Urteil vom Amtsgericht Ahlen - 9 C 540/05
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beitreibbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
1
TATBESTAND:
2Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung in Anspruch.
3Die Klägerin vermietete den Beklagten eine nicht preisgebundene um das Jahr 1913 errichtete, südlich ausgerichtete Doppelhaushälfte in der L-Straße in B. Sie beinhaltet eine Wohneinheit mit 85,51 m² Wohnfläche und besteht aus 4 Zimmern, Flur/Treppenraum, Küchenzeile, Bad-WC, Hauswirtschafsraum mit Waschmaschinen- und Wäschetrockneranschluss und einem seperaten WC-Raum im Dachgeschoß. Dazu kommt ein kleiner schmaler Kellerraum mit geringer Kopfhöhe (maximal 1,57 m) und im Hofraum ein sogenannter Kellerraumersatzraum in einer „1/4-Garage“ als Trapezblech-Konstruktion.
4Den Beklagten ist unentgeltlich (aber widerruflich) neben dem Hofraum an der Hausseite eine Gartenfläche zugeordnet, bei der die Nachbarn zur Linken und zur Rechten ein jederzeitiges Durchgangsrecht haben.
5Das Haus verfügt über keinen Balkon und keine vollwertige Terrasse, die in direkten Anschluss von einem Wohnraum aus zugänglich wären.
6Das Mietobjekt ist Teil der in den Jahren 1910 bis 1924 nach Erschließung der Steinkohle durch die 1902 gegründete X. geplanten und realisierten A-Siedlung die bis zur Schließung der Zeche X. im Jahr 2000 subventioniert und fast ausschließlich von Bergleuten bewohnt war. Sie liegt in der Nähe des ehemaligen Zechengeländes in süd-östlicher Stadtrandlage. Die L-Straße befindet sich in ca. 1,5 km Entfernung zum Marktplatz. Die Siedlung besteht aus überwiegend älterer Bausubstanz und steht wegen ihres Charakters als Gartenstadt unter Denkmalschutz.
7Die Klägerin begehrte im Jahre 2005 für eine Vielzahl ihrer Objekte in der gesamten A-Siedlung eine Mieterhöhung. Das vorliegende Verfahren wurde von den Prozessbevollmächtigten zu einem von insgesamt 8 Musterverfahren erklärt. Bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss, sollen die übrigen noch anhängigen ähnlichen Verfahren ruhen.
8Die öffentliche L-Straße ist gering frequentiert, mit 30 km/h verkehrsberuhigt und eine öffentliche Anlieger- und Wohn-Sammelstraße. Sie verfügt über Schwarzdecken-Fahrbahnen, aufgekantete sowie plattierte Bürgersteige, Baumgrün und private Vorgärten.
9Die Geschäfte für den engeren Bedarf sind im Umkreis von 500 bis 800 m angesiedelt.
10Infrastruktureinrichtungen wie Kindergärten und Schulen stehen gut erreichbar zur Verfügung. Die unmittelbare Nachbarschaft wird überwiegend von einer älteren ein-, eineinhalb- und zweigeschossigen Wohnhausbebauung bestimmt, die als Einzel- und Doppelhaushälften, aber auch in Geschossbauweise für Mehrfamilienwohnhäuser ausgeführt ist.
