Urteil vom Amtsgericht Ahaus - 3 Ls - 30 Js 157/16 - 40/16
Tenor
Der Angeklagte wird wegen Betruges im besonders schweren Fall in 4 Fällen jeweils in Tateinheit mit einem Verstoß gegen § 5 HeilprG zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten verurteilt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Angewandte Vorschriften: §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB, 1, 5 HeilprG, 52, 53 StGB
1
Gründe:
2I.
31.
4Der 54jährige, zu Beginn des Tatzeitraums 53jährige Angeklagte ist seit dem 11.09.2014 in dritter Ehe verheiratet und hat 5 Kinder im Alter von 11 bis 23 Jahren aus seinen ersten beiden Ehen. Er lebt in Cambridge in Großbritannien, hat aber regelmäßig zu seinen in Deutschland lebenden Kindern Kontakt. Der Angeklagte hat die Schule mit dem Abitur verlassen und studierte nach seinem 15monatigen Wehrdienst Medizin. Dieses Studium schloss er im Jahr 1988 erfolgreich ab. Anschließend promovierte er und arbeitete an verschiedenen Kliniken, u. a. auch als Leitender Oberarzt und Chefarzt. Am 18.04.2000 verlieh ihm die N-Universität I den akademischen Grad eines habilitierten Doktors der Medizin. Im Zeitraum seiner ersten Verurteilung war der Angeklagte arbeitslos und verfasste in dieser Zeit mehrere medizinische Fachbücher. Im Anschluss arbeitete er zunächst in der Pharmaindustrie in der Krebsmedikamentenentwicklung. Am 05.08.2008 wurde der Angeklagte zum außerplanmäßigen Professor an der M-Universität N bestellt. Ab 2009 war er bis zu seiner Inhaftierung erneut als Arzt in verschiedenen Kliniken tätig. Seit dem 01.10.2014 arbeitet der Angeklagte, der nach eigenen Angaben weiterhin Mitglied der englischen Ärztekammer ist, in Großbritannien in der Entwicklung von Krebsmedikamenten. Für diese Tätigkeit, die nach eigenen Angaben einen täglichen Zeitaufwand von 3-4 Stunden erfordert, erhält der Angeklagte monatlich 9.000,00 Euro netto. Zusätzlich hält der Angeklagte regelmäßig „auf der ganzen Welt“ medizinische Vorträge.
5Strafrechtlich ist der Angeklagte bereits mehrfach in Erscheinung getreten. Wegen Betruges in drei Fällen verurteilte ihn das Amtsgericht Kleve am 08.05.2003 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten, deren Vollstreckung zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafaussetzung wurde später widerrufen und der Angeklagte verbüßte die Hälfte der ausgeurteilten Freiheitsstrafe. Die Vollstreckung der Reststrafe wurde mit Beschluss des Landgerichts Dresden vom 29.07.2014 bis zum 07.08.2018 zur Bewährung ausgesetzt.
6Das Amtsgericht München verurteilte den Angeklagten am 16.02.2009 wegen Missbrauchs von Titeln zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen.
7Zuletzt wurde der Angeklagte mit Urteil des Landgerichts Dresden vom 26.07.2012 wegen Betruges in 15 Fällen und Bankrotts zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten verurteilt. Auch diese Freiheitsstrafe verbüßte der Angeklagte zur Hälfte. Die Vollstreckung der Reststrafe wurde ebenfalls bis zum 07.08.2018 zur Bewährung ausgesetzt.
8Aufgrund dieser Verurteilung widerrief die Bezirksregierung Köln am 06.03.2013 die Approbation des Angeklagten als Arzt. Diese Entscheidung wurde am 17.12.2013 vom Verwaltungsgericht Köln und am 22.04.2014 vom Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt.
9II.
10Im Januar 2016 war das Krankenhaus N in T kurzfristig auf der Suche nach einem Vertretungsarzt, da der Zeuge Dr. C, der als Chefarzt Leiter der onkologischen Ambulanz sowie der onkologischen Station war, einen Urlaub und eine Fortbildung plante und dessen eigentlicher Vertreter, der Zeuge G, erkrankt war. Über die Personalvermittlungsagentur U wurde dem Personalleiter des Krankenhauses, dem Zeugen X, der Angeklagte angeboten. Die Vermittlungsagentur übersandte dem Zeugen X per Mail auch mehrere Unterlagen zum Angeklagten, u. a. dessen Approbation. Zwischen dem Zeugen X und der Vermittlungsagentur wurde sodann Einigkeit erzielt, dass der Angeklagte im Zeitraum vom 18.01.2016 bis zum 29.01.2016 als Honorararzt im Krankenhaus N arbeiten sollte.
