Urteil vom Amtsgericht Bonn - 110 C 50/16
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 2.845,75 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. 12. 2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 12 %, die Beklagte 88%.
3. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet
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Tatbestand:
2Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte wegen anwaltlicher Schlechtleistung aus übergegangenem Recht.
3Die Klägerin ist der Rechtsschutzversicherer ihres Versicherungsnehmers D C1, der für sich und seine damalige minderjährige Tochter B im Jahr 2008 eine Familienunfallversicherung unter Einbeziehung der Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung abgeschlossen hatte. Hinsichtlich des Unfallversicherungsvertrages wird auf die als Anl. K1 zur Akte gereichte Ablichtung des Vertrages (AS 15 ff.), hinsichtlich der Versicherungsbedingungen auf die als Anl. K2 zur Akte gereichte Ablichtung der Bedingungen verwiesen (AS 19).
4Die Tochter B erlitt im Jahr 2010 einen Schiunfall, der operativ behandelt werden musste; der Versicherungsnehmer der Klägerin erhielt aus der Unfallversicherung eine Invaliditätsleistung i.H.v. 13.275,00 €. Diese Leistung behielt er für sich und gab sie nicht an seine Tochter weiter.
5Hierauf verklagte die volljährig gewordene Tochter den Versicherungsnehmer der Klägerin im Oktober 2014 vor dem Landgericht Bonn (Az. 3 O4 138/14). Die Klägerin gewährte ihrem Versicherungsnehmer für das Verfahren Versicherungsschutz; die Kosten des Rechtsstreits wurden von der Klägerin gezahlt.
6Der Versicherungsnehmer der Klägerin beauftragte die Beklagte mit seiner Vertretung vor dem Landgericht Bonn, die der Klage entgegentrat und den Rechtsstreit streitig entscheiden ließ.
7Das Landgericht Bonn gab mit Urteil vom 03.06.2015 der Klage der Tochter des Versicherungsnehmers statt; auf das in Ablichtung zur Akte gereichte Urteil des Landgerichts Bonn wird verwiesen (Anl. K5, AS 57 ff.).
8Die Gerichtskosten betrugen ausweislich der Rechnung der Gerichtskasse Köln vom 30.07.2015 879,00 €; auf die zur Akte gereichte Rechnung der Gerichtskasse wird verwiesen (Anl. K6, AS 71). Hinsichtlich der auf Seiten des Versicherungsnehmers für die Beauftragung der Beklagten entstandenen Kosten wird auf die Kostenrechnung der Beklagten vom 11.06.2015 verwiesen (Anl. K7, AS 72). Von dem dort ausgewiesenen Betrag von 1.947,55 € erhielt die Beklagte von der Klägerin den - was unstreitig geblieben ist - Betrag von 1.581,45 €.
9Die Klägerin forderte die Beklagte zur Zahlung der streitgegenständlichen Beträge mit Fristsetzung zum 01.12.2015 vergeblich zur Zahlung auf.
10Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hätte im laufenden Verfahren zu einem Anerkenntnis raten müssen. Wäre das Anerkenntnis abgegeben worden, wären 2 Gerichtskostengebühren von insgesamt 586,00 € nicht angefallen. Ferner wäre, wenn das Anerkenntnis vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung abgegeben worden wäre, die auf Seiten des Prozessbevollmächtigten der Tochter des Versicherungsnehmers angefallene Terminsgebühr nebst Steuer i.H.v. 928,20 € nicht entstanden. Letztlich sei auch das an die Beklagte gezahlte Honorar nicht erforderlich gewesen, um die rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers wahrzunehmen. Sie hätte es bei einer Erstberatung belassen können, durch welche lediglich 249,90 € angefallen wären.
11Die von ihr erteilte Deckungszusage sei irrelevant; der Rechtschutzversicherer sei nicht zu Überprüfung der Rechtslage verpflichtet.