11Die Doppelhaushälfte befand sich bis zur Durchführung umfangreicher Bauarbeiten in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre im Zustand ihres Errichtungsjahres. Das hinter dem Haus gelegene Stallgebäude ist komplett umgebaut worden und in die Wohnungsnutzfläche des Hauses einbezogen worden. In das Stallgebäude wurde ein komplettes Badezimmer einschließlich sämtlicher Ver- und Entsorgungsleitungen (erstmals) eingebaut. Die Raumhöhe im gesamten Anbau, dem ehemaligen Stallgebäude, beträgt 2,1 m. Ferner wurde die Haustechnik neu installiert (Sanitär-, Elektroeinrichtungen, Gasheizung mit Warmwasserversorgung, die Fenster). Es wurden zweiadrige Elektrokabel den Erfordernissen der 80er-Jahre angepasst, die Fenster wurden mit Rollläden versehen, die Dächer neu gedeckt, Dachrinnen und Fallrohre erneuert. Es wurden neue Hausanschlüsse für Gas, Strom und Wasser errichtet und die Kanalanschlüsse wurden erneuert. Auf dem Grundstück befindliche alte Schuppen wurden abgerissen, und die neue Garage aufgestellt. Die Gärten wurden neu angelegt, Zuwege und Hofräume plattiert. Die beiden im Erdgeschoss gelegenen Wohnräume, bislang durch eine Tür verbunden, erhielten einen Durchbruch, der die beiden Räume miteinander verband.
12Mit Schreiben vom 12.07.2005 forderte die Klägerin die Beklagten auf, einer Erhöhung der Grundmiete für die 85,51 m2 große Wohnung von 432,65 € um 20 € auf 452,65 € zum 01.10.2005 zuzustimmen. Dieses entspricht einer Erhöhung der Miete von 5,06 €/m2 auf 5,29 €/m2. Zuvor war die Miete der Beklagten zwischen Sommer 2002 und Sommer 2005 nicht erhöht worden.
13Das Mieterhöhungsverlangen nahm Bezug auf den damals gültigen und öffentlich zugänglichen einfachen B. Mietspiegel, Stand: 01.01.2004. Dieser wurde herausgegeben von der Stadt B., dem N. und dem I. und galt für nicht und nicht mehr öffentlich geförderten Wohnraum. Der Mietspiegel wurde auf der Grundlage einer Mietenerhebung in B. aufgestellt. Es wurden nur Mieten einbezogen, die in den letzten 4 Jahren vereinbart oder geändert worden sind.
14Die Mieten von Einfamilien- und Doppelhaushälften wurden nicht erhoben. Insoweit regelt Ziffer 3 des Mietspiegels „Für Einfamilienhäuser ist ein Zuschlag von 10 % möglich.“
15Der Mietspiegel differenziert zwischen Baujahr und Wohnlage: Er unterscheidet 6 verschiedene Gruppen der Baujahre („bis 1960“, „1961 bis 1970“, „1971 bis 1980“, „1981 bis 1990“, „1991 bis 2000“ und „ab 2000“) und 3 Wohnlagen („einfache Wohnlage“, „mittlere Wohnlage“ und „gute Wohnlage“).
16Für Wohnraum mit einem Baujahr bis 1960 sieht der Mietspiegel
17- 18
für eine einfache Wohnlage einen Quadratmeterpreis von 3,00 € bis 4,20 €,
- 19
für eine mittlere Wohnlage einen Quadratmeterpreis von 3,10 € bis 4,40 € und
- 20
für eine gute Wohnlage einen Quadratmeterpreis von 4,15 € bis 5,15 € vor.
Für Wohnraum mit einem Baujahr 1981 bis 1990 sieht der Mietspiegel
22- 23
für eine einfache Wohnlage einen Quadratmeterpreis von 4,50 € bis 5,35 €,
- 24
für eine mittlere Wohnlage einen Quadratmeterpreis von 4,70 € bis 5,50 € und
- 25
für eine gute Wohnlage einen Quadratmeterpreis von 5,10 € bis 6,00 € vor.
Diese Preise gelten für Wohnungen, die mindestens mit Bad oder Dusche mit WC, einer Sammelheizung, Fenster mit Isolierverglasung und einem Balkon oder einer Terrasse ausgestattet sind. Fehlt eines dieser Merkmale, so kann ein Abschlag von 5 % vorgenommen werden.
