Urteil vom Amtsgericht Bochum - 63 C 472/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages vor der Vollstreckung leistet.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um restliche Mietwagenkosten für die Zeit vom 27.03.2012 bis zum 19.04.2012.
3Der Kläger, wohnhaft in Herne, erlitt mit seinem Fahrzeug am 27.03.2012 gegen 13:50 Uhr in Bochum auf dem Harpener Hellweg einen Verkehrsunfall. Am PKW des Klägers entstand ein Reparaturschaden in Höhe von 6.301,87 EUR brutto.
4Die Beklagte haftet als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers dem Grunde nach zu 100 %.
5Der für die Dauer der Reparatur (23 Tage) in Anspruch genommene Mietwagen verursachte Kosten in Höhe von 2.490,06 €. Darauf zahlte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.190 €. Zum genauen Inhalt der Mietwagenrechnungen der Firma aus Hamm wird Bezug genommen auf Blatt 10 der Akten.
6Der Kläger trat den Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten sicherungshalber an die Firma ab, macht diese jedoch im eigenen Namen geltend.
7Der Kläger behauptet, aufgrund seiner körperlichen Verfassung fahre er seit Jahren einen Pkw mit großem Einstieg und Automatik. Die Firma habe einen solchen Wagen zur Verfügung stellen können. Darüber hinausgehende Recherchen seien dem Kläger weder möglich noch zumutbar gewesen. Zudem sei er als Rentner nach dem Unfall fahrtüchtig gewesen.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an die Firma in Hamm zu der RE vom 21.04.2012 weitere 1.300,06 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 05.06.2012 zu zahlen und
10die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Kosten in Höhe von 97,46 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 16.11.2012 zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie behauptet, aufgrund der klägerischen Verletzung der Halswirbelsäule mit erheblichen Bewegungseinschränkungen und Schmerzen dürfte der Kläger über den Zeitraum von 23 Tagen nicht in der Lage gewesen sein, einen Mietwagen sicher im Straßenverkehr zu führen. Schon aus diesem Grund dürften die Mietwagenkosten nicht erstattungsfähig sein. Darüber hinaus sei als Schätzgrundlage die Fraunhofer Liste zugrunde zu legen, nach der der Kläger bereits überzahlt sei.
14Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
15Entscheidungsgründe
16Die zulässige Klage ist unbegründet.
17Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer Mietwagenkosten gegen die Beklagte als Schadensersatz aus dem streitgegenständlichen Unfall.
18Dem Geschädigten steht ein Anspruch auf ein Mietfahrzeug grundsätzlich zu, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Die hierfür anfallenden Kosten müssen allerdings üblich sein, da nur solche Kosten für zweckmäßig und notwendig gehalten werden durften.
19Der Kläger ist bei der Geltendmachung von Mietwagenkosten daher auf den günstigsten Mietpreis auf dem örtlich relevanten Markt bzgl. eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges zu verweisen. (Vgl. BGH, Urteil vom 11. 3. 2008, Az. VI ZR 164/07; BGH, Urteil vom 14.02.2006, Az. VI ZR 126/05).
20Der von ihm geltend gemachte Betrag in Höhe von noch 1.300,06 € zuzüglich der bereits von der Beklagten gezahlten 1.190 € entspricht jedoch nicht dem günstigstem Mietpreis.
21Nach § 287 ZPO konnte das Gericht diesen durch Schätzung ermitteln. Grundlage dafür sind zum einen die Angaben der Parteien, zum anderen im hiesigen Landgerichtsbezirk aufgrund der Rechtsprechung des LG Bochum (etwa LG Bochum, Urteil vom 28. Mai 2010 – 5 S 226/09 –, juris) die Liste des Fraunhofer-Mietpreisspiegels im maßgebenden Postleitzahlengebiet.
22Nach unbestrittenem Vortrag ist das Fahrzeug des Klägers der Fahrzeugklasse 5 zuzuordnen, wobei der Kläger ein Fahrzeug der Kategorie 4 gemietet hat. Nicht verständlich ist für das Gericht, dass sich der Kläger ein Mietwagenunternehmen aus Hamm aussucht. Gerade einmal 2,7 km entfernt von seinem Wohnort befindet sich die Firma. Auch die Firma wäre sicherlich in der Lage gewesen, ein Fahrzeug der Gruppe 4 zur Verfügung zu stellen. Jedenfalls hat der Kläger nicht vorgetragen, dass dies nicht möglich gewesen ist. Im Rahmen der Schadensminderungspflicht gemäß § 251 BGB war daher in örtlicher Hinsicht vom Ort der Anmietung in Herne auszugehen.
23Für die Mietdauer von 23 Tagen ergibt sich demnach ein Durchschnittsbetrag von (3 x 265,26 €) + (2 x 79,08 €) = 795,78 € + 158,16 € = 953,94 € (3 Wochen zzgl. 2x1 Tage) nach der Fraunhofer- Liste 2011. Die Angaben in der Fraunhofer Liste sind Bruttobeträge.