12Die Klägerin beantragt,
13die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag i.H.v. 3221,85 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. 12. 2015 zu bezahlen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie ist der Auffassung, der Anspruch der Klägerin bestehe nicht. Sie habe das Verfahren für den Versicherungsnehmer der Klägerin nicht fehlerhaft geführt. Sie hätte in diesem auch nicht zu einem Anerkenntnis raten müssen. Dies insbesondere deswegen, weil die im Verfahren vor dem Landgericht Bonn maßgebliche Regel des § 179 VVG lediglich eine Auslegungshilfe darstelle, während die konkrete Vertragsauslegung Vorrang habe. Sie habe im Verfahren auch Beweis angeboten; das Landgericht habe dem Folge geleistet und mit Verfügung vom 24.04.2015 einen Beweisbeschluss erlassen und den von der Beklagten benannten Zeugen geladen. Auch habe das Landgericht einen Vergleich vorgeschlagen. Es sei also nicht so gewesen, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin den Prozess in jedem Fall verloren hätte. Es sei letztlich zu sehen, dass die Klägerin für das streitgegenständliche Verfahren auch eine Deckungszusage für die Kosten 1. Instanz erteilt hatte.
17Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 20.07.2016 (AS 129 ff.) verwiesen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
20Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus übergegangenem Recht - § 86 VVG sowie gem. § 17 Abs. 8 ARB 2000 - zu.
21Die Klägerin ist zunächst aktivlegitimiert. Einer Klage aus abgetretenem Recht steht nicht entgegen, dass dem Versicherungsnehmer der Klägerin, wie die Beklagte vorträgt, ein Schaden nicht entstanden sei. Denn dieser war Kostenschuldner sowohl der Gerichtskostenrechnung als auch der Anwaltsrechnungen der Beklagten und der Prozessbevollmächtigten seiner Prozessgegnerin.
22Der Anspruch besteht auch der Sache nach. Dies folgt daraus, dass die Beklagte als Prozessbevollmächtige des Versicherungsnehmers der Klägerin, Herrn C1, den Rechtsstreit vor dem Landgericht Bonn unter Az. 3 O 438/14 fehlerhaft führte.
23In diesem Fall wären die von der Klägerin dargelegten Gebühren nicht angefallen, nämlich das Anwaltshonorar von ausgezahlten 1.581,45 € abzüglich einer in jedem Fall angefallenen Erstberatungsgebühr von 249,90 €, der Terminsgebühr für den Prozessbevollmächtigten der Tochter des Versicherungsnehmers von 928,20 € und der Gerichtskosten in Höhe von 2 Gebühren, mithin von 586,00 €. Hieraus ergibt sich der begründete Klagebetrag.
24Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Rechtsanwalt verpflichtet, dafür zu sorgen, dass er vermeidbare Nachteile für den Mandanten auch vermeidet. Er hat, wenn mehrere Maßnahmen in Betracht kommen, diejenigen zu treffen, die die sicherste und gefahrloseste ist, und wenn mehrere Wege möglich sind, den erstrebten Erfolg zu erreichen, den zu wählen, auf dem dieser am sichersten erreichbar ist (BGH, Urteil vom 14. Januar 1975 – VI ZR 102/74 –, Rn. 13, juris; vgl. auch Urteil vom 25. Juni 1974 – VI ZR 18/73 = VersR 1974, 1108 f. m. w. Nachw.)
25Diesen Maßstäben wurde die Tätigkeit der Beklagten in dem hier zu beurteilenden Fall nicht gerecht. Die Beklagte hätte in dem streitgegenständlichen Verfahren vielmehr zu einem Anerkenntnis raten müssen.
26Entscheidend für den Ausgang des dortigen Rechtsstreits war, ob die Unfallversicherung wirksam auf eigene oder auf fremde Rechnung abgeschlossen worden ist. Nur im ersteren Fall hätte der Versicherungsnehmer der Kläger den vereinnahmten Betrag behalten dürfen, in dem Fall, in welchem die Unfallversicherung auf fremde Rechnung abgeschlossen worden ist, hätte ihm kein Anspruch auf die Versicherungsleistung zugestanden.
