Urteil vom Amtsgericht Aachen - 100 C 624/13
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, die im Liegenschaftskataster der B-Stadt - Katasteramt - Stand 2.12.2014 als Flurstück 185 dargestellte, ca. 486 qm große und vermessene Teilfläche nebst aufstehendem Haus Nummer 118 des Grundstücks Gemarkung M, Flur 30, Flurstück 185 (E-Weg 118) eingetragen im Grundbuch von M, Blatt Nr. 2478, Bestandsbezeichnung Nr. 23, nebst einem 11/100 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Gemarkung M Flur 30, Flurstück 183 und 186, eingetragen im Grundbuch von M, Blatt 11094, Verkehrsfläche E-Weg , an die Klägerin zu übereignen und die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin im Grundbuch zu bewilligen, Zug um Zug gegen Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 163.353,00 Euro.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 170.000 Euro.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die Frage des Bestehens eines Vorkaufrechtes zugunsten der Klägerin.
3Gemäß § 2 Abs. 2 des Gesetztes über die Errichtung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben vom 09.12.2004 (Bundesgesetzblatt Teil I 2004, Seite 3235 ff.) wurden mit Wirkung vom 01.01.2005 sämtliche Grundstücke der Bundesrepublik Deutschland aus dem Geschäftsbereich der Bundesfinanzverwaltung in das Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben übertragen, darunter auch die streitgegenständliche Siedlung ehemaliger Zolldienstwohnungen „E-Weg 110-124“, bestehend aus 2 hintereinanderliegenden eingeschossigen Wohnblöcken mit je 3 Wohneinheiten (114-118 und 120-124), sowie einem zweigeschossigen 4 Familienwohnhaus (110/112), einer Garage und einem Schuppengebäude. Auf den Auszugs des Liegenschaftskatasters der B-Stadt vom 18.03.2011, Bl. 80 der Akte, wird verwiesen.
4Die Klägerin ist Mieterin des Einfamilienreihenhauses „E-Weg 118“ gemäß dem auf Blatt 246 der Akte ersichtlichen Mietvertrag vom 14/14.07.1989 i. V. m. Nachtrag vom 11/22.10.1992 Bl. 154 f. der Akte. Gegenstand des Mietvertrages ist gemäß § 1 Abs. 1 „die Wohnung in B-Stadt, E-Weg 118, EFRH, 3 Zimmer, Küche, Diele, Bad mit WC, Speicher plus Kellerräume“…
5Ferner heißt es unter § 6 Nr. 6 „Der Mieter verpflichtet sich, die zur Liegenschaft gehörenden, gemeinschaftlich genutzten und nicht durch Beauftrage der Vermieter unterhaltenen Rasenflächen und gärtnerisch angelegten Flächen einschließlich der Pflanzen und Gehölze untereinander im festzulegenden Wechsel mit seinen Mitmietern zu pflegen und die anteiligen Kosten zu tragen. Folgende Fläche ist vom Mieter allein auf seine Kosten zu pflegen: Hausgarten gemäß Lageplan.
67.1. Die Vermieterin überlässt den Mietern einen PKW-Stellplatz in der Liegenschaft Nummer 4 gemäß Lageplan).“ Auf den Lageplan, Anlage zum Mietvertrag, wird ausdrücklich Bezug genommen.
7Unter dem 14.12.2012 schloss die Beklagte vor dem Notar C. ausweislich Urkundenrollennummer 1446/2012 den aus Bl. 12 ff der Akte ersichtlichen Kaufvertrag, nachdem sie für die Kaufvertragsverhandlungen das aus Blatt 75 ff der Akte ersichtliche Exposé hatte erstellen lassen.
8Dort heißt es:
9§ 1 Kaufgegenstand
10„(1) Die Verkäuferin ist Eigentümerin folgenden Grundstückes in B-Stadt, eingetragen beim Amtsgericht Aachen im Grundbuch von M, Blatt 2478, unter der laufenden Nummer 23, Gemarkung M, Flur 30, Flurstück 130, mit einer Größe von 4.877 m², Gebäude- und Freifläche, Dreiländerweg 110, 112, 114, 116, 118, 120, 122, 124.
11…
12(3) Das Grundstück ist mit einem Zweifamiliendoppelhaus (E-Weg 110/112), 6 Einfamilienreihenhäusern (E-Weg 114-124) sowie einem Schuppengebäude und einer Welleternitgarage bebaut.
