Urteil vom Amtsgericht Arnsberg - 3 C 490/14
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.777,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2014 zu zahlen. Der Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 215,00 EUR Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.10.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Kaufvertrag.
3Die Klägerin ist Anbieterin von digitalen Fachbibliotheken, E-Book-Sammlungen und E-Learning-Kursen zu Managementthemen. Der Beklagte ist beim Klinikum B. in der IT-Abteilung beschäftigt.
4Am 10.06.2014 bestellte der Beklagte für das Unternehmen Klinikum B. GmbH telefonisch folgende Produkte:
51. Den E-Learning-Kurs „Der Auditor kommt“
62. Die große E-Book-Sammlung „IT-Management“
73. Den Online-Lurs „Risikomanagement“
8Die Parteien vereinbarten einen Kaufpreis von jeweils 592,62 EUR, insgesamt also 1.777,86 EUR sowie ein Rücktrittsrecht bis zum 28.07.2014, das jedoch nicht ausgeübt wurde. Mit Schreiben vom 01.09.2014 teilte das Klinikum B. mit, dass der Beklagte nicht bevollmächtigt gewesen sei und der Vertrag auch nicht nachträglich genehmigt werde.
9Die Klägerin beantragt,
101.
11den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.777,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2014 zu zahlen,
122.
13den Beklagten ferner zu verurteilen, an die Klägerin 215,00 EUR Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.10.2014 zu zahlen.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Der Beklagte ist der Ansicht, dass er wirksam vom Vertrag zurückgetreten sei. Der von ihm mit Schreiben vom 01.09.2014 erklärte Widerruf sei noch fristgemäß erfolgt, da der Beklagte nicht wirksam über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei.
17Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist zulässig bis auf einen Teil des Zinsanspruches begründet.
20I.
21Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 1.777,86 EUR aus § 179 BGB.
22Nach dieser Norm ist der vollmachtlose Vertreter bei einem Vertrag dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert.
231.)
24Ein wirksamer Vertragsschluss ergibt sich bereits aus dem von der Klägerin vorgelegten Gesprächsprotokoll. Sofern die Beklagtenseite einen wirksamen Vertragsschluss bestritten hatte, ist sie der Wiedergabe des Wortlautes der Aufzeichnung des Telefonats nicht mehr entgegengetreten, so dass der Inhalt gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen ist. Der aufgezeichnete Gesprächsinhalt ist derart eindeutig, dass von einem Vertragsschluss ausgegangen werden kann. Die Mitarbeiterin der Klägerin fasste die gesamte Bestellung noch einmal zusammen. Sie teilte ihren Namen mit, wer der Vertragspartner sei, den Preis, dass ein Rücktrittsrecht bestehe und dass es sich um eine Testbestellung handele. Ausdrücklich betonte sie noch, dass es sich um eine Testbestellung für die Firma handele und nicht um eine private Bestellung. Dem hat der Beklagte zugestimmt. Der Inhalt der Äußerungen und das Verhalten des Beklagten im Rahmen des Telefonats konnten aus objektiver Sicht nur als Vertragsschluss verstanden werden.
252.)
26Über eine Vertretungsmacht verfügte der Beklagte unstreitig nicht.
273.)
28Das Klinikum B. hat die Genehmigung des Vertrages am 01.09.2014 verweigert.
294.)
30Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht durch den Widerruf des Beklagten vom 01.09.2014 erloschen.
31Denn dem Beklagten stand kein Widerrufsrecht gem. §§ 355, 312g BGB zu.
32Die Frage, ob dem vollmachtlosen Vertreter auch dann ein Widerrufsrecht zusteht, wenn es dem Vertretenen nicht zugestanden hätte, wird nicht einheitlich beurteilt.
33Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 13.03.1991 – XII ZR 71/90 – NJW-RR 1991, 1074) ist der Ansicht, dass dem vollmachtlosen Vertreter nur dann ein Widerrufsrecht zustehe, wenn im Fall der vorliegenden Vollmacht der Vertretene zum Widerruf berechtigt wäre. Sofern das Geschäft durch den Vertreter ohne Vertretungsmacht für die Zwecke der selbstständigen Erwerbstätigkeit des Vertretenen abgeschlossen werde, entfalle das Widerrufsrecht. Eine Schlechterstellung des anderen Vertragspartners dadurch, dass dem vollmachtlosen Vertreter ein Widerrufsrecht zugebilligt werde, auch wenn der Vertretene kein Widerrufsrecht habe, stehe mit § 179 Abs. 1 BGB nicht mehr im Einklang, zumal der Vertreter das Vertrauen des Geschäftspartners enttäuscht habe. Selbst wenn in der Person des vollmachtlosen Vertreters die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Widerrufsrecht vorlägen, löse dies den Schutz des Gesetzes nicht aus.
