Urteil vom Amtsgericht Bielefeld - 405 C 275/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche anlässlich eines Verkehrsunfalls, der sich am 20.12.2011 auf der Autobahn A 44 in Fahrtrichtung Dortmund zwischen der Anschlussstelle Marsberg und der Anschlussstelle Lichtenau ereignete.
3An dem Unfall beteiligt war der Zeuge N. mit dem im Eigentum der Klägerin stehenden Fahrzeug Audi A3 sowie der Beklagte zu 1) mit einem im Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2) versicherten Kraftfahrzeug.
4Die Parteien sind sich einig, dass sämtliche Unfallursächlichen Schäden durch die Beklagten zu erstatten sind. Nach dem Unfallereignis am 20.12.2011 regulierte die Beklagte zu 2) am 14.02.2012 ein Betrag von 6.000,00 EUR als Vorschuss. Am 05.03.2012 erfolgte eine weitere Zahlung i.H.v. 4.620,00 EUR. Zuletzt zahlte die Beklagte zu 2) am 23.04.2012 eine weitere Zahlung i.H.v. 740,00 EUR.
5Die Klägerin holte hinsichtlich der Unfallschäden ein Sachverständigengutachten ein. Im Gutachten – es war ein Totalschaden eingetreten – wurde eine Wiederbeschaffungsdauer von 10-12 Kalendertagen ermittelt.
6Aufgrund Bestellung vom 19.06.2012 kam es unter dem 03.07.2012 zu der Vertragsbestätigung über ein Leasingfahrzeug und zwar über ein Fahrzeug Audi Q3, adressiert an Herrn N, Therapiezentrum in M. Auf die Bestätigung vom 03.07.2012 (Bl. 74 der Akte) wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
7Die Klägerin behauptet, sie habe das Fahrzeug vor dem Unfall selbst genutzt und habe nach dem Unfall auf ein Fahrzeug verzichten müssen. Im Unfallzeitpunkt sei das Fahrzeug an den Zeugen ausgeliehen gewesen. Sie behauptet weiter, sie habe sich kurzfristig nach dem Unfall um die Anschaffung eines gebrauchten Ersatzfahrzeuges bemüht, jedoch kein geeignetes Fahrzeug gefunden. Letztendlich habe sie sich daher dazu entschlossen, ein neues Fahrzeug zu kaufen. Die Klägerin behauptet, das Gutachten sei am 23.12.2011 in Auftrag gegeben worden. Das Gutachten stand der Klägerin am 30.12.2012 zur Verfügung. Sie ist der Ansicht, sie habe einen Anspruch auf Erstattung einer Nutzungsentschädigung i.H.v. 43,00 EUR pro Tag für 20 Tage (Wiederbeschaffungszeitraum zuzüglich Zeitraum zur Gutachtenerstattung), insgesamt 860,00 EUR.
8Die Klägerin beantragt,
9die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 860,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
10Die Beklagten weiter zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche, nicht anrechenbar Rechtsanwaltskosten i.H.v. 60,33 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
11Die Beklagten beantragen,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beklagten bestreiten aufgrund der Tatsache, dass das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht durch die Klägerin geführt wurde, dass dies zuvor tatsächlich durch die Klägerin genutzt worden sei. Im Übrigen sind die Beklagten der Ansicht, aus der langen Dauer bis zum Leasing eines anderen Fahrzeuges ergebe sich, dass der Klägerin ein entsprechender Nutzungswille fehlte. Dabei seien nachvollziehbare Gründe für den langen Zeitraum von rund sechs Monaten nicht vorgetragen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16I. Die Klage ist unbegründet.
17Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung wegen der Beschädigung ihres Fahrzeuges aus §§ 7, 17, 18 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, § 115 VVG i.V.m. § 249 BGB. Zwar hat der Eigentümer eines privatgenutzten Fahrzeuges, der die Möglichkeit zur Nutzung seines Pkws einbüßt, auch dann einen Schadensersatzanspruch, wenn er kein Ersatzfahrzeug anmietet (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage 2014 § 249 Rn. 40). Erforderlich ist allerdings eine fühlbare Beeinträchtigung der Nutzung, insbesondere also ein Nutzungswille. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn das beschädigte Fahrzeug weder repariert wird, noch baldig ein Ersatzfahrzeug angeschafft wird (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage 2014 § 249 Rn. 41). Denn dann manifestiert sich hierin auch nach außen der fehlende Nutzungswille. So liegt der Fall hier.