27Die Wohnlagen umschreibt der Mietspiegel wie folgt:
28„Einfache Wohnlage:
29Sie ist gegeben, wenn das Wohnen durch überdurchschnittliche Geräusch- und/oder Geruchsbelästigungen und durch besondere Beengung beeinträchtigt wird, insbesondere bei in der Nähe liegenden Industrie - oder Gewerbebetrieben oder Verkehrswegen, z.B. stark belastete Durchgangsstraßen. Außerdem fehlen bei solchen Lagen die entsprechenden Freiflächen.
30Mittlere Wohnlage:
31Sie ist gegeben in der Innenstadt bei Wohnungen an Straßen ohne Lagevorteile mit dichter Bebauung, meist ohne Begrünung und durchschnittlicher Emissionsbelastung, Durchmischung mit Geschäfts-, Büro-, Gewerbe- und Industrienutzung, teilweise auch beeinträchtigten Verkehrslagen, mittlere Infrastruktur, in Stadtrandgebieten bei Wohnungen an Straßen mit vorwiegend aufgelockertem Geschossbau, in Kleinsiedlungen mit im Vergleich zur guten Wohnlage weniger ausgeprägtem Grünbezug und weniger gepflegten Stadtbild.
32Gute Wohnlage:
33Sie ist gegeben bei Wohnungen in Gebieten mit aufgelockerter Bebauung, auch mit größeren Wohnobjekten mit Baumbepflanzung an Straßen und Vorgärten, im wesentlichen nur mit Anliegerverkehr, mittlere bis gute Infrastruktur sowie in ruhiger und verkehrsgünstiger Grünanlage, ohne bedeutenden Durchgangsverkehr, bei Wohnungen in der Innenstadt beziehungsweise in den Ortskernen in der Regel mit bis zu 4-geschossiger Bauweise mit gepflegtem Stadtbild und Grünbezug, jedoch ohne Beeinträchtigung durch starken Durchgangsverkehr“
34Die Einordnung „durch Umbau neu geschaffener Wohnungen“ richtet sich nach Ziffer 5 des Mietspiegels:
35„Werden Wohnungen im Sinne von § 17 Abs. 1 II. Wohnungsbaugesetz unter wesentlichem Bauaufwand umgebaut, weil sie infolge der Änderung der Wohngewohnheiten den heutigen Ansprüchen nicht mehr genügen, gelten sie als neu geschaffen, wenn sie 1/3 der Kosten des für den Bau einer vergleichbaren Neubauwohnung erreichen oder übersteigen. In diesem Falle sind dann die Mietwerte einer Neubauwohnung zugrundezulegen.“
36Das Schreiben der Klägerin an die Beklagten vom 12.07.2005, mit dem sie die Mietanpassung verlangte, gruppierte die Wohnung der Beklagten wie folgt ein:
37Baualtersklasse „01.01.1981 bis 31.12.1990; mittlere Wohnlage, Bad oder Dusche mit WC, Sammelheizung, Isolierverglasung, Balkon“. Weiter heißt es in dem Schreiben: „Die Baualtersklasse, in die wir die von Ihnen angemietete Wohnung gruppiert haben, weicht von dem ursprünglichen Baujahr ab, da in der Folgezeit mittels eines wesentlichen Bauaufwandes ein Zustand hergestellte wurde, der neuzeitlichen Wohnansprüchen gerecht wird (Vollmodernisierung).“.
38Das Schreiben stellt die bisherige Miete der verlangten Miete gegenüber, enthält eine Vergleichsberechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete und nennt den Unter-, Mittel- und Oberwert und teilt mit, dass ein Zuschlag von 10 % für ein Einfamilienhaus bei der Ermittlung der Werte berücksichtigt wurde.
39Die Beklagten stimmten der Mieterhöhung nicht zu.