34Das Landgericht Fulda hat hingegen am 08.02.2013 (1 S 138/12 – VuR 2013, 303) entschieden, dass bei Abschluss eines Vertrages mit einem vollmachtlosen Vertreter hinsichtlich der für das Bestehen eines Widerrufsrechts erforderlichen Verbrauchereigenschaft auf den Vertreter abzustellen sei. In dem zu entscheidenden Fall, in dem der Unternehmer auf dem Privatanschluss der Vertragspartnerin angerufen und dort den Ehemann der als Heilprakterin tätigen Vertragspartnerin erreicht habe, sei der Schutz des Vertreters als Verbraucher vorzugswürdig.
35Das Gericht schließt sich den Ausführungen des Bundesgerichtshofs an. Es besteht kein Anlass, den Vertragspartner, dessen Vertrauen in den Vertragsschluss mit einem Unternehmer von einem vollmachtlosen Vertreter enttäuscht worden ist, dadurch schlechter zu stellen, dass eben diesem vollmachtlosen Vertreter aufgrund seiner Eigenschaft als Verbraucher ein Widerrufsrecht eingeräumt wird.
36Die Entscheidung des LG Fulda beruht nach Ansicht des Gerichts auf einer Einzelfallabwägung. Denn in dem dort entschiedenen Fall hatte das Gericht ausdrücklich betont, dass aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin auf dem privaten Telefonanschluss der Vertragspartnerin angerufen hatte, ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Unternehmereigenschaft des Vertragspartners und ein Enttäuschen dieses Vertrauens durch den Vertreter nicht vorgelegen hätten. Es habe für die dortige Klägerin keinerlei Anhaltspunkte gegeben, dass dem Beklagten vor dem Gespräch eine entsprechende Vollmacht seitens der intendierten Vertragspartnerin erteilt wurde (LG Fulda, a.a.O.).
37Im vorliegenden Fall jedoch hat die Mitarbeiterin der Klägerin nicht einen Privatanschluss, sondern beim Klinikum B. angerufen. Anhaltspunkte, davon auszugehen, dass der Beklagte nicht vertretungsbefugt gewesen sei, bestanden nicht. Der Beklagte hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung selbst angegeben, dass er wusste, dass er nicht über eine Vollmacht verfügte und dies auch gesagt hätte, wenn er danach gefragt worden wäre. Die Klägerin trifft jedoch keine Verpflichtung, jeden Geschäftspartner vor dem Gespräch darüber zu befragen, ob er entsprechend bevollmächtigt ist. Vielmehr hätte es dem Beklagten oblegen, über seine nicht vorhandene Vertretungsmacht zu informieren. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Beklagte selbst angegeben hatte, der Mitarbeiterin der Klägerin zwar gesagt zu haben, dass er für das Qualitätsmanagement nicht zuständig sei, ihr dann aber gesagt zu haben, es interessiere ihn aber, was sie anzubieten habe. Dies konnte nach Ansicht des Gerichts nur in die Richtung zu deuten sein, dass an der Vertretungsbefugnis keine Zweifel bestanden. Hinzu kommt, dass der Beklagte auf die Feststellung der Mitarbeiterin der Klägerin, es handele sich um eine Bestellung für das Klinikum B., seine fehlende Vertretungsmacht nicht offenbart hat.
38Dementsprechend entfällt die Haftung auch nicht nach § 179 Abs. 3 BGB.
39Als Rechtsfolge ist der Beklagte der Klägerin gegenüber zur Erfüllung verpflichtet.
40II.
41Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, allerdings nur in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, da der Beklagte Verbraucher ist.
42III.
43Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren folgt aus 280, 286 Abs. 1, 249 BGB.
44IV.
45Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 S. 1 u. 2 ZPO.
46Rechtsbehelfsbelehrung:
47Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
48a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
49b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
50Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Arnsberg, Brückenplatz 7, 59821 Arnsberg, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
51Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Arnsberg zu begründen.
52Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Arnsberg durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
53Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Referenzen
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