Urteil vom Amtsgericht Bad Iburg - 4c C 357/05

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der Kläger macht Ansprüche auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen geltend.

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Die Parteien waren am 18.10.2003 auf der BAB 33 im Bereich H./B. in einen Verkehrsunfall verwickelt. Der Kläger fuhr seinerzeit einen Chevrolet mit Anhänger.

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Die beiderseitigen Ansprüche wurden in einem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Bad I., Aktenzeichen..., geltend gemacht. Eine Klage des Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 2.913,83 € wurde in beiden Instanzen abgewiesen. Auf Widerklage des Klägers wurde der Beklagte verurteilt, für die Beschädigungen am Anhänger 544,21 € zu zahlen. Das Urteil des Amtsgerichts erging nach Beweisaufnahme. Dabei wertete der vom Gericht bestellte Gutachter die Unterlagen aus, die der Kläger als Schadensbelege vorgelegt hatte. Zu diesen Belegen gehörten auch Fotos von dem beim Unfall beschädigten Anhänger.

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Nach Abschluss der I. Instanz ließ der Beklagte in der Berufungsbegründungsschrift vom 30.09.2004 wie folgt vortragen:

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„Das Rekonstruktionsgutachten des Sachverständigen Prof. S. vom 28.07.2004 geht von völlig falschen Tatsachen aus, denn das sich in dem Gutachten befindliche Bildmaterial des Anhängers zeigt nicht den tatsächlich am streitbefangenen Unfallgeschehen verwickelten Anhänger der Gegenseite, sondern ein völlig anderes Fahrzeug.“

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Der Kläger behauptet, einen Anhänger gleichen Baumusters nicht zu besitzen.

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Der Kläger ist der Ansicht, er müsse es nicht hinnehmen, vom Beklagten eines Prozessbetrugs bezichtigt zu werden. Die Unterstellung des Beklagten, der Kläger habe den Sachverständigen einen falschen Anhänger „untergeschoben“, sei nicht mehr von der Äußerungsfreiheit im Rahmen eines Zivilprozesses gedeckt.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung von Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 € oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, künftig zu behaupten, der Kläger habe bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus dem Verkehrsunfall vom 18.10.2003, der Gegenstand des Klageverfahrens AG Bad Iburg ... (LG Osnabrück -...-), war, seiner, des Beklagten, Haftpflichtversicherung einen anderen Anhänger als Unfallanhänger vorgestellt, als den, mit dem er, der Kläger, tatsächlich an dem Unfall beteiligt war.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte bleibt bei seiner Behauptung, bei dem begutachteten Anhänger handele es sich nicht um denjenigen, der verunfallt sei.

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Die Beiakte ... des Amtsgerichts Bad Iburg wurde beweiseshalber beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten.

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Ansprüche gem. §§ 1004, 823 BGB scheiden aus, da die im Vorprozess gemachten Äußerungen zumindest nicht rechtswidrig waren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die gemachten Äußerungen tatsächlich wahr sind oder nicht. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass Äußerungen innerhalb eines staatlichen, rechtlich geordneten Verfahrens besonderen Wertungen unterliegen. Grundsätzlich sind zivilrechtliche negatorische Ansprüche zum Schutz der Ehre gegenüber Äußerungen in einem anderen Verfahren ausgeschlossen, ohne dass es auf die Güter- und Pflichtenabwägung des Verletzers ankäme und ohne dass dem Verletzten der Wahrheitsbeweis offenstünde (BGH NJW 1962, 243). Hintergrund dieser besonderen Maßstäbe ist zum einen, dass das Rechtsstaatsprinzip dem Bürger ermöglichen muss, ungehindert sein Anliegen im Erstverfahren zu verfolgen und dabei - naturgemäß - den Sachverhalt auch einseitig darzustellen. Zum anderen spricht für die grundsätzliche Sanktionslosigkeit der Äußerungen im Erstverfahren auch das öffentliche Interesse am ungestörten Gang des Erstverfahrens. Es würde dem Ziel der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens widersprechen, wenn ein bereits beendeter Prozess unter dem Aspekt von Ehrenschutzansprüchen noch einmal aufgerollt werden könnte. Dies wird im vorliegenden Fall besonders deutlich, da die Parteien zur Identität des Anhängers Beweis angeboten haben und dadurch die Grundlagen des im Erstprozess eingeholten Gutachtens infrage stellen bzw. bestätigen wollen.

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Unter Anwendung dieser Grundsätze kommt ein zivilrechtlicher Ehrenschutz gegenüber Äußerungen in einem Vorprozess allenfalls unter äußerst engen Voraussetzungen in Betracht, nämlich dann, wenn die verletzenden Äußerungen im Erstverfahren offensichtlich ohne jeden inneren Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung stehen oder vom Beleidiger bewusst unwahr oder leichtfertig aufgestellt worden sind.

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Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt. Ein innerer Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung besteht. Auch bestehen keine Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte die Äußerungen bewusst unwahr aufgestellt hat.

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Auch liegt keine „leichtfertig“ unwahre Aussage vor. Dabei ist schon zweifelhaft, ob eine solche leichtfertig falsche Aussage überhaupt ausreicht, um eine Ausnahme von den oben aufgestellten Grundsätzen zu begründen. Immerhin ist im Zivilprozess grundsätzlich auch eine Behauptung „ins Blaue hinein“ zulässig. Auch liefe eine solche Ausnahme darauf hinaus, dass im Ehrverletzungsprozess die Wahrheit der vor dem Erstgericht aufgestellten Behauptungen überprüft werden müsste, was dem Sinn und Zweck der geltenden Verfahrensorganisation gerade widerspricht (Helle, GRUR 1982, 218). Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben, da Leichtfertigkeit jedenfalls nicht vorliegt: Der Beklagte hat bestimmte Gründe angegeben, warum er die Identität des Hängers nicht für gegeben hält (Gesamteindruck des Gefährts, Altersspuren, Radabdeckung, Bild der Beschädigungen vom Kotflügel). Letztlich könnte dies nur im Rahmen einer weiteren Beweisaufnahme geklärt werden. Da somit die Wahrheit der Äußerung nicht ohne weiteres überprüft werden kann, hat der Beklagte die Äußerung auch nicht leichtfertig aufgestellt.

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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708, 711 ZPO.

 


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