscheidung geltend machen will, vermag ihm auch dies nicht zur Zulassung der Revision zu verhelfen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 14\n \n \n Der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Prozessgericht nur dann zu einer vorherigen Erörterung der für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbevollmächtigter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (stRspr, zB BSG Beschluss vom 8.2.2017 - B 13 R 327/16 B - Juris RdNr 7 mwN).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 15\n \n \n Dies ist nach der Beschwerdebegründung nicht anzunehmen. Vielmehr muss in einem tatsachengerichtlichen Verfahren, in dem aus den Angaben von mehreren behandelnden Ärzten, des versorgungsärztlichen Dienstes und von Sachverständigen unterschiedliche Bewertungen für die Gesamteinschätzung der Behinderungen abgeleitet und zwischen den Beteiligten streitig erörtert werden, jeder Beteiligte, also auch der Kläger, damit rechnen, dass das Gericht auch zu seinen Ungunsten entscheiden kann (vgl Senatsbeschluss vom 11.7.2017 - B 9 SB 15/17 B - Juris RdNr 12). Der Kläger behauptet nicht, dass ihm die Sachverständigengutachten und die medizinischen Berichte, auf die sich das LSG bei seiner Entscheidungsfindung gestützt hat, nicht bekannt gewesen seien. Welche Schlussfolgerungen das Gericht aus den Tatsachen bzw Beweisergebnissen ziehen wird, muss es vorab nicht mitteilen. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf die in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen (stRspr, \n zB Senatsbeschluss vom 9.2.2017 - B 9 SB 83/16 B - Juris RdNr 6 mwN).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 16\n \n \n Soweit der Kläger eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) durch das LSG geltend macht, hat er bereits keinen von ihm bis Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht aufrecht erhaltenen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnet. Ein Verfahrensmangel kann aber gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur dann auf eine Verletzung des § 103 SGG gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 17\n \n \n Mit seiner Rüge, das LSG habe die "Grenzen der Beweiswürdigung überschritten (§ 128 Abs 1 S 1 SGG)", kann der Kläger im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von vornherein nicht gehört werden. Denn gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 18\n \n \n c. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 19\n \n \n 3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 20\n \n \n 4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.\n \n \n \n \n", "decision_type": "Beschluss", "court_level_of_appeal": "Bundesgericht", "date": "2018-03-08", "court_jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit", "court": "BSG", "slug": "bsg-2018-03-08-b-9-sb-9317-b" }, { "text": "Tenor\n\n\n \n \n \n Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Mai 2016 wird zurückgewiesen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n Die Beklagte hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.\n \n \n \n \nTatbestand\n\n\n \n \n 1\n \n \n Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für einen Monat Elterngeld zusteht, obwohl er die Adoptionspflege nur etwa drei Wochen ausüben konnte.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 2\n \n \n Der Kläger und seine Ehefrau nahmen am 22.2.2010 ein Kind (geboren am 16.2.2010) zur Adoptionspflege in ihren Haushalt auf.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 3\n \n \n Am 24.2.2010 beantragte der Kläger bei seiner Arbeitgeberin eine siebenmonatige Elternzeit. Ab dem vereinbarten Beginn der Elternzeit am 25.2.2010 unterbrach der Kläger seine Erwerbstätigkeit vollständig und erzielte ab diesem Zeitpunkt sowie im Monat März 2010 keine Einkünfte. Bereits am 12.3.2010 nahmen die leiblichen Eltern das Kind wieder in ihren Haushalt auf. Gleichzeitig hob das Jugendamt den Adoptionspflegevertrag auf.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 4\n \n \n Der Kläger beantragte ohne die Unterschrift seiner Ehefrau am 14.3.2010 schriftlich Elterngeld "für den ersten Lebensmonat" des Kindes. Die Beklagte lehnte eine Bewilligung mit der Begründung ab, dass Elterngeld nur für mindestens zwei Monate bezogen werden könne (Bescheid vom 11.5.2010, Widerspruchsbescheid vom 26.4.2011).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 5\n \n \n Auf die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des SG (Urteil vom 4.9.2012) hat das LSG die Beklagte - wie beantragt - dem Grunde nach zur Gewährung von Elterngeld für den Zeitraum vom 25.2.2010 bis 21.3.2010 verurteilt: Zum Zeitpunkt der Haushaltsaufnahme des Kindes am 22.2.2010 seien einschließlich der gesetzlich vorgesehenen Mindestbezugszeit alle Anspruchsvoraussetzungen für das Elterngeld prognostisch erfüllt gewesen. Fielen die Anspruchsvoraussetzungen später weg, sei keine neue Prognoseentscheidung zu treffen (Urteil vom 11.5.2016).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 6\n \n \n Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 4 Abs 3 S 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in der ab 24.1.2009 geltenden Fassung. Hiernach sei eine Mindestbezugsdauer von zwei Monaten als Anspruchsvoraussetzung für das Elterngeld geregelt, bei deren Nichterreichung kein Elterngeld zu bewilligen sei.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 7\n \n \n Die Beklagte beantragt,das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Mai 2016 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 4. September 2012 zurückzuweisen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 8\n \n \n Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 9\n \n \n Er hält die Rechtsauslegung durch die Vorinstanz für zutreffend.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \nEntscheidungsgründe\n\n\n \n \n 10\n \n \n Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat im Ergebnis zutreffend auf die in zulässiger Weise auf ein Grundurteil beschränkte Klage (dazu 1.) entschieden, dass die Beklagte dem Kläger Elterngeld zu gewähren hat (dazu 2.).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 11\n \n \n 1. Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 11.5.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.4.2011 über die Ablehnung des vom Kläger geltend gemachten Elterngeldanspruchs für einen Monat. Gegen die genannten Entscheidungen der Beklagten wendet sich der Kläger in zulässiger Weise mit der auf die Gewährung von Elterngeld gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, Abs 4, § 56 SGG), die er zulässigerweise auf den Erlass eines Grundurteils beschränkt hat (§ 130 Abs 1 SGG; stRspr vgl BSG Urteil vom 29.6.2017 - B 10 EG 5/16 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 32 RdNr 9 mwN).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 12\n \n \n 2. Die Revision der Beklagten gegen das hiernach ergangene Grundurteil des LSG hat - unbeschadet der insoweit unzutreffenden Zeitangaben im Tenor - keinen Erfolg. Dem Kläger steht Elterngeld für einen vollen Monat nach Beginn der Kindesbetreuung zu. Er hat seinen Elterngeldantrag rechtzeitig und wirksam rückwirkend gestellt (hierzu a) und erfüllt die Grundvoraussetzungen für den Elterngeldanspruch bei Übernahme der Kindesbetreuung (hierzu b). Sein Leistungsanspruch ist mit dem Tag der Haushaltsaufnahme des in Adoptionspflege genommenen Kindes entstanden (hierzu c) und bleibt für einen vollen Monat bestehen (hierzu d). Bei einer mit dem Wegfall der Adoptionspflege verbundenen Entziehung der Kindesbetreuung steht die Regelung zur Mindestbezugsdauer der Gewährung von Elterngeld nicht entgegen (hierzu e).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 13\n \n \n a) Der Kläger hat Elterngeld am 14.3.2010 wie erforderlich schriftlich und zulässigerweise rückwirkend, dh innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist (vgl § 7 Abs 1 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, BGBl I 2748) für den Monat nach Aufnahme des Kindes beantragt. Sein Antrag ist trotz der fehlenden Unterschrift seiner Ehefrau wirksam. Die im Elterngeldantrag zusätzlich beizubringende Unterschrift der anderen berechtigten Person soll nach dem Wortlaut des § 7 Abs 3 S 1 BEEG (in der ab 24.1.2009 gültigen Fassung durch das Erste Gesetz zur Änderung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes vom 17.1.2009, BGBl I 61) lediglich deren Kenntnis bekunden und damit das gegenseitige Wissen um die jeweils erhobenen und ggf konkurrierenden Ansprüche insbesondere im Zusammenhang mit der Mindestbezugszeit nach § 4 Abs 3 S 1 BEEG (s hierzu unter e) gewährleisten (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu einem Gesetz zur Einführung des Elterngeldes, BT-Drucks 16/1889 S 25). Selbst wenn die weitere Unterschrift als Zustimmung erklärt bzw gewertet werden kann, ist die andere berechtigte Person nicht gehindert, konkurrierend Elterngeld zu beantragen (§ 7 Abs 3 S 2 BEEG idF durch das Erste Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009, aaO). Dass eine von der anderen berechtigten Person verweigerte Unterschrift und damit auch eine fehlende Unterschrift der Gewährung nicht entgegensteht, kann bereits § 7 Abs 3 S 3 2. Halbs BEEG (idF durch das Erste Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009, aaO) mittelbar entnommen werden. Denn der andere Elternteil soll durch eine unterlassene Mitwirkung die Auszahlung des Elterngelds nicht verhindern können (vgl Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 7 BEEG RdNr 44 mwN). Zudem folgt aus den in § 5 Abs 2 BEEG (idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO) geregelten Anspruchskonkurrenzen, dass der materielle Anspruch unabhängig von der mit der zweiten Unterschrift bekundeten Kenntnis oder gar Zustimmung ist und dass die zweite Unterschrift weder formelle noch materielle Voraussetzung für die Entstehung bzw Geltendmachung des Elterngeldanspruchs ist.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 14\n \n \n b) Der Anspruch des Klägers auf Elterngeld ist für einen Betreuungsmonat entstanden, nachdem ab dem 22.2.2010 die sich aus § 1 Abs 1 Nr 1 bis 4 BEEG (idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO) ergebenden materiellen Grundvoraussetzungen vorlagen. Hiernach steht Elterngeld in Deutschland wohnenden bzw sich hier gewöhnlich aufhaltenden Personen zu, wenn sie die Betreuung und Erziehung eines im Haushalt lebenden eigenen Kindes selbst übernommen haben und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausüben.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 15\n \n \n aa) Eigenen Kindern stehen jene gleich, die - wie hier - mit dem Ziel der Annahme als Kind in den Haushalt aufgenommen werden (§ 1 Abs 3 S 1 Nr 1 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO). Die Formulierung und Reichweite dieser Gleichstellung entspricht § 1 Abs 3 Nr 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG in der letzten Fassung durch Art 2 Nr 1 des Tagesbetreuungsausbaugesetzes vom 27.12.2004, BGBl I 3852). Diese Norm ordnete eine Gleichstellung der mit dem Ziel der Annahme aufgenommenen Kinder mit einem Kind an, für das die Personensorge zustand (vgl § 1 Abs 1 Nr 2 BErzGG gemäß Bekanntmachung der Neufassung des BErzGG vom 9.2.2004, BGBl I 206). Bereits im Geltungszeitraum des BErzGG war mit "Haushaltsaufnahme zur späteren Annahme als Kind" die Adoptionspflege umschrieben, deren Besonderheiten die Gleichstellung erfordert. Schon während der Adoptionspflege sollte eine dauerhafte oder zumindest auf Dauer angelegte Familienbeziehung anzunehmen sein (vgl die Entwurfsbegründung zu § 1 Abs 3 Nr 1 BErzGG im Gesetzentwurf der Bundesregierung zu einem Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub, BT-Drucks 10/3792 S 15), sodass zukünftige Adoptiveltern nicht aus dem Kreis der nach dem BErzGG Anspruchsberechtigten ausgeschlossen werden sollten (BSG Urteil vom 15.8.2000 - B 14 EG 4/99 R - SozR 3-7833 § 1 Nr 23 S 118).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 16\n \n \n Das Bürgerliche Recht erlaubt eine Adoption nur, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht (§ 1741 Abs 1 S 1 BGB). Die für eine Adoption wesentliche Prognoseentscheidung über das Entstehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses kann am ehesten aufgrund praktischer Erfahrungen gestellt werden, sodass das Kind gemäß § 1744 BGB vor einer Adoption im Regelfall für eine angemessene Zeit in Adoptionspflege gegeben werden soll (vgl Bericht und Antrag des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes über die Annahme als Kind, BT-Drucks 7/5087 S 5; Othmer in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 1 BEEG RdNr 39). Die Adoptionspflege ist mithin ein notwendiger Schritt bei der Vorbereitung der Adoption (vgl Heiderhoff in Herberger/Martinek/Rüßmann ua, juris-PK BGB, 8. Aufl 2017, § 1744 BGB RdNr 4) und geht in der Regel in eine Adoption über. Hieraus bzw aus den im Gesetz zugelassenen Ausnahmen vom Erfordernis der Personensorge (§ 1 Abs 1 Nr 2 BErzGG gemäß Bekanntmachung der Neufassung des BErzGG vom 9.2.2004, aaO) folgte aber auch, dass andere tatsächlich dauerhafte Pflegschaftsverhältnisse ohne entsprechende rechtliche Fundierung die Grundvoraussetzungen nicht begründen konnten (vgl BSG Urteil vom 9.9.1992 - 14b/4 REg 15/91 - BSGE 71, 128, 130 = SozR 3-7833 § 1 Nr 9 S 38).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 17\n \n \n Diese Grundsätze und Gründe für die Gleichbehandlung gelten mit der Übernahme der Gleichstellung zur Annahme als Kind aufgenommener Kinder mit leiblichen Kindern aus dem BErzGG in das BEEG unverändert fort. Auch der Verzicht auf das Merkmal der Personensorge in § 1 Abs 1 Nr 2 BEEG (idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO) bedeutet keine Rechtsänderung. Es wird nur deutlicher als bisher betont, dass vorrangig die leiblichen Eltern anspruchsberechtigt sein sollen (vgl BT-Drucks 16/1889 S 18), nach wie vor aber die Adoptionspflege iS des § 1744 BGB gleichgestellt wird (BT-Drucks 16/1889 S 19; vgl BSG Urteil vom 15.8.2000 - B 14 EG 4/99 R - SozR 3-7833 § 1 Nr 23 S 116).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 18\n \n \n bb) Den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) kann auch entnommen werden, dass der zuvor erwerbstätige Kläger zum Zeitpunkt der Erfüllung der übrigen Grundvoraussetzungen ab dem 22.2.2010 keine volle Erwerbstätigkeit iS des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG mehr ausübte. Keine volle Erwerbstätigkeit liegt vor, wenn die wöchentliche Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteigt (§ 1 Abs 6 Alt 1 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 19\n \n \n Als Konsequenz der rechtlichen Gleichstellung von Adoptionspflege ist der Umfang der Erwerbstätigkeit hier erst ab der Haushaltsaufnahme ausschlaggebend. Das Lebensmonatsprinzip (vgl BSG Urteil vom 15.12.2015 - B 10 EG 3/14 R - BSGE 120, 189 = SozR 4-7837 § 1 Nr 8, RdNr 11) wird für die Adoptionspflege abgewandelt, weil die Vorschriften des BEEG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass statt des Zeitpunkts der Geburt der Zeitpunkt der Aufnahme bei der berechtigten Person maßgeblich ist (§ 1 Abs 3 S 2 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO). Damit schreibt der Gesetzgeber die Gleichbehandlung gegenüber Berechtigten mit leiblichen Kindern in der gebotenen Weise fort (zu einer entsprechenden Auslegung des BErzGG vgl BSG Urteil vom 15.8.2000 - B 14 EG 4/99 R - SozR 3-7833 § 1 Nr 23 S 115).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 20\n \n \n Die Feststellungen des LSG ergeben hinreichend, dass der Kläger ab der Haushaltsaufnahme (hier dem 22.2.2010) nicht mehr voll erwerbstätig war. Auch wenn das LSG keine Feststellungen zur Arbeitszeit des Klägers getroffen hat, betrug der auf den Monatsdurchschnitt zu rechnende (vgl Othmer in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 1 BEEG RdNr 28) Umfang der Erwerbstätigkeit in jedem Fall unter 30 Wochenstunden, wenn der Kläger - wie festgestellt - ab dem 22.2.2010 bis zum 21.3.2010 lediglich drei Tage erwerbstätig war.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 21\n \n \n c) Der Elterngeldanspruch des Klägers ist für einen Monat entstanden.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 22\n \n \n Ein monatlicher Elterngeldanspruch kann bei Adoptionspflege frühestens ab der Aufnahme des Kindes bei der berechtigten Person für bis zu 14 Monate und längstens bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes bestehen (§ 4 Abs 1 S 2 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO). Auch diese Regelung dient der Gleichstellung der (zukünftigen) Adoptiveltern und Eltern leiblicher Kinder, weil bereits mit dem Beginn des Zusammenlebens regelmäßig besondere Anforderungen an die fürsorgliche Leistung der Eltern einhergehen (BT-Drucks 16/1889 S 23). Der einer Betreuung neugeborener Kinder vergleichbar anspruchsvolle Aufbau einer Eltern-Kind-Beziehung soll gefördert werden (vgl die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks 11/4708 S 2 zu dem entsprechenden § 4 Abs 1 S 3 BErzGG und dessen ab dem 1.7.1989 geltende Fassung durch das Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 30.6.1989, BGBl I 1297). Der Anspruch entsteht bei Adoptionspflege eigenständig und wird nicht durch Inanspruchnahme des Elterngelds durch die leiblichen Eltern verbraucht (vgl Becker in Buchner/Becker, MuSchG/BEEG, 8. Aufl 2008, § 4 BEEG RdNr 6).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 23\n \n \n Ab der Aufnahme des Adoptionspflegekindes entsteht der Anspruch monatsweise. Nach § 4 Abs 2 S 1 BEEG (idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO) wird Elterngeld in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt. Obwohl der Wortlaut darauf hindeutet, wird damit nicht die Zahlweise geregelt, sondern die in § 6 S 1 BEEG erwähnte Anspruchsbestimmung bzw das Lebensmonatsprinzip (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18 RdNr 30 mwN). Entsprechendes gilt bei einer Adoptionspflege für Betreuungsmonate (§ 4 Abs 5 S 1 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO), sodass in Verbindung mit § 4 Abs 1 S 2 BEEG der Elterngeldanspruch für die mit dem Aufnahmetag beginnenden Monate der Betreuung entsteht.