Urteil vom Amtsgericht Bonn - 109 C 21/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistung aus der zwischen ihnen bestehenden Teilkaskoversicherung in Anspruch.
3Der Kläger hat bei der Beklagten für seinen Pkw BMW (amtliches Kennzeichen #-## ##) eine Teilkaskoversicherung abgeschlossen. Er begehrt von der Beklagten die Übernahme der Kosten gemäß der Reparaturrechnung vom 26.04.2012 der Firma O GbR abzüglich einer Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 EUR mithin von Kosten in Höhe von 1.372,61 EUR. Das dieser Forderung zu Grunde liegende Schadensereignis, namentlich ein behaupteter Steinschlagschaden an der Frontscheibe, ist im Hinblick auf sein Zustandekommen sowie die dadurch ausgelösten Kosten zwischen den Parteien umstritten. Der Kläger trat die seinerseits gegenüber der Versicherung bestehenden Ansprüche an die Firma O GbR ab. Diese erteilte - insofern unbestritten - dem Kläger unter dem 18.10.2012 eine Erklärung, wonach sie mit der Prozessführung durch den Kläger einverstanden ist.
4Nach vorheriger telefonischer Terminabsprache war am 21.09.2012 bei dem Kläger ein Termin zur Nachbesichtigung seines Fahrzeuges durch einen Sachverständigen der Beklagten, den Sachverständigen I, vereinbart. Aufgrund der zwischen den Parteien im Einzelnen streitigen Umstände, die die Hinzuziehung der Polizei nach sich zogen, wurde die Nachbesichtigung durch den Sachverständigen I vor deren Beendigung abgeschlossen.
5Mit Schreiben vom 24.09.2012 lehnte die Beklagte die Zahlung der Reparaturkostenforderung der Firma O ab.
6Der Kläger behauptet, sein Fahrzeug habe im April 2012 einen Steinschlagschaden erlitten. Hierdurch sei es zu einer Vertiefung von 1 bis 2 Millimetern sowie einem Sprung im Randbereich gekommen. Der Schaden habe sich leicht rechts von der Scheibenmitte ereignet. Den Schaden habe er sodann bei der Firma O GbR reparieren lassen. Im Rahmen der von der Beklagten veranlassten Nachbesichtigung seines Fahrzeuges am 21.09.2012 sei ein Mann erschienen, der sich nicht ausgewiesen habe. Der Kläger sei misstrauisch geworden, nachdem der unbekannte Mann nach dem Kilometerstand gefragt habe, sowie die Reifen vorne und hinten besichtigt und sich hierüber Notizen gemacht habe. Nachdem der Mann den Kilometerstand selbst habe ablesen wollen und es ablehnte, seine Tätigkeit für die Kaskoversicherung nachzuweisen, habe er ihn aufgefordert, zu gehen. Der Kläger behauptet weiter, die Reparaturkostenhöhe sei angemessen.
7Er ist der Ansicht, keine Obliegenheitspflichtverletzung gegenüber der Beklagten begangen zu haben; insbesondere könne von einer Vereitelung der Nachbesichtigung keine Rede sein.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an die Firma O GbR, Inhaber L1 & L, S-Straße. ##-##, 5#### L2, 1.372,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.09.2012 sowie an ihn außergerichtliche Kosten in Höhe von 186,24 EUR zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte bestreitet, dass das Fahrzeug des Klägers einen Steinschlagschaden erlitten hat und dass dieser fachmännisch bei der Firma O GbR repariert worden ist. Jedenfalls sei die Rechnungshöhe unangemessen hoch. Auch die aufgewandte Arbeitszeit sei zum Austausch einer Scheibe nicht erforderlich gewesen.
13Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie wegen einer vorsätzlichen arglistigen Obliegenheitsverletzung des Klägers gemäß Ziffer E.1.2. sowie Ziffer E.6.1.AKB leistungsfrei sei. Abgesehen davon, dass der Kläger die Nachbesichtigung vereitelt habe, habe er der Beklagten in unzulässiger Weise nicht offen gelegt, dass ihm ein Rabatt in Höhe von 150,00 EUR von der Firma O GbR eingeräumt worden sei. Insoweit sei auf der Rechnung vom 26.04.2012 ein Selbstkostenanteil in Höhe von 150,00 EUR ausgewiesen, den der Kläger niemals an die Firma O GbR gezahlt habe, was einen versuchten Betrug zur Rechnungshöhe darstelle.