18Dabei ist das Regulierungsverhalten der Beklagten auch nach dem klägerischen Vortrag vollkommen unerheblich. Die Klägerin hat insbesondere nicht behauptet, ohne eine vorhergehende Regulierung durch die Beklagten finanziell nicht in der Lage gewesen zu sein, ein Ersatzfahrzeug anzuschaffen. Vor diesem Hintergrund ist es vollkommen gleichgültig, welche Zeit die Beklagte für die Regulierung gebraucht hat.
19Es kann auch nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Klägerin aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit wenig Zeit gehabt hat, nach einem Ersatzfahrzeug Ausschau zu halten. Vor dem Hintergrund, dass insbesondere in der heutigen Zeit das Gebrauchtwagengeschäft zu einem Großteil über Zeitungsanzeigen und vor allem auch über das Internet abgewickelt wird, ist schon nicht nachvollziehbar, dass eine berufliche Tätigkeit der Ausschau nach einem Ersatzfahrzeug tatsächlich entgegenstehen sollte. Im Übrigen ist es allgemein üblich und möglich, insbesondere auch an Wochenenden und außerhalb der Geschäftszeiten nach Gebrauchtwagen zu suchen, da entsprechende Ausstellungen in aller Regel auch an Samstagen. Sonn- und Feiertagen zugänglich sind. Darüber hinaus hat die Klägerin konkrete Bemühungen um Anschaffung eines gebrauchten Ersatzfahrzeuges überhaupt nicht dargelegt.
20Darüber hinaus zeigt die Tatsache, dass die Klägerin sich mit einer Ersatzbeschaffung, unter Umständen auch mit der Suche nach einem geeigneten Gebrauchtfahrzeug, rund sechs Monate seit dem Unfallereignis lang beschäftigen konnte, dass sie offenbar während dieser Zeit auf ein Ersatzfahrzeug nicht angewiesen war.
21Darüber hinaus ist es unzutreffend, dass die Klägerin, wie sie vorträgt, ein Ersatzfahrzeug gekauft hätte. Vielmehr hat die Klägerin auf entsprechende Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nochmals klargestellt, dass die maßgebliche Ersatzbeschaffung in der vorgelegten Leasingbestätigung niedergelegt ist. Es stellt sich daher die Frage, ob überhaupt festgestellt werden kann, dass die Klägerin ein Ersatzfahrzeug angeschafft hat. Denn jedenfalls ist sie nicht die Leasingnehmerin in Bezug auf das Ersatzfahrzeug.
22Letztendlich kann dies aber dahinstehen. Ein Geschädigter, der mehrere Monate wartet, bis er ein Ersatzfahrzeug anschafft, begründet eine von ihm zu entkräftende tatsächliche Vermutung für einen fehlenden Nutzungswillen. Denn wenn der Geschädigte ein Fahrzeug über mehrere Monate nicht nutzt, ist nicht einzusehen, wieso er es innerhalb der deutlich kürzeren Zeit für die Suche nach einem Ersatzfahrzeug nutzen will. Der Zeitraum von rund 6 Monaten seit dem Unfallereignis führt hier dazu, dass eine Vermutung für den fehlenden Nutzungswillen spricht. Umstände, die – nachvollziehbar – geeignet sind, diese Vermutung zu widerlegen, hat die Klägerin nicht dargetan.
23Da die Klage in der Hauptsache keinen Erfolg hat sind auch die geltend gemachten Nebenforderungen unbegründet.
24II. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
25III. Der Streitwert wird abschließend auf 860,00 EUR festgesetzt.
26Rechtsbehelfsbelehrung
27A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
28a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
29b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
30Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bielefeld, Niederwall 71, 33602 Bielefeld, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
31Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bielefeld zu begründen.
32Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bielefeld durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
33Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
34B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Bielefeld statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Bielefeld, Gerichtstraße 6, 33602 Bielefeld, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
35Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
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