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 24\n \n \n Danach ist der Elterngeldanspruch des Klägers ab dem 22.2.2010 für den ersten Betreuungsmonat entstanden, nachdem er das zur Adoptionspflege gegebene Kind an diesem Datum in seinen Haushalt aufnahm.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 25\n \n \n d) Der Elterngeldanspruch ist trotz der Beendigung der Adoptionspflege vor Ablauf des ersten Betreuungsmonats für diesen Betreuungsmonat weder vollständig noch teilweise weggefallen, sondern bleibt bis zu dessen Ablauf bestandsgeschützt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 26\n \n \n Nach § 1 Abs 5 BEEG bleibt der Anspruch auf Elterngeld zwar unberührt, wenn die Betreuung und Erziehung des Kindes aus einem wichtigen Grund nicht sofort aufgenommen werden kann oder unterbrochen werden muss. Werden die Betreuung und Erziehung des Kindes aber dauerhaft unmöglich, führt dies zum Wegfall des Elterngeldanspruchs (BT-Drucks 16/1889 S 19). Ein solcher Fall ist mit der Beendigung der Adoptionspflege und der Betreuung ab dem 12.3.2010 eingetreten. Die wesentlichste Grundvoraussetzung für den Elterngeldanspruch ist damit noch vor dem Ende des ersten Betreuungsmonats auf Dauer entfallen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 27\n \n \n Gleichwohl belässt das BEEG grundsätzlich den Eltern einen einmal entstandenen Elterngeldanspruch zumindest noch als Zahlungsanspruch für den gesamten Lebens- bzw Betreuungsmonat, in dem eine Anspruchsvoraussetzung entfallen ist (§ 4 Abs 4 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO). Nach dem Wortlaut des § 4 Abs 4 BEEG, der systematischen Stellung der Regelung, ihrem Normzweck und ihrer Entstehungsgeschichte gilt dieser Bestandsschutz bei dem Verlust des Kindes durch Tod und in gleicher Weise bei dem Verlust des Kindes durch Entziehung der Adoptionspflege.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 28\n \n \n Nach seinem Wortlaut erfasst § 4 Abs 4 BEEG zunächst sämtliche Gründe für den Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen. Dies entspricht der systematischen Stellung im Kontext des Lebensmonatsprinzips (§ 4 Abs 2 S 1 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO) und wird durch die Entstehungsgeschichte sowie den Normzweck bestätigt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 29\n \n \n Erst mit der Neufassung der seit dem 1.1.2004 geltenden Vorläuferregelung in § 4 Abs 3 BErzGG (idF durch Haushaltsbegleitgesetz 2004 vom 29.12.2003, BGBl I 3076) entfiel eine Ausnahmeregelung im Fall des Todes des Kindes und endete der Erziehungsgeldanspruch stets mit dem Ablauf des Lebensmonats, in dem eine der Anspruchsvoraussetzungen entfallen ist. Zuvor galt der Tod des Kindes während der Elternzeit als einzige Ausnahme, bei der das Erziehungsgeld bis zur Beendigung der Elternzeit weitergezahlt wurde (§ 4 Abs 3 S 2 BErzGG idF durch die Bekanntmachung der Neufassung vom 7.12.2001, BGBl I 3358). Dadurch endete der Erziehungsgeldanspruch wie die Elternzeit gemäß § 16 Abs 4 BErzGG spätestens drei Wochen nach dem Tod des Kindes; Elternzeit und Erziehungsgeldanspruch gingen bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit parallel (BT-Drucks 10/3792 S 16). Mit der ersatzlosen Streichung dieser Ausnahmeregelung sollte klargestellt werden, dass auch Eltern, die ihr Kind in der Elternzeit durch Tod verlieren, Erziehungsgeld bis zum Ablauf des betreffenden Monats erhalten (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu Art 14 Nr 2 Buchst c des Haushaltsbegleitgesetzes 2004, BT-Drucks 15/1502 S 34). Als Folge der rechtlichen Gleichstellung des Adoptionspflegekindes mit dem leiblichen Kind unterfiel dementsprechend auch der Verlust des Adoptionspflegekindes infolge der Rückforderung durch die leiblichen Eltern dem Bestandsschutz des § 4 Abs 3 BErzGG.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 30\n \n \n Hieran knüpft § 4 Abs 4 BEEG ohne inhaltliche Änderung der Rechtslage an. Für den Elterngeldanspruch verbleibt es bei der beschriebenen allgemeinen Regel des § 4 Abs 3 BErzGG (Becker in Buchner/Becker, MuSchG/BEEG, 8. Aufl 2008, § 4 BEEG RdNr 26), nicht zuletzt im Interesse der Verwaltungsvereinfachung (BT-Drucks 16/1889 S 24). Wegen der vom BEEG vorgesehenen umfassenden Gleichstellung der Elternschaft und der Adoptionspflege im Bereich der Anspruchsvoraussetzungen und Anspruchsgestaltung gilt der Bestandsschutz auch weiterhin im Fall des endgültigen Verlustes des in Adoptionspflege genommenen Kindes.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 31\n \n \n Dementsprechend ist trotz Haushaltsaufnahme durch die leiblichen Eltern und Beendigung des Adoptionspflegevertrags der Elterngeldanspruch des Klägers bis zum Ablauf des ersten Betreuungsmonats begründet.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 32\n \n \n Entgegen der Rechtsaufassung der Beklagten beeinflusst die Möglichkeit rückwirkender Antragstellung (§ 7 Abs 1 BEEG, dazu unter 2. a) die Fortdauer des Elterngeldanspruchs bis zum Ablauf des Monats nach Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen nicht. Denn die Möglichkeit rückwirkender Antragstellung ist - wenn auch mit abweichender Frist - ebenfalls dem BErzGG entlehnt (§ 4 Abs 2 BErzGG), welches ursprünglich allein für den Fall des Kindstodes eine Ausnahme von der beschriebenen Grundregel des § 4 Abs 3 BErzGG vorsah (BT-Drucks 10/3792 S 16) und späterhin gar keine Ausnahme mehr zuließ.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 33\n \n \n e) Der Elterngeldanspruch für den Betreuungsmonat ist nicht dadurch entfallen, dass der Kläger die vorgegebene Mindestbezugszeit von zwei Monaten nicht erfüllt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 34\n \n \n Auch bei Adoptionspflege kann eine berechtigte Person grundsätzlich nur mindestens für zwei (die sog "Mindestbezugszeit") und höchstens für zwölf Monate Elterngeld beziehen (§ 4 Abs 3 S 1 BEEG in der ab 24.1.2009 gültigen Fassung durch das Erste Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009, BGBl I 61 iVm § 4 Abs 5 S 1 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO). Die Mindestbezugsdauer findet auf die unter d) beschriebenen Verlustfälle jedoch keine Anwendung. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Kontext sowie Historie und Zielsetzung der erst später durch das Erste Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009 (aaO) geschaffenen Regelung.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 35\n \n \n Der Wortlaut des § 4 Abs 3 S 1 BEEG bringt den Regelungsinhalt der Mindestbezugszeit sprachlich auf der Tatbestandseite nur unvollkommen und hinsichtlich der Rechtsfolgen gar nicht zum Ausdruck. Eltern "können" nicht nur für die Mindestbezugszeit und darüber hinaus Elterngeld beziehen. Die Mindestbezugszeit "muss" vielmehr von der leistungsberechtigten Person selbst erreicht werden, was eine entsprechende Mindestbetreuungsdauer voraussetzt. Sprachlich ungekürzt kann der Regelungsinhalt zur Mindestbezugszeit wie folgt formuliert werden: Ein Elterngeldanspruch besteht ua nur, wenn eine elterngeldberechtigte Person die Betreuung für mindestens zwei Lebens- bzw Betreuungsmonate übernimmt. Wird die umschriebene Mindestbezugsdauer nicht erreicht, weil die Betreuung von vornherein für weniger als zwei Monate ausgeübt wird, besteht insgesamt kein Anspruch auf Elterngeld. Stellt sich erst später heraus, dass die an sich erreichbare Mindestbezugszeit nicht erreicht wird, führt dies rückwirkend zu einem Wegfall des Elterngeldanspruchs auch für den ersten Betreuungsmonat. Diese Betrachtungsweise trägt dem Umstand Rechnung, dass der Bezug des Elterngelds durch die Mindestbezugszeit ansonsten nicht erschwert werden soll. Insbesondere bleibt es weiter möglich, die Elterngeld- und damit auch die Partnermonate frei über die Rahmenfrist zu verteilen, ohne sie "am Stück" nehmen zu müssen (vgl Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des BEEG, BT-Drucks 16/9415 S 6; Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 4 BEEG RdNr 38). Hieran ändert sich deshalb auch dann nichts, wenn die Elterngeldstelle bei der in die Zukunft gerichteten Elterngeldbewilligung ggf eine vorausschauende Betrachtungsweise (Prognose) über die Mindestbetreuung anzustellen hat (vgl BMFSFJ, Richtlinien zum BEEG, Teil I, 4.5.2, S 188, Stand Mai 2017). Hierbei handelt es sich ersichtlich nicht um eine echte (richtige) Prognose über langfristige zukünftige Entwicklungen (vgl hierzu BSG Urteil vom 6.4.2006 - B 7a AL 20/05 R - SozR 4-4300 § 324 Nr 2 RdNr 22), deren rückwirkend abweichende Betrachtung mit dem Wesen der Leistung nicht vereinbar wäre (vgl zu Statusentscheidungen BSG Urteil vom 2.4.2014 - B 3 KS 4/13 R - SozR 4-5425 § 3 Nr 3 RdNr 29; BSG Urteil vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 17).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 36\n \n \n Die Mindestbezugszeit stellt sich danach zwar - bestätigt durch ihre systematische Stellung innerhalb des § 4 BEEG - als Ausnahme vom Lebensmonatsprinzip einerseits und dem daran gekoppelten Ende der Dauer des Elterngeldanspruchs andererseits dar. Als Ausnahme vom Lebensmonatsprinzip erfasst die Mindestbezugszeit jedoch weder den Tod des Kindes noch den gleichzustellenden Verlust des Adoptionspflegekindes. Die Regelung zur Mindestbezugszeit ist insoweit aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Sinn und Zweck sowie im Kontext insbesondere zum Lebensmonatsprinzip einschränkend auszulegen (teleologische Reduktion; zu den Grundsätzen vgl BSG Urteil vom 6.9.2017 - B 13 R 33/16 R - SozR 4-2600 § 96a Nr 17 RdNr 38; BSG Urteil vom 4.12.2014 - B 2 U 18/13 R - BSGE 118, 18 = SozR 4-2700 § 101 Nr 2, RdNr 27).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 37\n \n \n Entstehungsgeschichtlich hat die Mindestbezugszeit anders als die Regelung in § 4 Abs 4 BEEG kein Vorbild im BErzGG und verfolgt ein davon abweichendes elterngeldspezifisches Ziel. Der Sinn und Zweck der Einführung einer Mindestbezugszeit zum 24.1.2009 bestand darin, eine vermehrte Inanspruchnahme der mit dem BEEG zum 1.1.2007 eingeführten zusätzlichen zwei "Partnermonate" zu erreichen. Die für eine leistungsberechtigte Person in der Regel geltende Höchstbezugsdauer von 12 Monaten konnte danach erstmalig um zwei weitere Monatsbeträge ("Partnermonate") verlängert werden, wenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt (§ 4 Abs 3 S 1, Abs 2 S 2 BEEG in der bis 31.12.2014 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO). Mit den Partnermonaten förderte das BEEG von vornherein in besonderer Weise die Elternzeit für Väter, indem es ihnen die Übernahme einer aktiveren Rolle in der Familie erlauben wollte sowie gegenüber Dritten die Entscheidung erleichtern sollte, sich eine Zeitlang der Betreuung ihres neugeborenen Kindes zu widmen (BT-Drucks 16/1889 S 16). Dabei sollten Eltern schon vor der Einführung der Mindestbezugszeit wählen können, wer in welchem Umfang und wann in der gesamten möglichen Bezugsdauer die mindestens zwei Monate garantierte Leistung in Anspruch nimmt (BT-Drucks 16/1889 S 2). Nach den ersten Erfahrungen mit dem BEEG sollte mit der Mindestbezugszeit eine noch bessere Rechtfertigung für eine längere Elternzeit gegenüber Dritten geschaffen und eine intensivere Bindung des zweiten Elternteils zum Kind gefördert werden (vgl Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des BEEG, BT-Drucks 16/9415 S 6). Anders ausgedrückt soll verhindert werden, dass ein Elternteil - vor allem der Vater - oftmals nur einen der beiden "Partnermonate" beansprucht (Wiegand in Wiegand, BEEG, § 4 RdNr 11a, Werksstand Dezember 2017). Die Mindestbezugszeit zielt demnach vor allem auf die Motivation des zweiten Partners zu einer ernsthafteren Betreuung und liefert insbesondere gegenüber einem Arbeitgeber ein gewichtigeres Argument für eine wenigstens zweimonatige Reduzierung der Erwerbstätigkeit, weil nur so der Zugang zum Elterngeldanspruch geschaffen wird.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 38\n \n \n Nach diesen Regelungszielen ist nicht zu erkennen, dass die Mindestbezugszeit außerhalb ihres speziellen Anliegens an den sonstigen Anspruchsumständen etwas ändert. Sie schränkt auch den nach übergeordneten Merkmalen zu bestimmenden Personenkreis im Geltungsbereich des BEEG ebenso wenig ein, wie dies bei den Partnermonaten der Fall ist (vgl BSG Urteil vom 15.12.2015 - B 10 EG 3/14 R - BSGE 120, 189 = SozR 4-7837 § 1 Nr 8, RdNr 22). Der durch die Mindestbezugszeit bewirkte Verlust des Elterngeldanspruchs ist vielmehr die Folge einer Entscheidung im Verantwortungsbereich der Berechtigten für eine Elternzeit unterhalb des vom Gesetz geforderten Schwellenwerts. Die hier einschlägigen Verlustfälle werden deshalb von der Mindestbezugszeit nicht erfasst und verbleiben weiterhin im Regelungsbereich der Grundnorm des § 4 Abs 4 BEEG.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 39\n \n \n Die Grundnorm des § 4 Abs 4 BEEG ist hiernach durch die jüngere Regelung zur Mindestbezugszeit nicht "überholt" (vgl zum Grundsatz des Vorrangs des jüngeren Gesetzes BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 5 R 2/12 R - SozR 4-2600 § 88 Nr 2 RdNr 18; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 25). Die Mindestbezugszeit hat lediglich die Bedeutung der Partnermonate gestärkt. Nur mit diesem speziellen Anliegen beansprucht sie zeitlich und inhaltlich Vorrang. Auch nach der Einführung der Mindestbezugszeit bleibt es dabei, dass ein einmal begründeter Elterngeldanspruch mit dem Ablauf des Lebens- oder Betreuungsmonats endet, in dem der Verlust des Kindes eintritt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 40\n \n \n 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.\n \n \n \n \n", "decision_type": "Urteil", "court_level_of_appeal": "Bundesgericht", "date": "2018-03-08", "court_jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit", "court": "BSG", "slug": "bsg-2018-03-08-b-10-eg-716-r" }, { "text": "Tenor\n\n\n \n \n \n Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. Oktober 2016 aufgehoben.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 5000 Euro festgesetzt.\n \n \n \n \nTatbestand\n\n\n \n \n 1\n \n \n Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1. im Zeitraum vom 13.5.2008 bis 18.9.2009 in einer Tätigkeit als Datenbank-Administrator für die Klägerin, ein Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen im Bereich der IT, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- (GKV) und Rentenversicherung (GRV), sozialen Pflegeversicherung (sPV) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 2\n \n \n Die Klägerin, die vormals unter J. GmbH firmierte, bietet Beratung und Dienstleistungen in der IT an. Der Beigeladene zu 1. bietet seit 2004 ebenfalls entsprechende Leistungen als Einzelunternehmer an. Für November 2004 wurde für ihn zuletzt ein Beitrag zur GRV gezahlt. Im streitbefangenen Zeitraum war er im Rahmen von zeitlich begrenzten Einsätzen in Drittunternehmen, den sog Endkunden, ausschließlich für die Klägerin tätig. Den Einsätzen lagen folgende schriftliche, als "Beauftragung" bezeichnete Einzelvereinbarungen zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1. zugrunde:\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 3\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n Zeitraum\n \n Vertrag\n Einsatzort\n Umfang\n \n \n \n 13.5.2008 - 31.12.2008\n \n \n 5.5.2008\n \n \n Deutsche Post Mainz\n \n \n geplant 162 Tage, 1296 Projektstunden, storniert zum 15.8.2008\n \n \n \n \n 1.9.2008 - 31.12.2008\n \n \n 15.8.2008\n \n \n IBM Deutschland Ingolstadt\n \n \n geplant 640 Personenstunden, auf unbestimmte Zeit verschoben; für 1.9.2008 bis 3.9.2008 wurden 3 x 200 Euro vergütet\n \n \n \n \n 16.9.2008 - 30.6.2009\n \n \n 12.9.2008\n \n \n Deutsches Patentamt München\n \n \n 200 Tage, 1600 Projektstunden\n \n \n \n \n 1.7.2009 - 31.8.2009\n \n \n 29.6.2009\n \n \n Deutsches Patentamt München\n \n \n 44 Tage, 352 Projektstunden\n \n \n \n \n 1.9.2009 - 18.9.2009\n \n \n 1.9.2009\n \n \n Deutsches Patentamt München\n \n \n 127 Projektstunden\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 4\n \n \n Die Vertragsbestimmungen waren jeweils im Wesentlichen identisch. Die Projektleitung oblag danach bei allen Aufträgen dem IT-Unternehmen IBM, mit dessen Betriebssystem die Endkunden ausgestattet waren. Der Beigeladene zu 1. war ausdrücklich als "freier Mitarbeiter" bezeichnet.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 5\n \n \n Am 20.5.2008 stellte der Beigeladene zu 1. bei der Beklagten den Antrag, im Hinblick auf seine bei der Klägerin ab 13.5.2008 ausgeübte Tätigkeit festzustellen, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliege. Nach erfolgter Anhörung stellte die Beklagte gegenüber ihm und der Klägerin fest, dass die Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werde (Bescheide vom 11.5.2009). Die Widersprüche der Klägerin und des Beigeladenen zu 1. wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 12.5.2010 zurück, die sich auf die Beurteilung der Tätigkeit "in der Zeit ab 13.5.2008 (Verträge JPL 40505081 und JPL 41209082)" bezogen. Sowohl der Beigeladene zu 1. als auch die Klägerin haben Klage erhoben. Die Klage des Beigeladenen zu 1. ruht (SG Halle Beschluss vom 4.4.2012 - S 4 KR 493/10). Während des Klageverfahrens hat die Beklagte ihre Bescheide unter Hinweis auf § 96 Abs 1 SGG dahingehend abgeändert, dass in der durch den Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin vom 13.5.2008 bis 18.9.2009 ausgeübten Beschäftigung Versicherungspflicht in der GKV, GRV und sPV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe (Bescheide vom 1.3.2012).