14Der Kläger behauptet, eine Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 EUR an die Firma O GbR gezahlt zu haben.
15Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen L, L1 und I und Anhörung des Klägers. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.05.2013 (Blatt 59 ff.) verwiesen.
16Im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
191. Ein Anspruch des Klägers aus dem Teilkaskoversicherungsvertrag mit der Beklagten aufgrund des behaupteten Steinschlagschadens an der Frontscheibe aus April 2012 besteht nicht. Zwar ist der Kläger aufgrund der Ermächtigung der Firma O GbR vom 18.10.2012 prozessführungsbefugt, nachdem er dieser seine Ansprüche gegenüber der Beklagten zuvor abgetreten hat.
20Die Beklagte ist aber aufgrund einer schuldhaften Verletzung der dem Kläger gemäß Ziffer E.1.2. der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) der E AG (Stand 01. Oktober 2011) obliegenden Aufklärungspflicht gemäß Ziffer E.6.1. Abs. 1 AKB von ihrer etwaigen Leistungspflicht frei geworden. Gemäß Ziffer E.6.1. AKB genießt die versicherte Person keinen Versicherungsschutz, wenn die versicherte oder eine mitversicherte Person vorsätzlich eine in Ziffer E.1. geregelte Pflicht verletzt. So verhält es sich vorliegend.
21Gemäß Ziffer E.1.2. ist der Versicherungsnehmer im Rahmen des Zumutbaren dazu verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Schadensereignisses dienlich sein kann. Dies umfasst gemäß dem Wortlaut der Norm insbesondere, dass Fragen zu den Umständen des Schadensereignisses wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet werden müssen. Der Versicherungsnehmer verletzt seine Aufklärungspflicht, wenn er eine Nachbesichtigung durch einen von seinem Kaskoversicherer beauftragten Sachverständigen nicht ermöglicht (vgl. LG München, Urteil vom 04.03.1992 - Aktenzeichen 34 O 24016/91; AG Viersen, Urteil vom 02.07.2004 - Aktenzeichen 17 C 313/03).
22Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass der Kläger die Nachbesichtigung durch den von der Beklagten beauftragten Sachverständigen vorsätzlich und ohne nachvollziehbaren Grund vereitelt hat.
23Sofern der Kläger vorgetragen hat, er habe den Sachverständigen dazu aufgefordert, zu gehen, da er ihm gegenüber misstrauisch gewesen sei und einen Diebstahlversuch vermutet habe, so gibt es aus Sicht des Gerichtes hierfür keinen nachvollziehbaren Grund. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der von dem Kläger im Termin nochmals geschilderten Umstände der Nachbesichtigung. So hat der Sachverständige - unbestritten - zunächst nach dem Kilometerstand gefragt, die Reifen vorne und hinten inspiziert und sodann danach gefragt, den Kilometerstand selber ablesen zu dürfen. Der Sachverständige habe sich zuvor für den 21.09.2012 angesagt gehabt, wobei die Nachbesichtigung vor der Haustür des Klägers in Köln stattfinden sollte. Als Termin sei, so der Kläger in der mündlichen Verhandlung, 15:00 Uhr vereinbart gewesen. Am Tag der Nachbesichtigung habe sich der Mann trotz mehrfacher Nachfrage nicht ausgewiesen. Er sei durch das selbstherrliche Verhalten des Zeugen so verwirrt gewesen, dass er den Verdacht hegte, dass der Zeuge nicht für die Versicherung tätig sei, sondern sich aus sonstigen Gründen an dem Fahrzeug zu schaffen machte, etwa um das Fahrzeug zu entwenden. Aus diesem Grund habe er dem Zeugen I auch verwehrt, den Kilometerstand seines Pkw abzulesen, in dem er sich vor die Tür seines eigenen Pkw gestellt habe.