11Der Angeklagte trat seine Arbeit am 18.01.2016 an und wurde vom Zeugen Dr. C in die Arbeitsabläufe eingewiesen. Er unterzeichnete einen Honorararztvertrag, in dem er sich u. a. verpflichtete, ärztliche Dienste seines Fachgebietes ambulant und stationär zu erbringen und die ambulante und stationäre Behandlung von Patienten durchzuführen. Als Vergütung sollte der Angeklagte 90 Euro pro Stunde erhalten. Der Angeklagte wies keinen Verantwortlichen des Krankenhauses auf den Entzug seiner Approbation hin. Eine Einstellung des Angeklagten als Honorararzt wäre nicht erfolgt, wenn dieser wahrheitsgemäß vom Entzug seiner Approbation berichtet hätte.
12In der Folgezeit war der Angeklagte im Zeitraum vom 18.01.2016 bis zum 29.01.2016 vertragsgemäß als Vertretung des Zeugen Dr. C als Leiter der Onkologie tätig. Er erstellte Therapiepläne, war an Visiten und Tumorkonferenzen beteiligt, überwachte und begleitete Assistenzärzte und führte auch Behandlungen an Patienten wie Punktionen und Ultraschalluntersuchungen durch. Für seine Tätigkeit in diesem Zeitraum stellte der Angeklagte dem Krankenhaus 6.350,00 Euro in Rechnung, die ihm überwiesen wurden.
13Da das Krankenhaus mit den Leistungen des Angeklagten sehr zufrieden war, bot der Zeuge T, der Geschäftsführer des Krankenhauses, dem Angeklagten bereits Anfang Februar 2016 an, als Chefarzt die Leitung der Onkologie zu übernehmen. Der Angeklagte zeigte sich interessiert, so dass ein Vertragsentwurf ausgearbeitet wurde, der einen Arbeitsbeginn zum 01.03.2016 vorsah. Der Angeklagte versah diesen Vertragsentwurf mit Änderungen, u. a. verschob er den vorgesehenen Arbeitsbeginn auf den 15.03.2016. In der Folge zögerte er den Arbeitsbeginn als Chefarzt immer weiter hinaus. Zur Begründung führte er an, er müsse seine Angelegenheiten in Großbritannien noch regeln und sei nicht früher verfügbar. Einen Hinweis auf seine fehlende deutsche Approbation erfolgte weiterhin nicht.
14In der Zwischenzeit schloss das Krankenhaus mit dem Angeklagten 3 weitere gleichlautende Honorararztverträge für die Zeiträume vom 01.02.2016 bis zum 12.02.2016, 15.02.2016 bis zum 26.02.2016 und 29.02.2016 bis zum 18.03.2016. Auch diese Verträge hätten die für das Krankenhaus handelnden Personen nicht abgeschlossen, wenn sie gewusst hätten, dass der Angeklagte keine Approbation hatte.
15Der Angeklagte arbeitete in diesen Zeiträumen mit dem Zeugen Dr. C zusammen und vertrat den Zeugen während dessen Abwesenheit vom 03.03.2016 bis zum 04.03.2016 und vom 14.03.2016 bis zum 18.03.2016 erneut vollumfänglich. Er erstellte weiterhin Therapiepläne für Krebspatienten, nahm an Visiten und Tumorkonferenzen teil, überwachte Assistenzärzte und nahm auch selbst ärztliche Leistungen an Patienten vor. Er erstellte „ärztliche Liquidationen“, mit denen er dem Krankenhaus für den Zeitraum vom 01.02. bis zum 12.02.2016 8.460,00 Euro, für den Zeitraum vom 15.02. bis zum 26.02.2016 7.605,00 Euro und für den Zeitraum vom 29.02. bis zum 18.03.2016 11.205,00 Euro in Rechnung stellte. Alle „ärztlichen Liquidationen“ wurden vom Krankenhaus im Vertrauen auf eine vorliegende Approbation des Angeklagten bezahlt.