40Die Klägerin behauptet, die erhöhte Miete entspreche der ortsüblichen Vergleichsmiete. Die Klägerin ist der Auffassung, ihr Mieterhöhungsverlangen sei ausreichend begründet. Die Modernisierungs- und Umbaumaßnahmen in den 80er-Jahren würden einer Eingruppierung der Doppelhaushälfte in die Baualtersklasse zwischen „1981 bis 1990“ rechtfertigen. Ferner sei die L-Straße in die „gute Wohnlage“ des B. Mietspiegels einzuordnen. Zudem hält die Klägerin für die streitgegenständliche Doppelhaushälfte einen Einfamilienhauszuschlag in Höhe von 10 % für angemessen.
41Die Klägerin beantragt,
42die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, einer Anhebung der Nettokaltmiete für die von ihnen bei der Klägerin gemietete Wohnung von zurzeit 432,65 € monatlich um 20 € monatlich auf 452,65 € monatlich ab dem 01.10.2005 zuzustimmen und die Berufung zuzulassen.
43Die Beklagten beantragen
44die Klage abzuweisen.
45Die Beklagten halten das Mieterhöhungsverlangen für formell und materiell unwirksam. Die formelle Unwirksamkeit ergebe sich bereits daraus, dass die Begründung der Eingruppierung in die vom Baujahr abweichende Baualtersklasse unzureichend sei. Ferner sei eine Eingruppierung in eine jüngere Baualtersklasse ebenso wenig gerechtfertigt wie ein 10%iger Einfamilienhauszuschlag; zudem sei die Doppelhaushälfte kein Einfamilienhaus. Die Beklagten sind der Auffassung, dass die Klägerin eine über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegende Miete begehre.
46Das Gericht hat zur Frage der ortsüblichen Vergleichsmiete Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Herrn L1. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 12.02.2010 (Bl. 191 ff d.A.) verwiesen.
47ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
48Die zulässige Klage ist unbegründet.
49Das formell wirksame Mieterhöhungsverlangen ist materiell unbegründet.
50Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Zustimmung zu einer Erhöhung der monatlichen Bruttokaltmiete von 432,65 € um 20 € auf 452,65 € gemäß § 558 a BGB.
511. Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 12.07.2005 ist formell ordnungsgemäß begründet worden, § 558 a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB.
52Es ist in Textform erfolgt und bezieht sich zur Begründung auf den Mietspiegel der Stadt B. Das Schreiben stellt in den Vergleichsberechnungen fest, dass die Eingruppierung in eine jüngere als die ursprüngliche (1912) Baualtersklasse auf einer Vollmodernisierung beruhe. Ferner teilt das Schreiben mit, dass die Klägerin einen 10%igen Einfamilienhaus-Zuschlag auf den Basiswert vorgenommen hat.
53Erforderlich ist eine nachvollziehbare Darlegung von Grund und Umfang der begehrten Erhöhung. Bei der Auslegung des Begründungserfordernisses gem. § 558 a BGB ist zwischen den Belangen des Mieters und des Vermieters abzuwägen. Die Begründung soll dem Mieter die Möglichkeit der konkreten Information und Nachprüfung geben, damit er sich anhand der Daten schlüssig werden kann, ob er zustimmen will oder nicht. Der Beifügung des Mietspiegels bedarf es jedenfalls dann nicht, wenn dieser – wie vorliegend – allgemein zugänglich ist. Ob das streitgegenständliche Mietobjekt
54– insbesondere hinsichtlich der Baualtersklasse und Wohnlage – zutreffend eingeordnet ist und der Mietspiegel die geforderte Erhöhung deckt, ist keine Frage der formellen Wirksamkeit sondern der materiellen Begründetheit des Mieterhöhungsverlangens.
552. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die begehrte Mieterhöhung materiell unbegründet ist, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen.
56Zwar ist die Miete am 12.07.2005 seit mehr als 15 Monaten unverändert geblieben, § 558 Abs. 1 BGB, und die Mieterhöhung überschreitet die Kappungsgrenze nicht. Die Mieterhöhung überschreitet jedoch die Mietpreise für vergleichbare Wohnungen. Denn die ortsübliche Vergleichsmiete liegt bei 3,50 €/m2 und damit unter der bislang gezahlten Miete von 5,06 €/m2.
