Urteil vom Amtsgericht Brühl - 23 C 583/10
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um die Gültigkeit von Beschlüssen aus Wohnungseigentumsrecht.
3Diese bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft H-Str. 20, 50374 Erftstadt-Liblar. Die Beteiligte ist die Verwalterin.
4Am 04.10.2010 fand eine Wohnungseigentümerversammlung statt, die mit Einladungsschreiben der Verwaltung vom 30.08.2010 einberufen wurde. Dem Einladungsschreiben an die jeweiligen Wohnungseigentümer waren als Anlage u.a. die für die Versammlung aufgestellte Tagesordnung sowie das Schreiben des Architektur- und Ingenieurbüros X2 vom 11.03.2010 beigefügt.
5Über den Verlauf und die Beschlussfassung der Versammlung vom 04.10.2010 erstellte die Verwalterin das Protokoll vom 22.10.2010.
6Wegen der weiteren Einzelheiten des Einladungsschreibens nebst Anlagen sowie des Versammlungsprotokolls wird auf die insoweit zur Akte gereichten Ablichtungen verwiesen.
7Der Kläger trägt vor:
8Die zu TOP 4 sowie zu TOP 13 gefassten Beschlüsse vom 04.10.2010 verstießen in formeller und materieller Hinsicht gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung.
9Zu TOP 4 (Liquiditätsbeschluss) :
10Der Beschluss zur Aufhebung der bzw. Freistellung von der Zweckbindung der Instandhaltungsrücklage sei bereits nicht hinreichend vorbereitet worden. Es sei nicht ersichtlich, dass es vorliegend einen konkreten Bedarf gebe, die Instandhaltungsrücklage ganz oder teilweise für andere Zwecke als die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, nämlich die Deckung von Liquiditätsengpässen, zu verwenden. Darüber sei die Wohnungseigentümergemeinschaft weder im Rahmen der Einladung noch in der Versammlung informiert worden. Daher handele es sich um einen reinen Vorratsbeschluss ohne konkreten Finanzierungsbedarf, der unzulässig sei.
11Der Beschluss sei zudem in mehrfacher Hinsicht zu unbestimmt.
12Bereits der Auslöser „Liquiditätsengpässe“ sei nicht definiert. Die im Beschluss enthaltene Wendung „im Sinne ausreichender Liquidität ist der Verwalter legitimiert…“ sei unverständlich. Was dies zu bedeuten habe, ergebe sich weder aus dem Einladungsschreiben noch dem Beschlusstext. Dadurch habe der Verwalter unzulässigerweise freie Hand, nach eigenem Ermessen über zweckgebundene Gelder der Gemeinschaft zu verfügen. Dies verstoße gegen den in § 21 Abs. 3 WEG geregelten Beschlussvorbehalt der Wohnungseigentümergemeinschaft.
13Zudem fehle es an einer inhaltlichen Schranke, die den Verbleib eines Mindestbetrags an Rücklage sicherstelle. Lege man den Beschlusstext wörtlich aus, könne die Instandhaltungsrücklage unzulässigerweise vollständig aufgebraucht werden, wenn nur der Höchstbetrag der Plansumme von 3/12 des Wirtschaftsplans nicht überschritten werde.
14Auch mangele es dem Beschluss an einer Regelung, wann der entnommene Betrag zurückzuführen sei. Die zeitlichen Voraussetzungen der Rückführung müssten jedoch gleichsam mitgeregelt sein.
15Weiter fehle eine absolute Höchstgrenze der Entnahme, weshalb es dem Verwalter unter Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung möglich sei, die Rücklage binnen weniger Jahre auf Null zu reduzieren.
16Außerdem sei ein Hinweis auf die Verwendungsweise der entnommenen Rücklagenbestandteile erforderlich gewesen, aus dem eine Güterabwägung zwischen dem Sicherstellungsinteresse der Gemeinschaft und der nicht näher bestimmten Ausgabepolitik ersichtlich sei.
17Schließlich liege auch ein inhaltlicher Verstoß gegen die Bestimmungen der Teilungserklärung vor, wonach gemäß § 10 Abs. 2 Ziff. 2c festgelegt sei, dass die Instandhaltungsrücklage „zur Vornahme späterer größerer Instandsetzungsarbeiten bestimmt sei“. Zu der Änderung dieser Vereinbarung fehle es der Gemeinschaft an der erforderlichen Beschlusskompetenz.
