Beschluss vom Amtsgericht Beckum - 100 Lw 10/19
Tenor
Von einem an das Grundbuchamt gerichteten Ersuchen, das Grundstück Flur x Flurstück x ganz oder teilweise aus dem Hofgrundbuch Gemarkung A. Blatt z abzuschreiben, ist abzusehen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
1
Gründe:
2Der mit einer Windkraftanlage bebaute, deutlich kleinere Teil des Flurstücks ist zwar nicht hofeszugehörig. Es bleibt jedoch bei dem Grundsatz, dass sich die Hofeszugehörigkeit der gesamten Parzelle sachenrechtlich nach der überwiegenden Nutzung bestimmt. Das gesetzliche Erbrecht weichender Erben ist im Erbfall in anderer Weise hinreichend geschützt. Der Schutz ergibt sich daraus, dass die weichenden Miterben im Erbfall gegen den Hoferben einen Anspruch auf Abmarkung, Abparzellierung und Übereignung des mit der Windkraftanlage bebauten Teils der Parzelle haben. Ferner geht das Eigentum an der Windkraftanlage – so sie denn im Eigentum des Hofeigentümers stand – als hoffreies Vermögen unmittelbar auf sie über.
3I.
4Der Landwirt hat im Jahr 2001 eine etwa 0,3 ha große Teilfläche des 5,x ha großen Flurstücks mit einer Windkraftanlage bebaut. Die Parzelle wird im Übrigen landwirtschaftlich genutzt. Der Landwirt speist die gewonnene Energie in das Stromnetz ein, was aufgrund der Förderung nach dem Erneuerbare-Energie-Gesetz mit 9,1 ct/kWh vergütet wird. Die Förderung läuft mit dem 31.12.2021 aus. Im Anschluss erwartet der Landwirt eine Vergütung von etwa 3 ct/kWh; ob ein rentabler Betrieb dann noch möglich ist, ist fraglich.
5Der Landwirt trägt vor, zu keinem Zeitpunkt eine dauerhafte landwirtschaftsfremde (Teil-) Nutzung der Parzelle beabsichtigt zu haben. Die Windkraftanlage sollte nach dem 31.12.2021 voraussichtlich abgebaut werden.
6II.
71.
8Der mit einer Windkraftanlage bebaute Teilbereich der Parzelle wird nicht regelmäßig von der Hofstelle aus bewirtschaftet und gehört so nicht zum Hof (§ 2 I HöfeO).
9Die Nutzung des Teilbereichs der Parzelle zum Betrieb einer Windkraftanlage stellt – ebenso wie eine Verpachtung zu diesem Zweck eine nicht landwirtschaftliche Nutzung dar. „Landwirtschaftliche Nutzung sind die Bodenbewirtschaftung und die mit der Bodennutzung verbundene Tierhaltung, um pflanzliche oder tierische Erzeugnisse zu gewinnen…. Die Nutzung von Flächen zur Gewinnung von Windenergie fällt nicht hierunter. Daran ändert nichts der Umstand, dass zur Sicherung des Energiebedarfs zunehmend auf alternative erneuerbare Energiequellen zurückgegriffen wird, mit denen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen Energie erzeugt wird … . Selbst wenn damit der Landwirtschaft neben der Tier- und Pflanzenproduktion ein drittes Standbein zugewiesen wird, kann der dafür notwendige Flächengebrauch jedenfalls dann nicht als landwirtschaftliche Nutzung angesehen werden, wenn die Energieerzeugung nicht mit Hilfe der Pflanzenproduktion erfolgt. ….Bei der Erzeugung von Windenergie … werden die in Anspruch genommenen Flächen lediglich als Produktionsstätte gebraucht.“ (so BGH, Beschluss vom 24.04.2009 – BLw 21/08 –, BGHZ 180, 285-293, Rn. 13f., OLG Oldenburg, Beschluss vom 11.12.2017 – 10 W 24/17 –, Rn. 21; Wöhrmann und Graß in Wöhrmann (-Graß), Landwirtschaftserbrecht, 10. bzw. 11. Auflage, § 13, HöfeO Rn. 78 ).