57a) Das Gericht hat keine Bedenken, die ortsübliche Vergleichsmiete unter Zuhilfenahme des einfachen B. Mietspiegels zu ermitteln und unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen L1 in seinem Sachverständigengutachten vom 12.02.2010 zu schätzen (§ 287 ZPO).
58Der Zugrundelegung dieses Mietspiegels steht nicht entgegen, dass die Daten der A-Siedlung in die Erhebung der Daten des Mietspiegels nicht vollständig eingegangen sind. Denn die zuvor – während des Betriebs der Zeche – vereinbarten Mieten spiegelten nicht die ortsübliche Miete wieder, sondern lagen aufgrund der Subventionierung als Werkswohnung der Bergleute deutlich darunter.
59Für ein Mieterhöhungsverlangen sind qualitätsmäßig vergleichbare Wohnungen des allgemeinen Wohnungsmarkts heranzuziehen. Ein Sondermarkt der A-Siedlung, für den Abweichendes gelten müsste, ist nicht ersichtlich. Insbesondere werden die Mietobjekte der A-Siedlung seit der Schließung der Zeche nicht mehr subventioniert und nicht mehr nur an Bergleute vermietet.
60Gegen die Geltung des Mietspiegels auch für das streitgegenständliche Objekt spricht auch nicht die Tatsache, dass es früher zu besonders günstigen Preisen vermietet wurde. Denn spätestens mit Wegfall der Privilegien der Bergleute muss sich auch die Miete, die die Klägerin verlangen kann, an der ortsüblichen Vergleichsmiete messen lassen.
61Das Gericht hält es auch für zulässig, die ortsübliche Vergleichsmiete durch Einordnung des streitgegenständlichen Objekts in die Kategorien des Mietspiegels zu ermitteln.
62Dabei ist insbesondere unschädlich, dass der Sachverständige keine eigenen statistischen Erhebungen zu Vergleichswohnungen angestellt hat. Eine eigenständige Ermittlung durch den Sachverständigen ist nur schwerlich realisierbar (vgl. LG Aachen, NJOZ 2008, 448 (449)); auch die Stadt B. sah wegen des enormen finanziellen Aufwands von der Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels ab. Sofern der einfache Mietspiegel im Sinne des § 558 a BGB ordnungsgemäß erstellt worden ist, kann die Begründetheit des Erhöhungsverlangens anhand der in dem Mietspiegel für vergleichbare Wohnungen angegebenen Spannen überprüft werden. Es begegnet keinen Bedenken, auch den einfachen Mietspiegel zur Grundlage richterlicher Schätzung gem. § 287 ZPO zu nehmen. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, die eine Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete zulässt, wenn die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch Sachverständigengutachten mit Schwierigkeiten und einem Kostenaufwand verbunden ist, der zur Höhe der begehrten Mieterhöhung außer Verhältnis steht (vgl. BGH NJW 2005, 2074). Eine Schätzung auf der Grundlage des Mietspiegels vermeidet die Entstehung von Gutachterkosten, die der Sachverständige auf ca. 15.000 € schätzt und die den Erhöhungsbetrag - von vorliegend 20 € – völlig unverhältnismäßig übersteigen. Die gerichtliche Verwendung eines geeigneten Mietspiegels ohne Heranziehung eines Sachverständigen ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Vorzug von Mietspiegeln besteht vor allem darin, dass ordnungsgemäß aufgestellte Mietspiegel in der Regel auf einer erheblich breiteren Tatsachenbasis beruhen, als sie ein gerichtlich bestellter Sachverständiger mit einem Kosten- und Zeitaufwand ermitteln könnte, der zum Streitwert des gerichtlichen Verfahrens in einem noch angemessenen Verhältnis stünde. Wenn auf Sachverständigengutachten gänzlich verzichtet werden kann, ist es im Ergebnis unschädlich, wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige von der eigenen statistischen Ermittlung ortsüblicher Vergleichsmieten absieht und stattdessen das Mietobjekt unter Zurhilfenahme seiner langjährigen Fachkenntnisse in den vorhandenen Mietspiegel eingruppiert.