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 6\n \n \n In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Beigeladene zu 1. seine Zustimmung zu einem späteren Versicherungsbeginn iS von § 7a Abs 6 SGB IV erklärt. Das SG ist davon ausgegangen, dass der an die Klägerin gerichtete Bescheid vom 1.3.2012 nach § 96 SGG Verfahrensgegenstand geworden sei, und hat unter Abänderung der angefochtenen Bescheide festgestellt, dass im Zeitraum 13.5.2008 bis 14.5.2009 keine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der GKV, GRV und sPV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.1.2013). Der Beigeladene zu 1. sei im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig geworden. Die Versicherungspflicht sei nach § 7a Abs 6 S 1 SGB IV jedoch erst mit Bekanntgabe der Bescheide vom 11.5.2009 eingetreten. Es sei nicht erforderlich, dass seine private Krankenversicherung (PKV) auch einen Anspruch auf Krankengeld (Krg) umfasse.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 7\n \n \n Gegen das Urteil haben die Klägerin und die Beklagte Berufung eingelegt. Das LSG hat das Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen (Urteil vom 26.10.2016). Für eine ausreichende Absicherung gegen das Risiko von Krankheit reiche es nicht aus, wenn der Schutz der PKV keinen Anspruch auf Krg umfasse.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 8\n \n \n Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 7 Abs 1, § 7a Abs 6 SGB IV. Der Beigeladene zu 1. sei insbesondere nicht in ihren Betrieb eingegliedert gewesen, da er nicht an ihrem Betriebssitz, sondern beim Endkunden tätig gewesen sei. Die vertragliche Leistungsbeschreibung sei ausreichend und bedürfe keiner weiteren Konkretisierung. Eine gewisse Unbestimmtheit ergebe sich aus der Natur der Sache einer Beratungsleistung, die ein Spezialist erbringen solle. Ein etwaiges Weisungsrecht hätte mangels Vorliegen der erforderlichen Fachkenntnisse von der Klägerin gar nicht ausgeübt werden können. Es habe auch hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort nicht vorgelegen. Das LSG habe das Kriterium des unternehmerischen Risikos überbewertet. Bei Dienstleistungen sei das Fehlen größerer Investitionen kein gewichtiges Indiz. Zudem habe der Beigeladene zu 1. Kapital durch Nutzung des eigenen Büros und Laptops eingesetzt. Das Fehlen typischer Merkmale einer abhängigen Beschäftigung sei zu gering gewichtet. Die Honorarhöhe lasse bei einem Stundensatz von 65 Euro Eigenvorsorge zu. Der Wille der Vertragsparteien sei nicht in die Gesamtschau eingestellt worden. § 7a Abs 6 SGB IV sei verletzt, da sich aus der Gesetzesbegründung ergebe, dass die Absicherung mit den Leistungen der GKV nicht deckungsgleich sein müsse. Ein ausreichender Schutz bestehe, wenn die PKV ein Krankentagegeld nicht umfasse.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 9\n \n \n Die Klägerin beantragt,das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. Oktober 2016 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Januar 2013 dahingehend abzuändern, dass der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2010 und des Änderungsbescheides vom 1. März 2012 aufgehoben und festgestellt wird, dass in dem Zeitraum 13. Mai 2008 bis 18. September 2009 keine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 10\n \n \n Die Beklagte beantragt,die Revision der Klägerin zurückzuweisen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 11\n \n \n Sie verteidigt das Urteil des LSG. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \nEntscheidungsgründe\n\n\n \n \n 12\n \n \n A. Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 13\n \n \n Soweit die Klage die Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1. vom 1. bis 3.9.2008 sowie ab 1.7.2009 betrifft, ist sie unzulässig (dazu 1.). Im Übrigen fehlen für eine abschließende Beurteilung der Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1. ausreichende Feststellungen (dazu 2.).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 14\n \n \n 1. Die Klage gegen die im Änderungsbescheid vom 1.3.2012 getroffene Feststellung der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. für den gesamten Zeitraum seiner Tätigkeiten bei der Klägerin (13.5.2008 bis 18.9.2009) ist nur teilweise zulässig. Der Beigeladene zu 1. ist jeweils auf Grundlage von Einzelverträgen für die Klägerin tätig geworden. Hinsichtlich der Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1. in den Zeiträumen 1.9.2008 bis 3.9.2008 und ab 1.7.2009 fehlt es an der nach § 78 Abs 1 S 1 SGG erforderlichen Durchführung eines Vorverfahrens. Diese Tätigkeiten waren nicht Gegenstand des Ausgangsbescheids vom 11.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.5.2010.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 15\n \n \n a) Der ursprüngliche Bescheid vom 11.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids traf eine unzulässige Elementenfeststellung über das Bestehen einer Beschäftigung. Während des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens hat die Beklagte daher den Bescheid vom 1.3.2012 erlassen und notwendige Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht und zur Bezeichnung des Rechtsverhältnisses im Verfügungssatz "ergänzt" (vgl BSG Urteil vom \n 11.3.2009 - B 12 R 11/07 R - BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, Leitsatz und RdNr 11 ff; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - Juris RdNr 13 ff). Wird in einem solchen Fall ein wegen der Feststellung eines Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende Element zu einer vollständigen Feststellung ergänzt, liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten iS von § 96 Abs 1 SGG (iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13). Der Durchführung eines Vorverfahrens für den nach § 96 Abs 1 SGG in das sozialgerichtliche Verfahren einbezogenen neuen Bescheid bedarf es nicht (Klein in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 96 RdNr 43 mwN).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 16\n \n \n b) Für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin in den Zeiträumen 1.9.2008 bis 3.9.2008 und ab 1.7.2009 sind die Voraussetzungen von § 96 Abs 1 SGG nicht erfüllt. Die Frage, ob die Tatsachengerichte die Voraussetzungen des § 96 Abs 1 SGG zu Recht angenommen haben, ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen (BSG Urteil vom 16.4.1998 - B 3 KR 5/97 R - BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 17); einer Verfahrensrüge der Beteiligten bedarf es insoweit nicht, weil das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen nicht der Disposition der Beteiligten unterliegt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 17\n \n \n Nach § 96 Abs 1 SGG wird ein nach Klageerhebung ergangener neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er den mit der Klage angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Dies setzt voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsaktes mit dem des früheren identisch ist. Dies ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn ein anderer Streitstoff oder veränderte Tatsachen umfasst sind (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 96 RdNr 4a). Dass zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. ein Dauerrechtsverhältnis, etwa in Form eines Rahmenvertrages, bestand, hat das LSG nicht festgestellt. Eine hinreichend konkrete Rechtsbeziehung, die ihrerseits als Grundlage einer Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV in Betracht kommt, liegt damit immer erst in den durch Einzelverträge begründeten "Beauftragungen" des Beigeladenen zu 1.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 18\n \n \n Im Ausgangsbescheid vom 11.5.2009 hat die Beklagte ohne zeitliche Begrenzung das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses des Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin seit dem 13.5.2008 festgestellt, dies in den Gründen des Widerspruchsbescheides vom 12.5.2010 aber ausdrücklich auf die Vertragsverhältnisse mit den Auftragsnummern JPL 40505081 und JPL 41209082 bezogen. Hierbei handelt es sich um die Verträge, die den Tätigkeiten im Zeitraum 13.5.2008 bis 15.8.2008 und 16.9.2008 bis 30.6.2009 zugrunde lagen. Soweit die Beklagte im Änderungsbescheid eine Feststellung hinsichtlich der drei weiteren Beauftragungen des Beigeladenen zu 1. getroffen hat, geht dies über den vorherigen Streitstoff hinaus. Es ändert auch nichts, dass in der Beauftragung vom 12.9.2008 mit der Auftragsnummer JPL 41209082 neben dem ursprünglich geplanten Leistungszeitraum vom 16.9.2008 bis 30.6.2009 geregelt war, dass eine Option auf Verlängerung bestehe. Zwar ist es in der Folgezeit zu Verlängerungen dieser Beauftragung gekommen, dies jedoch auf Grundlage von neuen Einzelverträgen, die auch separat zu beurteilen sind.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 19\n \n \n c) Der Änderungsbescheid ist hinsichtlich der weiteren Beauftragungen auch nicht durch eine gewillkürte Klageänderung nach § 99 SGG zulässig zum Gegenstand des anhängigen Prozesses gemacht worden. In der erweiterten Antragstellung durch die Klägerin vor dem SG und der rügelosen Einlassung der Beklagten hierauf liegt zwar eine zulässige Klageänderung. Aber auch hinsichtlich der geänderten Klage muss die Prozessvoraussetzung eines Vorverfahrens vorliegen, wenn es um einen anderen Streitgegenstand geht. Die Voraussetzungen des § 78 Abs 1 S 2 SGG, bei deren Vorliegen es eines Vorverfahrens ausnahmsweise nicht bedarf, sind nicht erfüllt. Auch das Gericht kann unzulässige Klagen nicht als sachdienlich zulassen, sondern hat in der Regel das Verfahren analog § 114 SGG auszusetzen und den Beteiligten Gelegenheit zu geben, das Widerspruchsverfahren noch nachzuholen (BSG Beschluss vom 1.7.2014 - B 1 KR 99/13 B - Juris RdNr 12 \n mwN; \n Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 78 RdNr 3a mwN).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 20\n \n \n d) Die Beklagte muss insoweit noch über den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 1.3.2012 entscheiden, als sie in diesem Änderungsbescheid erstmals die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. auch wegen dessen für die Klägerin in den Zeiträumen vom 1. bis 3.9.2008 und ab 1.7.2009 ausgeübter Tätigkeiten festgestellt hat. Der Änderungsbescheid vom 1.3.2012 ist nicht bestandskräftig geworden. Die Klägerin hat im sozialgerichtlichen Verfahren hinreichend deutlich gemacht, dass sie gegen den Bescheid insgesamt vorgehen möchte. Dies ist bereits mit Schriftsatz vom 12.3.2012 und spätestens mit der erweiterten Antragstellung vor dem SG, die dieses seiner Entscheidung vom 16.1.2013 zugrunde gelegt hat, geschehen. Hierdurch hat die Klägerin die nach § 66 Abs 2 S 1 SGG aufgrund unterlassener Rechtsbehelfsbelehrung geltende Jahresfrist für den Widerspruch gewahrt (so bereits zu einer vergleichbaren Fallgestaltung BSG Urteil vom 21.11.2002 - B 3 KR 13/02 R - BSGE 90, 143, 146 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 S 30 f).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 21\n \n \n Es kann offenbleiben, ob eine Zurückverweisung an die Vorinstanz allein zum Zweck der Nachholung des Vorverfahrens erfolgen könnte (BSG Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 13/12 R - BSGE 112, 170 = SozR 4-1500 § 54 Nr 27, RdNr 7 ff; Röhl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 170 RdNr 35; aA BSG Urteil vom 21.11.2002 - B 3 KR 13/02 R - BSGE 90, 143, 145 f = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 S 30 wenn hinsichtlich eines Teiles des Verfahrensgegenstandes im Revisionsverfahren durchentschieden werden kann). Jedenfalls dann, wenn die Zurückverweisung - wie hier - auch aus anderen Gründen erfolgt (dazu sogleich unter 2.), kann eine Heilung des Verstoßes gegen die Vorverfahrenspflicht auch noch im wiedereröffneten Berufungsverfahren erfolgen (vgl zur Nachholung einer Anhörung im aus anderen Gründen zurückverwiesenen Berufungsverfahren BSG Urteil vom 16.3.2017 - B 10 LW 1/15 R - BSGE , SozR 4-1300 § 41 Nr 3 RdNr 16 ff).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 22\n \n \n 2. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts reichen für eine abschließende Entscheidung über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. im Hinblick auf seine bei der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten im Zeitraum 13.5.2008 bis 15.8.2008 und 16.9.2008 bis 30.6.2009, hinsichtlich derer die Prozessvoraussetzungen gegeben sind, nicht aus. Das LSG ist im Ausgangspunkt von zutreffenden Prüfungsmaßstäben ausgegangen (hierzu unter a). Es fehlen jedoch Feststellungen; weiter lässt das angegriffene Urteil auch nicht durchgängig erkennen, von welchen Feststellungen das LSG selbst bei seiner Entscheidung ausgegangen ist (dazu b). Im Rahmen seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das LSG zudem zu beachten haben, dass neben den Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. auch diejenigen der Klägerin mit IBM und den Endkunden sowie deren Vertragsbeziehungen untereinander von Bedeutung für die Einordnung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sein können (dazu c).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 23\n \n \n a) Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der GKV, GRV und sPV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III). Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (S 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (S 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG Urteil vom 16.8.2017 - B 12 KR 14/16 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 31 RdNr 17 mwN und BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 30 RdNr 21 mwN, jeweils auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG Beschluss vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG Urteil vom 23.5.2017 - B 12 KR 9/16 R - SozR 4-2400 § 26 Nr 4 RdNr 24 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 24\n \n \n Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 17 mwN).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 25\n \n \n b) Ob die Verhältnisse während der Durchführung der Aufträge eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in allen Zweigen der Sozialversicherung begründen, weil im Verhältnis zur Klägerin von einer Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV auszugehen ist, kann der Senat auf Grundlage der vom LSG getroffenen und für ihn bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen nicht abschließend beurteilen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 26\n \n \n Das Urteil des LSG enthält keine ausreichenden Feststellungen und bietet damit keine geeignete Grundlage für die rechtliche Nachprüfung durch den Senat. Die Entscheidung gibt eine der zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. bestehenden Einzelvereinbarungen auszugsweise wieder. Zwar ist es nicht erforderlich - und oft auch nicht angezeigt - im Urteil des LSG den gesamten schriftlichen Vertrag wörtlich wiederzugeben; es reicht die Darstellung des wesentlichen Inhalts, verbunden mit einer konkreten Bezugnahme auf den in den Verwaltungs- bzw SG-Akten befindlichen Vertragstext (§ 136 Abs 2 S 1 SGG). Dem Urteil des LSG sind allerdings keine Feststellungen zu den in Bezug genommenen AGB der Klägerin zu entnehmen und zu der Frage, ob eine Rahmenvereinbarung existiert hat.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 27\n \n \n Darüber hinaus beschränkt sich das LSG im Wesentlichen darauf, den Beteiligtenvortrag aus dem Verwaltungs- und erstinstanzlichen Gerichtsverfahren in indirekter Rede und die Entscheidungsgründe des SG vollständig wörtlich zu zitieren. Festgestellt sind aber nur Tatsachen, die das Gericht erkennbar für zutreffend erachtet, sich zu eigen macht und daher seiner rechtlichen Überzeugungsbildung zugrunde legt. Es liegen keine revisionsrechtlich verwertbaren Feststellungen vor, wenn das Berufungsgericht den Vortrag der Beteiligten lediglich inhaltlich referiert oder den Text der Entscheidungsgründe des SG wörtlich wiedergibt ("copy-and-paste"), sofern nicht erkennbar ist, welche Tatsachen es seiner Entscheidung aufgrund eigener Erkenntnis zugrunde gelegt hat (vgl BSG Urteil vom 15.2.2005 - B 2 U 1/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 12; BSG Urteil vom 22.6.2005 - B 12 RA 14/04 R - Juris RdNr 12; BSG Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 25/11 R - SozR 4-3500 § 35 Nr 3 RdNr 17).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 28\n \n \n Die wörtliche Übernahme des Textes der Entscheidungsgründe des SG lässt nicht hinreichend deutlich erkennen, welche Tatsachen das Berufungsgericht für zutreffend hält. Denn der vom LSG unkommentiert wiedergegebene Vortrag der Klägerin und des Beigeladenen zu 1. weicht teilweise von den Tatsachen ab, die das SG bei seiner Entscheidung angenommen hat. Dies gilt etwa hinsichtlich der Angaben dazu, wie die Vergütung des Beigeladenen zu 1. erfolgte. So hat das LSG einerseits die Angaben der Klägerin zitiert, wonach der Beigeladene zu 1., wenn er mehr Zeit als veranschlagt benötige, den Mehraufwand nicht vergütet erhalte, es ihm aber zugutekomme, falls er einen geringeren zeitlichen Aufwand benötige. Andererseits hat es die Ausführungen des SG zitiert, wonach beides nicht der vertraglichen Gestaltung entsprochen habe. Auch referiert das LSG die Angabe der Klägerin, ihr obliege die Verantwortung der Projektkoordination im Rahmen der Projektleitung. Sie stimme sich dabei mit den Projektverantwortlichen des Endkunden ab. Das SG ist hingegen davon ausgegangen, dass die Projektleitung nicht durch die Klägerin, sondern durch IBM wahrgenommen wurde.