Urteil vom Amtsgericht Bielefeld - 42 C 396/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
1
Tatbestand
2Die Klägerin ist eine Tonträgerherstellerin. Sie macht gegenüber den Beklagten Schadens - und Aufwendungsersatzansprüche wegen einer angeblichen Urheberrechtsverletzung geltend.
3Die Streithelferin ist die Tochter der Beklagten.
4Die Klägerin ist die Inhaberin der alleinigen Nutzungs - und Verwertungsrechte an dem Album "Loud" der Künstlerin Rihanna. Das Album enthält 11 Aufnahmen. Wegen der einzelnen Titel wird auf die Zusammenstellung in der Klageschrift (Blatt 3 d. A.) Bezug genommen.
5Die Beklagten bewohnen einen Zweipersonenhaushalt. Dieser verfügt über einen Internetanschluss, für den beide Beklagten als Inhaber angemeldet sind.
6Die Klägerin forderte die Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 28.01.2011 unter Verweis auf eine angeblich am 24.12.2010 begangene Verletzung ihrer Urheberrechte an dem oben genannten Musikalbum zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung auf. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Blatt 25 ff. d. A. Bezug genommen.
7Die Beklagten gaben in der Folge eine Unterlassungserklärung ab. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 31 d. A. verwiesen.
8Die Klägerin behauptet, dass die Beklagten am 24.12.2010 um 10:30 Uhr das oben genannte Album in Form von Audiodateien in einer sog. Internettauschbörse zum freien Herunterladen angeboten hätten. Softwarebasierte Ermittlungen hätten ergeben, dass die Rechtsverletzung über einen Internetanschluss mit der IP – Adresse xxx erfolgt sei. Auf der Grundlage einer - unstreitig erfolgten - Auskunft des Internet Service Providers stehe fest, dass diese IP - Adresse zum fraglichen Zeitpunkt dem Anschluss der Beklagten zugeordnet gewesen sei.
9Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr gegenüber den Beklagten ein nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechneter Schadensersatzanspruch in Höhe von mindestens 2.500,00 € zustünde. Im Übrigen schuldeten diese auch den Ersatz der Kosten des vorgerichtlichen Abmahnschreibens vom 28.01.2011 in Höhe von 1.379,80 €. Insofern sei von einem Gegenstandswert in Höhe von 50.000,00 € auszugehen.
10Die Klägerin beantragt,
11die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie einen angemessenen Wertersatz in Höhe von mindestens 2.500,00 € sowie Kostenersatz in Höhe von 1.379,80 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2013, zu zahlen.
12Die Beklagten beantragen,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagten behaupten, dass die Streithelferin zum Zeitpunkt der angeblichen Rechtsverletzung zu Besuch gewesen sei. Diese habe über ihren Laptop auf den Internetanschluss zugreifen können.
15Die Beklagten behaupten ferner, dass die Klägerin und ihre Prozessbevollmächtigten für das vorgerichtliche Abmahnschreiben eine erfolgsabhängige Gebührenvereinbarung getroffen hätten. Im Übrigen werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin die klägerischen Prozessbevollmächtigten damit beauftragt habe, sie – die Beklagten – vorgerichtlich abzumahnen.
16Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung.
17Die Streithelferin ist nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vom 20.08.2014 mit Schriftsatz vom 02.09.2014, eingegangen bei Gericht am 03.09.2014, dem Rechtsstreit aufseiten der Beklagten beigetreten.
18Entscheidungsgründe
19Die zulässige Klage ist unbegründet.
20Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten zu 1) keinen Schadensersatzanspruch aus § 97 II S. 1 UrhG.
21Die Behauptung der Klägerin, das Angebot sei über den Anschluss der Beklagten erfolgt, kann als wahr unterstellt werden, da sie hinsichtlich ihrer weiteren Behauptung, die Beklagte zu 1) habe das streitgegenständliche Musikalbum angeboten, beweisfällig geblieben ist.
22Für eine Täterschaft der Beklagten zu 1) spricht kein Anscheinsbeweis, da im vorliegenden Fall ein Erfahrungssatz fehlt, der die Annahme eines Angebots der Audiodateien durch die Beklagte zu 1) als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lässt. Ein entsprechender Erfahrungssatz zulasten eines Anschlussinhabers ist nur bei Einpersonenhaushalten gerechtfertigt, da in diesen Fällen die Nutzung des Internetanschlusses typischerweise durch den Anschlussinhaber als den alleinigen Bewohner erfolgt, während die Nutzung durch eine dritte Person eine atypische Ausnahme darstellt. In Mehrpersonenhaushalten ist die Täterschaft eines jeden Mitbewohners hingegen nicht wahrscheinlicher als die Täterschaft der anderen Mitbewohner. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass eine Tatbegehung durch die Beklagte zu 1) nicht wahrscheinlicher erscheint als eine Tatbegehung durch den Beklagten zu 2). Unter Berücksichtigung dieser Ausgangswahrscheinlichkeiten fehlt im vorliegenden Fall für die Annahme eines entsprechenden Erfahrungssatzes somit die notwendige Typizität.