63Anhaltspunkte, dass der Mietspiegel nicht ordnungsgemäß erstellt wurde, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
64b) Die streitgegenständliche Doppelhaushälfte ist in die Baualtersklasse „bis 1960“ des B. Mietspiegels einzugruppieren.
65Die Baumaßnahmen der Klägerin in den 80er Jahren führen nicht zu einer Eingruppierung in eine jüngere Baualtersklasse. Insbesondere hat die Klägerin die Voraussetzungen gemäß Ziffer 5 des B. Mietspiegels i.V.m. § 17 Abs. 1 des Zweiten Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes (II. WobauG) nicht dargelegt. Sie hat nicht dargelegt, dass die streitgegenständliche Doppelhaushälfte unter einem so wesentlichen Bauaufwand umgebaut wurde, dass dieser 1/3 der Kosten eines Baus einer vergleichbaren Neubauwohnung erreichen oder übersteigen würde. Als Wohnungsbau gilt gem. § 17 Abs. 1 S. 2 II.WoBauG auch der unter wesentlichem Bauaufwand durchgeführte Umbau von Wohnräumen, die infolge der Wohngewohnheiten nicht mehr geeignet sind, zur Anpassung an die veränderten Wohngewohnheiten. Als solche Umbauarbeiten kommen vorliegend der Einbau des Badezimmers in den Bereich des ehemaligen Stalls, der Einbau neuer Fenster und die Grundrissveränderung in Betracht. Die übrigen Teile der Baumaßnahme betreffen nicht den in § 17 Abs. 1 II. WoBauG in Bezug genommenen Wohnungsbau durch Umbau, Ausbau und Erweiterung, sondern allenfalls den Wohnungsbau durch Modernisierung gem. § 17 a II. WoBauG. Dies ist für die Eingruppierung in eine jüngere Baualtersklasse jedoch unerheblich, weil Ziffer 5 des B. Mietspiegels ausdrücklich ausschließlich auf den Umbau und § 17 Abs. 1 II. WoBauG Bezug nimmt – nicht aber auf § 17 a II. WoBauG.
66Darüber vermag der Klägerin auch eine Kommentierung zum II. WoBauG nicht hinweghelfen, das im Übrigen einem anderen Zweck dient als der Mietspiegel. Die im B. Mietspiegel getroffene Differenzierung zwischen Modernisierungsaufwand und Baualtersklasse ist zu respektieren: Der Mietspiegel erfasst den Modernisierungszustand des Mietobjekts in erster Linie dadurch, dass je fehlendem Merkmal (z.B. Sammelheizung oder Isolierverglasung) ein Abschlag von 5 % gemacht werden kann.
67Hätte die Klägerin die umfangreichen Modernisierungsarbeiten nicht vorgenommen, hätte sie sich möglicherweise einen Abschlag von jeweils 5% je fehlendem Merkmal (z.B hinsichtlich der Sammelheizung oder Isolierverglasung) gefallen lassen müssen. Dem Mietspiegel ist jedoch nicht – auch nicht durch Auslegung – zu entnehmen, dass auch reine Verschönerungs- und Modernisierungsmaßnahmen eine Einstufung des Objekts in eine jüngere Baualtersklasse rechtfertigen und der Klägerin damit praktisch doppelt zu gute kommen.
68Die Kosten der vorliegend berücksichtigungsfähigen Umbaumaßnahmen hat die Klägerin nicht so differenziert dargelegt, dass eine Feststellung möglich ist, ob die Kosten 1/3 der erforderlichen Kosten eines entsprechenden Neubaus erreichen oder übersteigen. Insoweit kann es dahingestellt bleiben, ob die Informationen aus dem von der Klägerin zur Akte gereichten Aktenordners ordnungsgemäß in den Prozess eingeführt wurden. Denn auch aus dem Aktenordner ergeben sich nicht die aufgeschlüsselten Kosten der berücksichtigungsfähigen Umbaumaßnahmen. Hierzu hat die Klägerin auch nicht näher vorgetragen, sondern ausdrücklich an ihrer Rechtsansicht festgehalten, es komme auf eine Differenzierung zwischen Umbau-, Instandsetzungs-, Modernisierungs- und Verschönerungsmaßnahmen nicht an.