10Dass die Erlöse aus der Verpachtung dazu dienen, etwaig Mindereinnahmen aus der Landwirtschaft auszugleichen, schafft – wie bei anderen Erwerbsquellen auch – keine solche Nähe zur Landwirtschaft, dass dies eine andere Beurteilung rechtfertigen würde (vgl. BGH a.a.O.: „drittes Standbein“).
112.
12Ob die landwirtschaftsfremde Nutzung die Hofzugehörigkeit entfallen lässt, hängt wesentlich von der Dauer der entsprechenden Nutzung ab. So bestimmt § 2 a) HöfeO, dass die zeitweise landwirtschaftsfremde Nutzung die Hofzugehörigkeit nicht ausschließt. Nach der Gesetzessystematik ist dies als Ausnahmefall geregelt, was voraussetzt und bedeutet, dass die Verpachtung und die Bebauung mit einer gewerblichen Anlage die Hofzugehörigkeit grundsätzlich entfallen lassen (so auch Graß a.a.O. § 2, Rn. 34). Das hat zur Folge, dass eine „Zeitweiligkeit“ positiv festgestellt werden muss, um die Fortdauer der Hofzugehörigkeit zu bejahen. Bleiben erheblich Zweifel, ist die Hofzugehörigkeit entfallen.
13Diese Regelung berücksichtigt den Ausnahmecharakter des landwirtschaftlichen Erbrechts. Die Höfeordnung hat die Erbfolge in einen landwirtschaftlichen Betrieb abweichend vom allgemeinen Erbrecht ausgestaltet, um lebensfähige landwirtschaftliche Betriebe geschlossen zu erhalten und deren agrarpolitisch unerwünschte Aufteilung zu verhindern (vgl. BVerfGE 91, 346 (356). Der Bundesgerichtshof hat dazu mit Beschluss vom 26.6.2014 (V ZB 1/12, Rn. 25, FGPrax 2014, 192 ff.) ausgeführt:
14„Dieses Ziel rechtfertigt die damit verbundene Schlechterstellung der weichenden Erben, begrenzt aber zugleich den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung. Für eine Ausweitung auf Gegenstände, die mit dem Hof nicht untrennbar verbunden sind, besteht kein Bedürfnis. Sie erschiene vielmehr mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und die Erbrechtsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG) verfassungsrechtlich bedenklich. Die rein buchungstechnische und in ihrem Zuschnitt mitunter zufällige Maßeinheit eines Grundstücks – vorliegend sollen über 100 ha unter einer Bestandnummer eingetragen sein – stellt keinen rechtfertigenden Grund für eine nach dem Zweck der HöfeO nicht gebotene Schlechterstellung der weichenden Miterben dar.“
15Der Schutz der weichenden Miterben gewinnt gesteigerte Bedeutung, weil ihnen die Erbenstellung bezüglich des Hofvermögens entzogen wird, sie für die auf ihm lastenden Verbindlichkeiten aber mit dem hoffreien Nachlass einstehen müssen (§ 15 Abs. 2 HöfeO). Würde gewerblicher Nachlass ohne rechtfertigenden Grund dem Hofesvermögen „zugeschlagen“, müssten die weichenden Erben noch für die Finanzierungskosten einstehen.
16Aus dieser grundrechtlichen Situation leitet es sich ab, dass landwirtschaftsfremd genutzter Grundbesitz nur dann ausnahmsweise Hofbestandteil bleibt, wenn bei Aufnahme der landwirtschaftsfremden Nutzung positiv feststeht, dass dies nur ein zeitweiser Zustand ist.