18Zu TOP 13 (Brandschutztechnische Ertüchtigung der Bäder und deren Finanzierung):
19Die unter diesem Tagesordnungspunkt gefassten Beschlüsse a) (Ausführung und Fristen) und b) (Finanzierung per Sonderumlage) verstießen ebenfalls in mehrfacher Hinsicht gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung.
20Zunächst sei ein Einberufungsmangel zu beanstanden, wonach der gefasste Beschluss inhaltlich von dem Inhalt der Einberufung abweiche und zwar sowohl im Hinblick auf die Maßnahme selbst, als auch im Hinblick auf die Kosten der Maßnahme. Im Einladungsschreiben werde Bezug genommen auf eine Besichtigung mit einem „Brandschutzsachverständigen und einem Fachingenieur“ sowie auf ein mit der Stadt Erftstadt abgestimmtes Brandschutzkonzept. Ein solches Konzept sei den Wohnungseigentümern vor der Versammlung nicht vorgelegt worden. Zudem beziehe sich die Beschlussfassung nicht auf die genannte Besichtigung, sondern auf die „mit Schreiben des Bauordnungsamts der Stadt Erftstadt vom 19.05.2005 dargelegte Auflage zur brandschutztechnischen Ertüchtigung der Bäder“. Es müsse aber aus dem Beschluss eindeutig deutlich sein, welche Maßnahmen aufgrund welcher Veranlassung bzw. welchen Bedarfs ausgeführt werden sollten.
21Eine solche Abweichung zwischen Beschluss und Einladung bestehe auch im Kostenvolumen, da in dem Einladungsschreiben ein solches in Höhe von 440.000,00 Euro umrissen werde, während die Beschlussfassung von 281.000,00 Euro ausgehe. Der Differenzbetrag erkläre sich ersichtlich nicht durch die in der Versammlung erfolgte Bezugnahme auf eine Kostenreduzierung um 85.000,00 Euro.
22Inhaltlich sei aus dem Beschluss unklar, welche Maßnahmen auf welcher Rechtsgrundlage und welchen Instandhaltungsbedarfs durchgeführt werden solle. So fehle es an einer Gesamtkonzeption, die im Zusammenhang mit der Brandschutzauflage der Stadt Erftstadt stünden. Aus dem Beschluss erschlössen sich auch nicht die auszuführenden Einzelmaßnahmen und die Folgen innerhalb der Wohnungen der Eigentümer bzw. das Verhältnis zu der Lüftungsanlage.
23Weiter mangele es an einer hinreichenden Bedarfsermittlung für die Investitionen.
24Hinsichtlich der Kosten von 281.000,00 Euro bzw. 244.000,00 existierten keine notwendigen Berechnungen. Es sei nicht ersichtlich, aufgrund welcher Angebote die Kosten kalkuliert worden seien. Erforderlich sei das Vorliegen mindestens dreier Angebote für jedes Gewerk und die Darlegung der Verfahrensweise, wie der Beschluss umgesetzt werde.
25Da die Maßnahmen, ihre Erforderlichkeit und ihr Umfang nicht hinreichend dargelegt worden seien, seien Geeignetheit und Erforderlichkeit zu bestreiten.
26Auch die Beschlussfassung über die Erhebung einer Sonderumlage sei zu beanstanden. Es fehle an einer nachvollziehbaren Berechnung des Sonderumlagenbetrags.
27Der Kläger beantragt,
28die nachfolgenden Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.10.2010 für ungültig zu erklären:
291. Beschluss zu TOP 4: Liquiditätsbeschluss;
302. Beschlüsse zu TOP 13: Brandschutztechnische Ertüchtigung der Bäder nebst Finanzierung,
31hilfsweise,
32festzustellen, dass diese Beschlüsse nichtig sind.
33Die Beklagten beantragen,
34die Klage abzuweisen.
35Sie tragen vor:
36Die gefassten Beschlüssen entsprächen ordnungsgemäßer Verwaltung.