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 29\n \n \n Der Senat kann ausreichende Feststellungen auch nicht daraus ableiten, dass das LSG hinsichtlich der Annahme von Versicherungspflicht teilweise auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung des SG verwiesen und nur im Übrigen eigene Entscheidungsgründe dargelegt hat. Die für das Berufungsgericht bestehende Möglichkeit der Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nach § 153 Abs 2 SGG lässt es nicht zu, auf die Darstellung des Tatbestandes zu verzichten (Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 153 RdNr 34; Fock in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 153 RdNr 11).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 30\n \n \n Soweit das LSG schließlich im Tatbestand seines Urteils erwähnt, dass ihm die Verwaltungs- und Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen haben, hat auch dieser bloße Hinweis keine Feststellungswirkung. Das LSG hat nicht ausdrücklich auf den Akteninhalt Bezug genommen oder verwiesen. Eine pauschale Bezugnahme hätte jedenfalls bei mehrdeutigen oder unklaren tatsächlichen Angaben aber auch keine Feststellungswirkung (Röhl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 163 SGG RdNr 22).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 31\n \n \n c) Der Senat hält es für erforderlich, dass das LSG von Amts wegen (§ 103 SGG) vor einer erneuten Verhandlung und Entscheidung weitere Umstände aufklärt und im Rahmen seiner Gesamtabwägung berücksichtigt, namentlich zu den Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin und IBM bzw den Endkunden sowie zwischen diesen untereinander. Eine entsprechende Pflicht zur Amtsermittlung trifft auch die Beklagte im Rahmen der nachzuholenden Vorverfahren (§ 7a Abs 2 SGB IV, \n § 20 SGB X\n ).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 32\n \n \n aa) Das LSG muss angesichts des Streitgegenstandes (Statusfeststellungsverfahren) zwar nur prüfen, ob ein Beschäftigungsverhältnis gerade zwischen dem Beigeladenen zu 1. und der Klägerin vorlag. Der Antrag auf Statusfeststellung kann nach § 7a Abs 1 S 1 SGB IV durch die am Auftragsverhältnis Beteiligten gestellt werden. Nach der Gesetzesbegründung sind Beteiligte die Partner der Beziehungen, in deren Rahmen die zu beurteilende Tätigkeit ausgeübt wird(BT-Drucks 14/1855 S 7). Der Antrag des Beigeladenen zu 1. auf Statusfeststellung vom 20.5.2008 bezog sich auf seine ab 13.5.2008 ausgeübte Tätigkeit, der eine schriftliche Vereinbarung mit der Klägerin zugrunde lag.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 33\n \n \n bb) Diese Prüfung nach § 7a Abs 1 S 1 SGB V schließt es aber nicht aus, auch die weiteren Rechtsbeziehungen zu betrachten, die den projektbezogenen Einsatz des Beigeladenen zu 1. prägen. Wird eine vermeintlich selbstständige Tätigkeit im Rahmen weiterer Vertragsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und Dritten erbracht, sind im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens auch diese weiteren Vertragsbeziehungen zu berücksichtigen. In Betracht kommen vorliegend vertragliche Beziehungen zwischen der Klägerin und den Endkunden, der Klägerin und IBM sowie IBM und den Endkunden. Diese Rechtsverhältnisse haben sich insoweit auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ausgewirkt, als dieser unter Zwischenschaltung der Klägerin in den Betriebsstätten der Endkunden eingesetzt war und - jedenfalls nach den Annahmen des SG - mit den Mitarbeitern der Endkunden und Mitarbeitern von IBM im Rahmen der Aufträge zusammengearbeitet hat. Die Klägerin stand nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem SG nicht in einer Vertragsbeziehung zu den Endkunden, sondern zu IBM, mit deren Betriebssystem die Endkunden ausgestattet waren. Nach der vom LSG wiedergegebenen schriftlichen vertraglichen Vereinbarung waren Basis für die Dienstleistung des Beigeladenen zu 1. die von der IBM-Projektleitung geplanten und terminierten Inhalte und Aktionen. Zwischen dem Beigeladenen zu 1. und dem Endkunden, in dessen Betrieb die eigentliche Tätigkeit ausgeübt wurde, war insoweit eine Kette von Vermittlern, nämlich einerseits die Klägerin und andererseits IBM, eingesetzt. Dabei ist bisher nicht geklärt, welche Verpflichtung die Klägerin gegenüber IBM hatte. Wäre die Klägerin gegenüber ihrem Vertragspartner lediglich dazu verpflichtet, einen selbstständigen Spezialisten für ein Projekt zur Verfügung zu stellen, hätte sie als "Headhunter" agiert. Wäre sie selbst gegenüber IBM zu einer Leistungserbringung im Rahmen des eigentlichen Projektes verpflichtet, wäre der Beigeladene zu 1. ggf als ihr Erfüllungsgehilfe anzusehen. In einer solchen Konstellation wäre auch eine Delegation von Weisungsbefugnissen der Klägerin denkbar. Auch das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung erscheint nicht gänzlich ausgeschlossen. Hätte die Klägerin in diesem Fall als Verleiherin nicht die nach § 1 Abs 1 S 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, würde aber ein Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. schon aus diesem Grund nicht bestehen. Denn nach § 9 Abs 1 Nr 1 AÜG sind Verträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern in diesem Fall unwirksam. Rechtsfolge ist nach § 10 Abs 1 S 1 AÜG, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer als zustande gekommen gilt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 34\n \n \n cc) Die Auswirkungen der Leistungsbeziehungen innerhalb des Vertragsgeflechts auf das Rechtsverhältnis des Beigeladenen zu 1. und der Klägerin sind danach vom LSG auch im Hinblick darauf aufzuklären, ob und ggf welche Weisungen der Beigeladene zu 1. von der Klägerin bzw in deren Absprache mit deren Vertragspartner IBM von diesem erhalten oder ob die Klägerin ihr Weisungsrecht an IBM abgetreten hat. Denkbar ist auch eine Übertragung des Weisungsrechts über die Vertragskette der Vermittler auf den Endkunden. Insoweit ist zu beachten, dass sich das Weisungsrecht eines Arbeitgebers je nach den Umständen auch darauf erstrecken kann, dass der Beschäftigte zur Arbeitsleistung in die Betriebe von Endkunden entsandt wird, da die Dienstleistung auch dann fremdbestimmt bleibt (zur Beschäftigung in einem Dreiecksverhältnis vgl bereits BSG Urteil vom 4.6.1998 - B 12 KR 5/97 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 13, SozR 3-2200 § 441 Nr 2 ). Bei Leiharbeit kann das Weisungsrecht verabredungsgemäß vom Entleiher ausgeübt werden.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 35\n \n \n dd) Im Rahmen der Gesamtabwägung muss das LSG auf Grundlage entsprechender Ermittlungen und Feststellungen insbesondere auch berücksichtigen, wie die Projektleitung organisiert war. Denn hieraus ergeben sich Rückschlüsse im Hinblick auf eine Eingliederung und Weisungsunterworfenheit des Beigeladenen zu 1. Die bislang aus dem Urteil des LSG hierzu ersichtlichen Informationen sind mehrdeutig. Nach den vom LSG wiedergegebenen Angaben der Klägerin im Rahmen der Anhörung oblag ihr die Verantwortung der Projektkoordination im Rahmen der Projektleitung. Sie hat angegeben, sich in allen übergeordneten Belangen mit den Projektverantwortlichen des Endkunden abzustimmen. Mit dem Beigeladenen zu 1. stimme sie Arbeitspakete ab, die dieser ergebnisorientiert unter Berücksichtigung des gemeinsam geplanten Zeit- und Arbeitsrahmens abarbeite. In dem Text des vom LSG zitierten schriftlichen Vertrages zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. ist vereinbart, dass letzterer seine Dienstleistung auf Basis der von der IBM-Projektleitung geplanten und terminierten Inhalte und Aktionen erbringt. Damit bestehen keine eindeutigen Erkenntnisse darüber, wer das Projekt definierte, wer die Projektverantwortung trug und wie die Projektleitung strukturiert war - ob es etwa in den streitbefangenen Tätigkeiten abweichend von der durch die Klägerin im Anhörungsverfahren geschilderten Praxis keinen Projektverantwortlichen bei ihr gab, sondern nur bei IBM und/oder beim Endkunden. Zu klären sein wird auch, ob der Beigeladene zu 1. mit der Projektleitung "auf Augenhöhe" zusammenarbeitete und die von ihm abzuarbeitenden Arbeitspakete inhaltlich als externer Spezialist mit gestalterischen Freiheiten mitbestimmte, oder ob er unter Regie der Projektleitung nach deren hierarchischen Vorgaben Beiträge im Projekt abzuleisten hatte. Hinsichtlich der Zusammenarbeit des Beigeladenen zu 1. mit Mitarbeitern von IBM und/oder der Klägerin in einem Team wird das LSG aufklären müssen, wer diesem Team angehört hat und welche konkreten Folgen sich aus der Teamstruktur für die Modalitäten der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. tatsächlich ergeben haben, ob und inwiefern sich hieraus etwa - wie vom SG offenbar angenommen - eine wesentliche Einschränkung des Gestaltungsspielraums des Beigeladenen zu 1. im Hinblick auf seine Anwesenheit im Betrieb des Endkunden und die Lage und Dauer seiner Arbeitszeiten ergab.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 36\n \n \n B. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 37\n \n \n C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n", "decision_type": "Urteil", "court_level_of_appeal": "Bundesgericht", "date": "2018-03-14", "court_jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit", "court": "BSG", "slug": "bsg-2018-03-14-b-12-kr-1217-r" }, { "text": "Tenor\n\n\n \n \n \n Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. September 2017 wird zurückgewiesen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.\n \n \n \n \nGründe\n\n\n \n \n 1\n \n \n I. Im Streit ist die Verpflichtung des Beklagten, die Bestattungskosten für die im Juni 2012 verstorbene Mutter der Klägerin zu zahlen (1242,36 Euro).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 2\n \n \n Die 1992 geborene Klägerin ist eines von fünf Kindern ihrer 2012 verstorbenen Mutter. Bis auf den 1990 geborenen Bruder der Klägerin, der damals allein von der Unterstützung der Mutter seines Kindes lebte, schlugen alle Kinder und Verwandten der Verstorbenen die Erbschaft aus. Die Klägerin, die 2012 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) erhielt, sorgte für die Bestattung ihrer Mutter und beantragte Anfang Juli 2012 beim Beklagten die Übernahme der Bestattungskosten. Dieser lehnte den Antrag unter Verweis auf die vorrangige Kostentragungspflicht des Bruders der Klägerin ab (Bescheid vom 23.8.2012; Widerspruchsbescheid vom 13.11.2012). Auf dessen Antrag versagte der Beklagte die Übernahme von Bestattungskosten, weil die angeforderten Nachweise über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht eingereicht worden seien (Bescheid vom 15.8.2012). Die Klage der Klägerin auf Zahlung von 1242,36 Euro ist in beiden Instanzen erfolgreich gewesen (Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 21.2.2014; Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28.9.2017).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 3\n \n \n Mit seiner Beschwerde macht der Beklagte Verfahrensfehler sowie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Er rügt, dass das LSG über seinen Antrag, den Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.9.2017 zu verlegen, nicht vor Beginn der Sitzung entschieden habe. Damit sei sein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 4\n \n \n Zudem sei grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage (Frage 1), ob sich eine Verpflichtung nach § 74 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14.12.2011 (IV ZR 132/11) weiterhin auch aus landesrechtlichen Bestattungsvorschriften ergebe. Der BGH habe dargelegt, dass sich aus den landesrechtlichen Bestattungspflichten keine Kostentragungspflicht ergebe, die dann zu zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen führen könne. Insoweit sei fraglich, ob an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) noch festgehalten werden könne, wonach sich eine Kostentragungsverpflichtung aus § 74 SGB XII auch aus landesrechtlichen Bestattungsgesetzen ergeben könne. Grundsätzlich bedeutsam sei darüber hinaus die Frage (Frage 2), ob der Anspruch nach § 74 SGB XII auf den Anteil des Antragstellers im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung beschränkt sei. Denn es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach dem Niedersächsischen Bestattungsgesetz gemeinsam mit ihren Geschwistern bestattungspflichtig und kostentragungspflichtig sei. Hieraus ergäben sich bundesgesetzlich vorgesehene Ausgleichsansprüche der gesamtschuldnerischen Haftung. Darüber hinaus sei grundsätzlich bedeutsam (Frage 3), ob ein Anspruch eines nachrangig Verpflichteten dem Grunde nach ausgeschlossen sei, wenn ebenfalls ein Anspruch des endgültig Kostentragungspflichtigen vorliege.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 5\n \n \n II. Die Beschwerde ist unbegründet. Der gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 6\n \n \n Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der Beklagte behauptet zwar, über seinen Antrag, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen, habe das LSG nicht vor dem Termin entschieden und damit seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG; Art 103 Grundgesetz ) verletzt. Allerdings liegt dieser Verfahrensmangel tatsächlich nicht vor; in seiner Beschwerdebegründung hat der Beklagte den Sachverhalt insoweit unzutreffend dargestellt. Denn tatsächlich hatte das LSG auf den ersten Verlegungsantrag des Beklagten vom 19.9.2017 mitgeteilt (Schreiben vom 21.9.2017), dass es diesem nicht stattgeben werde und dem Beklagten aufgegeben, sich durch einen anderen Mitarbeiter oder eine entsprechend unterrichtete Person der Stadt H im Termin vertreten zu lassen. Daraufhin hatte der Beklagte mitgeteilt (Schreiben vom 27.9.2017), dass auch die Mitarbeiter der Stadt H gehindert seien, den Termin wahrzunehmen. Es werde um Verständnis gebeten, dass eine Teilnahme am Termin nicht in Aussicht gestellt werden könne. Anders als vom Beklagten in seiner Beschwerdebegründung dargestellt, hat er mit diesem Schreiben also gerade nicht zum Ausdruck gebracht, am Verlegungsantrag festhalten zu wollen, sondern - im Gegenteil - mitgeteilt, dass der Termin ohne einen Vertreter des Beklagten stattfinden müsse. Eine weitere Reaktion des LSG musste daraufhin nicht erfolgen; eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten liegt deshalb nicht vor. Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass die Klägerin trotz der Anordnung ihres persönlichen Erscheinens nicht zum Termin erschienen sei und das LSG (dennoch) mündlich verhandelt habe, ist schon nicht erkennbar, wie dadurch ein eigenes Recht des Beklagten verletzt sein soll.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 7\n \n \n Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat der Beklagte nicht ordnungsgemäß dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 8\n \n \n Im Hinblick auf die vom Beklagten aufgeworfene Frage 1 zur Bedeutung der "Entscheidung" des BGH vom 14.12.2011 für einen Anspruch nach § 74 SGB XII fehlt es bereits an einer konkreten Rechtsfrage, die dem Senat zur Entscheidung vorgelegt wird. Die Beantwortung der allgemein gehaltenen Frage nach einer Verpflichtung aus landesrechtlichen Vorschriften würde vielmehr eine kommentar- oder lehrbuchartige Aufbereitung durch den Senat verlangen, was gerade nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein kann. Im Übrigen fehlt es an Darlegungen dazu, an welcher Stelle seiner "Entscheidung" der BGH die vom Beklagten behauptete Aussage überhaupt getroffen haben soll. Die einzige Auseinandersetzung des BGH mit landesrechtlichen Bestattungspflichten erfolgt in RdNr 12 seines Hinweisbeschlusses; eine Aussage dergestalt, wie sie vom Beklagten in der Frage 1 formuliert worden ist, hat der BGH an dieser Stelle nicht getroffen. Es ist aber nicht Aufgabe des Senats, den Beschluss des BGH auf - weitere - vermeintliche Übereinstimmungen mit der vom Beklagten formulierten Frage zu durchforsten. Im Übrigen hat das LSG den Beschluss des BGH in seiner Entscheidung in Bezug genommen, ohne dass sich der Beklagte in seiner Beschwerdebegründung mit den entsprechenden Ausführungen des LSG auseinander gesetzt hätte.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 9\n \n \n Soweit der Beklagte weiter ausführt, grundsätzlich bedeutsam sei auch die Frage (Frage 2), ob der Anspruch nach § 74 SGB XII auf einen gesamtschuldnerischen Anteil begrenzt sei, fehlt es nicht nur an Darlegungen zum niedersächsischen Landesrecht, die der Beklagte zur Begründung einer gesamtschuldnerischen Haftung der Klägerin mit ihrem Bruder heranzieht, und der Frage der Revisibilität dieses Landesrechts, sondern auch an einer Auseinandersetzung mit der zu dieser Frage bereits ergangenen Rechtsprechung des BGH im Übrigen (vgl nur BGH vom 11.6.1981 - III ZR 39/80 - NJW 1981, 2457 ff; BGH vom 8.3.1990 - III ZR 81/88 - BGHZ 110, 313, 318). Es fehlen auch Ausführungen dazu, warum der Klägerin die Kostentragung nach § 74 SGB XII zumutbar ist, sie also tatsächlich einen Anspruch gegen ihren Bruder hätte realisieren können und müssen. Zur zuletzt formulierten Rechtsfrage (Frage 3) behauptet der Beklagte lediglich, dass der Bruder der Klägerin endgültig kostentragungspflichtig sei (vgl insoweit BSGE 104, 219 RdNr 20), erläutert dies aber nicht ansatzweise. Zudem fehlt es an der hinreichenden Darlegung der erneuten Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage, weil das BSG nach eigenem Vortrag des Beklagten bereits entschieden habe, dass im Falle zweifelhafter Ausgleichsansprüche eine Einschränkung des § 74 SGB XII nicht in Betracht komme. Der Vortrag im Übrigen ist nur auf die Behauptung der inhaltlichen Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG gerichtet, die aber nicht genügen kann, um die Zulassung der Revision zu begründen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 10\n \n \n Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n", "decision_type": "Beschluss", "court_level_of_appeal": "Bundesgericht", "date": "2018-03-01", "court_jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit", "court": "BSG", "slug": "bsg-2018-03-01-b-8-so-10417-b" }, { "text": "Tenor\n\n\n \n \n \n Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Mai 2017 wird zurückgewiesen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.