24Der Zeuge I hat dem gegenüber glaubhaft, widerspruchsfrei und detailliert bekundet, der Kläger habe eine durchweg verweigernde Haltung gehabt. Bereits die Nachfrage nach den technischen Daten habe den Kläger zu allerlei Nachfragen veranlasst. Die genaue Begutachtung der Frontscheibe sei ihm durch den Kläger dadurch verwehrt worden, dass er sich vor ihn gestellt und ihm den Blick auf die Scheibe versperrt habe. Eine genaue Begutachtung der Frontscheibe sei ihm daher nicht möglich gewesen. Nachdem der Kläger ihn mit Nachdruck nach dem Personalausweis gefragt habe, habe er die Besichtigung abbrechen wollen, um weiteren Ärger zu vermeiden. Da habe der Kläger sich dann vor sein Fahrzeug gestellt und erst einmal versucht, zu verhindern, dass er in sein Fahrzeug steige. Aus diesem Grund habe er letztlich die Polizei gerufen. Aufgrund des Verhaltens des Klägers sei eine genauere und abschließende Untersuchung der Frontscheibe des klägerischen Fahrzeuges nicht möglich gewesen. Er habe lediglich feststellen können, dass die Scheibe als Herstellungsdatum das Jahr 2011 auswies und keine Originalscheibe von BMW gewesen sei. Abgesehen davon sei die Scheibe mit zahlreichen Steinschlägen versehen gewesen, die nicht innerhalb von wenigen Monaten erfolgen können. Eine Überprüfung der Dichtung der Scheibe von innen sei nicht möglich gewesen, weil der Kläger ihn daran gehindert habe, in das Fahrzeug zu steigen. Dies sei aber erforderlich, um festzustellen, ob und wann eine Scheibe tatsächlich erneuert worden ist, da man hierzu gegen das Licht schauen müsse.
25Der Zeuge I hat darüber hinaus – unbestritten - bezeugt, dass er sich über sein Büro im Vorfeld ordnungsgemäß angekündigt habe. Der Kläger habe darüber hinaus seine Visitenkarte bekommen und einen handgeschriebenen Zettel, aus dem sich weitere Daten ergeben hätten.
26Nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung, der Aussagen der Parteien und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Entscheidung zu entscheiden, ob es seine Behauptung für wahr oder für nicht wahr erachtet. Für die tatrichterliche Überzeugung ist dabei ein für das praktische Leben erhobener Grad von Gewissheit, der Zweifeln schweigen gebietet, erforderlich (BGH NJW 1993, 935, 937). Mit der durchgeführten Beweisaufnahme ließ sich der erforderliche Grad der Gewissheit gewinnen. Das Gericht hatte keinen Anlass, an der Richtigkeit der Schilderung des Zeugen I zu zweifeln. Die Aussage des Zeugen erfolgte glaubhaft, authentisch, detailliert und ohne eindeutige Belastungs- oder Entlastungstendenz. Es war der Aussage deutlich zu entnehmen, dass der Vorfall für den Zeugen nicht alltäglich war und er darüber immer noch verwundert ist.
27Dahingegen erachtet das Gericht die Angaben des Klägers teilweise als nicht glaubhaft sowie lebensfremd. Es ist nicht ersichtlich, wie ein Versicherungsnehmer im Rahmen eines im Vorfeld telefonisch vereinbarten Nachbesichtigungstermins durch einen von der Teilkaskoversicherung bestellten Sachverständigen ernsthaft davon ausgehen kann, sein Fahrzeug werde entwendet werden. Auch ist nicht verständlich, inwiefern der Kläger über die Begutachtung der Reifen bzw. des Kilometerstandes verwundert war und diese Feststellungen unterbinden wollte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger nach eigenen Angaben zwischen dem Austausch der Scheibe und der Nachbesichtigung mindestens 10.000 Kilometer gefahren sein will. Dass der Kilometerstand für den Sachverständigen damit relevant war, war für den Kläger nicht zu verkennen, jedenfalls durfte es aber nicht verwunderlich sein. Nachdem der Zeuge I sich über das Sachverständigenbüro - unbestritten - telefonisch zu dem Nachbesichtigungstermin angemeldet hat und dieser, bei unterstellter Richtigkeit der Angabe des Klägers, um 14:30 Uhr statt um 15:00 Uhr stattgefunden hat, vermag das Gericht auch nicht nachzuvollziehen, wieso der Kläger darauf beharrt hat, von dem Zeugen einen Personalausweis vorgezeigt zu bekommen. Eine Pflicht, sich im Rahmen der beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten im Hinblick auf sämtliche persönliche Daten auszuweisen, besteht insofern nicht. Nach alledem drängt sich für das Gericht der Verdacht auf, dass der Kläger gegenüber dem Sachverständigen I bestimmte Gegebenheiten möglicherweise nicht preisgeben wollte.
28Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Klägers ergeben sich auch unter Berücksichtigung des vorprozessualen Verhaltens. Nachdem nämlich im Zusammenhang mit der Frage, ob die Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 EUR an die Firma O GbR gezahlt worden ist, zunächst vorgetragen wurde, dies sei nicht der Fall gewesen, sei aber auch unschädlich, da ein zu Gunsten des Klägers gewährter Rabatt nicht zu Gunsten der Kaskoversicherung wirke, wurde in der mündlichen Verhandlung vom 21.05.2013 erstmals unter Vorlage einer entsprechenden Quittungskopie behauptet, die Selbstbeteiligung sei doch gezahlt worden. Gleichwohl konnte der Kläger sich weder auch nur im Ansatz glaubhaft dazu äußern, wann diese Zahlung erfolgt sein soll, noch an wen. Der Kläger hatte noch nicht mal eine Erinnerung daran, ob die Zahlung vor oder nach Abschluss der Reparaturarbeiten erfolgt ist. Aufgrund des gesamten prozessualen Verhaltens, welches das Gericht gemäß § 286 ZPO im Rahmen der Urteilsfindung zu berücksichtigen nicht gehindert ist, erscheint der Vortrag als teils widersprüchlich. Insgesamt verbleiben erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Klägers.
29Die Obliegenheitsverletzung des Klägers in Form der Nachbesichtigungsvereitelung und damit Verletzung seiner Aufklärungspflicht erfolgte auch vorsätzlich, also wissentlich und willentlich im Sinne von Ziffer E.6.1. AKB.
30Den Nachweis, dass er die Obliegenheit nicht grob fahrlässig verletzt hat sowie dafür, dass die Pflichtverletzung weder für den Eintritt des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten ursächlich war, vgl. Ziffer E.6.1 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 AKB, hat der hierfür darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht zu erbringen vermocht. Unter Berücksichtigung aller objektiven Umstände unterband er die Nachbesichtigung durch den Sachverständigen der Beklagten nicht nur in grob fahrlässiger Art und Weise und erst recht nicht in lediglich fahrlässiger Weise, sondern vorsätzlich. Selbst wenn entgegen der Annahme des Gerichtes davon ausgegangen würde, dass der Kläger berechtigter Weise befürchten durfte, dass sein Fahrzeug entwendet werden würde, hätte er den Sachverständigen jedenfalls nicht daran hindern dürfen, die Frontscheibe zu inspizieren. Dies ist nach den Angaben des Zeugen I, von deren Richtigkeit das Gericht überzeugt ist, aber gerade geschehen. Der Verstoß gegen die Aufklärungspflicht wiegt umso schwerer, als der Sachverständige I bereits bei oberflächlicher Betrachtung deutliche Anhaltspunkte dafür hatte, dass ein Austausch der Frontscheibe zu dem von dem Kläger behaupteten Zeitpunkt nicht erfolgt ist. Ungeachtet der klägerseitigen Behauptung, wonach er zwischen dem Zeitpunkt der Reparatur und der Nachbesichtigung über 10.000 Kilometer mit dem Fahrzeug zurück gelegt hat, verbleiben erhebliche Zweifel daran, dass innerhalb dieses Zeitraumes die angeblich neu eingesetzte Frontscheibe zahlreiche neue Steinschläge erlitten hat.