69Hinzu kommt, dass ein Wohnobjekt, das zwischen 1981 und 1991 errichtet wurde, insgesamt einen anderen, deutlich besseren Standard hat, z.B. hinsichtlich der Kellerräume und ihrer Stehhöhe, sowie der Stehhöhe im gesamten Bereich des Anbaus. Nur bei den Investitionen, die im Anbau getätigt worden sind, handelt es sich um Kosten, bei denen sich die Frage stellt, ob ein Drittel der erforderlichen Kosten eines Neubaus erreicht werden. Im vorliegenden Fall bleibt aber auch dieser Bereich der Doppelhaushälfte hinter den Anforderungen, die an einen Neubau gestellt werden, zurück.
70Zwar mag der Einwand der Klägerin zutreffen, Wohnobjekte aus dem Jahre 1913 hätten hinsichtlich des Badezimmers, der Beheizung und der Wärme- und Schalldämmung einen schlechteren Standard als die streitgegenständliche Doppelhaushälfte. Diesem verbesserten Standard wird jedoch vorliegend zum einen durch den hier vorgenommenen 4 %-igen Modernisierungszuschlag Rechnung getragen, zum anderen dadurch, dass nicht der ansonsten anfallende 5%ige-Abschlag je fehlendem Merkmal (z.B. Sammelheizung, Isolierverglasung) fällig wurde.
71Das Gericht ist bei seiner Schätzung des Modernisierungszuschlags auf 4 % davon ausgegangen, dass die Maßnahmen der 80er-Jahre zum Stichtag des Mieterhöhungsverlangens 2005 keinen höheren Wohnwert und keine höhere ortsübliche Vergleichsmiete rechtfertigen.
72c) Die streitgegenständliche Doppelhaushälfte ist in die Kategorie „mittlere Wohnlage“ des B. Mietspiegels einzuordnen, wobei ein lagebedingter Aufschlag von 5% auf den Basiswert angemessen erscheint.
73Von dieser Einordnung ging zunächst auch die Klägerin in ihrer Begründung des Mieterhöhungsverlangens im Schreiben vom 12.07.2005 aus.
74Die Doppelhaushälfte liegt in einem Wohngebiet mit im Wesentlichen aufgelockerter Bebauung, sowie mit ausreichender öffentlicher und privater Durchgrünung. Sie liegt an der gering frequentierten, verkehrsberuhigten öffentliche Anlieger- und sog. Wohn-Sammelstraße; Infrastruktureinrichtungen stehen gut erreichbar zur Verfügung.
75Jedoch sind die Merkmale, die für ein besseres Wohnviertel stehen, nicht in ausreichendem Umfang vorhanden. Dem steht vorliegend der Siedlungscharakter und das eher triste Straßenbild entgegen.
76Zur Einordnung in die „gute Wohnlage“ als beste Kategorie des B. Mietspiegels, konnte auch die Tatsache nicht führen, dass die A-Siedlung im Hinblick auf ihren Charakter einer Gartenstadt unter Denkmalschutz steht. Unberücksichtigt muss bleiben, dass die Klägerin derzeit damit befasst ist, Häuser der Siedlung zu verkaufen und das Entstehen einer großartigen Wohnanlage erwartet.