16Nachdem der Angeklagte die Unterzeichnung des Chefarztvertrages immer weiter hinauszögerte, wurden der Zeuge T sowie der Zeuge X misstrauisch. Dem Zeugen T war zudem die Verurteilung des Angeklagten bekannt, der Zeuge Xs erhielt diesbezügliche Hinweise aus der Belegschaft des Krankenhauses. Der Zeuge T wandte sich daraufhin an die Bezirksregierung Köln, die ihm am 07.04.2016 mitteilte, dass dem Angeklagten die Approbation entzogen worden war.
17Das Krankenhaus kann die vom Angeklagten erbrachten Leistungen aufgrund der fehlenden Approbation nicht gegenüber den Krankenkassen abrechnen, wodurch dem Krankenhaus ein Schaden im mindestens vierstelligen Bereich entstanden ist.
18Dem Angeklagten kam es von Anfang an darauf an, die verantwortlichen Personen des Krankenhauses über das Bestehen seiner Approbation zu täuschen, da ihm klar war, dass er ohne Approbation nicht eingestellt und bezahlt worden wäre. Aus diesem Grund zögerte er auch die Unterzeichnung des Chefarztvertrages hinaus, da ihm klar war, dass er hierfür eine Zulassung benötigte, für die er seine Approbation hätte vorlegen müssen. Der Angeklagte wollte sich durch seine Täuschungen eine zusätzliche Einnahmequelle von einem Gewicht und einiger Dauer verschaffen, um von den Einnahmen seinen Lebensunterhalt zumindest teilweise bestreiten zu können.
19III
20Diese Feststellungen beruhen auf der nach Maßgabe des Hauptverhandlungs-protokolls durchgeführten Beweisaufnahme.
21Der Angeklagte hat seine Kenntnis vom Entzug seiner Approbation bestätigt. Ebenso hat er bestätigt, im Krankenhaus T gearbeitet zu haben und die festgestellten Zahlungen erhalten zu haben. Er hat sich aber abweichend von den Feststellungen dahingehend eingelassen, er habe sowohl dem Zeugen Dr. C im ersten Gespräch als auch den Zeugen X und T mitgeteilt, dass er keine deutsche Approbation habe. Dementsprechend habe er lediglich beratende Tätigkeiten durchführen sollen. Er habe zwar Therapiepläne erstellt und an Visiten und Tumorkonferenzen teilgenommen, aber letztlich keine Entscheidungen getroffen. Hierfür seien der Zeuge Dr. C bzw. andere Ärzte des Krankenhauses zuständig gewesen, er habe nur Vorschläge gemacht, wozu er auch ohne Approbation berechtigt sei. Es sei auch durchaus vorgekommen, dass er Patienten beispielsweise Blut abgenommen habe, dies sei aber immer unter der Aufsicht eines approbierten Arztes erfolgt. Die Unterzeichung des Chefarztvertrages habe er aufgrund der Approbationsproblematik hinausgezögert. Dies habe er auch gegenüber dem Zeugen T so kommuniziert. Er sei davon ausgegangen, seine Approbation kurzfristig, frühestens im Juni 2016, zurück erhalten zu können. Konkrete Bemühungen in diese Richtung habe er aber nicht entfaltet. Ihm sei im Laufe seiner Tätigkeit immer mehr klar geworden, dass die Abrechnungen im T-Krankenhaus nicht korrekt ablaufen würden. Aus diesem Grund habe er spätestens im März kein Interesse an der ihm angebotenen Chefarzt-Stelle mehr gehabt. Dies habe er auch am 18.03.2016 gegenüber den Zeugen T und X deutlich gemacht. Er sei im April lediglich zurück gekehrt, weil die Zeugin ihn angebettelt hätten und ihm zugesichert hätten, die Abrechnungsproblematik zu klären.
22Soweit diese Einlassung des Angeklagten den Feststellungen widerspricht, ist sie zur sicheren Überzeugung des Gerichts im Sinne der Feststellungen widerlegt worden.