\n \n \n \n \nTatbestand\n\n\n \n \n 1\n \n \n Der Kläger ist Geschäftsführer der von ihm und seinem Bruder A. (A) durch Gesellschaftsvertrag vom 30.10.2006 gegründeten, zu 1. beigeladenen GmbH. Nachdem am 25.9.2012 ein Beteiligungsvertrag mit der V. GmbH (V) sowie der S. GmbH (S) geschlossen worden war, wurde das Stammkapital durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom selben Tag um 8212 Euro auf 34 212 Euro erhöht. Davon halten der Kläger 15 600 Euro (45,6 vH), sein Bruder 10 400 Euro (30,4 vH) und V sowie S jeweils 4106 Euro (12 vH). Der von der Gesellschafterversammlung zugleich geänderte Gesellschaftsvertrag sieht für eine Beschlussfassung grundsätzlich die einfache Mehrheit, für bestimmte, ausdrücklich bezeichnete Gegenstände eine Mehrheit von 80 vH der abgegebenen Stimmen vor. In einer zum 1.1.2012 getroffenen "Stimmbindungsabrede" verpflichtete sich A, nur im "Sinne und nicht gegen den Willen" seines Bruders abzustimmen. Der am 25.9.2012 mit Wirkung zum 1.10.2012 vereinbarte "Geschäftsführer-Anstellungsvertrag" sieht vor, dass dem Kläger ein monatliches Bruttogehalt von 5500 Euro gezahlt (§ 4 Nr 1), ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt (§ 4 Nr 6), im Fall der Arbeitsunfähigkeit das Grundgehalt für sechs Wochen weitergezahlt (§ 5) und bezahlter Jahresurlaub von 26 Arbeitstagen gewährt wird (§ 6).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 2\n \n \n Der Kläger beantragte im Dezember 2012 die Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status als geschäftsführender Gesellschafter. Die Beklagte stellte daraufhin fest, dass seit dem 1.10.2012 die Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe (Bescheid vom 23.4.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.9.2013).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 3\n \n \n Während des Klageverfahrens ist dem Kläger von seinem Bruder durch notariellen Vertrag vom 11.8.2014 über "Option und Angebot zum Erwerb von Geschäftsanteilen" für die Zeit vom 1.5.2014 bis zum 1.8.2017 das unwiderrufliche Angebot unterbreitet worden, 1849 Geschäftsanteile zu je einem Euro zu erwerben. Das SG Berlin hat die Verwaltungsentscheidungen der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger wegen selbstständiger Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer nicht der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege (Urteil vom 24.6.2015). Das LSG Berlin-Brandenburg hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nicht selbstständig tätig. Er verfüge nicht über mindestens die Hälfte des Stammkapitals und habe damit keinen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft. Seine Sperrminorität beziehe sich nicht auf sämtliche den Geschäftsführer selbst betreffenden Angelegenheiten. Die Stimmbindungsabrede habe sowohl ordentlich als auch aus wichtigem Grund gekündigt werden können. Ein beherrschender Einfluss in der Gesellschafterversammlung ergebe sich schließlich nicht aus dem Angebot zum Erwerb von 1849 Geschäftsanteilen (Urteil vom 10.5.2017).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 4\n \n \n Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 2, 7 und 7a SGB IV, der §§ 103, 128 und 170 Abs 2 SGG sowie der §§ 35, 38 Abs 2, 45 und 46 GmbHG. Das LSG sei unter Verstoß gegen den Grundsatz der Vorhersehbarkeit unzutreffend von einer nicht umfassenden Sperrminorität ausgegangen. Es habe eine Bindung an Weisungen der Gesellschafterversammlung angenommen, ohne die nach dem Gesellschaftsvertrag zustimmungsbedürftigen Angelegenheiten festzustellen und auszuführen, bei welchen konkreten Maßnahmen keine Sperrminorität bestehen würde. Da er - der Kläger - einer Vertragsänderung zustimmen müsse, könne er sämtliche ihn betreffenden Weisungen verhindern. Auch seine Abberufung als Geschäftsführer bedürfe einer Mehrheit von 80 vH der abgegebenen Stimmen. Eine außerordentliche Kündigung der Stimmbindungsabrede sei nicht möglich. Solange das Unternehmen nicht verkauft sei, stelle die Kaufoption einen beherrschenden Einfluss sicher. Die angegriffene Entscheidung verstoße schließlich gegen die Rechtsprechung des BSG und sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Das LSG habe die Regelungen zur Beweiserhebung, Amtsermittlung sowie Beweiswürdigung verletzt und mit seinen überraschenden Ausführungen zum Optionsvertrag gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 5\n \n \n Der Kläger beantragt,das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Mai 2017 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juni 2015 zurückzuweisen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 6\n \n \n Die Beklagte beantragt,die Revision des Klägers zurückzuweisen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 7\n \n \n Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 8\n \n \n Die Beigeladenen stellen keine Anträge.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \nEntscheidungsgründe\n\n\n \n \n 9\n \n \n Die zulässige Revision ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 10\n \n \n Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23.4.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.9.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Nach einer Gesamtwürdigung der vom LSG für den Senat bindend festgestellten Tatsachen (dazu 1.) war der Kläger als Geschäftsführer in der Zeit vom 1.10.2012 (Beginn des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags) bis zum 10.5.2017 (Tag der mündlichen Verhandlung vor dem LSG) Beschäftigter der Beigeladenen zu 1. und damit versicherungspflichtig in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung (dazu 2.).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 11\n \n \n 1. Der Senat ist nach § 163 SGG an die Tatsachenfeststellungen des LSG gebunden, weil sie nicht mit zulässig erhobenen Verfahrensrügen angegriffen worden sind. Der Kläger hat entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG nicht alle Tatsachen bezeichnet, die den Verfahrensmangel ergeben.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 12\n \n \n Bei einem Verstoß gegen die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 103 SGG), muss der Revisionskläger die Tatsachen bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Hierzu gehört auch die Benennung konkreter Beweismittel, deren Erhebung sich dem LSG hätte aufdrängen müssen. Es ist ferner darzulegen, zu welchem Ergebnis nach Auffassung des Revisionsklägers die für erforderlich gehaltenen Ermittlungen geführt hätten und dass hieraus die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne den geltend gemachten Verfahrensfehler anders entschieden hätte (BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 30 RdNr 14 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Diesen Anforderungen ist nicht mit dem Vorbringen genügt, das LSG habe nur unzureichend die vertraglichen Regelungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. festgestellt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 13\n \n \n Auch die Rüge des Klägers, die Entscheidung des LSG beruhe auf einer fehlerhaften Beweiswürdigung, ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Er hätte darlegen müssen, dass das Berufungsgericht die Grenzen seiner ihm durch § 128 Abs 1 S 1 SGG eingeräumten Befugnis verletzt hat, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, weil gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen oder das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend berücksichtigt worden ist (BSG Urteil vom 18.6.2013 - B 2 U 6/12 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 22 RdNr 29 mwN). Daran fehlt es hier. Soweit ein Verstoß gegen Denkgesetze hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs "umfassend" behauptet wird, ist nicht dargetan, dass das LSG nur eine Folgerung hätte ziehen können, jede andere nicht folgerichtig "denkbar" ist und das Gericht die allein in Betracht kommende nicht gesehen hat (vgl BSG aaO RdNr 31 mwN).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 14\n \n \n Schließlich ist der gerügte Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens infolge einer Überraschungsentscheidung nicht hinreichend dargelegt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) soll zwar verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten. Daher darf ein Urteil nicht auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gestützt werden, die bisher nicht erörtert worden sind, wenn dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt. Allerdings ist das Gericht nicht verpflichtet, die Beteiligten auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (BSG Urteil vom 26.9.2017 - B 1 KR 31/16 R - SozR 4-7862 § 7 Nr 1 RdNr 27 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Weshalb dem LSG gleichwohl eine unangekündigte Auseinandersetzung mit dem vom Kläger selbst vorgelegten Beteiligungsvertrag verwehrt gewesen sein soll, hat die Revision nicht aufgezeigt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 15\n \n \n 2. Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 1 S 1 Nr 1 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.4.2006 , § 25 Abs 1 S 1 SGB III in der Fassung des Job-AQTIV-Gesetzes vom 10.12.2001 ) der Versicherungspflicht. Der Kläger war in diesem Sinn in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. abhängig beschäftigt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 16\n \n \n Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (S 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (S 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG Urteil vom 16.8.2017 - B 12 KR 14/16 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 31 RdNr 17 mwN und BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 30 RdNr 21 mwN, jeweils auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG Beschluss vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG Urteil vom 23.5.2017 - B 12 KR 9/16 R - SozR 4-2400 § 26 Nr 4 RdNr 24 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 17\n \n \n Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 17 mwN).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 18\n \n \n Diese Maßstäbe gelten auch für Geschäftsführer einer GmbH (vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 28 RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24, RdNr 17 ff), und zwar ungeachtet der konkreten Bezeichnung des der Geschäftsführertätigkeit zugrunde liegenden Vertrags. Dem steht nicht die Vorschrift des § 5 Abs 1 S 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) entgegen (dazu a). Vielmehr kommt es für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit zunächst darauf an, dass der Geschäftsführer am Gesellschaftskapital beteiligt ist (sog Gesellschafter-Geschäftsführer). Ein Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung (sog Fremdgeschäftsführer) ist ausnahmslos abhängig beschäftigt (dazu b). Selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer müssen zudem über eine Mindestkapitalbeteiligung von 50 vH oder eine "echte" Sperrminorität verfügen (dazu c). Außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) zustande gekommene, sich auf die Stimmverteilung auswirkende Abreden sind für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ohne Bedeutung (dazu d). Gemessen daran ist der Kläger abhängig beschäftigt (dazu e).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 19\n \n \n a) Eine abhängige Beschäftigung von Geschäftsführern ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil nach § 5 Abs 1 S 3 ArbGG Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung einer juristischen Person berufen sind, nicht als Arbeitnehmer gelten. Diese Regelung beschränkt sich auf das ArbGG und hat keine Bedeutung für das Sozialversicherungsrecht. Der Zugehörigkeit zu den Beschäftigten der juristischen Person steht auch nicht entgegen, dass Geschäftsführer im Verhältnis zu sonstigen Arbeitnehmern Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 78 f).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 20\n \n \n b) Bei einem Fremdgeschäftsführer scheidet eine selbstständige Tätigkeit generell aus (BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 79). Die frühere sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung, wonach ein Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft und ausnahmsweise auch ein Angestellter unterhalb der Geschäftsführerebene, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, ausnahmsweise als selbstständig angesehen worden ist, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn die Gesellschafter daran hinderten, hat der Senat ausdrücklich aufgegeben. Die Maßgeblichkeit des rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhaltens der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten, während im Fall eines Zerwürfnisses die rechtlich bestehende Weisungsgebundenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24, RdNr 29 f mwN; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 21\n \n \n c) Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 vH der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 vH der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (vgl BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 R 2/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 27 RdNr 28 mwN; BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 28 RdNr 24 mwN; BSG Urteil vom 29.6.2016 - B 12 R 5/14 R - Juris RdNr 39 ff; BSG Urteil vom 24.9.1992 - 7 RAr 12/92 - SozR 3-4100 § 168 Nr 8 S 16).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 22\n \n \n d) Die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht, die den Gesellschafter-Geschäftsführer in die Lage versetzt, die Geschicke der Gesellschaft bestimmen oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können, muss gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) bestehende wirtschaftliche Verflechtungen (vgl hierzu BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24, RdNr 27; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 26; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 R 14/10 R - Juris RdNr 30), Stimmbindungsabreden (vgl hierzu BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 13/14 R - BSGE 120, 59 = SozR 4-2400 § 7 Nr 26, RdNr 25) oder Veto-Rechte (vgl hierzu BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 28 RdNr 26) zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH sind nicht zu berücksichtigen. Sie vermögen die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben. Unabhängig von ihrer Kündbarkeit genügen die das Stimmverhalten regelnden Vereinbarungen nicht dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände. Im Interesse sowohl der Versicherten als auch der Versicherungsträger ist die Frage der (fehlenden) Versicherungspflicht wegen Selbstständigkeit oder abhängiger Beschäftigung schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil es darauf nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten der Sozialversicherungsträger und die Leistungsansprüche des Betroffenen ankommt (BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 13/14 R - BSGE 120, 59 = SozR 4-2400 § 7 Nr 26, RdNr 27 mwN).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 23\n \n \n e) Nach Maßgabe dieser Grundsätze war der Kläger nicht selbstständig tätig, sondern abhängig beschäftigt. Er war zwar Gesellschafter-Geschäftsführer, als Minderheitsgesellschafter mit 45,6 vH der Gesellschaftsanteile aber nicht in der Lage, seine minderheitsbedingte Weisungsgebundenheit aufzuheben oder abzuschwächen. Die ihm eingeräumte ("unechte") Sperrminorität erstreckte sich ausschließlich auf bestimmte Bereiche und nicht allumfassend auf die gesamte Unternehmenstätigkeit, sodass er nicht jegliche Weisungen durch die Mehrheitsgesellschafter hätte verhindern können. Die mit seinem Bruder getroffene "Stimmbindungsabrede" ist schon unbeachtlich, weil es sich hierbei nicht um eine durch Gesellschaftsvertrag zustande gekommene Vereinbarung handelt. Dasselbe gilt für die unwiderrufliche Option zum Erwerb von Geschäftsanteilen. Unabhängig davon ist nicht eine "optionale" Stimmführerschaft, sondern die im zu beurteilenden Zeitraum faktisch verteilte Rechtsmacht maßgebend.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 24\n \n \n Im Übrigen wird die bereits aus der Stellung als Minderheitsgesellschafter ohne "echte" Sperrminorität resultierende Zuordnung als abhängig Beschäftigter durch den zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. abgeschlossenen "Geschäftsführer-Anstellungsvertrag" bestätigt, der typische Regelungen einer Beschäftigung enthält. Danach wird dem Kläger für seine Geschäftsführertätigkeit ein monatliches Bruttogehalt von 5500 Euro gezahlt und ist ein Urlaubsanspruch von jährlich 26 Tagen sowie bei Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung für sechs Wochen vorgesehen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 25\n \n \n 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 SGG.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n", "decision_type": "Urteil", "court_level_of_appeal": "Bundesgericht", "date": "2018-03-14", "court_jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit", "court": "BSG", "slug": "bsg-2018-03-14-b-12-kr-1317-r" }, { "text": "Tenor\n\n\n \n \n \n Die Verfahren zu den Aktenzeichen B 13 R 28/17 R und B 13 R 285/17 B werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. August 2017 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n Der Antrag des Klägers, ihm für das Revisionsverfahren gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. August 2017 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n Die Revision des Klägers gegen dieses Urteil wird als unzulässig verworfen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren und das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.