17Zutreffend weist der Landwirt darauf hin, dass insoweit seinem Willen und – zu ergänzen ist – seinen Motiven (vgl. Lüdtke-Handjery/von Jeinsen, HöfeO, 11. Aufl., § 2, Rn. 15) wesentliche Bedeutung zukommen. Allerdings ist der Wille nicht der allein maßgebliche Gesichtspunkt.
18Der Wille des Landwirts, das Grundstück (oder den betroffenen Grundstücksteil) nur vorübergehend landwirtschaftsfremd zu nutzen, ermöglicht die Feststellung einer nur zeitweiligen Fremdnutzung nicht, wenn aufgrund objektiver Umstände völlig offen ist, in welcher Weise das Grundstück später genutzt wird. Ein entscheidend hinzukommender Umstand kann sein eine besondere Eignung des Grundstücks für die landwirtschaftsfremde Weiternutzung, sei es wegen natürlicher Begebenheiten oder wegen vorgenommener Veränderungen des Grundstücks. Insoweit hängt die Frage der „Dauerhaftigkeit“ von einer wertenden Entscheidung ab (vgl. Lüdtke-Handjery/von Jeinsen, HöfeO, 11. Aufl., § 2, 15).
19Dass der Landwirt bei Aufnahme der landwirtschaftsfremden Nutzung die Absicht gehabt hätte, nach Beendigung des Betriebs der Windkraftanlage die landwirtschaftliche Nutzung wieder aufzunehmen, ist nicht ersichtlich. Auch wenn er, wie er vorträgt, nicht die (konkrete) Absicht einer dauerhaft landwirtschaftsfremden Nutzung hatte, blieben sowohl die Möglichkeit einer Rückkehr zu einer landwirtschaftlichen Nutzung wie auch die der Fortsetzung einer landwirtschaftsfremden Anschlussnutzung bestehen.
20Das Motiv des Eigentümers für die Nutzung als Standort einer Windkraftanlage gibt keinen Hinweis auf die Art der Anschlussnutzung. Ein solcher Hinweis wird gesehen, wenn der Eigentümer den Hof aus gesundheitlichen Gründen nicht betreiben kann und ihn in der nachvollziehbaren Annahme, ein Kind oder Enkelkind werde die Landwirtschaft wieder aufnehmen, verpachtet. Das Motiv für die Nutzung zum Betrieb einer Windkraftanlage kann ein wirtschaftliches oder ein ökologisches gewesen sein. In beiden Fällen zielt dies nicht auf eine Wiederaufnahme der Landwirtschaft, sondern auf eine weitere vom Eigentümer zu gegebener Zeit als wirtschaftlich oder ökologisch sinnvoll angesehene Nutzung, die auch künftig eine gewerbliche sein kann.
21Da so die Zeitweiligkeit der Fremdnutzung nicht festgestellt werden kann, bleibt es bei dem § 2 a) HöfeO zugrundeliegenden Grundsatz, dass die Bebauung mit einer gewerblichen Anlage die Hofzugehörigkeit entfallen lässt.
22Dass die Windkraftanlage rückbaubar ist und dass der Zeitpunkt des Rückbaus allein vom Willen des Landwirts abhängt, ermöglicht eine Rückkehr zur Landwirtschaft, ist aber für die Frage, ob die Fläche lediglich einer zeitweiligen Fremdnutzung zugeführt worden ist, ohne Aussagekraft.
23</span>ss="absatzLinks">Die Auffassung des Eigentümers, die gesetzliche Bestimmung des § 5 HöfeVfO, wonach die Eintragung ins Hofgrundbuch die Vermutung der Richtigkeit begründet, mache deutlich, dass im Zweifelsfalle die Hofzugehörigkeit zu bejahen sei, geht fehl. Die Vermutung der Richtigkeit eines staatlichen Registers dient allein dem Schutz des Rechtsverkehrs und schafft keine Prämisse für die Prüfung der tatsächlichen Rechtslage.
243.