23Die Zeugen T, X und Dr. C haben den Ablauf der Tätigkeit des Angeklagten im T-Krankenhaus im Wesentlichen übereinstimmend wie festgestellt geschildert. Sie haben insbesondere übereinstimmend bekundet, vom Angeklagten zu keinem Zeitpunkt auf seine fehlende Approbation hingewiesen worden zu sein. Die Zeugen sind glaubhaft, ihre Angaben glaubwürdig. Das Gericht sieht kein Motiv der Zeugen, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, wenn dessen Einlassung richtig wäre. In diesem Fall hätte der Zeuge T keinen Grund gehabt, sich bei der Bezirksregierung Köln nach der Approbation des Angeklagten zu erkundigen, was durch den verlesenen Mailverkehr feststeht. Er hätte die Antwort bereits gekannt. Ebenso wenig hätte der Zeuge T einen Grund gehabt, das Verfahren gegen den Angeklagten durch seine Strafanzeige in Gang zu bringen. Soweit der Angeklagte andeutet, der Zeuge T sei in die Offensive gegangen, weil er so die angeblichen Abrechnungsbetrügereien des Krankenhauses vertuschen wollte, ergibt dies keinen Sinn. Zum einen hat nicht einmal der Angeklagte behauptet, dass er dem Zeugen mit einer Anzeige gedroht hat, zum anderen musste der Zeuge T bei einer Anzeige gegen den Angeklagten erst recht damit rechnen, dass dieser seine Vorwürfe öffentlich macht.
24Insbesondere ein Motiv des Zeugen Dr. C, wahrheitswidrig zu behaupten, der Angeklagte habe ihn nicht auf seine fehlende Approbation hingewiesen, ist nicht ersichtlich. Sowohl der Angeklagte als auch der Zeuge Dr. C haben bekundet, sie hätten sehr gut zusammen gearbeitet und ein gutes kollegiales Verhältnis gehabt. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, warum der Zeuge den Angeklagten nunmehr zu Unrecht belasten sollte, zumal er selbst keine negativen Konsequenzen bei einer Bestätigung des Einlassung des Angeklagten zu erwarten hätte.
25Die Angaben der Zeugen X, T und Dr. C sind auch glaubhaft. Sie sind detailliert, nachvollziehbar, konstant und frei von überschießenden Belastungstendenzen. So haben sämtliche Zeugen insbesondere die herausragenden ärztlichen Fähigkeiten des Angeklagten bestätigt. Ihre Angaben werden zudem durch die Aussagen der weiteren Zeugen, die verlesenen Schriftstücke und die gesamten objektiven Umstände bestätigt.
26So haben auch die vom Angeklagten benannten Zeugen G und Dr. W bekundet, dass der Angeklagte ihnen gegenüber zu keinem Zeitpunkt auf eine fehlende Approbation hingewiesen hat. Sie seien vielmehr davon ausgegangen, dass der Angeklagte eine Approbation habe, da er ärztliche Tätigkeiten ausgeführt habe. Der Zeuge Dr. W hat darüber hinaus bekundet, er sei misstrauisch geworden, als er von den Vorstrafen des Angeklagten im Internet gelesen habe und habe dies den Zeugen T und Dr. C mitgeteilt, die ihm zugesagt hätten, dies überprüfen zu wollen. Dies sei spätestens Mitte Februar 2016 gewesen.
27Auch diese Aussagen widersprechen der Einlassung des Angeklagten und stützen die Aussagen der weiteren Zeugen. Wäre der Angeklagte offen mit seiner fehlenden Approbation umgegangen, hätte es nahe gelegen, dass auch die Zeugen Dr. W und G davon gehört hätten. Jedenfalls hätte die Reaktion des Zeugen T auf die Mitteilung des Zeugen Dr. W anders ausfallen müssen. Der Zeuge T hätte in diesem Fall erklären können, er wisse, dass der Angeklagte keine Approbation habe, deswegen übe er nur eine beratende Tätigkeit aus.
28Auch die objektiven Umstände widerlegen die Einlassung des Angeklagten und unterstützen die Aussagen der Zeugen X, T und Dr. C.
29Der Angeklagte ist unstreitig eingestellt worden, weil aufgrund der Abwesenheit der Zeugen Dr. C und G eine Vertretung als Leiter der Onkologie gesucht wurde. Die gesuchte Person sollte also während der Abwesenheit des Zeugen Dr. C dessen ärztliche Leistungen erbringen. Diese sollten anschließend gegenüber der Krankenkasse abgerechnet werden. Dies ist aber, auch nach der Aussage des Zeugen S, nur möglich, wenn die Leistungen durch einen approbierten Arzt erbracht werden. Es machte daher auch objektiv keinen Sinn, den Angeklagten im Wissen um seine fehlende Approbation einzustellen. Er wäre für die von ihm zu übernehmende Tätigkeit, die Vertretung des Zeugen Dr. C, schlicht nicht geeignet gewesen.