\n \n \n \n \nGründe\n\n\n \n \n 1\n \n \n I. Das LSG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 8.8.2017 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Mainz vom 15.2.2016 zurückgewiesen. Das SG hatte in diesem Urteil einen Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen Erwerbsminderung verneint.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 2\n \n \n Gegen das am 21.8.2017 zugestellte Urteil des LSG hat der Kläger mit einem von ihm selbst verfassten, am 5.9.2017 beim BSG eingegangenen Schreiben vom 31.8.2017 "Beschwerde" eingelegt bzw die "Bewilligung der Beschwerde" und die "Überprüfung des Urteils" beantragt. Statt einer beantragten orthopädischen Begutachtung unter Berücksichtigung der Schmerzsymptomatik sei eine Begutachtung durch Dr. N. angeordnet worden, obwohl er (der Kläger) auf neurologischem Gebiet völlig gesund sei. Wegen im Gutachten behaupteter, tatsächlich nicht erfolgter Untersuchungen habe sein damaliger Prozessbevollmächtigter sofort Beschwerde eingelegt und ein neues Gutachten beantragt. Dennoch habe das LSG die für den 8.8.2017 angesetzte mündliche Verhandlung durchgeführt. Mit Schriftsatz vom 20.9.2017 haben die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. beantragt. Zur Begründung führen sie aus, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, das angefochtene Urteil weiche von der Rechtsprechung des BSG ab und weise Verfahrensmängel sowie eine Verletzung des § 103 SGG auf. Mit weiterem Schriftsatz vom selben Tag haben sie auch Revision gegen das Urteil des LSG eingelegt und auch für dieses Verfahren PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. beantragt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 3\n \n \n Der Senat hat mit Schreiben des damaligen Berichterstatters vom 21.9.2017 auf Zweifel an der Statthaftigkeit der Revision hingewiesen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 4\n \n \n II. 1. Der Antrag des Klägers auf Gewährung von PKH zur Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 8.8.2017 ist abzulehnen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 5\n \n \n Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG ua nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die vom Kläger eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG nicht erfolgreich sein kann. Der Kläger hat PKH für eine von ihm selbst und nochmals von einem beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unbedingt eingelegte und bis zum Ablauf der Begründungsfrist am 23.10.2017 bereits begründete Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt. Die Revision wäre daher nur zuzulassen, wenn mit dieser Beschwerde einer der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG genannten Zulassungsgründe in der gemäß § 160a Abs 2 S 3 SGG vorgeschriebenen Form dargelegt wäre und (voraussichtlich) tatsächlich vorläge. Solche Erfolgsaussicht besteht hier nicht, weil die Beschwerde unzulässig ist (dazu unten 2.).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 6\n \n \n Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 7\n \n \n 2. Die unabhängig vom Antrag auf Bewilligung von PKH eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 8\n \n \n \n \n \n \n \n \n Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn\n \n \n \n \n - \n \n \n die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder\n \n \n \n \n - \n \n \n das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder\n \n \n \n \n - \n \n \n bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 9\n \n \n Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 10\n \n \n a) Die lediglich eine Seite umfassende Beschwerdebegründung des Klägers im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 20.9.2017 genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz. Er benennt in der Beschwerdebegründung bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, Anwendbarkeit oder zur Vereinbarkeit einer revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht von grundsätzlicher Bedeutung (vgl § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen einer Grundsatzrüge prüfen kann (stRspr, zB BSG Beschluss vom 7.11.2017 - B 13 R 153/17 B - Juris RdNr 17; Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 181). Ebenso wenig benennt er Rechtssätze des LSG und des BSG, die sich iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG widersprechen. Dies ist jedoch unerlässlich, wenn sich - wie hier durch den Kläger - auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) berufen wird. Es sind in der Beschwerdebegründung entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze aus dem Urteil des Berufungsgerichts sowie aus einem Urteil des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberzustellen und Ausführungen dazu zu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (stRspr, zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 13). Vorliegend werden jedoch bereits diese Mindestanforderungen verfehlt. Über die bloße Behauptung des Vorliegens dieser Revisionszulassungsgründe hinaus mangelt es an jeglichen Ausführungen zu deren Begründung.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 11\n \n \n b) Die Beschwerdebegründung des Klägers genügt auch nicht den Darlegungsanforderungen an den vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 12\n \n \n Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81, 82; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daran fehlt es.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 13\n \n \n Als Verfahrensmangel wird in der Beschwerdebegründung vom 20.9.2017 konkret allein ein Verstoß des LSG gegen § 103 SGG geltend gemacht, also eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht. Das LSG habe den Sachverhalt durch das auf nervenärztlichem Fachgebiet eingeholte Gutachten als ausreichend aufgeklärt gehalten. Es habe übersehen, dass nur durch ein orthopädisches Gutachten mit Schmerzdiagnostik zu klären gewesen sei, ob und inwieweit er (der Kläger) erwerbsgemindert sei. Dies entspricht inhaltlich dem Vorbringen des Klägers im Schreiben vom 31.8.2017.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 14\n \n \n Den oben genannten Anforderungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG an die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des § 103 SGG wird die Beschwerdebegründung jedoch damit nicht gerecht. Der Kläger hat nicht aufgezeigt, dass er einen entsprechenden (prozessordnungsgemäßen) Beweisantrag gestellt und - wie zwingend erforderlich - bis zuletzt vor dem Berufungsgericht aufrechterhalten hat. Er trägt zwar vor, der (vormalige) Prozessbevollmächtigte des Klägers "stellte in der Berufungsinstanz am 07.06.2016 Antrag auf Einholung eines neuen zusammenfassenden Sachverständigengutachtens unter Berücksichtigung der orthopädischen Fachrichtung und der Schmerzdiagnostik, unter Aufrechterhaltung des Antrags". Ein - wie der Kläger - in der Berufungsinstanz bereits anwaltlich vertretener Beteiligter kann aber nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (stRspr, zB BSG Beschluss vom 31.10.2012 - B 13 R 107/12 B - SozR 4-2600 § 43 Nr 19 RdNr 20 mwN). Beides hat der Kläger nicht vorgebracht. Anderenfalls hätte er sich auch damit auseinandersetzen müssen, dass ein entsprechender Hinweis im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8.8.2017 tatsächlich nicht vorhanden ist. Der Kläger macht auch nicht geltend, er oder sein Prozessbevollmächtigter sei vom LSG im Verhandlungstermin an der Stellung eines entsprechenden (prozessordnungsgemäßen) Beweisantrags iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG iVm § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 403 ZPO gehindert worden.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 15\n \n \n Soweit sich der Kläger darüber hinaus in seinem Schreiben vom 31.8.2017 auf Mängel des Gutachtens Dr. N. und eine diesbezügliche Rüge seines damaligen Prozessbevollmächtigten beruft, die das LSG nicht berücksichtigt habe, wird dieser Vortrag in der Beschwerdebegründung seiner Prozessbevollmächtigten vom 20.9.2017 nicht wiederholt. Bereits deshalb ist er für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht erheblich.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 16\n \n \n c) Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 17\n \n \n 3. Der Antrag des Klägers auf Gewährung von PKH zur Durchführung des Revisionsverfahrens gegen das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 8.8.2017 ist abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet nicht die nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg. Solche Erfolgsaussicht besteht hier nicht, weil die Revision nicht statthaft ist (dazu unten 4.). Damit entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 18\n \n \n 4. Die unabhängig vom Antrag auf Bewilligung von PKH eingelegte Revision ist gemäß § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 19\n \n \n Nach § 160 Abs 1 SGG steht den Beteiligten gegen Urteile des LSG die Revision an das BSG nur zu, wenn sie in der Entscheidung des LSG oder in dem Beschluss des BSG nach § 160a Abs 4 S 1 SGG zugelassen worden ist. Letzteres ist vorliegend nicht der Fall (s oben Tenor und unter 2.).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 20\n \n \n Entgegen der auf das Hinweisschreiben des Senats geäußerten Ansicht des Klägers hat auch das LSG die Revision im angefochtenen Urteil nicht zugelassen. Dem steht nicht entgegen, dass das LSG am Ende der Entscheidungsgründe lediglich feststellt, "Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor" und den Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG unerwähnt lässt. Zwar ist anerkannt, dass die Zulassung der Revision nicht notwendig im Tenor erfolgen muss, sondern auch in den Entscheidungsgründen erfolgen kann (BSG Beschluss vom 30.6.2008 - B 2 U 1/08 RH - SozR 4-1500 § 160 Nr 17 RdNr 11 mwN; BSG Urteil vom 29.6.1977 - 11 RA 94/76 - SozR 1500 § 161 Nr 16), sofern sie eindeutig ausgesprochen wird (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 24a mwN; Voelzke in juris-PK SGG, § 160 RdNr 58). Jedoch ergibt die Auslegung des Wortlauts des angefochtenen Urteils unzweifelhaft, dass keine Revisionszulassung durch das LSG vorliegt. Das LSG hat ausdrücklich festgestellt, dass Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG nicht vorliegen. Dem entgegenstehende Anhaltspunkte liegen nicht vor.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 21\n \n \n Zu einer vermeintlichen Zulassung nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hat sich das LSG nicht geäußert. Ein solches Schweigen des LSG ist grundsätzlich als Nichtzulassung auszulegen (BSG Beschluss vom 30.6.2008 - B 2 U 1/08 RH - SozR 4-1500 § 160 Nr 17 RdNr 12 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 24 mwN; Voelzke in juris-PK SGG, § 160 RdNr 59). Darüber hinaus dürfte eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG im Urteil eines LSG kaum in Betracht kommen (vgl Voelzke in juris-PK SGG, § 160 RdNr 54), da einer solchen Zulassung nur eigene Verfahrensmängel zugrunde liegen könnten. Solche hätte ein LSG jedoch ausgeräumt, hätte es sie vor Beschlussfassung über das Urteil und dessen Verkündung bemerkt. Ohne dass ein LSG seinen Fehler bemerkt, hätte es aber keinen Anlass für eine solche Zulassung. Schließlich war dem Urteil auch eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, wonach es nur dann mit der Revision angefochten werden könne, wenn diese nachträglich vom BSG zugelassen werde. Eine Zulassungsentscheidung des LSG scheidet danach aus.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 22\n \n \n 5. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG, die der Revision gemäß § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 23\n \n \n 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; bezüglich der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch auf einer entsprechenden Anwendung dieser Norm.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n", "decision_type": "Beschluss", "court_level_of_appeal": "Bundesgericht", "date": "2018-02-21", "court_jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit", "court": "BSG", "slug": "bsg-2018-02-21-b-13-r-2817-r-b-13" }, { "text": "Tenor\n\n\n \n \n \n Auf die Erinnerung wird in dem Verzeichnis der Pauschgebühren des Bundessozialgerichts für das Quartal IV/2016 vom 11. Januar 2017 die Feststellung, dass die Erinnerungsführerin für das Revisionsverfahren B 14 AS 5/15 R eine Gebühr in Höhe von 300 Euro schulde, aufgehoben.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n Kosten für das Erinnerungsverfahren sind nicht zu erstatten.\n \n \n \n \nGründe\n\n\n \n \n 1\n \n \n I. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) wendet sich als Erinnerungsführerin gegen die Feststellung einer Gebührenschuld (Pauschgebühren) für das Revisionsverfahren B 14 AS 5/15 R, an dem sie als Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionsklägerin beteiligt war. In diesem Verfahren stritten sich die Beteiligten ausschließlich über die Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Aufwendungen für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im isolierten Widerspruchsverfahren. In dem Widerspruchsverfahren begehrte die (spätere) Klägerin, eine Empfängerin von Leistungen nach dem SGB II, erfolgreich die Aufhebung der von der BA im Schreiben vom 23.10.2011 gegen sie festgesetzten Mahngebühr in Höhe von 7,85 Euro. Die BA hatte die zugrunde liegende Mahnung "für das zuständige Jobcenter" veranlasst, dem die Klägerin die Rückzahlung zurückgeforderter SGB II-Leistungen in Höhe von 1512,78 Euro schuldete. Nähere Angaben dazu, welche Leistungen (iS von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 oder Nr 2 SGB II) die Rückforderung bzw Mahnung betraf bzw auf welcher Grundlage die BA hier die Vollstreckung für das Jobcenter betrieb, finden sich weder im Revisionsurteil B 14 AS 5/15 R noch in der Gerichtsakte des BSG.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 2\n \n \n Gegen die Mitteilung des sie betreffenden Auszugs aus dem Verzeichnis der Pauschgebühren für das Quartal IV/2016 vom 11.1.2017, zugestellt am 16.1.2017, hat die BA mit Schreiben vom 17.1.2017 Erinnerung eingelegt. Sie macht geltend, dass sie in der Streitsache B 14 AS 5/15 R als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende tätig geworden und deshalb gemäß § 64 Abs 3 S 2 SGB X im Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit von den Gerichtskosten befreit sei. Sie beantragt die Aufhebung der Feststellung einer Gebührenschuld von 300 Euro für dieses Verfahren.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 3\n \n \n Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Dem hat sich der Kostenprüfungsbeamte angeschlossen und die Sache dem Kostensenat zur Entscheidung vorgelegt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 4\n \n \n II. Die zulässige Erinnerung hat Erfolg. Die Erinnerungsführerin schuldet für das Revisionsverfahren B 14 AS 5/15 R keine Gerichtskosten nach § 184 SGG, weil sie in dem Verfahren als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende tätig geworden und deshalb von Gerichtskosten freigestellt ist.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 5\n \n \n 1. Über die Erinnerung hat nach der Zuweisung in RdNr 6 Nr 2 S 1 des Geschäftsverteilungsplans des BSG für das Jahr 2018 der 6. Senat als Kostensenat zu entscheiden. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss des Senats ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs 1 S 2 iVm § 33 Abs 1 S 2, § 40 S 1 SGG). Während ansonsten in kostenrechtlichen Verfahren der Erinnerung nach dem GKG bzw dem RVG nunmehr auch in dritter Instanz grundsätzlich eine Entscheidung durch den Einzelrichter vorgesehen ist (vgl § 66 Abs 6 S 1 GKG bzw § 33 Abs 8 S 1 RVG - s dazu BGH Beschluss vom 23.4.2015 - I ZB 73/14 - NJW 2015, 2194), lässt das SGG bislang auch bei Erinnerungen (§§ 178, 189 Abs 2 S 2 SGG) ein Tätigwerden des Einzelrichters lediglich im Rahmen des § 155 Abs 2 S 1 Nr 5, Abs 3 und 4 SGG zu (Reichel in Zeihe/Hauck , SGG, Stand August 2017, § 189 RdNr 10a). Im Verfahren vor dem BSG findet § 155 Abs 2 bis 4 SGG jedoch gemäß § 165 S 2 SGG generell keine Anwendung. Das hat zur Folge, dass beim BSG über Kostenerinnerungen nach § 189 Abs 2 S 2 SGG der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern zu befinden hat.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 6\n \n \n 2. Die Erinnerung gegen die Feststellung der (Pausch-)Gebührenschuld ist gemäß § 189 Abs 2 S 2 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere hat die Erinnerungsführerin den Rechtsbehelf innerhalb der Frist von einem Monat nach Zustellung des Auszugs aus dem Gebührenverzeichnis, welcher die Festsetzung für das Verfahren B 14 AS 5/15 R enthielt, eingelegt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 7\n \n \n 3. Die Erinnerung hat in der Sache Erfolg. Für das Verfahren B 14 AS 5/15 R dürfen zu Lasten der Erinnerungsführerin keine Gerichtskosten festgestellt werden. Zu ihren Gunsten greift hier die Befreiung der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende von Gerichtskosten in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 184 Abs 3 SGG iVm § 2 Abs 3 S 1 GKG und § 64 Abs 3 S 2 SGB X ein.