24Von dieser so ermittelten Grundlage für die Schätzung nach § 287 ZPO, von der der Tatrichter im Rahmen seines Ermessens durch Abschläge oder Zuschläge auf den sich aus ihnen ergebenden Normaltarif im Einzelfall abweichen kann (BGH, Versäumnisurteil vom 17.05.2011, Az. VI ZR 142/10; BGH, Urteil vom 12.04.2011, Az. VI ZR 300/09), war im vorliegenden Fall wie folgt abzuweichen:
25Zunächst können spezifischen Leistungen (wie die Vorfinanzierung, das Ausfallrisiko, die Vorhaltung schlechter ausgelasteter Fahrzeuge und das Erfordernis der Einrichtung eines Notdienstes (so schon LG Bonn, Urteil vom 07.09.2007 – 18 O 174/07 und Urteil vom 12.10.2007 – 18 O 173/07; siehe auch BGH – Urteil vom 24.06.2008 – VI ZR 234/07) bei der Vermietung an Unfallgeschädigte unter verschiedenen Gesichtspunkten einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif von bis zu 20 % rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 09.03.2010, Az. VI ZR 6/09). Vorliegend hat der Kläger jedoch nicht dargelegt, inwieweit etwaige spezifische Leistungen vorliegen bzw. erbracht worden sind. Nach der Rechtsprechung des LG Bochum (etwa Urteil vom 21. Juli 2009 – I-9 S 32/09, 9 S 32/09 –, juris) hält dieses jedoch „einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif von 20 % für angemessen, um den Besonderheiten der Vermietung von Unfallersatzwagen (Vorfinanzierung; Risiko eines Forderungsausfalls wegen falscher Bewertung der Haftungsquote; Fahrzeugvorhaltung; evtl. Einrichtung eines Notdienstes etc.) Rechnung zu tragen. Den 20 % - Aufschlag nimmt die Kammer im Wege der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO vor, ohne dass insoweit substantiierter Vortrag des Geschädigten erforderlich wäre. Allein diese Vorgehensweise wird nach Auffassung der Kammer dem Erfordernis einer praxisnahen und einfache Schadensabwicklung gerecht (so auch OLG Köln, NZV 2007, 199; LG Dortmund, NZV 2008, 93; LG Bonn, NZV 2007, 362).“
26Ein Aufschlag von 20 % auf die Mietwagenkosten ist daher erstattungsfähig.
27Die Kosten für eine Haftungsbeschränkung des Mietfahrzeugs sind jedoch nach der Rechtsprechung des LG Bochum nicht erstattungsfähig, „da diese in den Beträgen der Tabelle des Fraunhofer-Instituts bereits eingerechnet sind“ (Urteil vom 21. Juli 2009 , a.o.O.).
28Der Kläger muss sich letztlich im Wege der Vorteilsausgleichung keine ersparten Eigenaufwendungen für das eigene Fahrzeug anrechnen lassen. Hierfür können in der Regel zwar etwa 10 % der Mietwagenkosten veranschlagt werden (Palandt-Grüneberg, 70. Auflage 2011, § 249 Rn. 36). Dieser Abzug entfällt jedoch dann, soweit der Geschädigte ein einfacheres Fahrzeug anmietet, dessen Miete um etwa 10 % geringer ist als die Miete für einen mit dem geschädigten gleichwertigen Pkw (OLG Hamm, DAR 2001, 79). Im vorliegenden Fall beträgt der Unterschied zwischen Anmietung eines Fahrzeuges der Kategorie 4 und eines Fahrzeugs der Kategorie 5 (pro Tag) nach der Fraunhofer Liste 9,35 %, so dass die Anrechnung zu unterbleiben hatte.
29Die von dem Kläger geltend gemachten Zusatzgebühren von 50 € netto für Zustellung und Abholung sind nicht erstattungsfähig. Hier gelten die vorstehenden Ausführungen zum Anmietungsort. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, weshalb ihm die Abholung bzw. das Rückbringen des angemieteten PKW nicht möglich war. Bei einer - im Rahmen der Schadensminderungspflicht gemäß § 251 BGB ohne weiteren Vortrag des Klägers zumutbaren- Anmietung des Wagens in Herne wären die Kosten dafür nicht angefallen.
30Es ergibt sich somit ein Betrag in Höhe von 1.144,73 € (953,94 € + 20 % = 190,79 €). Da bereits ein Betrag in Höhe von 1.190 € seitens der Beklagten gezahlt wurde, verbleibt kein Anspruch des Klägers.
31Aufgrund des mangelnden Erfolgs der Klage in der Hauptsache hat der Kläger darüber hinaus keinen Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden.
32Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
33Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO
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Referenzen
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