13(4) Die Verkäuferin verkauft das unter (1) genannte, im beigefügten Lageplan (Anlage 1) in Teilflächen dargestellte Grundstück. Das vorbezeichnete Grundstück bzw. Grundstücksteilflächen sind Gegenstand des vorliegenden Vertrages und werden nachstehend Kaufgegenstand genannt.“
14§ 2 Verkauf
15(1) Die Verkäuferin verkauft den in § 1 beschriebenen Kaufgegenstand mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten und gesetzlichen Bestandteilen wie folgt:
16…
17d) Die im beigefügten Lageplan (Anlage 1) in der Farbe Grün und der Nummer 5 dargestellte, ca. 486 m² große und noch zu vermessende Teilfläche nebst aufstehendem Haus Nummer 118 an die im Rubrum unter der laufenden Nummer 5 aufgeführten Käufer zum Miteigentumsanteil zu je ½.
18g) Die im beigefügten Lageplan in der Farbe Weiß und der Nummer 10 dargestellte und ca. 250 m² und noch zu vermessende Teilfläche (Stellplatz- Parzelle)-
19…
20- An die unter der der laufenden Nummer 5 aufgeführten Käufer zum Miteigentumsanteil von je 5,5/100. Die im beigefügten Lageplan (Anlage 1) mit dem Buchstaben h gekennzeichnete Teilfläche wird dem Käufer schuldrechtlich mit Abschluss dieses Vertrages zur Nutzung zugewiesen, …
21h) Die im beigefügten Lageplan in der Farbe Weiß dargestellte, mit der Nummer 11 gekennzeichnete und ca. 876 m² große und noch zu vermessende Teilfläche (Gemeinschaftsfläche) einschließlich der aufstehenden Welleternitgarage und den zusätzlichen Stellplatzflächen an die unter der laufenden Nummer 2 bis 7 aufgeführten Käufer, und zwar zu jeweiligen Miteigentumsanteilen wie sie bereits der Höhe nach im einzelnen unter vorstehendem Buchstaben g) für die Stellplatzparzelle aufgeführt sind.
22Der als Anlage 1 beigefügte Lageplan ist Bestandteil des Vertrages. Er lag den Parteien zur Durchsicht vor und wurde von ihnen genehmigt und unterschrieben. Die Partien sind sich über die Abgrenzung des Kaufgegenstandes in der Natur einig.“
23Insoweit wird auf die auf Bl. 22 R ersichtliche Anlage Bezug genommen.
24„§ 3 Kaufpreis
25(1) Der Kaufpreis für den in § 1 beschriebenen Kaufgegenstand beträgt 1.202.021 ,- € …
26…
27§ 10 Kosten des Vertrages
28…
29Wegen der Berechnung und der Aufteilung der Grunderwerbssteuer und sonstigen Gerichts – und Notarkosten stellen die Käufer klar, dass sie den Gesamtkaufpreis von 1.202.201,- € wie folgt anteilig an die Verkäuferin gezahlt haben
30….
31d) Eheleute H. (Anmerkung der Unterzeichnerin: Es handelt sich um die im Rubrum des notariellen Vertrages unter der laufenden Nummer 5 aufgeführten Käufer) 163.353 ,- €.
32§ 11 Ausübung von gesetzlichen Vorkaufsrechten
33(1) Wird ein gesetzliches Vorkaufsrecht ausgeübt, ist die Verkäuferin zum Rücktritt von diesem Vertrag berechtigt. Den Parteien ist bekannt, dass ein Rücktritt im Verhältnis zum Vorkaufsberechtigten ohne Wirkung ist und den Bestand des Vorkaufsrechts nicht berührt (§ 465 BGB).
34(2) Die Verkäuferin tritt hiermit ihre Ansprüche gegen den Vorkaufsberechtigten an den Käufer ab, soweit der Käufer bereits Zahlungen an die Verkäuferin geleistet hat. Der Käufer nimmt die Abtretung an. Weitergehende Ansprüche sind wechselseitig ausgeschlossen.
35(3) Für den Fall, dass das Vorkaufsrecht nur für einen Teil des Kaufgegenstandes ausgeübt wird, sind sich die Parteien darüber einig, dass die wechselseitigen Leistungsverpflichtungen aus diesem Vertrag entsprechend anzupassen sind.“
36Zugleich schlossen die im Rubrum des Kaufvertrages unter den laufenden Ziffern 2 – 7 konkret bezeichneten Käufer ebenfalls unter dem 14.12.2012 vor dem Notar C. zu Urkundenrollnummer 1447/2012 die aus Bl. 95 ff der Akte ersichtliche Vereinbarung. Dort heißt es:
37(1) Vorbemerkung
38Die Erschienenen haben durch notariellen Kaufvertrag vom heutigen Tage – Urkundenrollennummer 1446/2012 des beurkundenden Notars – von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben den im Grundbuch von M. Blatt 2478 bezeichneten Grundbesitz Gemarkung M. Flur 30 Flurstück 130, Gebäude – und Freifläche, E-Weg 110, 112, 114, 116, 118, 120, 122, 124, groß 48,77 a zum Eigentum zu Teilflächen erworben. Wegen der Aufteilung wird auf den anliegenden Lageplan Bezug genommen, der als Anlage zu dieser Niederschrift genommen wird.