30Noch weniger Sinn macht es darüber hinaus, dem Angeklagten im Februar 2016 eine Stelle als Chefarzt ab dem 01.03.2016 anzubieten, wenn – wie vom Angeklagten behauptet – bekannt gewesen wäre, dass der Angeklagte seine Approbation frühestens im Juni 2016 zurück erhält. In diesem Fall hätte es allenfalls Sinn gemacht, im Vertragsentwurf als Arbeitsbeginn den 01.06.2016 anzugeben. Auch der Angeklagte konnte nicht ansatzweise nachvollziehbar erklärten, warum im Vertragsentwurf als Arbeitsbeginn der 01.03.2016, von ihm korrigiert auf den 15.03.2016, angegeben war, wenn allen Beteiligten klar war, dass eine Chefarzt-Tätigkeit vor dem 01.06.2016 keinesfalls möglich war. Der im Vertrag vorgesehene Arbeitsbeginn lässt sich nur dann nachvollziehbar erklärten, wenn dem Zeugen T gerade nicht bekannt war, dass der Angeklagte über keine Approbation verfügte.
31Dementsprechend begründet der Angeklagte die Verschiebung des Arbeitsbeginns in seiner Mail an den Zeugen T vom 24.03.2016 auch nicht mit seiner fehlenden Approbation, sondern mit seiner Unabkömmlichkeit im Vereinigten Königreich. Auch dies widerspricht seiner Einlassung und unterstützt die Aussagen der Zeugen. Auch die dem Angeklagten angeblich zu diesem Zeitpunkt bereits Bedenken machende Abrechnungsproblematik ist im Übrigen kein Thema in dieser in der Hauptverhandlung verlesenen Mail. Der Angeklagte stellt vielmehr einen sicheren Arbeitsbeginn zum 01.06.2016 in Aussicht, ohne im Bereich des Krankenhauses liegende Probleme überhaupt zu erwähnen. Dabei wurde die Mail zu einem Zeitpunkt geschrieben, als der Angeklagte das Krankenhaus nach seiner Einlassung mit der Ankündigung verlassen haben will, nicht zurückzukehren, weil er nicht in einen Abrechnungsbetrug hineingezogen werden wolle. Der Zeuge T habe ihn in dieser Zeit „angebettelt“ zurückzukehren. Diese Einlassung des Angeklagten ist mit dem Wortlaut der Mail in keiner Weise zu vereinbaren. Eine nachvollziehbare Erklärung hierfür hatte der Angeklagte nicht.
32Schließlich widersprechen auch sämtliche in der Hauptverhandlung verlesenen Unterlagen der Behauptung des Angeklagten, er habe auf seine fehlende Approbation hingewiesen. Ein schriftlicher Hinweis auf seine fehlende Approbation findet sich an keiner Stelle. Demgegenüber ist dem Krankenhaus eine Ablichtung der Approbationsurkunde per Mail von der Vermittlungsagentur übersandt worden. Der Angeklagte ist dort auch als Arzt angeboten worden, obwohl die Berufsbezeichnung „Arzt“ gemäß § 2a BÄO nur führen darf, wer als Arzt approbiert ist oder sonst zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigt ist. Der Angeklagte bezeichnet sich auch in den von ihm unterschriebenen Honorararztverträgen als Arzt und verpflichtet sich, ärztliche Leistungen zu erbringen. Auch dies widerspricht seiner Einlassung, er sei lediglich als Berater eingestellt worden. Die von ihm erstellten Abrechnungen tragen die Überschrift „Ärztliche Liquidation“ und sind vom Angeklagten mit dem Zusatz „Facharzt für Innere Medizin“ unterschrieben worden. In einer Mail an den Zeugen X vom 18.02.2016 spricht der Angeklagte ausdrücklich davon, seine „Honorararzttätigkeit“ fortführen zu wollen.
33Das Gericht ist ebenfalls davon überzeugt, dass der Angeklagte ärztliche Leistungen erbracht hat und nicht lediglich beratend tätig war. Zum Einen ist die Einlassung des Angeklagten aus den dargelegten Gründen ohnehin insgesamt unglaubhaft. Zum anderen ist sie auch widersprüchlich, wenn der Angeklagte einerseits behauptet, er sei nicht ärztlich tätig gewesen, andererseits aber auch erklärt, die von ihm eingeräumte Teilnahme an Tumorkonferenzen und die anschließende Erstellung der Therapiepläne sei die Haupttätigkeit des behandelnden Arztes bei der Behandlung von Krebserkrankungen, zudem habe er einer Reihe von Patienten geholfen, teilweise sogar deren Leben gerettet. Auch aus der Einlassung des Angeklagten folgt daher bereits, dass er ärztliche Leistungen erbracht hat.