31Der Leistungsfreiheit der Beklagten steht schließlich auch nicht entgegen, dass dieser tatsächlich kein Schaden entstanden ist, weil sie die Reparaturrechnung vom 26.04.2012 nicht beglichen hat. Zwar kann nach der vom BGH entwickelten Relevanzrechtsprechung aus einer vorsätzlichen Verletzung einer Obliegenheit, die tatsächlich aber ohne jede Relevanz für den Versicherten war, ein Recht zur Leistungsverweigerung nicht ohne weiteres hergeleitet werden (vgl. BGH NJW-RR 1998, 600; BGH, VersR 1969, 651). Der Versicherer kann sich aber in den Fällen, in denen eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung folgenlos geblieben ist, auf die vereinbarte Leistungsfreiheit berufen, wenn der Obliegenheitsverstoß objektiv, d.h. generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden und subjektiv von einigem Gewicht war, d.h., den Versicherungsnehmer eine erhebliches Verschulden trifft. Dies ist vorliegend der Fall.
32Vorliegend besteht die konkrete Möglichkeit, dass sich der Umfang der Versicherungsleistung anders dargestellt hätte, wenn die Beklagte die Möglichkeit gehabt hätte, das streitgegenständliche Fahrzeug einigermaßen zeitnah zu begutachten. Hierdurch hätte festgestellt werden können, ob die in Rechnung gestellten Originalmaterialien tatsächlich verwendet worden sind und ob der Austausch der Scheibe tatsächlich zu dem behaupteten Zeitpunkt erfolgt ist.
33Die vorsätzliche Obliegenheitsverletzung des Klägers ist auch als erheblich schuldhaft anzusehen. Der Kläger selber hat insoweit keine Umstände vorgetragen, die für ein nur geringes Verschulden sprechen würden. Sofern er vorgetragen hat, der Sachverständige sei eine halbe Stunde zu früh zum Termin erschienen, so führt dies zu keinem gegenteiligen Ergebnis. Die glaubhafte Schilderung des Zeugen I zu dem Ablauf der Nachuntersuchung, im Rahmen dessen sogar zuletzt die Polizei eingeschaltet wurde, spricht für ein erheblich schuldhaftes Verhalten des Klägers. Sowohl für den Umfang als auch für die Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten war das Verhalten nach alledem ursächlich im Sinne von Ziffer E.6.1 AKB.
34Nachdem der Versicherungsschutz bereits unter Zugrundelegung der Obliegenheitspflichtverletzung gemäß Ziffer E.1.2 AKB nicht besteht, kann dahinstehen, ob die Beklagte auch vor dem Hintergrund leistungsfrei ist, dass der Kläger - wie von der Beklagten behauptet und vom Kläger bestritten - gegenüber der Beklagten verschwiegen hat, dass ihm ein Rabatt in Höhe von 150,00 EUR von der Firma O GbR eingeräumt worden ist, worin ein versuchter Betrug gegenüber der Beklagten zu sehen wäre (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 01.05.2006 - Aktenzeichen 6 U 7/06; BGH Urteil vom 08.11.2007 - Aktenzeichen I ZR 60/05), Ziffer E.1.3 AKB. Auch einer weiteren Aufklärung zu der Frage, ob tatsächlich ein Versicherungsfall vorgelegen hat, woran das Gericht vor dem Hintergrund der Aussagen des Klägers und der Zeugen sowie insbesondere des Umstandes, dass die vermeintlich neu eingebaute Scheibe im Zeitpunkt der Besichtigung durch den Sachverständigen I mit zahlreichen Steinschlägen beschädigt war, erhebliche Zweifel hat, bedurfte es nicht. Damit kann auch dahinstehen, ob der klägerseitige Vortrag sowie Beweisantritt durch Vorlage einer Kopie der Zahlungsquittung im Termin zur mündlichen Verhandlung zum 21.05.2013 entsprechend der Rüge der Beklagten verspätet erfolgt ist oder nicht.
35Der nachgelassene Schriftsatz der Beklagtenseite vom 27.05.2013 hat keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gegeben, § 156 ZPO.
362. Die Nebenansprüche teilen das Schicksal der Hauptforderung.
37II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
38Streitwert: 1.372,61 EUR
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