39Die Beteiligten wollen in dieser Niederschrift weitere Vereinbarungen für die zukünftige Ausgestaltung der Miteigentümergemeinschaft treffen.“
40Auf die weiteren Vereinbarungen sowie die aus Blatt 105 der Akte ersichtliche Anlage – Aufteilungsplan – wird Bezug genommen.
41Die Klägerin erklärte innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist mit anwaltlichem Schreiben vom 12.04.2013, Bl. 24 der Akte, die Ausübung eines Vorkaufsrechts nach § 577 BGB betreffend das von ihr tatsächlich genutzte Mietobjekt E-Weg 118 in B-Stadt, unter § 2 (1) d) nebst der dazu gehörenden Stellplatzfläche, im notariellen Kaufvertrag bezeichnet unter § 2 (1) g).
42Mit Schreiben vom 15.04.2013 bestätigten die Beklagte den Erhalt des Schreibens vom 12.04.2013 und teilte mit:
43„Damit ist kraft Gesetz ein Kaufvertrag zwischen Frau N. und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben unter den Bedingungen zustande gekommen, welche unter dem 14.12.2012 mit der Käufergemeinschaft X., T., E., H., N./Q. und I. vereinbart wurde und zwar für den Teil, der durch den Wohnraummietvertrag vom 14/17.08.1989 nebst der Nachtragsvereinbarung vom 11/22.10.1992 bestimmt ist. Hiervon erfasst ist das Einfamilienreihenhaus E-Weg 118 mit Hausgarten gemäß Lageplan zum Mietvertrag, Stellplatz Nummer 4 sowie ein Nutzungsrecht an den Gemeinschaftsflächen.
44Sodann bitten wir gegenüber ihrer Mandantin darauf hinzuwirken, die Auflassung durch Herrn Notar C. verhandeln zu lassen. Den entsprechenden Auftrag wollen Sie uns bitte anzeigen.
45Mit gleicher Post haben wir für den vorbezeichneten Teil des Kaufgegenstandes, für den das gesetzliche Vorkaufsrecht durch Frau U. ausgeübt wurde, den Rücktritt vom Kaufvertrag vom 14.12.2012 … gegenüber sämtlichen Teilen der o.a. Käufergemeinschaft erklärt. Die sich aus dem teilweisen Rücktritt ergebenen Verpflichtungen der Vertragsparteien sind Zug um Zug zu erfüllen. Die empfangenen Leistungen sind zurückzugewähren. Wir haben unsere Ansprüche gegen Ihre Mandantin an die Käufergemeinschaft abgetreten. Auf § 11 Abs. 2 des Kaufvertrages vom 14.12.2012 weisen wir Sie hin. …“
46Im weiteren Verlauf trat die Beklagte den dem Vorkaufsrecht der Klägerin entgegen.
47Zwischenzeitlich sind die im Kaufvertrag aufgegliederten Teilflächen vermessen und im Grundbuch fortgeschrieben worden. Insoweit wird auf das Ergebnis der Grenzermittlung und der Abmarkung von Grundstücksgrenzen gemäß Schreiben des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs Dipl. Ing. J. vom 07.10.2013, Bl. 125 ff der Akte, verwiesen sowie auf den Aufzug aus dem Liegenschaftskataster der B-Stadt vom 02.12.2013, Bl. 208 der Akte sowie auf den Grundbuchauszug Bl. 210 ff der Akte.
48Auf Antrag der Klägerin hat das Amtsgericht Aachen unter dem Aktenzeichen 100 C 197/13 im Wege der einstweiligen Verfügung am 22.04.2013, Bl. 45 der Beiakte, beschlossen, dass zugunsten der hiesigen Klägerin die Eintragung einer Vormerkung auf dem Grundstück der Antragsgegnerin, Gemarkung M., Flur 30, Flurstück 130 (E-Weg 110, 112, 114, 116, 118, 120, 122, 124, Größe 4.877 m²) eingetragen im Grundbuch von M. Blatt 2478 (laufende Nummer 23 des Bestandsverzeichnisses) angeordnet wird zur Sicherung des Anspruchs der hiesigen Klägerin auf Auflassung und Eintragung im beigefügten Lageplan mit der Nummer 5 dargestellten, ca. 486 m² großen und noch zu vermessenden Teilfläche nebst aufstehendem Haus Nummer 118. Die Eintragung der Vormerkung ist durch das Grundbuchamt, wie aus dem Grundbuchauszug, Bl. 210 der Akte ersichtlich, erfolgt.