34Darüber hinaus ist das Gericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme aber auch davon überzeugt, dass der Angeklagte – mit Ausnahme der Ausstellung von Rezepten - sämtliche ärztlichen Leistungen erbracht hat, die ein Leiter der stationären bzw. ambulanten Onkologie zu erbringen hat. Auch insoweit stützt das Gericht seine Überzeugung auf die Aussage der vernommenen Zeugen, die objektiven Umstände und die verlesenen Urkunden.
35Sämtliche im Krankenhaus tätigen Zeugen, insbesondere auch die Zeugen Dr. C und Dr. W, haben bekundet, dass der Angeklagte als Leiter der Onkologie tätig gewesen sei und zwar in der Zeit der Abwesenheit des Zeugen Dr. C in Vertretung für diesen, in den übrigen Zeiten in Zusammenarbeit mit ihm. Dabei habe er insbesondere auch Patientenkontakte gehabt und habe Patienten behandelt. Der Zeuge T hat bestätigt, dass allein bei insgesamt 98 im MVZ ambulant behandelten Patienten in der Patientenkartei ärztliche Leistungen des Angeklagten dokumentiert seien.
36Die Aussagen der Zeugen sind auch insoweit glaubhaft und werden durch die objektiven Umstände bestätigt. Der Angeklagte ist unstreitig als Vertretung für den Zeugen Dr. C eingestellt worden, insofern ist nachvollziehbar, dass er jedenfalls in dessen Abwesenheit dessen Aufgaben vollständig übernommen hat. Der Angeklagte hat sich zudem im unterzeichneten Honorararztvertrag zur Erbringung von ärztlichen Leistungen verpflichtet und ärztliche Leistungen – nicht lediglich Beratertätigkeit – in Rechnung gestellt. Schließlich hat er sich auch regelmäßig als Arzt und nicht als Berater bezeichnet.
37Schließlich steht auch aufgrund des vom Zeugen S dargestellten Grundsatzes der persönlichen Leistungserbringung, wonach eine Vielzahl von ärztlichen Leistungen von dem zugelassenen Arzt oder dessen ausdrücklich bestellten Vertreter erbracht werden müssen, fest, dass der Angeklagte jedenfalls die wesentlichen ärztlichen Leistungen in der Abwesenheit des Zeugen Dr. C persönlich erbracht haben muss, weil er dessen offizieller Vertreter war und nach seiner eigenen Einlassung sehr auf eine korrekte Abrechnung gegenüber der Krankenkasse bedacht war.
38Die Feststellung, dass der Krankenhaus den Angeklagten weder eingestellt noch bezahlt hätte, wenn es von seiner fehlenden Approbation gewusst hätte, stützt das Gericht auf die auch insoweit glaubhaften Angaben der Zeugen X und T, die ohne Weiteres nachvollziehbar sind. Ein Arzt, dessen Leistungen aufgrund fehlender Approbation gegenüber den Krankenkassen nicht abgerechnet werden können, ist für ein Krankenhaus regelmäßig wertlos, so dass nachvollziehbar ist, dass er nicht eingestellt würde. Aus dem gleichen Grund ist das Gericht auch davon überzeugt, dass dem Angeklagten klar war, dass seine Tätigkeit im Krankenhaus T in dem Moment endet, in dem seine fehlende Approbation bekannt wird.
39Die Feststellung, dass der Angeklagte bereits zu Beginn seiner Tätigkeit im T-Krankenhaus beabsichtigte, sich durch eine fortlaufende Täuschung über das Bestehen seiner Approbation ein Einkommen von einigem Gewicht und einiger Dauer zu sichern, stützt das Gericht zum einen auf die Tatsache, dass er über die Vermittlungsagentur U seine Tätigkeit als Honorararzt fortlaufend anbot. Zum anderen deuten auch der Zeitraum, in dem der Angeklagte im Krankenhaus T tätig war, die erhaltene erhebliche Vergütung und die Tatsache, dass der Angeklagte insgesamt 4 Honorararztverträge abschloss, auf eine derartige Absicht des Angeklagten hin. Dieser beabsichtigte offensichtlich, so lange wie möglich für das Krankenhaus T tätig zu sein und hierdurch ein fortlaufendes Einkommen zu erzielen. Dies wird auch dadurch deutlich, dass der Angeklagte Interesse an der Chefarzt-Stelle bekundete, die Unterzeichnung eines entsprechenden Vertrages aber immer weiter hinausschob und die Zeit durch kurzfristige Honorararztverträge überbrückte. Dementsprechend schlägt er selbst in den verlesenen Mails an die Zeugen X und T vom 18.02.2016 und 24.03.2016 eine weitere Fortsetzung seiner Honorararzttätigkeit vor.
