Urteil vom Amtsgericht Bonn - 13 C 484/08
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 804,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2007 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrags abwenden, soweit nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Die Klägerin betreibt ein Branchenverzeichnis unter der Internet-Adresse www.p-c.com.
3Die Klägerin übersandte der Beklagten per Fax ein Bestellformular für die Eintragung in das Branchenverzeichnis. Die Beklagte bzw. ihre Mitarbeiter füllten das Formular aus, und die Beklagte unterschrieb das Formular und übersandte es der Klägerin. Nach dem gewählten Tarif ist die Leistung der Klägerin mit monatlich 67,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer zu vergüten und die Laufzeit beträgt zwei Jahre. Hinsichtlich des Inhalts des Bestellformulars wird auf Anlage K 1, Bl. 11 GA Bezug genommen.
4Die Klägerin stellte der Beklagten Rechnung vom 18.07.2007 (Anlage K 3, Bl. 14 GA).
5Am 20.11.2007 beauftragte die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung.
6Die Beklagte erklärte die Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung.
7Die Klägerin beantragt,
81. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 804,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2007 zu zahlen;
92. die Beklagte zu verurteilen, weitere 101,40 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten seit dem 05.12.2007 über dem Basiszinssatz zu zahlen
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte behauptet, sie habe sich getäuscht, da das Bestellformular dem Korrekturabzug des Branchenbuchverlages des Örtlichen Branchenbuches der U ähnele. Dies habe die Klägerin zur Täuschung ausgenutzt.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 18.08.2009 Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe
15Die zulässige Klage ist begründet.
16Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung von 804,00 € im Hinblick auf den schriftlichen Vertrag vom 02.07.2007 über die Eintragung in das von der Klägerin geführte Branchenverzeichnis.
17Durch den schriftlichen Auftrag durch das Bestellformular ist am 02.07.2007 ein entsprechender Vertrag zwischen den Parteien zustande kommen, der einen Zahlungsanspruch in geltend gemachter Höhe für das erste Vertragsjahr begründet.
18Der Vertrag ist nicht durch wirksame Anfechtung des Vertrags durch die Beklagte wegen arglistiger Täuschung erloschen.
19Das Anfechtungsrecht gem. § 123 I BGB setzt voraus, dass der Anfechtende sich bei Abgabe seiner Willenserklärung auf Grund einer der Gegenseite zurechenbaren Täuschungshandlung über einen vertragswesentlichen Umstand geirrt hat, und der Irrtum seine Entschließung - hier zum Vertragsschluss - zumindest beeinflusst hat (vgl. nur BGH, NJW 1982, 2861 [2863]). Als mögliche Täuschungshandlung im Rahmen des § 123 BGB kommt indes nicht nur das Vorspiegeln falscher oder das Entstellen oder Verschweigen bestehender Tatsachen trotz Aufklärungspflicht in Betracht (vgl. LG Köln, Urteil v. 26.09.2007, 9 S 139/07, zitiert bei Juris; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 123 Rdnrn. 3ff.). Als Handlungsvariante der arglistigen Täuschung kommt darüber hinaus auch jedes andere Verhalten in Betracht, sofern es geeignet ist, beim Gegenüber einen Irrtum hervorzurufen und den Entschluss zur Abgabe der gewünschten Willenserklärung zu beeinflussen. So reicht es aus, wenn der Handelnde sich darüber bewusst ist, dass sein Verhalten jedenfalls in der Gesamtschau aller Einzelakte geeignet ist, den anderen in die Irre zu führen. Er muss insoweit zumindest mit der Möglichkeit rechnen, der Gegner würde bei Kenntnis aller Umstände die begehrte Willenserklärung nicht oder nicht mit dem erhofften Inhalt abgeben (vgl. BGH, VersR 1985, 156; BGH, NJW 1982, 2861 [2863] m.w. Nachw.), wobei ein bedingter Vorsatz beim Täuschungswillen für die Annahme eines "arglistigen" Verhaltens i.S. des § 123 BGB ausreicht (vgl. BGH, NJW-RR 1998, 904). Es ist für die Berechtigung zur Anfechtung nicht entscheidend, ob die Beklagte dabei die im geschäftlichen Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet oder hinsichtlich des "Überlesens" gewisser Vertragsinformationen selbst fahrlässig gehandelt hat (st. Rspr., vgl. nur BGHZ 33, 302 [310] = NJW 1961, 164; NJW 1971, 1795 [1798] m.w. Nachw.; NJW 1989, 287 [288]). Die Bestimmung des § 123 BGB verfolgt ersichtlich das Ziel, ein auf Arglist und Täuschung beruhendes Geschäftsgebaren in aller Regel auf Wunsch des Getäuschten die Rechtswirkung nehmen zu können. Es kann mithin auch derjenige anfechten, der dem Täuschenden die Irreführung leicht gemacht hat (BGH, NJW-RR 2005, 1082 [1083]). Mit anderen Worten: Soweit der Irrtum beim Kunden durch ein rechtserhebliches Täuschungsverhalten der Klägerin ausgelöst worden ist, so scheitert die Möglichkeit zur Vertragsanfechtung nicht daran, dass der Irrtum des Bekl. auch auf eigene Fahrlässigkeit im Umgang mit Werbepost beruht (LG Köln aaO). Andererseits kann ein besonders hohes Maß an Unaufmerksamkeit auf der einen Seite im Rahmen der Gesamtabwägung dazu führen, dass der anderen Seite ein arglistiges Täuschungsverhalten nicht mehr nachgewiesen werden kann. Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage sind die Umstände des Einzelfalls, eine rein schematische Bewertung verbietet sich. Insbesondere in Fällen, in denen der Verfasser eines Vertragsangebots mittels Aufmachung und Formulierung eine Art der Gestaltung wählt, die objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine fehlerhafte Vorstellung über die tatsächlichen Angebotsparameter hervorzurufen, kann eine Täuschung selbst dann angenommen werden, wenn der wahre Charakter des Schreibens bei sorgfältigem Lesen hätte erkannt werden können (vgl. BGH, NJW 2001, 2187 [2189]). Die jeweilige Täuschung muss mithin planmäßig eingesetzt worden und nicht bloß Folge, sondern Zweck des Handelns sein (BGH, NJW 2001, 2187). Der BGH hat dies an genannter Stelle für das Strafrecht ausdrücklich festgestellt. Die Grundsätze gelten indes gleichermaßen für das Zivilrecht (vgl. nur BGH, NJW-RR 2005, 1082 [1084]): So kommt es nach der Rechtsprechung des BGH bei einer lediglich irreführenden Darstellung im Angebotsschreiben vor allem darauf an, wie stark maßgebliche Vertragsparameter verzerrt oder entstellt aufbereitet worden sind.
