Urteil vom Amtsgericht Bad Iburg - 4 C 61/07

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf bis zu 600,-- € festgesetzt.

Tatbestand

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Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

3

Dem Kläger steht trotz des abgeschlossenen Vertrages kein Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten zu. Die Beklagte hat den am 05.03.2006 unterschriebenen Vertrag zur Nutzung der Einrichtung des Fitnessstudio, spätestens durch das Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16.03.2006 wirksam widerrufen. Gemäß §§ 355, 357, 346 Abs. 1, 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB steht der Beklagten ein gesetzliches Widerrufsrecht zu, weil die Beklagte zum Vertragsabschluss anlässlich eines Haustürgeschäfts i.S.d. § 312 BGB bestimmt worden ist.

4

Die Beklagte suchte das Fitness-Studio des Klägers am 05.03.2006 deshalb auf, weil dieser kurz zuvor mit einem Flyer nebst Gutschein bei der Beklagten geworben hatte. Ausweislich dieses Flyers sollte am 05.03.2006 beim Kläger ein Tag der offenen Tür zur Vorstellung des Fitnessstudio-Basis-Konzepts stattfinden, wonach ausschließlich die Sportgeräte genutzt werden können. Oben rechts auf diesem Flyer befindet sich ein Gutschein für drei Monate Gratistraining inklusive Erfrischungsgetränke, Sauna, Solarium und Kurse, also Leistungen des Fitnessstudio-Exklusiv-Konzepts. Dieser Gutschein ist nur am Tage der offenen Tür einlösbar gewesen. Er enthält keinerlei Einschränkungen, nach denen etwa der Gutschein nur dann einlösbar sein sollte, wenn es tatsächlich zum Abschluss eines weiteren Vertrages mit dem Fitnessstudio kommen sollte. Auch ein Zusatz etwa in Form eines Sternchens nebst weiteren Hinweisen ist nicht vorhanden. Am Tag der offenen Tür wollte die Beklagte beim Kläger den Gutschein einlösen, wo ihr dann dessen Fitnessstudio gezeigt wurde. Sodann kam es zu der Unterzeichnung eines Basisvertrages zur Nutzung der Sportgeräte, wonach die Beklagte 2 Jahre lang 14-tägig 9,90 € als Grundtarif zu entrichten hat und lediglich in den ersten 3 Monaten die zusätzlichen Ergänzungsleistungen des Fitnessstudio-Exklusiv-Konzepts, also Getränke, Solarium und Kurse beanspruchen kann. Auch für die ersten drei Monate hat die Beklagte jedoch - entgegen dem Gutschein - die 14-tätige Grundgebühr für den Basisvertrag von 9,90 € zu zahlen. Die weiteren Umstände dieses Vertragsabschlusses sind streitig, aber nicht erheblich.

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Die Beklagte widerrief (spätestens) durch ihre Prozessbevollmächtigten am 16.03.2006 gegenüber dem Kläger den Nutzungsvertrag wirksam.

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Aufgrund des zur Überzeugung des Gerichts feststehenden Sachverhaltes steht der Beklagten gemäß § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB ein Widerrufsrecht zu. Vorliegend wurde ein Vertrag zwischen dem Kläger als Unternehmer und der Beklagten als Verbraucherin über eine entgeltliche Leistung, nämlich die Nutzung des Fitnessstudios, abgeschlossen. Dieser Tag der offenen Tür am 05.03.2006 stellt eine vom Kläger selbst durchgeführte Freizeitveranstaltung i.S.d. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB dar.

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Grundsätzlich ist von einer „Freizeitveranstaltung“ i.S.d. § 312 BGB auszugehen, wenn das Freizeit- und das Verkaufsangebot derart miteinander verwoben sind, dass der Kunde in eine freizeitlich unbeschwerte Stimmung versetzt wird und sich dem auf den Vertragsschluss gerichteten Angebot nur schwer entziehen kann, vgl. BGH NJW 2002, S. 3100, 3100. Umfasst sind jedoch auch Veranstaltungen, die in den Geschäftsräumen des Unternehmers stattfinden, vgl. BGH NJW-RR 1991, S. 1524, 1524. Maßgebend ist der tatsächliche Ablauf. Auch bei sogenannten „verdeckten Freizeitveranstaltungen“ greift wegen des Umgehungsverbotes nach § 312 f BGB die Vorschrift des § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB ein. Typische Beispiele für Freizeitveranstaltungen sind die Gewinnabholungsveranstaltungen, in denen Verbraucher unter dem Vorwand zu einem Gespräch bestellt werden, um Gewinne abzuholen und auf denen Verbrauchern Gegenstände zum Kauf bzw. Leistungen angeboten werden, vgl. Juris PK-BGB, 3. Auflage 2006, § 312 Rn. 44; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1997, S. 433, 434. Der vorliegende Sachverhalt ist mit dem der Gewinnabholungsveranstaltungen vergleichbar. Schließlich ist Ursache des Aufsuchens des klägerischen Fitness-Studios der vom Kläger verteilte Gutschein gewesen, weil Voraussetzung für das dreimonatige Gratistraining nebst Zusatzleistungen lediglich die Gutscheinseinlösung am Tag der offenen Tür gewesen ist, was ausweislich des handschriftlichen Vertragszusatzes auch erfolgte.