40IV.
41Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte wegen Betruges im besonders schweren Fall gem. § 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB in 4 Fällen, jeweils in Tateinheit mit einem Verstoß gegen § 5 HeilprG strafbar gemacht.
42Selbst wenn der Angeklagte nicht gewusst haben sollte, dass die Vermittlungsagentur dem Krankenhaus eine Ablichtung seiner Approbationsurkunde geschickt hat, hat er durch die Unterzeichnung der jeweiligen Honorararztverträge, in denen er sich dazu verpflichtet hat, ärztliche Leistungen zu erbringen, konkludent wahrheitswidrig erklärt, über die hierfür erforderliche Approbation zu verfügen. Diese Täuschung war ursächlich für den Abschluss der Verträge durch das Krankenhaus und die von diesem gezahlten Vergütungen. Durch die Zahlung der vereinbarten Vergütungen an den Angeklagten ist dem Krankenhaus auch ein entsprechender Schaden entstanden, da die vom Angeklagten erbrachte Gegenleistung nicht gleichwertig war. Zum einen ist das Krankenhaus bei der vereinbarten Vergütung davon ausgegangen, die Leistungen eines approbierten Arztes zu erhalten, die es tatsächlich nicht erhalten hat. Zum anderen waren die Leistungen des Angeklagten für das Krankenhaus auch deshalb wertlos, weil sie gegenüber den Krankenkassen nicht abgerechnet werden konnten.
43Daneben hat der Angeklagte auch gegen § 5 HeilprG verstoßen, weil er die Heilkunde ausgeübt hat, ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis zu besitzen. Gem. § 2 BÄO ist für die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung Arzt grundsätzlich eine Approbation erforderlich.
44Ausübung der Heilkunde ist gem. § 1 Abs. 2 HeilprG jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird.
45Die Tätigkeit des Angeklagten im T-Krankenhaus war eindeutig gewerbsmäßig, d. h. auf die Erzielung eines Einkommens von einigem Gewicht über einen Zeitraum von einiger Dauer gerichtet. Sie war darüber hinaus schon nach der eigenen Einlassung des Angeklagten eine Tätigkeit zur Feststellung und Heilung von Krankheiten bei Menschen. Jede Tätigkeit die auf die Behandlung und Diagnostik bezogen auf einen konkreten Patienten gerichtet ist, stellt sich danach als Ausübung der Heilkunde dar. Demgegenüber stehen wissenschaftliche oder journalistische Tätigkeiten ohne Patientenbezug, die nicht unter den Heilkundebegriff der BÄO bzw. des HeilprG fallen (vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 04.04.2006, Az: 14 A 104.04). Die gewerbsmäßige Erstellung von Therapieplänen für Krebspatienten ist demnach Ausübung der Heilkunde, für die eine ärztliche Approbation erforderlich ist. Völlig unerheblich ist dabei, ob dieser Therapieplan im Anschluss noch von einem anderen Arzt abgesegnet werden muss, dem die letzte Entscheidung obliegt.
46Ebenso ist unerheblich, ob der Angeklagte über eine englische Approbation verfügte. Zwar könnte er grundsätzlich gem. §§ 2 Abs. 3, 10b BÄO unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt sein, auch mit einer englischen Approbation den ärztlichen Beruf in Deutschland auszuüben. Eine solche Berechtigung besteht aber gem. § 10b Abs. 1 S. 3 BÄO nicht, wenn die Voraussetzungen eines Widerrufs der Approbation gem. § 3 BÄO vorliegen, ein Widerruf aber mangels einer deutschen Berufszulassung nicht erfolgen kann. Dies muss natürlich erst recht gelten, wenn die deutsche Approbation bereits bestandskräftig entzogen wurde.