49Nachdem die Beklagte die einstweilige Verfügung nicht als endgültig anerkannt hat, hat die Klägerin die Hauptsache mit Klageschrift vom 09.12.2013, Bl. 2 ff der Akte, erhoben, wobei sie ihren Klageantrag nach zwischenzeitlicher grundbuchlicher Fortschreibung gestellt hat und nunmehr beantragt,
50die Beklagte wird verurteilt, die im beigefügten Auszug aus dem Liegenschaftskataster als Flurstück 185 dargestellte, ca. 486 m² große und vermessene Teilfläche nebst aufstehendem Haus Nummer 118 des Grundstücks Gemarkung M., Flur 30, Flurstück 185 (E-Weg 118), eingetragenen Grundbuch von M., Blatt Nr. 2478, Bestandsbezeichnung Nr. 23, nebst einem 11/100 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Gemarkung M. Flur 30, Flurstück 183 und 186, eingetragen im Grundbuch von M., Blatt 11094, Verkehrsfläche E-Weg, an die Klägerin zu übereignen und die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin im Grundbuch zu bewilligen, Zug um Zug gegen Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 163.353,00 €.
51Die Beklagte beantragt,
52die Klage abzuweisen.
53Wiederklagend beantragt sie,
54den Beschluss im einstweiligen Verfügungsverfahren des Amtsgerichts Aachen vom 22.04.2013 – 100 C 197/13 – aufzuheben sowie der Klägerin die Kosten des Aufhebungs- und – unter Abänderung der Kostenentscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahrens des Amtsgerichts Aachen vom 22.04.2013 – 100 C 197/13 – des Anordnungsverfahrens aufzuerlegen.
55Die Klägerin beantragt,
56die Widerklage abzuweisen.
57Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.
58Entscheidungsgründe
59Die Klage ist begründet; die Widerklage ist unbegründet.
60Die nunmehr zuständige Abteilungsrichterin teilt auch unter Berücksichtigung der weiteren schriftsätzlichen Ausführungen der Beklagten vom 18.06.2014 die Rechtsauffassung ihrer Vorgängerin im Amte, die zum Erlass der einstweiligen Verfügung zum Aktenzeichen 100 C 197/13 geführt hat, wie im Rahmen der ausführlichen mündlichen Erörterung im Termin vom 20.05.2014 im einzelnen ausgeführt.
61Nach hiesiger Auffassung steht der Klägerin das der Form und der Frist nach unbeanstandet ausgeübte Vorkaufrecht auf der Grundlage von § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, das nach nunmehr ständiger Rechtsprechung auf der Grundlage des Schutzzweckes dieser Norm auf die Realteilung eines Grundstücks, konkret eine Anlage bestehend aus Reihenhäusern, analog anwendbar ist.
62Die an die Klägerin vermieteten Wohnräume, hier das Einfamlienreihenhaus E-Weg 118, wurden durch den notariellen Kaufvertrag vom 14.12.2012 an einen Dritten verkauft.
63Im Streit steht zwischen den Parteien lediglich, ob das weitere Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, wonach an den vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, hierzu übertragen auf eine vorzunehmende Realteilung. Unstreitig ist eine Realteilung bei dem Verkauf nicht grundbuchlich vollzogen worden. In Betracht kommt daher nur die zweite Tatbestandsvariante.
64Das Gericht teilt nicht die Rechtsauffassung der Beklagten, wonach diese nur dann erfüllt ist, wenn sich der Veräußerer vertraglich zur Durchführung der Aufteilung gemäß § 8 WEG (hier wegen der auf den Fall einer Realteilung vorzunehmenden Analogie zu übertragen auf eine Vermessung des Kaufgegenstands zuzüglich Aufteilung und grundbuchlicher Fortschreibung) verpflichtet.