8

Die Einordnung des Tages der offenen Tür als Freizeitveranstaltung erscheint sachgerecht, weil die enumerative Aufzählung in § 312 BGB eine erweiternde Auslegung und sogar eine Analogie gerade nicht ausschließt, vgl. Palandt, 66. Auflage, 2007, § 312, Rn 11 und 15. Dies gilt um so mehr, als dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Anwendung der Vorschrift nicht restriktiv am Wortlaut orientiert sein soll, sondern gerade auch solche Sachverhalte erfassen soll, für die der Normzweck der Regelung ebenso zutrifft wie für sie ausdrücklich geregelte Fälle. Auf eine Umgehungsabsicht des Unternehmers bei Ausgestaltung der jeweiligen Verhandlungssituation kommt es dabei nicht an. Soweit man von einem Spannungsverhältnis zwischen Enumerationsprinzip und Umgehungsverbot sprechen kann, ist dieses mit anderen Worten in der Weise aufzulösen, dass Verhandlungssituationen, die aus Sicht der Überrumpelungsgefahr für den Verbraucher objektiv vergleichbar, jedoch nicht vom Wortlaut der Nr. 1 bis 3 erfasst sind, in den Anwendungsbereich derjenigen gesetzlich geregelten Situation von der Nr. 1 bis 3 einbezogen werden, der sie nach jeweiliger Lage des Falles am nächsten stehen, vgl. Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2003, § 312 BGB, Rn. 48. Der Begriff „Freizeitveranstaltung“ ist weniger im eigentlichen Wortsinn als vielmehr im Hinblick auf die Zielsetzung des Haustürwiderrufsgesetz zu verstehen, BGH NJW 1990, S. 181, 181. Dieses Gesetz will den Verbraucher vor der Gefahr schützen, in bestimmten Situationen bei der Anbahnung und dem Abschluss von Verträgen unter Beeinträchtigung seiner rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit überrumpelt oder sonst auf unzulässige Weise zu unüberlegten Geschäftabschlüssen gedrängt zu werden, OLG Karlsruhe, NJW-RR 1997, S. 433, 434.

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Die Beklagte wurde anlässlich des Tag der offenen Tür als Freizeitveranstaltung bei Unterzeichnung des Vertrages überrumpelt. Erst aufgrund des Flyers und des darauf befindlichen Gutscheins wurde die Beklagte in das Studio des Klägers „gelockt“, was dem werbemäßigen Ansprechen des Verbrauchers gemäß § 312 Abs. 1 BGB entspricht. Dort wollte sie diesen Gutschein auch einlösen. Der Überrumpelungseffekt der Beklagten und die damit verbundenen Eröffnung des Schutzbereichs des § 312 BGB ist darin zu sehen, dass die Beklagte entgegen ihrer Erwartung und entgegen ihres Besuchszwecks die Leistung des Gutscheins nur teilweise erhalten hat. Wie bereits oben ausgeführt, stünde ihr nach dem Gutschein ein dreimonatiges Gratistraining mit Zusatzleistungen des Fitnessstudio-Exklusiv-Konzepts zu, welches sie mit dem abgeschlossenen Vertrag aber nicht erhalten hat. Sie muss durchgehend die Grundgebühr entrichten. Grund des Widerrufsrecht ist es aber gerade, dass der Vertrag möglicherweise infolge der besonderen Verhandlungssituation durch situative Überrumpelung zustande gekommen ist, Palandt, § 312 BGB, Rn. 3. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beklagte zuvor durch das Studio geführt wurde. Selbst wenn der Beklagten die - wie vom Kläger behauptet - genauen Einzelheiten des Vertrages vor Unterzeichnung mitgeteilt worden sein sollten, ist trotzdem § 312 BGB einschlägig. Die handschriftliche Ergänzung des Vertrages führt nicht dazu, dass der Vertrag den Leistungen des Gutscheins entspricht. Nach dem Gutschein hätte die Beklagte nämlich komplett drei Monate Anspruch auf Gratistraining nebst obigen Zusatzexklusivleistungen gehabt. Jetzt erhält die Beklagte nur die weiteren Exklusivleistungen des Fitness-Exklusiv-Vertrages, die in einigen Bereichen über die des Fitnessstudio-Basis-Vertrages hinausgehen, kostenlos dazu, muss jedoch die Grundgebühr für das Basiskonzept bezahlen. Bei Einbeziehung des Gutscheins hätte der Vertrag aber so ausgestaltet werden müssen, dass der Vertrag am 01.04.2006 beginnen würde und die ersten drei Monate April, Mai und Juni alle Leistungen kostenlos wären. Dies erfolgte nicht.

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Die Ausnahmefälle des § 312 Abs. 3 BGB sind nicht einschlägig.

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Dass die Beklagte durch den Vertrag einen Gebrauchsvorteil erlangt hat, ist nicht vorgetragen worden, so dass gem. § 346 Abs. 2 BGB ein klägerischer Anspruch auf Wertersatz ausscheidet.

12

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

 


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