25Die fehlende Hofzugehörigkeit hat im Falle einer überwiegend für den Betrieb einer Windkraftanlage genutzten Parzelle zur Folge, dass das Landwirtschaftsgerichts das Grundbuchamt zu ersuchen hat, sie aus dem Hofgrundbuch abzuschreiben (vgl. BGH a.a.O.; AG Beckum, Beschluss vom 12.06.2019, 100 Lw 21/19, www.nrwe.de).
26Die Abschreibung allein des nicht hofzugehörigen Teils der ansonsten landwirtschaftlich genutzten Parzelle ist nicht möglich. Sie würde voraussetzen, dass dieser Teil aus der Gesamtparzelle herausparzelliert wird, was katasterrechtlich wiederum einer konkreten Vermessung und eines Antrags des Eigentümers bedarf, woran es hier fehlt.
27Es stellte sich dann die Frage, ob die gesamte Parzelle aus dem Hofgrundbuch abzuschreiben ist, zu verhindern, dass das Sonderrecht der Höfeordnung auf den landwirtschaftsfremd genutzten Teil der Parzelle erstreckt wird.
28Zwar ist nach herrschender Auffassung für die rechtliche Bewertung bei einer gemischten Nutzung maßgeblich, welche Nutzungsart überwiegt (vgl. BGH a.a.O. Rn 27). Für die Abschreibung „notfalls“ der ganzen Parzelle spricht allerdings die oben ausgeführte Argumentation des Bundesgerichtshofs (a.a.O., Rn. 25), wonach eine Ausweitung auf Gegenstände, die mit dem Hof nicht untrennbar verbunden sind, verfassungsrechtlich bedenklich und durch den Zweck der HöfeO nicht gerechtfertigt ist.
29Die Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Höfeordnung steht einer Abschreibung der gesamten Parzelle nicht entgegen. Deren Ziel, lebensfähige landwirtschaftliche Betriebe geschlossen zu erhalten und deren agrarpolitisch unerwünschte Aufteilung zu verhindern, könnte der Landwirt selber verwirklichen, indem er den landwirtschaftsfremd genutzten Teil herausparzelliert. Die hierdurch entstehenden Kosten sind angesichts der Gesamtkosten einer Windkraftanlage zu vernachlässigen.
304.
31Allerdings erscheint der Schutz der weichenden Miterben dadurch hinreichend gewährt, dass für sie die Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer verfassungsrechtlich geschützten Positionen besteht (wenn sie diese kennen!). Der landwirtschaftsfremd genutzte Teil der Parzelle teilt zwar sachenrechtlich das Schicksal der Gesamtparzelle und geht mit dieser zunächst auf den Hoferben über. Jedoch können die weichenden Miterben nach Eintritt des Erbfalls von dem Hoferben die Übereignung des hoffreien Grundstücksteils verlangen.“ (BGH, a.a.O. Rn. 27; so auch Lüdtke-Handjery/ v. Jeinsen, § 2 Rn. 8; Düsing/ Sieverdingbeck in Düsing /Martinez, Agrarrecht, § 2 Rn. 7; Kroiß /Horn/ Solomon, Nachfolgerecht, HöfeO § 2 Rn. 6). Diese Möglichkeit ist – auch nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs – nicht beschränkt auf den Fall, dass die Teilfläche abparzelliert ist. Einen deutlichen Hinweis auf die zu beanspruchende Fläche könnten Geobasisinformationen und Landesvermessung für NRW, einzusehen www.tim-online.drw.de, geben. Konsequent wäre dieser Übereignungsanspruch im Falle einer Enterbung bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen zu berücksichtigen.
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Referenzen
- § 5 HöfeVfO 1x (nicht zugeordnet)
- 100 Lw 21/19 1x (nicht zugeordnet)
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- Beschluss vom Bundesgerichtshof (5. Zivilsenat) - V ZB 1/12 1x
- 10 W 24/17 1x (nicht zugeordnet)