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 8\n \n \n a) Grundsätzlich kommt der BA in sozialgerichtlichen Verfahren - insbesondere in Angelegenheiten der Arbeitsförderung nach § 51 Abs 1 Nr 4 SGG - allerdings keine Kostenfreiheit zugute. Ungeachtet der Frage, ob sie als "öffentliche Anstalt" iS von § 2 Abs 1 S 1 GKG angesehen werden kann (§ 367 Abs 1 SGB III - vgl Petzold in Hauck/Noftz, SGB III, K § 367 RdNr 5, Stand der Einzelkommentierung Dezember 2017; Solka in juris-PK SGB III, 2014, § 367 RdNr 25 bis 28), wird sie jedenfalls nicht unmittelbar nach dem Haushaltsplan des Bundes verwaltet (s dazu BGH \n Beschluss vom 10.12.2008 - KVR 54/07 - Juris RdNr 3), sondern stellt ihren eigenen Haushalt auf (§ 1 Abs 1 S 2 und 3 iVm §§ 67 ff, § 71a SGB IV). Schon deshalb erfüllt die BA die Voraussetzungen für eine Kostenbefreiung nach § 184 Abs 3 SGG iVm § 2 Abs 1 GKG nicht (Meyer, GKG/FamGKG, 16. Aufl 2018, § 2 RdNr 17; Hartmann, Kostengesetze, 47. Aufl 2017, § 2 GKG RdNr 8; s auch B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 184 RdNr 4).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 9\n \n \n b) Die Kostenbefreiung der BA ergibt sich hier jedoch aus den gemäß § 184 Abs 3 SGG entsprechend anwendbaren Bestimmungen in § 2 Abs 3 S 1 GKG iVm § 64 Abs 3 S 2 SGB X (letztgenannte Vorschrift in der ab 1.8.2006 geltenden Fassung von Art 6 Nr 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706; die nachfolgende Änderung zum 1.9.2009 durch das FGG-Reformgesetz vom 17.12.2008, BGBl I 2586, ist für Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ohne Bedeutung). Nach dieser Vorschrift sind (ua) die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit von den Gerichtskosten befreit, wobei § 197a SGG unberührt bleibt. Da die Klägerin des Verfahrens B 14 AS 5/15 R zum Kreis der nach § 183 S 1 SGG Kostenprivilegierten gehört, ist der Vorrang der Regelung in § 197a SGG hier ohne Belang.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 10\n \n \n Die BA erfüllt in dem zugrunde liegenden Rechtsstreit B 14 AS 5/15 R die Voraussetzungen für eine Gerichtskostenbefreiung nach § 64 Abs 3 S 2 SGB X. Sie ist gemäß § 19a Abs 2 S 1 SGB I und § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II (idF des ab 1.1.2011 geltenden Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010, BGBl I 1112) zuständiger Träger für bestimmte Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, soweit nicht im Einzelfall ein kommunaler Träger (Optionskommune) an ihrer Stelle als Träger dieser Leistungen zugelassen ist (§ 6a Abs 1 und 5 SGB II). Selbst wenn die Aufgaben der BA als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende tatsächlich von der gemeinsamen Einrichtung nach § 44b Abs 1 SGB II unter der Bezeichnung "Jobcenter" (§ 6d SGB II) wahrgenommen werden, stellt das die Leistungsträgerschaft (§ 12 SGB I) der BA nicht in Frage (§ 44b Abs 1 S 2 Halbs 2 SGB II; zur Unterscheidung von Wahrnehmungszuständigkeit und Leistungszuständigkeit s auch Knapp in juris-PK SGB II, 4. Aufl 2015, § 44b RdNr 24 ff). Aber auch falls ein kommunaler Träger nach § 6a SGB II zugelassen wurde, übernimmt dieser nicht sämtliche Aufgaben der BA als Träger der Grundsicherung. Vielmehr verbleiben gemäß § 6b Abs 1 S 1 Halbs 2 SGB II die dort einzeln aufgezählten Aufgaben in jedem Fall bei der BA. Dazu gehören insbesondere die sich aus § 44b SGB II ergebenden Aufgaben. Damit ist die BA in allen vom Gesetz ermöglichten Organisationsformen des Vollzugs des SGB II funktional als mit Aufgaben eines Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende betraut anzusehen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 11\n \n \n Allerdings reicht nach der Rechtsprechung des BGH die bloße Eigenschaft einer Behörde als Träger der in § 64 Abs 3 S 2 Teils 2 SGB X genannten Sozialleistungen für eine Freistellung von Gerichtskosten nicht aus. Vielmehr setzt der Sinn und Zweck der Vorschrift voraus, dass auch das konkrete Verfahren von dem Sozialleistungsträger gerade in dieser Eigenschaft geführt wird; das Verfahren muss also einen engen sachlichen Zusammenhang zu der gesetzlichen Tätigkeit als Träger der in der Vorschrift genannten Sozialleistungen haben (BGH Beschluss vom 10.11.2005 - IX ZR 189/02 - Juris RdNr 6 f; BGH Beschluss vom 28.9.2016 - XII ZB 251/16 - Juris RdNr 30). Dem schließt sich der Senat für den Bereich der sozialgerichtlichen Verfahren an. Auch insoweit ist eine Freistellung lediglich bestimmter Sozialleistungsträger von Gerichtskosten nach dem Sinn und Zweck des § 64 Abs 3 S 2 SGB X nur dann gerechtfertigt, wenn das konkrete Gerichtsverfahren von dem Träger gerade in der Eigenschaft geführt wird, die Grund für die kostenrechtliche Privilegierung dieses Sozialleistungsträgers war.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 12\n \n \n Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang mit der gesetzlichen Tätigkeit als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist bei der BA immer dann anzunehmen, wenn sie - objektiv betrachtet - in dem zugrunde liegenden Verfahren eine Aufgabe im Rahmen des Vollzugs des SGB II wahrnimmt. Ob die BA diese Aufgabe im konkreten Einzelfall rechtmäßig wahrgenommen hat, spielt hingegen für die Frage, ob ausnahmsweise in einem nachfolgenden sozialgerichtlichen Verfahren für sie Kostenfreiheit besteht, keine Rolle. Danach bedarf es für die Entscheidung der Kostenbeamten, ob Pauschgebühren zu erheben sind oder davon wegen Gerichtskostenfreiheit abzusehen ist, keiner Ermittlungen, ob eine Aufgabenübertragung vom Jobcenter auf die BA gemäß § 44b Abs 4 und 5 SGB II im Einzelfall ordnungsgemäß vorgenommen worden ist (ebenso Hessisches LSG Beschluss vom 27.5.2016 - L 2 SF 15/16 - Juris RdNr 14; aA Thüringer LSG Beschluss vom 19.2.2015 - L 6 SF 70/14 E - Juris RdNr 4, 8 sowie Beschluss vom 11.6.2015 - L 6 SF 502/15 E - Juris RdNr 4, 9 ff). Vielmehr besteht Kostenfreiheit nach § 64 Abs 3 S 2 SGB X bereits dann, wenn sich aus dem Streitgegenstand des Verfahrens ergibt, dass die BA daran im Rahmen ihrer Aufgaben zum Vollzug des SGB II beteiligt war.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 13\n \n \n So verhält es sich hier. Dem Rechtsstreit B 14 AS 5/15 R über die Höhe zu erstattender Kosten für das Widerspruchsverfahren lag eine Mahnung zugrunde, welche die BA zum Einzug von Forderungen aus Bescheiden des zuständigen Jobcenters veranlasst hatte. Die BA wurde dabei "als Rechtsträgerin der die Vollstreckung für das Jobcenter betreibenden Stelle" tätig (BSG Urteil vom 9.3.2016 - BSGE 121, 49 = SozR 4-1300 § 63 Nr 24, RdNr 12). Damit bestand ein enger sachlicher Zusammenhang mit der Tätigkeit der BA als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der die Kostenfreiheit im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 64 Abs 3 S 2 SGB X zur Folge hat (im Ergebnis ebenso Hessisches LSG Beschluss vom 27.5.2016 - L 2 SF 15/16 - Juris RdNr 12 ff; Mutschler in Kasseler Kommentar, § 64 SGB X RdNr 18, Stand Einzelkommentierung Juni 2014; Feddern in juris-PK SGB X, 2. Aufl 2017, § 64 RdNr 55; Lange in juris-PK SGG, 2017, § 184 RdNr 47; J. Krauß in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 184 RdNr 18).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 14\n \n \n 4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG (vgl BSG Beschluss vom 29.9.2017 - B 13 SF 8/17 S - Juris RdNr 30). Die Erinnerungsführerin, die zu den in § 184 Abs 1 SGG genannten Gebührenpflichtigen gehört, weil sie nicht dem Kreis der Kostenprivilegierten gemäß § 183 SGG unterfällt, erhält trotz des Erfolgs der Erinnerung gemäß § 193 Abs 4 SGG keine Erstattung ihrer Aufwendungen. Gesonderte Gerichtskosten fallen für das Verfahren der Erinnerung nicht an, da es keine eigenständige "Streitsache" iS des § 184 Abs 1 S 1 SGG darstellt. Das entspricht in der Sache der Regelung in § 66 Abs 8 GKG, die bei Erinnerungen gegen den Ansatz von Gerichtskosten nach dem GKG zur Anwendung gelangt.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n", "decision_type": "Beschluss", "court_level_of_appeal": "Bundesgericht", "date": "2018-02-19", "court_jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit", "court": "BSG", "slug": "bsg-2018-02-19-b-6-sf-317-s" }, { "text": "Tenor\n\n\n \n \n \n Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. August 2016 wird als unzulässig verworfen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.\n \n \n \n \nGründe\n\n\n \n \n 1\n \n \n I. In dem der Beschwerde zu Grunde liegenden Rechtsstreit steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung in Streit.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 2\n \n \n Der Rentenantrag der Klägerin blieb erfolglos (Bescheid der Beklagten vom 1.9.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.11.2010). Das hiergegen von der Klägerin angerufene SG hat Auskünfte von sachverständigen Zeugen eingeholt sowie ein Sachverständigengutachten bei dem Neurologen und Psychiater Dr. H. in Auftrag gegeben. Auf Grundlage dessen hat es die Klage durch Urteil vom 12.7.2012 abgewiesen. Das LSG hat die Berufung der Klägerin hiergegen zurückgewiesen (Beschluss vom 12.8.2013). Auf die Beschwerde der Klägerin hat das BSG die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen (Beschluss vom 12.8.2013).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 3\n \n \n Das LSG hat im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut Auskunft bei dem die Klägerin behandelnden Arzt eingeholt und sodann ein Sachverständigengutachten bei dem Leiter des Instituts für psychische Begutachtung S. Prof. Dr. T. in Auftrag gegeben. Das Gutachten hat die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. verfasst. Prof. Dr. T. r hat bekundet, es überprüft zu haben und aufgrund eigener Urteilsbildung einverstanden zu sein. In einer vom LSG eingeholten ergänzenden Stellungnahme haben die beiden ihre Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin für unter 6 Stunden täglich sowie die Notwendigkeit gezielter Pausen bestätigt. Der weitere vom LSG beauftragte Sachverständige Dr. S. (Neurologe und Psychiater/Psychotherapeut) hat die quantitative Leistungsfähigkeit der Klägerin mit mindestens 6 Stunden für leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen beurteilt. Nach zahlreichen Einwänden der Klägerin hiergegen hat das Berufungsgericht ein orthopädisches Sachverständigengutachten bei Dr. B. eingeholt. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin könne in einem zeitlichen Umfang von 6 Stunden täglich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 4\n \n \n Zu dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. T. sowie dessen ergänzender Stellungnahme hat die Beklagte mitgeteilt, dass sie diesem nach prüfärztlicher Stellungnahme nicht folgen könne; der Einschätzung des Dr. S. hat sie sich hingegen angeschlossen. Durch Schreiben vom 22.2.2016 hat das LSG die Beteiligten darauf hingewiesen, dass "…das von Dr. H. erstattete Gutachten fraglich verwertbar sein dürfte, nach dem der vom Senat zum Sachverständigen ernannte Prof. Dr. T. das Gutachten nicht erstattet hat" (Bl 91 GAkte). Die Klägerin hat hierzu am 7.3.2016 schriftsätzlich ausgeführt, dass sie keine Bedenken im Hinblick auf die Verwertbarkeit des Gutachtens habe. Zweifel an der Erstellung durch den beauftragen Sachverständigen seien durch Veranlassung einer Erklärung von diesem zu beseitigen. Der Senat werde gebeten, eine entsprechende Erklärung des Sachverständigen einzuholen (Bl 95 GAkte). Die Beklagte hat sich hierzu nicht geäußert und nach der Übersendung des Sachverständigengutachtens des Dr. B. ohne weitere inhaltliche Einlassung mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Letzteres hat die Klägerin abgelehnt und nach der Anhörung zu einer Entscheidung gemäß § 153 Abs 4 SGG erklärt, alle Beweisanträge aus den Schriftsätzen vom 11.2. und 7.3.2016 aufrechtzuerhalten.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 5\n \n \n Das LSG hat alsdann die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, die weitere Sachaufklärung habe eine rentenberechtigende Leistungseinschränkung der Klägerin nicht bestätigt. Insoweit hat es sich auf die Sachverständigengutachten der Dres. S. und B. gestützt. Das Gutachten des Prof. Dr. T. könne hingegen nicht als Entscheidungsgrundlage dienen, denn es sei nicht verwertbar. Eine Befragung des Prof. Dr. T. zu dem Umfang seiner Beteiligung an dem Gutachten und dessen Schlussbewertung erübrige sich, nachdem die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen Dr. S. geäußert habe, sie sei in dem Institut für psychische Begutachtung von einer Frau "untersucht" worden. Den älteren Herrn dort habe sie nicht gesprochen (Beschluss vom 1.8.2016).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 6\n \n \n Das LSG hat die Revision in dem benannten Beschluss nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde an das BSG und rügt Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 7\n \n \n II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 31.10.2016 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 8\n \n \n Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 9\n \n \n 1) Die Klägerin rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs iS des § 62 SGG, Art 103 GG. Zur Begründung bringt sie vor, das LSG habe bei seiner Entscheidungsfindung zu Unrecht das Gutachten des Prof. Dr. T. nebst seiner ergänzenden Stellungnahme nicht berücksichtigt, weil es dieses als nicht verwertbar angesehen habe. Zwar habe das LSG angenommen, Prof. Dr. T. habe Dr. H. unerlaubt mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt. Das LSG habe insoweit jedoch verkannt, dass ein diesbezüglicher Mangel durch Rügeverzicht geheilt werden könne, wovon hier auszugehen sei. Die Beklagte habe den Mangel nicht beanstandet (hierzu b). Jedenfalls hätte das LSG, nachdem es den Beteiligten seine Auffassung der fraglichen Verwertbarkeit des Gutachtens durch Schreiben vom 22.2.2016 mitgeteilt hatte, die Beklagte auffordern müssen, sich zur Rüge der "Unverwertbarkeit" zu verhalten (hierzu a).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 10\n \n \n a) Mit letzterem Vorbringen legt die Klägerin nicht dar, dass sie in ihrem rechtlichen Gehör verletzt worden sei, sondern allenfalls die Beklagte. Insoweit mangelt es bereits an einer hinreichenden Bezeichnung eines sie betreffenden Gehörsverstoßes iS des § 160a Abs 2 S 3 letzter Halbsatz SGG. Zwar kann sich derjenige auf einen Anspruch auf rechtliches Gehör stützen, der nach der maßgeblichen Verfahrensordnung an einem gerichtlichen Verfahren als Partei oder in parteiähnlicher Stellung beteiligt oder unmittelbar rechtlich von dem Verfahren betroffen ist (stRspr; vgl etwa BVerfG Beschluss vom 14.4.1987 - 1 BvR 332/86 - BVerfGE 75, 201 <215> - Juris RdNr 49). Jedoch stellt dieses Verfahrensgrundrecht eine justizielle Ausprägung der Würde der Person dar, die insoweit fordert, dass über ihr Recht nicht kurzerhand von Obrigkeits wegen verfügt wird; der Einzelne soll nicht nur Objekt der richterlichen Entscheidung sein, sondern er soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (stRspr; vgl BVerfG Beschluss vom 9.3.1983 - 2 BvR 315/83 - BVerfGE 63, 332 <337> - Juris RdNr 22; s auch BVerfG Kammerbeschluss vom 14.1.1991 - 1 BvR 41/88 - NJW 1991, 2078 - Juris RdNr 3). Hieraus folgt, dass derjenige, der sich auf eine Gehörsverletzung beruft, darlegen muss, dass er selbst von dieser betroffen ist; ihm also die Äußerungsmöglichkeit versagt worden ist. Das ist hier, wo eine fehlende Aufforderung zur Äußerung an die Gegenseite, verbunden mit deren "Nichtäußerung" bemängelt wird, nicht der Fall.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 11\n \n \n b) Auch mit dem Vorbringen zur Heilung der "Unverwertbarkeit" des Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. T. genügt die Klägerin den Darlegungsanforderungen für einen durchgreifenden Verfahrensmangel nicht.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 12\n \n \n aa) Dies gilt selbst dann, wenn man annehmen wollte, es genüge für die Bezeichnung einer Gehörsverletzung vorzubringen, durch die Verletzung des Gehörs des anderen Beteiligten mittelbar betroffen zu sein; hier aufgrund dessen, dass das LSG - ohne weitere Nachfrage bei der Beklagten - deren Schweigen zum Hinweis der Unverwertbarkeit des Gutachtens nicht als Rügeverzicht gewertet hat. Insoweit mangelt es bereits an Darlegungen dazu, was die Beklagte auf eine solche Aufforderung des LSG vorgebracht hätte, und dass auf Grundlage dieses Vorbringens eine Entscheidung zu Gunsten der Klägerin ergangen wäre.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 13\n \n \n Zu letzterem macht die Klägerin zwar geltend, dass dann, wenn das LSG den Rügeverzicht der Beklagten beachtet hätte, es möglicherweise das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. T. seiner Entscheidungsfindung, mit einem für sie positiven Ergebnis im Sinne des verfolgten Anspruchs, zugrunde gelegt hätte. Es hätte jedoch zunächst näherer Ausführungen der Klägerin dazu bedurft, warum zu erwarten gewesen wäre, dass die Beklagte der Unverwertbarkeit des betreffenden Sachverständigengutachtens auf eine weitere ausdrückliche Nachfrage des LSG widersprochen hätte. Denn bei einer Rüge eines unterlassenen Hinweises des Gerichts ist darzulegen, wie der Betroffene auf einen entsprechenden Hinweis reagiert, insbesondere welche tatsächlichen Angaben oder für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen er gemacht hätte (BAG Beschluss vom 14.3.2005 - 1 AZN 1002/04 - BAGE 114, 67 - Juris RdNr 5). Allein das Vorbringen, die Beklagte habe auf die Rüge der Unverwertbarkeit verzichtet, weil sie sich zu dem Hinweis des LSG auf die fragliche Unverwertbarkeit nicht geäußert habe, genügt insoweit jedenfalls nicht. Denn es steht jedem Beteiligten frei, auf eine Anhörung durch das Gericht zu reagieren (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 62 RdNr 6). Erst dann, wenn das Gericht an das Schweigen eines Beteiligten, auf einen nicht mit einer Aufforderung zur Äußerung verknüpften rechtlichen Hinweis, für diesen nachteilige Folgerungen knüpfen will, muss ggf eine weitere Aufklärung veranlasst werden. Warum dies auch dann zu erfolgen hat, wenn derartige nachteilige Folgen mit dem richterlichen Hinweis nicht verbunden sind, bedarf daher einer ausdrücklichen Erörterung. Dies gilt hier insbesondere auch deswegen, weil die Klägerin selbst vorbringt, die Beklagte habe im Berufungsverfahren schriftsätzlich dargebracht, dass sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. T. ihrer Ansicht nach keine Abweichung der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin ergebe.