47Der Betrug sowie der Verstoß gegen das HeilprG stehen im Verhältnis der Tateinheit zueinander, weil Sie jeweils auf einem einheitlichen Tatentschluss beruhten und in engem zeitlichem und räumlichen Zusammenhang zueinander standen. Dagegen beruht jeder neu abgeschlossene Honorararztvertrag auf einem neuen Tatentschluss des Angeklagten, mit dem die verantwortlichen Mitarbeiter des Krankenhauses jeweils neu über das Vorliegen einer Approbation getäuscht wurden. Jeder abgeschlossene Vertrag stellt damit eine rechtlich selbstständige Tat dar.
48V.
49Der gem. 52 Abs. 2 StGB maßgebliche Strafrahmen des Betruges im besonders schweren Fall sieht im Regelfall Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren vor. Das Gericht ist vom Strafrahmen des Regelfalles ausgegangen, da nach Abwägung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechender Umstände keine besonderen Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, trotz der Vorliegens eines Regelbeispiels vom Strafrahmen des einfachen Betruges gem. § 263 Abs. 1 StGB auszugehen.
50Dabei hat das Gericht zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass der Angeklagte jedenfalls hinsichtlich des Verstoßes gegen das HeilprG geständig war. Insoweit sprach auch für ihn, dass eine Gefährdung der Patienten durch seine Tätigkeit nicht bestand, da der Angeklagte unstreitig fachlich ein sehr fähiger Arzt ist. Hinsichtlich des Betruges sprach für den Angeklagten, dass dieser ihm vom Krankenhaus relativ einfach gemacht wurde, da die Mitarbeiter des Krankenhauses es unterließen, den Angeklagten aufzufordern, seine Approbation im Original vorzulegen, obwohl jedenfalls den Zeugen T und Dr. C die strafrechtliche Vergangenheit des Angeklagten bekannt war.
51Gegen den Angeklagten sprach auf der anderen Seite, dass er bereits erheblich einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und zur Tatzeit unter einer laufenden Bewährung stand. Er ist lediglich knapp 18 Monate vor den Taten aus einer mehrjährigen Strafhaft entlassen worden. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Betrugstaten des Angeklagten in der Vergangenheit von anderer Qualität waren. Es erscheint aber trotzdem sehr bedenklich, dass der Angeklagte nach so kurzer Zeit erneut einschlägig strafrechtlich in Erscheinung tritt. Gegen den Angeklagten sprach auch, dass er tateinheitlich gegen zwei Strafgesetze verstoßen hat und in jedem Einzelfall sowie insgesamt einen erheblichen Schaden verursacht hat. Schließlich sprach gegen den Angeklagten, dass er sich auch in der Hauptverhandlung als völlig uneinsichtig dargestellt hat. Obwohl der Angeklagte jedenfalls die objektiven Umstände eines Verstoßes gegen das HeilprG eingeräumt hat, mangelte es ihm an jeglicher Einsicht. Der Angeklagte vermittelte dem Gericht das Gefühl, dass er der Auffassung ist, aufgrund seiner fachlichen Fähigkeiten über dem Gesetz zu stehen.
52Nach Abwägung dieser für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hat das Gericht für jeden Fall eine Einzelstrafe von jeweils 9 Monate als tat- und schuldangemessen erachtet. Aus diesen Einzelstrafen hat es nach nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte eine insgesamt tat- und schuldangemessene Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten gebildet.
53Die Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe konnte nicht gem. § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Das Gericht erwartet bereits nicht, dass sich der Angeklagte die Verhängung einer Bewährungsstrafe als Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begeht. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass der Angeklagte weiterhin einschlägig strafrechtlich in Erscheinung treten wird. Der Angeklagte vermittelte in der Hauptverhandlung den Eindruck vollkommener Uneinsichtigkeit. Er scheint der Auffassung zu sein, aufgrund seiner überragenden fachlichen Fähigkeiten keine Approbation zu benötigen, um Patienten zu behandeln. Eine positive Sozialprognose ist daher nicht erkennbar. Dem Eindruck des Gerichts entsprechend konnte der Angeklagte auch durch die mehrjährige Verbüßung zweier Freiheitsstrafen und die Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafen zur Bewährung lediglich 18 Monate von der Begehung weiterer einschlägiger Straftaten abgehalten werden.
54VI.
55Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.
56Das Urteil ist i.V.m. dem Urteil II. Instanz rechtskräftig seit dem 25.10.2017
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