37Zu TOP 4:
38Der getroffene Beschluss sei nicht zu beanstanden. Er sei erforderlich gewesen, um der Wohnungseigentümergemeinschaft im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterjährig die Möglichkeit zu geben, Rücklagenbeträge, die sich auf dem laufenden allgemeinen Konto der Gemeinschaft und nicht auf einem separat eingerichteten Rücklagenkonto befänden, kurzfristig zur Zahlung fälliger Betriebskosten zu verwenden. Dies sei sinnvoll, um bei einem Liquiditätsengpass in solchen Fällen keine hoch verzinsten Bankkredite in Anspruch nehmen zu müssen, sondern die stattdessen vorhandenen Rücklagenmittel einzusetzen.
39Es sei zu berücksichtigen, dass durch die Beschlussfassung lediglich die buchhalterische Zweckbindung aufgehoben werde, welche jedoch im laufenden Jahr automatisch wieder entstehe, sobald alle Wohnungseigentümer ordnungsgemäß ihr Wohngeld entrichteten und es zu keinen Kostensteigerungen komme. Komme es jedoch dazu, werde die Zweckbindung spätestens in voller Höhe wiederhergestellt, wenn die Nachzahlungsergebnisse der Jahresabrechnung vollständig nachentrichtet seien. Aus diesem Grunde sei auch eine zeitliche Limitierung im Beschluss unsinnig.
40Die betragsmäßige Limitierung auf 3/12 der Wirtschaftsplansumme sei hier eindeutig und ausreichend beschlossen worden.
41Durch den Beschluss behalte der Verwalter lediglich im laufenden Wirtschaftsjahr die erforderliche wirtschaftliche Beweglichkeit, sofern keine buchhalterischen Betriebskostenmittel mehr vorhanden seien, andererseits das laufende Konto durch die Rücklagenzuführungsbeiträge gut gefüllt sei. Die Zweckbindung der Instandhaltungsrücklage werde insgesamt nicht aufgehoben, da die Rücklage auch weiterhin Vermögensvorsorge für spätere Instandsetzungsmaßnahmen bleibe.
42Zu TOP 13:
43Auch die unter TOP 13 gefassten Beschlüsse seien wirksam. Da schon dem Einladungsschreiben neben der Tagesordnung die ausführliche Stellungnahme des eingeschalteten Fachingenieurs X2 beigefügt war, seien die Eigentümer genau über das zu lösende Problem und die durchzuführenden Maßnahmen informiert worden. So beschreibe der Sachverständige ausführlich die einzelnen Schritte der Instandsetzung, weshalb eine ausreichende Kenntnis der Maßnahmen und des Brandschutzkonzepts im Einzelnen geschaffen worden sei. Außerdem habe die Gemeinschaft, die sich bereits seit Jahren mit der brandschutztechnischen Sanierung befasse, in der Versammlung vom 07.08.2008 wirksam beschlossen, die Verwalterin zur Fortsetzung der Konzepterarbeitung mit der Firma X GmbH und zur erforderlichen Einschaltung eines Sachverständigen zu legitimieren, weshalb das Konzept bereits lange vor der streitgegenständlichen Versammlung vom 04.10.2010 bekannt gewesen sei. Zu diesen einzelnen Maßnahmen des Brandschutzkonzepts habe die Verwaltung sodann eine Ausschreibung durchführen lassen und hierüber vor der Beschlussfassung berichtet. Die von der Verwaltung aufgestellte Kostenkalkulation sei ausweislich des Protokolls ausführlich unter Aufteilung der Kosten in drei Lose erläutert worden. Auch seien die entsprechenden Zahlen für alle Wohnungseigentümer klar nachvollziehbar dargestellt worden. Unschwer sei auch die Reduzierung der veranschlagten Gesamtkosten auf 281.000,00 Euro durch Verzicht der Gemeinschaft auf Erneuerung der Dachlüftung und damit eine Ersparnis von 85.000,00 Euro zu erkennen. Wirksam sei dann beschlossen worden, die 281.000,00 Euro per Sonderumlage zu finanzieren und die restlichen Kosten aus der Rücklage zu entnehmen.