27Zwar liegt insoweit eine gesetzliche Zweifelsregelung vor, die wiederum von den zugrundeliegenden Tatsachen abhängig ist.
28Hierauf kam es allerdings im Rechtsstreit nicht an. Denn der Abschluss der Versicherung auf eigene Rechnung hätte - § 179 Abs. 2 VVG - zur Voraussetzung gehabt, dass die damals minderjährige Tochter des Versicherungsnehmers ihrerseits dem ausdrücklich hätte zustimmen müssen. Eine solche Zustimmung war ersichtlich nicht erteilt worden.
29In diesen Fällen wird vom Bundesgerichtshof eine Fremdversicherung zugunsten der Gefahrsperson angenommen. Wird jedoch - einer abweichenden Ansicht folgend - die Unwirksamkeit des Vertrags angenommen, ist § 140 BGB zu prüfen, dessen Voraussetzungen im hier streitgegenständlichen Rechtsstreit unzweifelhaft vorlagen. Da die Voraussetzungen einer Versicherung auf fremde Rechnung gegeben waren, war eine Umdeutung vorzunehmen. Folglich schied auch in diesem Fall ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf die vereinnahmte Versicherungsleistung aus und war ein Anspruch seiner Tochter auf Auskehrung der einbehaltenen Versicherungsleistungen begründet. Insoweit wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die ausführlichen und überzeugenden Ausführungen des Landgerichts Bonn im Urteil vom 3.6.2015 (UA S. 8 ff; AS 64 ff.) verwiesen.
30Diese Rechtslage hätte die Beklagte erkennen müssen; diese Voraussetzungen ergeben sich bereits aus dem Gesetz. Eine unklare Rechtslage oder widersprechende Rechtsprechung zu dieser Frage liegt nicht vor.
31Die seitens der Klägerin gewährte Deckungszusage steht dem nicht entgegen und entlastet die Beklagte nicht von den sie treffenden Sorgfaltspflichten.
32Auch ein Mitverschulden der Klägerin nach § 254 BGB ist nicht anzunehmen. Denn das verletzte Vertragsverhältnis bestand nur zwischen der Beklagten und Herrn C1; in diesem Vertragsverhältnis ist aber für eine Mithaftung der Klägerin aus dem alleine als Zurechnungsnorm in Betracht kommenden § 278 BGB kein Raum, da der Rechtsschutzversicherer kein Erfüllungsgehilfe des Mandanten ist (vgl. OLG Koblenz Urteil vom 16.2.2006, Az. 5 U 271/05 - juris Rn. 20).
33Auch stellt sich der Vertrag über die Rechtsschutzversicherung nicht als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, hier der Beklagten, dar.
34Ferner kann sich der Rechtsschutzversicherer auf die rechtliche Fallbeurteilung durch den Rechtsanwalt verlassen; seine eigene Deckungszusage entfaltet gegenüber dem Rechtswalt hingegen keinen Vertrauensschutz (vgl. OLG Koblenz aaO, -juris Rn. 22).
35Letztlich wird die Beklagte nicht dadurch entlastet, dass das Gericht zunächst eine Beweisaufnahme vorbereitete, so dass - wie die Beklagte meint - der Eindruck habe entstehen können, die Entscheidung sei offen und es komme auf das Ergebnis der Beweisaufnahme an. Dem war nicht so, wie sich letztlich aus dem erlassenen Urteil ergibt, zunächst aber bereits aus der oben dargestellten Rechtslage.
36Soweit unstreitig blieb, dass nur ein Teilbetrag der anwaltlichen Gebühr ausbezahlt wurde, war die Klage insoweit zurückzuweisen.
37Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus §§ 286, 288 BGB.
38Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
39Rechtsbehelfsbelehrung:
40Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
411. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
422. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
43Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, 53111 Bonn, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
44Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bonn zu begründen.
45Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bonn durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
46Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Referenzen
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