20Vorliegend führt die Gesamtschau der Umstände unter diesen Voraussetzungen nicht zur Annahme einer von der Klägerin in Kauf genommenen Täuschung des Beklagten. Eine solche Täuschungsabsicht kann insbesondere nicht aus einer in Kauf genommenen Verwechslungsgefahr mit dem Korrekturabzug des Örtlichen Branchenbuchs der U abgeleitet werden. Hierzu hat der Kläger trotz erteilten Hinweises und entsprechenden Schriftsatznachlasses nicht näher durch Vorlage des Korrekturabzugs des Örtlichen Branchenbuchs der U vorgetragen.
21Es liegen vielmehr erhebliche Anhaltspunkte dafür vor, dass das Angebot der Klägerin durch Übersendung des Faxes mit dem Bestellformular, welches die Beklagte sodann ausfüllte, unterschrieb, zurücksandte und damit annahm, in hinreichender Deutlichkeit klar machte, dass es nicht um die Eintragung in das Örtliche Branchenbuch der U, sondern in das Verzeichnis der Klägerin unter der Adresse www.p-c.com ging. Zwar gibt es durchaus eine namentliche Ähnlichkeit zum Örtlichen Branchenbuch der U. Jedoch ist das Angebot, das Bestellformular, insbesondere im oberen Bereich derart deutlich, dass eine Verwechslungsgefahr, die einen Täuschungswillen begründen könnte, auszuschließen ist. Es wird zum einen die genannte Internet-Adresse genannt. Sodann besteht für den potentiellen Kunden wie die Beklagte die Möglichkeit der Wahl des zu bestellenden Produkts, was er bzw. sie durch Ankreuzen markieren muss. Es ist nicht ersichtlich, dass dies beim Korrekturabzug des Örtlichen Branchenbuchs der Telekom auch der Fall wäre. Unter der jeweiligen Markierungsstelle sind dann sämtliche besonders relevanten Informationen wie Preis, etc. in komprimierter Form enthalten. Ein potentieller Kunde dürfte zumindest diese wenigen Zeilen der Produktbeschreibung des angekreuzten Produkts lesen. Hieraus erschließt sich sodann dem jeweiligen Leser auch ohne Probleme, was und dass er einen Vertrag mit dem angekreuzten Inhalt eingeht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Vertragsbestandteil wurden, auf der Vorderseite deutlich abgedruckt sind und bereits im ersten Satz darauf hinweisen, dass die Bestellung eines Basisauftrags durch Unterzeichnung der Eintragungsofferte erfolgt, dass mithin ein Vertrag des entsprechenden Inhalts zustande kommt. Insgesamt ist das Angebot der Klägerin hinreichend deutlich und begründet keine festzustellende Täuschungsabsicht.
22Aus entsprechenden Erwägungen liegt auch keine Sittenwidrigkeit des Vertrags gemäß § 138 BGB vor.
23Die Nebenforderung mit dem Klageantrag zu 2. ist nicht als kausal auf Verzug beruhende Kosten zweckentsprechender Rechtsverfolgung begründet, §§ 280, 286, 249 ff. BGB. Die Klägerin hätte unbeschränkten Klageauftrag erteilen müssen. Da sie dies nicht tat, sind die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht als erforderlich gemäß § 249 BGB anzusehen (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2006, 242). Verzug trat dabei durch die befristete Mahnung aus der Rechnung vom 18.07.2007 zum 02.08.2007 ein. Jedoch wurden die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erst am 20.11.2008, also ca. 4 Monate nach Verzugseintritt beauftragt. Nach diesem langen Zeitablauf war nicht mehr damit zu rechnen, dass die Beklagte ohne Klage zahlen werde, so dass die Klägerin unbeschränkten Klageauftrag hätte erteilen müssen.
24Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.
25Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 II Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
26Streitwert: 804,00 €.
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