77Im Hinblick auf das geringe, nicht störende Verkehrsaufkommen in Verbindung mit einem noch zufriedenstellenden Gesamteindruck des Siedlungsabschnitts – mit einfachen, aber vergleichsweise beschädigunglosen Putzfassaden in überwiegend aufgelockerter Bebauung sowie ausreichender öffentlicher und privater Durchgrünung war ein punktueller Lagezuschlag von 5% (bezogen auf die konkrete Basis-/Ausgangsmiete) gerechtfertigt.
78d) Für die streitgegenständliche Doppelhaushälfte ist ein modifizierter Einfamilienhauszuschlag von plus 5% anzusetzen.
79Hintergrund des Einfamilienhauszuschlags ist, dass Einfamilienhäuser nicht in die Erhebung der Daten des Mietspiegels eingeflossen waren und es verfestigter Meinung entspricht, dass diese einen 10 bis 20 % höheren Wohnwert haben und entsprechend höhere ortsübliche Mieten erzielen als vergleichbare Wohnungen. Für Mietspiegelersteller ist es häufig mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden, die vermieteten Einfamilienhäuser zu identifizieren und hinsichtlich der verhältnismäßig geringen Anzahl diesen Markt statistisch zutreffend aufzuklären.
80Nach Erfahrung des Sachverständigen L1 rechtfertigen freistehende Einfamilienhäuser einen Zuschlag von 10 bis 15 %, Doppelhaushälften einen Zuschlag von 7- 8 % und Reihenmittelhäuser einen Zuschlag von 5 %. Auch wenn der Wortlaut des Mietspiegels solche fließenden variablen Grenzen nicht ausdrücklich vorsieht, erscheinen diese dem Gericht sachgerechter als entweder ein starrer 10 %-Zuschlag oder gar kein Zuschlag.
81Ein 5%iger Aufschlag für die Doppelhaushälfte mit Südausrichtung und einer Wohneinheit auf einem Grundstück mit Grünflächen, aber ohne Balkon und vollwertige Terrasse, PKW-Stellplatz oder Garage, erscheint dem Gericht angemessen. Die Beklagten haben einen eigenen Hauseingang und ein eigenes Treppenhaus. Sie teilen sich mit den Nachbarn lediglich die Mittelwand. Im Übrigen ist die Doppelhaushälfte freistehend. Kein Anhaltspunkt findet sich hingegen dafür, dass ein Einfamilienhaus
82– wie die Beklagten meinen – stets rundum freistehend und nur von einer Familie bewohnt sein muss.
83Widersprüchlich ist es insoweit von der Klägerin, wenn sie sich zur formellen Begründung ihres Mieterhöhungsverlangens auf den B. Mietspiegel beruft, ihn aber andererseits für die streitgegenständliche Doppelhaushälfte nicht angewendet wissen will, weil Einfamilienhäuser der Klägerin in der A-Siedlung bei der Mietspiegelerhebung nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Noch widersprüchlicher wird ihr Einwand, wenn man bedenkt, dass ihre umfassende Teilnahme an der Erhebung des Mietspiegels in früheren Jahren zu einer niedrigeren ortsüblichen Vergleichsmiete geführt hätte, weil ihre Bergbauarbeiterwohnungen subventioniert waren.
84e) Innerhalb der vom Mietspiegel vorgegebenen Spanne von 3,10 € bis 4,40 € pro m2 ist die Miete der Doppelhaushälfte mit ca. 3,50 € pro m2 angemessen bewertet.
85Selbst bei Zugrundelegung des höchstmöglichen m2 - Preises der einschlägigen Kategorie des Mietspiegels (Baujahr bis 1960, mittlere Wohnlage, also 4,40 €) zzgl. modifiziertem Einfamilienhauszuschlag von 5 %, Wohnlagenzuschlag von 5 % und Modernisierungszuschlag von 4 % ergibt sich eine Miete als ortsübliche Vergleichsmiete, die unterhalb der von der Klägerin geforderten Miete in Höhe von 5,28 € pro m2 liegt.
86Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr.11, 711 ZPO.
87Der Streitwert wird gem. § 41 Abs. 5 GKG auf 240,00 € festgesetzt.
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