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 14\n \n \n bb) Auch wenn aber davon ausgegangen würde, die Beklagte habe auf die Rüge der Unverwertbarkeit des Gutachtens konkludent verzichtet (§ 202 S 1 SGG iVm § 295 ZPO), mangelt es an Darlegungen dazu, dass die Entscheidung des LSG auf einem Übergehen des Rügeverzichts beruht. Ersichtlich ist das LSG - so die Darlegungen der Klägerin - davon ausgegangen, dass es für die Frage der Unverwertbarkeit nicht auf den Rügeverzicht ankomme. Ausgehend von dieser Rechtsauffassung hätte es daher weiterer Ausführungen dazu bedurft, warum das LSG trotzdem zu einer Verwertbarkeit des Gutachtens des Prof. Dr. T. hätte gelangen müssen. Hier reicht es nicht auf die Rechtsprechung des BSG hinzuweisen, wonach ein Beteiligter einen Verfahrensfehler bei der Beweiserhebung dann nicht mehr mit einer Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen kann, wenn ein Verzicht auf die Befolgung der Vorschrift oder eine rügelose Einlassung nach § 202 S 1 SGG iVm § 295 ZPO erfolgt ist (vgl ua BSG Beschluss vom 18.9.2003 - B 9 VU 2/03 B - SozR 4-1750 § 407a Nr 1 RdNr 6; 2.12.2010 - B 9 SB 2/10 B - Juris RdNr 11). Denn eine solche Fallkonstellation liegt hier nicht vor. Anders als in einem solchen Fall hat hier das LSG von Amts wegen geprüft und nach seiner Rechtsauffassung berücksichtigt, dass der von ihm beauftragte Gutachter zentrale Aufgaben der Begutachtung, zu der bei der psychiatrischen Begutachtung die Exploration gehört (vgl BSG Beschluss vom 18.9.2003 - B 9 VU 2/03 B - SozR 4-1750 § 407a Nr 1 RdNr 9), nicht selbst erbracht, sondern an eine andere Person übertragen hat. Die Klägerin hätte mithin darlegen müssen, wieso das LSG daran bei einem Verzicht bzw einer rügelosen Einlassung allein der Beklagten hätte gehindert sein sollen. Denn nach § 404 Abs 1 S 1 ZPO obliegt die Bestimmung des Sachverständigen dem Gericht. § 404 Abs 4 ZPO (jetzt Abs 5), wonach sich die Parteien über bestimmte Personen als Sachverständige einigen können, gilt im sozialgerichtlichen Verfahren nicht (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, III, 4.4.2.2 RdNr 61). Auch der Verzicht bzw die rügelose Einlassung beider Parteien kann daher im sozialgerichtlichen Verfahren, das vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägt ist, nicht dazu führen, dass das Gericht nicht mehr selbst von Amts wegen berücksichtigen darf, dass der von ihm bestellte Gutachter wesentliche Teile seines Auftrags nicht ausgeführt, sondern - auftragswidrig - an einen anderen abgegeben hat. Insofern kann § 202 S 1 SGG iVm § 295 ZPO grundsätzlich nur die Bedeutung haben, dass sich die Beteiligten nach einem Rügeverzicht nicht mehr auf einen Verfahrensmangel des Gerichts berufen können (vgl auch BGH vom 29.11.1956 - III ZR 235/55 - BGHZ 22, 254, 257). Durch den Rügeverzicht wird die fehlende Gutachtenserstellung durch den beauftragten Sachverständigen aber nicht ersetzt; insoweit verbleibt es bei der Verfahrensherrschaft des Gerichts, die Unverwertbarkeit des Gutachtens von Amts wegen berücksichtigen zu können. Ob das LSG auch - wie die Klägerin meint - die Möglichkeit gehabt hätte, das Gutachten im Wege des Urkundsbeweises zu verwerten (zweifelnd wohl BSG Urteil vom 28.3.1984 - 9a RV 29/83 - SozR 1500 § 128 Nr 24 RdNr 13), kann dahinstehen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 15\n \n \n c) Auch soweit die Klägerin die Entscheidung des LSG durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG anstatt aufgrund mündlicher Verhandlung rügt, bezeichnet sie kein prozessuales Handeln des LSG, das eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs nach sich zöge. Zwar hat der Senat durchaus zur Kenntnis genommen, dass die Klägerin in dem von ihr benannten Schriftsatz vom 11.2.2016 - auf die Anhörung des LSG zur Entscheidung durch Beschluss - durch die Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 7.3.2016 ihren Antrag bei Prof. Dr. T. nachzufragen, in welcher Form und in welchem Umfang er an der Erstellung des Sachverständigengutachtens beteiligt gewesen sei, wiederholt hat. Auch wenn Zweifel bestehen, ob es angesichts dessen prozessual zu rechtfertigen war, den Antrag erst im Urteil abzulehnen, gelingt es der Klägerin jedoch nicht, insoweit einen durchgreifenden Verfahrensmangel darzulegen. Denn sie verknüpft ihr Vorbringen ausschließlich mit der unterlassenen Nachfrage zum potenziellen Rügeverzicht durch die Beklagte und nicht mit einer Verletzung ihres Gehörs, zB durch eine Überraschungsentscheidung des LSG oder Beeinträchtigung ihres Fragerechts gegenüber dem Sachverständigen (s hierzu im Einzelnen BSG Beschluss vom 26.5.2015 - B 13 R 13/15 B - Juris RdNr 9 ff mwN; BSG Beschluss vom 19.4.2017 - B 13 R 339/16 B - Juris RdNr 5 ff).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 16\n \n \n d) Dem Vorbringen, das LSG habe entgegen ihrem Antrag keine Nachfrage beim Sachverständigen im zuvor benannten Sinne durchgeführt, ordnet sie bereits keinem konkreten Verfahrensfehler zu. Sie führt lediglich aus, das Gericht hätte seine Zweifel an der Erstattung des Gutachtens durch den beauftragten Sachverständigen nicht aus der Auslegung des Gutachtens bestätigt sehen dürfen, sondern hätte den beauftragten Sachverständigen zu seiner Urheberschaft an dem Gutachten befragen müssen. Ersteres deutet darauf hin, dass sie eine ihrer Ansicht nach fehlerhafte Beweiswürdigung des LSG rügen möchte. Eine Rüge, die sich auf § 128 Abs 1 S 1 SGG stützt, scheidet jedoch nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG von vornherein als Grund für eine Zulassung der Revision aus. Auch wenn ihr Vorbringen als eine Rüge eines Fehlers bei der Beweisaufnahme nach § 118 SGG iVm § 407a Abs 2 S 2 ZPO (idF bis 14.10.2016) zu verstehen sein sollte (vgl zur Differenzierung BSG Beschluss vom 18.9.2003 - B 9 VU 2/03 B - SozR 4-1750 § 407a Nr 1 - Juris RdNr 5 mwN), genügen die Darlegungen in der Beschwerde jedoch nicht den Formerfordernissen des § 160a Abs 2 S 3 SGG.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 17\n \n \n Insoweit hätte es Ausführungen dazu bedurft, dass bei ihr als Beteiligte objektiv ein berechtigtes Interesse an den Angaben nach § 407a Abs 2 S 2 ZPO besteht und das Gericht ihren entsprechenden Antrag übergangen hat (BSG Beschluss vom BSG Beschluss vom 15.7.2004 - B 9 V 24/03 B - SozR 4-1750 § 407a Nr 2 - Juris RdNr 9 ff). Denn ein berechtigtes Interesse des Beteiligten an einer gesonderten (weiteren) Auskunft iS von § 407a Abs 2 S 2 ZPO ist nur dann gegeben, wenn die ihm zugänglichen Informationen objektiv nicht darauf schließen lassen, ob und ggf in welchem Umfang ein weiterer Arzt an der Erstellung eines Sachverständigengutachtens mitgearbeitet hat und über welche Qualifikation dieser verfügt, der betreffende Beteiligte mithin anhand der Erkenntnisse aus dem Verfahren die Einhaltung der Grenzen der zulässigen Mitarbeit nicht überprüfen kann. Das ist nach der Rechtsprechung des BSG insbesondere dann nicht der Fall, wenn anlässlich einer persönlichen Untersuchung der Beteiligte bereits entsprechende Erkenntnisse gewonnen hat (BSG Beschluss vom 15.7.2004 - B 9 V 24/03 B - SozR 4-1750 § 407a Nr 2 - Juris RdNr 10). Zur Darlegung des berechtigten Interesses genügt es daher nicht, lediglich zu negieren, dass aus der Äußerung der Klägerin gegenüber Dr. S., sie sei in S. von einer Frau untersucht worden, geschlossen werden könne, der beauftragte Sachverständige habe einen hinreichenden Anteil an der Erstellung des Gutachtens. Die Klägerin hätte vielmehr darlegen müssen, was die beantragte Befragung über das hinaus, was ihrer eigenen Wahrnehmung entsprach, erbracht hätte. Denn sie führt selbst aus, dass eine Untersuchung stattgefunden habe. Sie bringt damit zum Ausdruck, über Erkenntnisse - die sie im Übrigen nicht mitteilt - zur Untersuchungssituation zu verfügen. Zum Beleg des berechtigten Interesses an einer weiteren Befragung wären also Ausführungen dazu erforderlich gewesen, was sie selbst nicht hat wahrnehmen können und dementsprechend nur durch eine Befragung des beauftragten Sachverständigen in Erfahrung zu bringen gewesen sein soll. Hieran mangelt es.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 18\n \n \n Entsprechendes gilt, wenn ihre Rüge als Aufklärungsrüge verstanden werden sollte; auch dazu hätte sie darlegen müssen, warum sich das LSG über die geschilderte Wahrnehmung der Klägerin hinaus zu weiterer Aufklärung hätte gedrängt sehen müssen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 16f).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 19\n \n \n 2) Soweit die Klägerin weiter rügt, das LSG habe gegen § 103 SGG verstoßen, weil das Gericht Beweisanträgen ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei, genügt sie mit ihrer Beschwerdebegründung ebenfalls nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG. Hierzu muss die Beschwerdebegründung folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu Protokoll aufrechterhaltenen oder im Urteil wiedergegebenen Beweisantrag, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (s BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr 6 unter Hinweis auf stRspr, BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 18 RdNr 8; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5). Unabhängig davon, ob die Anforderungen zu 1 und 2 hier durch die Ausführungen in der Beschwerdebegründung erfüllt werden, fehlt es zumindest an der Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 20\n \n \n Insoweit gilt ein strenger Maßstab. Denn ein Beweisantrag in einem Rentenstreitverfahren muss sich möglichst präzise mit den Folgen dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene berufliche Leistungsvermögen befassen. Denn anders als eine Beweisanregung (oder ein Beweisantritt) hat nur ein echter Beweisantrag die Warnfunktion, die es rechtfertigt, einen Revisionszulassungsgrund anzunehmen, wenn das LSG dem Antrag zu Unrecht nicht gefolgt ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9, 35). Im Rahmen eines Rentenverfahrens muss die negative Beeinflussung von weiteren - dauerhaften - Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen behauptet und möglichst genau dargetan werden. Denn Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für die Tatsache (BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 - Juris RdNr 6).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 21\n \n \n Die Klägerin legt dar, dass sie beantragt und diesen Antrag nach der Anhörung zu einer Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG aufrechterhalten habe, ein Sachverständigengutachten mit spezieller Fachausrichtung auf Patienten mit Migrationshintergrund einzuholen. Den Migrationshintergrund habe Dr. S. in seinem Gutachten nicht berücksichtigt, was sie an einzelnen Passagen des Gutachtens belegt. Dieser dürfe jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Zur Begründung verweist sie alsdann auf die Leitlinie für die sozialmedizinische Beurteilung bei psychischen und Verhaltensstörungen. Was eine derartige Berücksichtigung des Migrationshintergrundes der Klägerin jedoch im Hinblick auf die Einschätzung ihrer Leistungsfähigkeit ergeben würde, legt sie in der Beschwerdebegründung nicht dar. Das Vorbringen, Dr. S. habe den Migrationshintergrund im Hinblick auf seine Relevanz für die Ausprägung der Somatisierungsstörung nicht berücksichtigt, besagt bereits nichts darüber, ob er bei der Klägerin aufgrund ihrer Biographie überhaupt Bedeutung haben könnte. So werden auch in dem unter Bezug genommenen Beweisantrag und seiner Begründung keine Ausführungen dazu gemacht, von wo und wann die Klägerin zugezogen ist und welche Umgebung ihre psychische Befindlichkeit hätte beeinflussen können. Nur daraus, dass die Klägerin - dies unterstellt aus der Kenntnis des Urteils - nicht in Deutschland geboren ist, folgt nicht, dass der Migrationshintergrund eine andere Leistungsbeurteilung als die von den bisherigen Sachverständigen vorgenommene, nahegelegt hätte. Ein solcher Antrag brauchte daher dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahezulegen. Zu Ermittlungen ohne konkrete Anhaltspunkte ("ins Blaue hinein") besteht zudem auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen keine Verpflichtung (BVerfG Kammerbeschluss vom 9.10.2007 - 2 BvR 1268/03 - Juris RdNr 19).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 22\n \n \n Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 23\n \n \n Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160 Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 24\n \n \n Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n", "decision_type": "Beschluss", "court_level_of_appeal": "Bundesgericht", "date": "2018-02-28", "court_jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit", "court": "BSG", "slug": "bsg-2018-02-28-b-13-r-27916-b" }, { "text": "Tenor\n\n\n \n \n \n Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. Oktober 2016 - L 15 AS 26/15 - aufgehoben.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.\n \n \n \n \nGründe\n\n\n \n \n 1\n \n \n I. Mit Urteil vom 25.10.2016 - L 15 AS 26/15 - hat das LSG nach mündlicher Verhandlung durch den Berichterstatter und zwei ehrenamtliche Richter die Berufung des Klägers gegen einen Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen, durch den seine Klage wegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum von Juni 2013 bis August 2014 abgewiesen worden war. Die Übertragung auf den Berichterstatter erfolgte durch Beschluss der Berufsrichter vom 24.10.2016, der dem Kläger am 17.11.2016 und dem beklagten Jobcenter am 18.11.2016 zugestellt worden ist.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 2\n \n \n Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Kläger einen Verfahrensfehler geltend und rügt die Besetzung des Gerichts; die Übertragung auf den Berichterstatter sei erst mit Zustellung an die Verfahrensbeteiligten und damit nach der mündlichen Verhandlung wirksam geworden.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 3\n \n \n II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 4\n \n \n Das Urteil des LSG vom 25.10.2016 beruht auf einem von dem Kläger hinreichend bezeichneten (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) verletzt, weil der Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden hat, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 5\n \n \n Gesetzlicher Richter für die Entscheidung von Verfahren vor dem LSG ist grundsätzlich ein Senat in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGG). Hiervon macht zwar ua § 153 Abs 5 SGG (eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444) eine Ausnahme. Danach kann das LSG die Berufung in den Fällen einer Entscheidung des SG durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) durch Beschluss der berufsrichterlichen Mitglieder des Senats dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Das erfordert jedoch einen schriftlich abzufassenden und der Geschäftsstelle zu übergebenden Beschluss (§ 153 Abs 1 iVm § 142 Abs 1 und § 134 SGG), der der Zustellung an die Beteiligten (§ 153 Abs 1 iVm § 142 Abs 1 und § 133 Satz 2 SGG) bedarf (BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 344/09 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 8 RdNr 7; BSG vom 24.10.2013 - B 13 R 240/12 B - juris RdNr 9). Daran fehlt es hier zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, weil der am Vortag getroffene Übertragungsbeschluss den Beteiligten erst am 17. bzw 18.11.2016 zugestellt worden und ihm daher besetzungsrelevante Wirkung für das Urteil vom 25.10.2016 noch nicht zugekommen ist.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 6\n \n \n Der Verfahrensmangel ist auch nicht durch rügelose Einlassung (§ 202 SGG iVm § 295 ZPO) geheilt; dies gilt bereits deswegen, weil die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts zu den nicht verzichtbaren Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Verfahrens (§ 295 Abs 2 ZPO) gehört (BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 344/09 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 8 RdNr 8). Zum anderen ist die Vorschrift des § 295 ZPO auf den Anwaltsprozess zugeschnitten und daher bei - wie hier - nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten allenfalls nach Belehrung durch den Vorsitzenden anwendbar (BSG vom 12.4.2000 - B 9 SB 2/99 R - juris RdNr 21).\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 7\n \n \n Berufen zur Entscheidung über die Berufung des Klägers am 25.10.2016 war danach das LSG noch in voller Senatsbesetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern sowie zwei ehrenamtlichen Richtern (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGG). Das berührt das von Verfassungs wegen nach Art 101 Abs 1 Satz 2 GG gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter in seiner einfachrechtlichen Ausprägung (stRspr; vgl nur BSG vom 8.11.2007 - B 9/9a SB 3/06 R - BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, RdNr 14 mwN). Aufgrund dessen ist das angefochtene Urteil gemäß § 160a Abs 5 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen.\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n 8\n \n \n Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.\n \n \n \n \n \n", "decision_type": "Beschluss", "court_level_of_appeal": "Bundesgericht", "date": "2018-02-14", "court_jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit", "court": "BSG", "slug": "bsg-2018-02-14-b-14-as-42316-b" } ] }