44Aufgrund der Ausschreibungen des Sachverständigen X2 seien acht Angebote von Fachfirmen eingeholt worden. Die von den Firmen ausgefüllten Ausschreibungsunterlagen umfassten 33 Seiten, weshalb ein Versand im Rahmen der Einladung aus Kapazitätsgründen nicht geboten gewesen sei. Die Unterlagen hätten jedoch bereits eine Stunde vor Beginn und auch während der Versammlung zur Einsichtnahme im Versammlungsraum ausgelegen. Die acht Angebote seien dann auch ausführlich besprochen worden, wobei die Verwaltung genau erläutert habe, welches Angebot in welchem Teilbereich besonders günstig sei, weshalb die Gemeinschaft sodann wirksam beschlossen habe, die Verwalterin mit der Prüfung und Durchführung von Teilvergaben zu beauftragen. Alle Schritte der Maßnahme würden von dem Fachingenieur X2 begleitet.
45Es sei nicht erforderlich, dass das Protokoll alle im Rahmen der Versammlung gemachten Ausführungen wiederhole, sondern habe nur die Beschlusssituation wiederzugeben.
46Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zur Akte gereichten Urkunden, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 14.03.2011 (Bl. 90 f. d. A.) Bezug genommen.
47Entscheidungsgründe:
48Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
49I.
501.
51Der zu TOP 4 gefasste Beschluss entspricht sowohl in formeller als auch materieller Hinsicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung und wahr daher weder für ungültig zu erklären noch war dessen Nichtigkeit festzustellen.
52Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte die gemäß § 21 Abs. 3 WEG erforderliche Beschlusskompetenz zur Abstimmung über die zweckfremde Verwendung der Instandhaltungsrücklage zur Überwindung des Liquiditätsengpasses.
53Die Wohnungseigentümer können über Entnahmen aus der Instandhaltungsrücklage grundsätzlich mit Stimmenmehrheit beschließen, wovon auch Beschlüsse über die kurzfristige Deckung sonstiger Kosten, d. h. grundsätzlich aller Kosten der Verwaltung, umfasst sind. Anderenfalls würde die Zweckbindung der Rücklage überdehnt. Erforderlich ist jedoch, dass mit der Änderung der Zweckbestimmung der Beschluss über die konkrete Verwendung der betroffenen Mittel gefasst wird, der ebenfalls unter die Beschlusskompetenz des § 21 Abs. 3 WEG fällt (vgl. OLG München NJW 2008, 1679; Bärmann, WEG, 11. Auflage 2010, § 21, Rn. 128, 131).
54Vorliegend ist auch kein Verstoß gegen § 10 Abs. 2 Ziff. 2c der Teilungserklärung gegeben, da die darin enthaltene Festlegung, dass die Instandhaltungsrücklage zur Vornahme späterer größerer Instandsetzungsarbeiten bestimmt sei, im Kern nicht berührt wird. Die Instandhaltungsrücklage wird durch den betreffenden Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer nicht in ihrem grundsätzlichen Bestand aufgehoben. Es wird lediglich ein Teil der auf sie entfallenden Gelder kurzfristig zur Deckung anderer Kosten freigestellt, quasi „entliehen“. Die Bestimmung der Rücklage soll dadurch nicht endgültig aufgehoben werden.
55Der Beschluss über die Verwendung eines Teils der Instandhaltungsrücklage entspricht auch im Konkreten den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
56Er ist hinreichend vorbereitet worden.
57Die für die Versammlung vom 04.10.2010 vorgesehene Beschlussfassung wurde durch die Verwalterin in der dem Einladungsschreiben vom 30.08.2010 beigefügten Tagesordnung hinreichend und ausführlich angekündigt. Die Tagesordnung muss erkennen lassen, was der Gegenstand der vorgesehenen Beschlussfassung ist, jedoch muss nicht jeder Beschlussgegenstand im Einzelnen erläutert und begründet werden. Grundsätzlich reicht eine schlagwortartige Bezeichnung des Beschlussgegenstands aus (vgl. Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 2. Auflage 2010, Rn. 799). Die Darstellung des Beschlussgegenstands zu TOP 4 geht über diese Anforderung weit hinaus, indem der Beschlussantrag bereits vorformuliert und zudem erläutert und kurz begründet wird. Ausweislich des Protokolls wurde den Eigentümern im Rahmen der Versammlung vor der Beschlussfassung weitere Informationen zu der Erforderlichkeit eines entsprechenden Beschlusses dargelegt und es wurden dabei insbesondere die wirtschaftlichen Erwägungen und im Hinblick auf die Zinsbelastung bei Überziehung des laufenden Kontos der konkrete Finanzierungsbedarf klargestellt. Die Ankündigung und Vorbereitung in Einladung und Versammlung ist demnach nicht zu beanstanden.