23Dem Gericht ist bekannt, dass eine tatsächliche Vermutung zulasten mehrerer Anschlussinhaber vonseiten des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 15.11.2012 zu Aktenzeichen I ZR 74/12 bejaht wurde. Das erkennende Gericht kann dieser Ansicht jedoch nicht folgen, da sie mit der gewohnheitsrechtlich verankerten Dogmatik des Anscheinsbeweises nicht zu vereinbaren ist.
24Die Haftung der Beklagten zu 1) folgt auch nicht aus ihrer vorgerichtlichen Unterlassungserklärung, da diese ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt ist. Insofern kann das Gericht hieraus auch nicht den Schluss ziehen, dass die Beklagte zu 1) zum damaligen Zeitpunkt die Tatbegehung eingeräumt hat und sich hiervon erst nachträglich distanziert hat.
25Die Beklagte zu 1) ist auch ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen, indem sie vorgetragen hat, dass neben ihr und dem Beklagten zu 2) auch die Streithelferin zum fraglichen Zeitpunkt einen Zugriff auf den Internetanschluss hatte. Eine weitergehende Verpflichtung zur Ermittlung des Täters besteht nicht, da die sekundäre Darlegungslast nur die Nachteile ausgleichen soll, die dadurch entstehen, dass die primär darlegungsbelastete Partei keinen Einblick in die Sphäre der Gegenseite hat. Diese Nachteile werden in Fällen der vorliegenden Art, in denen die geschädigte Partei mögliche Täter in der Sphäre des Anschlussinhabers nicht ohne Weiteres identifizieren kann, bereits dadurch ausgeglichen, dass der Anschlussinhaber die Personen benennt, die aufgrund ihrer Anwesenheit zur Tatzeit als mögliche Täter infrage kommen. Eine weitergehende Verpflichtung zur eigenständigen Täterermittlung würde hingegen zu einer faktischen Beweislastumkehr führen, für die keine rechtliche Grundlage ersichtlich ist.
26Die Klägerin hat auch gegenüber dem Beklagten zu 2) keinen Schadensersatzanspruch aus § 97 II S. 1 UrhG.
27Die Klägerin hat für ihre Behauptung, der Beklagte zu 2) habe das streitgegenständliche Musikalbum im Internet zum freien Herunterladen angeboten, ebenfalls keinen Beweis angeboten.
28Auch für die Täterschaft des Beklagten zu 2) spricht kein Anscheinsbeweis bzw. auch nicht der Inhalt der vorgerichtlich abgegebenen Unterlassungserklärung. Insofern wird auf die obigen Ausführungen verwiesen, die hier entsprechend gelten.
29Der Beklagte zu 2) ist auch seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen. Insofern wird ebenfalls auf die obigen Ausführungen verwiesen.
30Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten zu 1) und zu 2) auch keinen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich angefallenen Anwaltskosten aus § 97 a I S. 2 UrhG a.F. Voraussetzung hierfür wäre, dass die Beklagten entweder als Täter oder als Störer für die streitgegenständliche Rechtsverletzung haften. Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.
31Bezüglich der nicht gegebenen Täterhaftung wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
32Die Beklagten haften auch nicht als Störer. Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2014 - I ZR 139/12 -, Juris). Dies wurde vonseiten der Klägerin auch nicht hilfsweise behauptet.
33Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
34Die Kosten der Streithelferin waren der Klägerseite entgegen § 101 I ZPO nicht aufzuerlegen, da der Beitritt der Streithelferin erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt ist, sodass eine Unterstützung der Hauptpartei nicht mehr möglich war. Der Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es, die Klägerin mit diesen unnötigerweise angefallenen Kosten zu belasten.
35Streitwert: 3.879,80 €
36Rechtsbehelfsbelehrung:
37Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
38a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
39b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
40Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bielefeld, Niederwall 71, 33602 Bielefeld, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
41Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bielefeld zu begründen.
42Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bielefeld durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
43Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
44Bielefeld, 07.10.2014 |
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Referenzen
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