65Diese Anforderung hatte der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 22.11.2013 zu Geschäftszeichen V ZR 96/12 aufgestellt. Hintergrund hierfür war, dass auf das Vorkaufsrecht gemäß § 577 Abs. 1 Satz 3 BGB ergänzend die allgemeinen Bestimmungen über den Vorkauf Anwendung finden. Gemäß § 464 Abs. 2 BGB wird durch die Ausübung des Vorkaufsrechts als Gestaltungsrecht zwischen den Berechtigten und den Verpflichteten ein (weiterer) selbständiger Kaufvertrag neu begründet zu den gleichen Bedingungen, wie er zwischen den Verpflichteten und den Dritten abgeschlossen war; der Berechtigte tritt also nicht in den zwischen dem Verpflichteten und dem Drittkäufer geschlossenen Vertrag ein. Vielmehr bestehen, worauf der Bundesgerichtshof zutreffend hinweist, zwei Verträge, soweit der Vertrag mit dem Drittkäufer nicht unter einer auflösenden Bedingung steht. Die beiden Kaufverträge unterscheiden sich in der Regel nur darin, dass als Käufer anstelle des Dritten der Berechtigte steht. Da allerdings – wie der Bundesgerichtshof richtig ausführt – gemäß § 577 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative BGB das Vorkaufrecht nicht zum Erwerb des gesamten Grundstücks berechtigt und auch der Mieter nicht dauerhaft einen ideellen Miteigentumsanteil in einer Bruchteilsgemeinschaft ohne Sondereigentum an der angemieteten Wohnung erwerben soll, muss gewährleistet werden, dass ein zwar Sachenrechtlich noch nicht vorhandenes, aber in seiner Entstehung bereits angelegtes Wohnungseigentum Gegenstand des Vorkaufrechts wird.
66Der Beklagten ist beizupflichten, dass dies auch für den Fall einer Realteilung gelten muss. Folgerichtig könnte ein Vorkaufrecht der Klägerin nicht entstehen, wenn die Beklagte die ehemalige Zollsiedlung in ihrer Gesamtheit an eine Erwerbergemeinschaft zu Miteigentumsanteilen veräußert hätte, die ihrerseits in der Folge eine Realteilung durchgeführt hätten. Dies mag von der Beklagten, die insbesondere auch im Termin vom 20.05.2014 ausgeführt, beabsichtigt gewesen sein.
67Umgesetzt wurde dies jedoch nicht. Vielmehr veräußerte die Beklagte die ehemalige Zollsiedlung betreffend die mit Wohngebäude bebauten Flächen in Teilflächen an einzelne Erwerber. Damit hat sie die später noch grundbuchlich vorzuschreibende Realteilung faktisch mit den Erwerbern im Rahmen des Kaufvertrags vorweggenommen.
68Bereits hierdurch wird den Anforderungen des Bundesgerichtshofs, die dieser auf der Grundlage der §§ 463 ff. BGB hergeleitet hat, hinreichend Rechnung getragen.
69Die durch die Beklagte und die Erwerber damit im Rahmen des Kaufvertrags faktisch vorweggenommene Realteilung begegnet auch hinsichtlich der Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Gegenstands des Vorkaufrechts nicht den von der Beklagten geäußerten Bedenken. Die einzelnen Teilflächen sind unter § 2 des notariellen Kaufvertrags vom 14.12.2012, Urkundenrollen-Nr. 1446/2012, in Verbindung mit der Anlage zum Kaufvertrag hinreichend bestimmt. Davon gingen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses jedenfalls offensichtlich auch die Beklagte und die Erwerber aus, die bereits im Rahmen des Kaufvertragsabschlusses, insbesondere da einzelne Erwerber beabsichtigten, das Grundstück ohne Mithaftung der übrigen Erwerber in Ankauf bzw. zu einem späteren Zeitpunkt für erforderliche Sanierungen und Umbauten zu beleihen.
70Der wirksamen Ausübung des Vorkaufrechts steht auch nicht entgegen, dass zwischenzeitlich die Erwerber bei der Vermessung und Aufteilung der Flurstücke von der Darstellung im Kaufvertrag abgewichen sind. Zum einen widerspräche es den Grundsätzen von Treu und Glauben, dass auf diesem Wege ein einmal entstandenes Vorkaufrecht zunichte gemacht wird. Zum anderen sind die festzustellenden Abweichungen nach Auffassung des Amtsgerichts Aachen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erheblicher Natur. Geschützt werden soll das Nutzungsrecht des Mieters, das dieser nicht am konkreten Grenzverlauf des Hausgartens, gegebenenfalls geringfügig abweichend von dem konkret überlassenden Hausgarten, festmacht, sondern vorwiegend an der Nutzung des Wohngebäudes nebst grundsätzlich zugehörigem Hausgarten und Stellplatz.
71Nachdem die Klägerin das ihr damit zustehende Vorkaufrecht wirksam ausgeübt hat, war der Klage unter Abweisung der Widerklage stattzugeben.
72Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen nach §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 ZPO.
73Streitwert: 163.353,00 Euro.
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