58Der Beschluss ist auch hinreichend bestimmt.
59Insbesondere wird den zur Abstimmung berufenen Wohnungseigentümern ausreichend deutlich gemacht, weshalb eine Verwendung eines Teils der Rücklagengelder zur Deckung anderer Kosten erfolgen soll. Die Verwendung der beschreibenden Begrifflichkeiten „Liquiditätsengpässe“ und „im Sinne ausreichender Liquidität“ ist bereits selbsterklärend. Gleichwohl wurde vor den Eigentümern ausweislich des Protokolls vor der Beschlussfassung unter Heranziehung von Beispielen erläutert, wodurch die betreffenden Liquiditätsengpässe der Wohnungseigentümergemeinschaft entstehen können. Jedenfalls durch diese Erläuterung wurde hinreichend bestimmt definiert, zu welchem Zweck die Gelder der Instandhaltungsrücklage kurzfristig verwendet werden sollen. Dadurch wurde für die Eigentümer die erforderliche Entscheidungsgrundlage geschaffen, um den beantragten Beschluss zu treffen oder nicht. Die Verwendung der Gelder lag damit nicht in freier Hand der Verwaltung, ein Verstoß gegen § 21 Abs. 3 WEG ist insoweit nicht ersichtlich.
60Entgegen der Auffassung des Klägers fehlt es dem Beschluss auch nicht an einer betragsmäßigen Beschränkung, der die Verwaltung zum Verbrauch der gesamten Rücklage ermächtigt. Der Beschlusstext weist ausdrücklich die Höchstgrenze der Entnahme mit 3/12 der jährlichen Wirtschaftsplansumme aus. Die Bezifferung in Bruchteilen ist dabei ausreichend, da es jedem Eigentümer unschwer möglich ist, daraus einen konkreten Betrag zu ermitteln. Dies gilt umso mehr, als die Plansumme vor der Beschlussfassung ausdrücklich zahlenmäßig mit 530.000,00 Euro benannt wurde. Auch das von der Rechtsprechung aufgestellte Erfordernis des Verbleibs einer „eisernen Reserve“ der in der Rücklage gebundenen Mittel, wird vorliegend nicht unterwandert (vgl. OLG München, aaO).
61Auch die zeitlichen Grenzen der buchhalterischen Entnahme von Geldern aus der Instandhaltungsrücklage werden vorliegend ausreichend gewahrt. Bereits aus dem Beschlusstext ergibt sich ausdrücklich, dass die Verwendung der betreffenden Gelder zur „Zwischenfinanzierung“ und damit lediglich zu einer vorübergehenden Zweckentfremdung bestimmt werden. Da jährlich über sowohl eine Gesamtabrechnung des abgelaufenen Jahres sowie ein Wirtschaftsplan für das folgende Jahr aufzustellen ist, ist die zeitliche Dimension der Liquiditätshilfe und damit die Belastung der Rücklage auf das laufende Wirtschaftsjahr begrenzt. Der vollständige – buchhalterische – Ausgleich der Entnahme erfolgt somit spätestens nach vollständiger Zahlungen der Hausgelder aller Wohnungseigentümer. Hingegen ist die Festlegung eines bestimmten unterjährigen Rückbuchungszeitpunkts weder erforderlich noch sinnvoll, da es die Eigentümergemeinschaft vor dieselbe Problematik fehlender Liquidität stellen könnte, wie vor der Beschlussfassung, sofern bis zu diesem Zeitpunkt die Wohngelder noch nicht vollständig (nach-)entrichtet sind.
