Beschluss vom Amtsgericht Alzey - 1 IN 125/02



Tenor

In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Sch. Inh. der Bauunternehmung Sch. wird der Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens zurückgewiesen. Die Entscheidung über die Restschuldbefreiung erfolgt nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens.

Gründe

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Unbestritten ist die Laufzeit der Abtretungserklärung verstrichen. Dennoch scheidet die Erteilung der Restschuldbefreiung zum jetzigen Zeitpunkt aus, da das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Der Auffassung des vom Schuldner zitierte AG Hannover und des LG Dresden (NZI 08, 508) kann insofern nicht gefolgt werden. Die Entscheidungen verkennen ein Vielzahl von Problemen:

2

Mit der Erteilung der Restschuldbefreiung sind die Forderungen der Insolvenzgläubiger nicht mehr durchsetzbar (§ 301 InsO). Demgemäß darf der Insolvenzverwalter auch keine Verteilung mehr an diese Gläubiger vornehmen, da sie bereits vollständig von der Restschuldbefreiung erfasst sind. Vorliegend ist eine Masse von ca. 140.000€ vorhanden, die nach Abzug der Kosten und Masseverbindlichkeiten streng genommen an den Schuldner auszukehren wäre nach Erteilung der Restschuldbefreiung vor Abschluss des Verfahrens.

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Würde bereits jetzt nach Anhörung der Gläubiger die Restschuldbefreiung erteilt, wäre es den Gläubigern nicht mehr möglich Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 INSO zu stellen. Wie der BGH mehrfach ein eindeutig entschieden hat, können Einwendungen nach § 290 InsO ausschließlich im Schlusstermin erhoben werden. Da ein Schlusstermin jedoch noch nicht bestimmt werden kann, laufen die Gläubiger Gefahr mit ihren Einwendungen abgeschnitten zu werden.

4

Ähnlich verhält es sich mit den Versagungsgründen des § 295 INSO. Wie der BGH erst kürzlich entschieden hat (BGH NZI 2009, 191) entstehen die Obliegenheiten des § 295 erst mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung. Da ein Eintritt in die Wohlverhaltensphase bisher nicht erfolgt ist, können die Gläubiger auch insofern keine Einwendungen nach § 300 InsO erheben. Das Anhörungsrecht der Gläubiger wird somit zur Farce, da diese hieraus keinerlei Rechte herleiten könnten.

5

Auch systematisch ist das Restschuldbefreiungsverfahren an ein Insolvenzverfahren geknüpft. § 287 InsO setzt ausdrücklich den Insolvenzantrag des Schuldners voraus. Aus der Regelung des § 289 wird deutlich, dass die Restschuldbefreiung erst angekündigt werden kann, wenn der Schlusstermin durchgeführt und das Insolvenzverfahren abgeschlossen ist. Dem steht auch nicht die Regelung des § 289 III 1 InsO entgegen: Die Ankündigung der Restschuldbefreiung wird nämlich für den Fall ausgeschlossen, dass Massearmut nach § 207 vorliegt und somit ein geordnetes Verfahren gerade nicht mehr durchgeführt werden konnte. Dass im Falle der Masseunzulänglichkeit nach § 208 InsO dennoch die Ankündigung erfolgen kann, beruht auf der Erwägung, dass mit Einstellung nach § 218 bereits das Insolvenzverfahren einen Abwicklungsstatus erreicht hat, der die Feststellung der Insolvenzgläubiger und die Masseverwertung ermöglichte. Die Durchführung des Insolvenzverfahrens ist somit Voraussetzung der Ankündigung der Restschuldbefreiung (Berliner Kommentar § 289 Rn 1, 10, 16)

6

Ursprünglich hat der Gesetzgeber diesem Schema auch Rechnung getragen mit der Regelung, dass die Wohlverhaltensfrist erst mit Aufhebung des Verfahrens zu laufen begann. Der Gesetzgeber empfand diese Frist im Einzelfall zu unbillig, zu lang und wollte durch die Verschiebung des Fristbeginns auf die Eröffnung eine Abkürzung erreichen. Dass es dabei zu Situationen kommen kann, wie dem Vorliegenden, hat der er einfach übersehen, da ansonsten entsprechende Regelungen aufgenommen worden wären. Hierin ist aber keineswegs eine Abkehr von der Verbindung von Restschuldbefreiung und Insolvenzverfahren zu sehen.

7

Wird die Restschuldbefreiung vorzeitig erteilt und endet die Laufzeit der Abtretungen, so bleibt der Insolvenzbeschlag und die Verfügungsbeschränkung dennoch erhalten. § 35 INSO ordnet den Neuerwerb jedoch eindeutig der Insolvenzmasse zu, so dass dieser Beschlag erhalten bleibt. Das LG Dresden vermag nicht überzeugend zu begründen, aus welchen Erwägungen heraus die vorherige Erteilung der Restschuldbefreiung Einfluss haben soll auf den Umfang der Insolvenzmasse. Die Restschuldbefreiung betrifft nur die Passivseite, also die Gläubiger des Insolvenzschuldners. Die Aktivseite ist in der Wohlverhaltensphase allein durch die Abtretungserklärung gedeckt. Somit entfällt nach Ablauf der Frist allein die Abtretung, nicht aber der Insolvenzbeschlag.

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Der Anhörung des Verwalters und der Gläubiger bedurfte es vorliegend nicht, da die Voraussetzungen des § 300 InsO nicht vorliegen.

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Zu der Entscheidung ist auch der Rechtspfleger berufen, da die Restschuldbefreiung nicht gänzlich versagt wurde, sondern nur zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist. Auch beruht die Entscheidung nicht auf einem Versagungsantrag eines Gläubigers.

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