62Auch lässt das Protokoll erkennen, dass die Wohnungseigentümer durch die Information der Verwaltung vor der Beschlussfassung ausreichend Gelegenheit hatten, bei der Abstimmung das Interesse der Liquiditätshilfe mit dem Interesse an dem vollständigen Erhalt der gesamten Instandhaltungsrücklage gegeneinander abzuwägen, indem Ihnen die Konsequenzen der fehlenden Liquidität durch die Belastung mit hohen Bankzinsen durch die Verwaltung dargelegt wurde. Es entspricht geradezu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, den Wohnungseigentümern die Beschlussfassung zur unterjährigen Verwendung eines untergeordneten Teils der auf die Rücklage entfallenden Gelder anzutragen, um diesen die Möglichkeit zu geben, die Gemeinschaft vor drohenden Kosten – wie hier die auf Bankkredite erhobenen Sollzinsen – zu bewahren. Dass die hier freigegebenen Beträge unterjährig zur Instandhaltung aktuell zwingend erforderlich gewesen wären und den Eigentümern mit der Freigabe deshalb ein Nachteil entstanden wäre, wird von dem Kläger weder vorgetragen noch ist dies anderweitig ersichtlich.
632.
64Auch die unter TOP 13 gefassten Beschlüsse entsprechen ordnungsgemäßer Verwaltung.
65Zunächst besteht keine relevante inhaltliche Abweichung der Beschlussfassung von dem Inhalt der Ankündigung im Einladungsschreiben. Bereits in der Einladung wird auf die schriftliche Stellungnahme des Fachingenieurs X2 vom 11.03.2010 Bezug genommen, die dem Schreiben und der Tagesordnung auch beigefügt war. Dadurch wurden die Wohnungseigentümer bereits vorab über die Gründe, die Art und den Umfang der der Beschlussfassung zugrunde liegenden Brandschutzmaßnahmen informiert. Im Rahmen der Versammlung wurde ausweislich des Protokolls ausdrücklich nochmals auf die Ausführungen des Sachverständigen Bezug genommen. Im Hinblick auf die entstehenden Kosten erstreckt sich die Abweichung der genannten Zahlen in Einladung und Versammlung lediglich auf eine Reduzierung der Kosten, so dass den Eigentümern allein aus der Abweichung kein Nachteil entstanden ist, indem diese etwa in der laufenden Versammlung vor unvorhergesehen Kosten überrascht worden wären. Überdies hätte – insoweit wird auf obige Ausführungen Bezug genommen – in der Ankündigung der Tagesordnung die schlagwortartige Bezeichnung des Beschlussgegenstands ebenfalls genügt.
66Auch ist nicht zu beanstanden, die Wohnungseigentümer hätten über das den Maßnahmen zugrundeliegende Brandschutzkonzept keine hinreichende Kenntnis gehabt. Unabhängig davon, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft bereits in der Vorjahren mit der Brandschutzsanierung befasst war und 2007 ausdrücklich die Auftrag zur Hinzuziehung eines Sachverständigen beschlossen hat, ergibt sich das Brandschutzkonzept zwanglos aus dem allen Wohnungseigentümern form- und fristgemäß im Sinne des § 24 Abs. 4 WEG zugegangenen Schriftsatz des Fachingenieurs X2, das die Konzeptionierung ausdrücklich, verständlich und ausführlich darlegt. Die fachliche Stellungnahme ist somit Ausfluss und Ergebnis vorangegangener Beschlussfassung, die auf der mit dem ursprünglichen Schreiben des Bauordnungsamts der Stadt Erftstadt vom 19.05.2005 geforderten Auflage beruht. Im Beschlusstext ist daher hinreichend auf die ursprüngliche Veranlassung und auf den Bedarf Bezug genommen.
67Weiter stellt der beauftragte Fachingenieur X2 im Rahmen seiner Stellungnahme alle erforderlichen Maßnahmen unter Erläuterung der aktuellen brandschutztechnischen Situation im Haus ausdrücklich mit der Beschreibung der erforderlichen Arbeiten und den Vor- und Nachteilen unterschiedlicher Abluftanlangen dar (siehe z. B. S. 14 des Schreibens). Neben der Verwendung von Schaubildern verwendet der Sachverständige auch unterschiedliche Schriftfarben, was den – fachlich womöglich nicht bewanderten – Eigentümern das Verständnis erleichtert. Der Auffassung des Klägers, die Wohnungseigentümer seien vor Beschlussfassung über die konkreten Maßnahmen nicht hinreichend informiert worden, kann daher nicht gefolgt werden. Die dem Instandhaltungsbedarf entsprechenden Maßnahmen müssen hingegen nicht sämtlich wörtlich in den Beschlusstext aufgenommen werden, die Bezugnahme ist ausreichend.
68Auch die anfallenden Kosten der Sanierung wurden den Eigentümern vorab hinreichend und verständlich dargelegt und diese kommt auch in dem Beschlusstext ausreichend zum Ausdruck. Gerade die von dem Kläger beanstandete Abweichung der Zahlen in Einladung und Versammlung schadet der Wirksamkeit der Beschlussfassung nicht, da sich anhand der Aufsplittung der Gesamtkosten in Los 1 bis 3 und den im Protokoll ausdrücklich festgehaltenen Erläuterungen der Verwaltung zwanglos ergibt, dass die Reduzierung des auf die Eigentümer zukommenden Gesamtbetrags in der zwischenzeitlich erreichten Einsparung der Kosten für neue Dachlüfter in Höhe von 85.000,00 Euro begründet ist. Aus der im Protokoll festgehaltenen Erläuterung ergibt sich auch die von dem Kläger vermisste Berechnung.
69Die Verwaltung hat auch ordnungsgemäß ausreichende Angebote zur Durchführung der Sanierungsmaßnahmen eingeholt und den Wohnungseigentümer vor und während der Versammlung angemessen Gelegenheit gegeben, die entsprechenden Unterlagen der acht Angebote im Versammlungsraum einzusehen.
70Die Versendung sämtlicher Unterlagen zusammen mit der Einladung war nicht erforderlich, da diese den Eigentümern zwar die notwendigen Informationen und damit die Entscheidungsgrundlage geben soll, ob sie an der Versammlung und der Abstimmung teilnehmen und sich dahingehend ausreichend vorbereiten wollen (vgl. Greiner, aaO, Rn. 798). Es ist jedoch nicht Aufgabe der Einladung und Aufstellung der Tagesordnung die Eigentümerversammlung gleichsam „vorwegzunehmen“ und den nicht teilnehmenden Wohnungseigentümer dennoch über alle Eventualitäten der Versammlung in Kenntnis zu setzen. Die Einflussnahme und das Gestaltungsrecht des einzelnen Wohnungseigentümers in der Gemeinschaft liegt in seiner Teilnahme und der Abstimmung in der Versammlung.
71Der beweisbelastete Kläger hat die tatsächliche Auslage der Angebotsunterlagen im Versammlungsraum bestritten, ohne Beweis anzubieten, weshalb eine Beweisaufnahme dazu nicht erforderlich war.
72Ebenso wenig erfolgte seitens des Klägers ein Beweisangebot zur Frage der fehlenden Geeignetheit und Angemessenheit der geplanten Sanierungsmaßnahmen, die der Kläger ausdrücklich daraus herleitet, dass die Maßnahmen und deren Erforderlichkeit den Wohnungseigentümern nicht hinreichend dargelegt wurden. Da Letzteres – wie ausgeführt – nicht der Fall ist und der Kläger überdies auch insoweit kein Beweisangebot gemacht hat, war über diesen Punkt ebenfalls kein Beweis zu erheben.
73Die Sonderumlagenberechnung ist nicht zu beanstanden. Dem Protokoll ist ausdrücklich die Erläuterung der Zusammensetzung (28,10 Euro je 10.0000,00 MEA) zu entnehmen, auf die auch im Beschlusstext ausdrücklich Bezug genommen wurde. Die jeweiligen Einzelabrechnungen sind eindeutig und verständlich.
74Die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 28.03.2010, eingegangen am selben Tage, waren, soweit sie tatsächlichen Vortrag enthalten, bei der Urteilsfindung gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Die mündliche Verhandlung war bereits in der Sitzung vom 14.03.2010 geschlossen worden. Einen zweiwöchigen Schriftsatznachlass wurde auf Antrag nur den Beklagten gewährt.
75II.
76Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
77Der Streitwert wird auf 15.074,77 Euro festgesetzt.
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Referenzen
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