Urteil vom Amtsgericht Düsseldorf - 31 C 50236/94
Tenor
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 15. April 1994
durch den Richter am Amtsgericht X
für R e c h t erkannt:
1.
Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung
Aufgegeben, das vom Verfügungskläger bei der Verfügungsbeklagten
Bestehende Girokonto-Nr. XXXX weiterzuführen.
2.
Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
1
T a t b e s t a n d u n d E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
2Der Verfügungskläger unterhält seit 1984 das im Urteilstenor zu Ziff. 1 näher bezeichnete Girokonto bei der Verfügungsbeklagten, auf das auch die Arbeitslosenhilfe des Arbeitsamts X zugunsten des Verfügungsklägers fließt. Mit Schreiben vom 31.03.1994 hat die Verfügungsbeklagte die Kündigung zum 08.04.1994 aufgrund der Nr. 26 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgesprochen und hierzu angeführt, dass die Kündigung aufgrund einer Pfändung und eines Zahlungsverbotes erfolge. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass gegen den Verfügungskläger in 7/91 ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergangen ist, der aber erledigt ist. Gegen den Verfügungskläger ist ein weiterer Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 01.10.1992 über 1.100,-- DM ergangen, der in Raten bedient wird und ein weiterer vom 31.03.1994 über 8.413,-- DM sowie ein Zahlungsverbot vom 31.03.1994 über 1.845,-- DM, bzgl. dessen nach Vorankündigung ebenfalls ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss drohe. Im Jahr 1989 lagen zwei Haftbefehle und eine eidesstattliche Versicherung gegen den Verfügungskläger vor, ebenfalls eine eidesstattliche Versicherung im Juli 1991.
3Der Verfügungskläger vertritt die Auffassung, dass trotz dieser Umstände die Verfügungsbeklagte nicht berechtigt gewesen sei, die Kontoverbindung aufzukündigen. Die Berücksichtigung seiner, des Verfügungsklägers, Interessen an der Aufrechterhaltung eines Girokontos, um am allgemeinen Zahlungsverkehr teilnehmen zu könne, erfordere eine Aufrechterhaltung der Kontoverbindung.
4Er beantragt daher im Wege der einstweiligen Verfügung:
51.
6Der Antragsgegnerin wird untersagt, die zugunsten des Antragstellers
7bei der Antragsgegnerin bestehende Kontoverbindung, Girokonto-Nr.
8XXXX zu kündigen.
92.
10Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen
11dieses gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahme
12Ordnungsgeld bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis
13zu 6 Monaten angedroht.
14Die Verfügungsbeklagte beantragt,
15den Antrag zurückzuweisen.
16Sie wendet insbesondere ein, dass sie nach § 55 Sozialgesetzbuch verpflichtet sei, die Sozialleistungen, die der Verfügungskläger über das Konto erhält, sieben Tage bereitzuhalten für diesen und dann erst die Gläubiger zu bedienen. Wenn dabei ein Fehler passiere, hafte sie den Gläubigern. Bei der Finanzlage des Verfügungsklägers werde eine Besserung der Verhältnisse in absehbarer Zeit nicht eintreten, so dass eine Fortsetzung des Geschäftsverhältnisses mit diesem Arbeitsaufwand und Risiko nicht zumutbar sei.
17Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt verwiesen.
18Die beantragte einstweilige Verfügung war, in der aus dem Urteilstenor zu Ziff. 1 ersichtlichen Form nach §§ 940 ZPO, 611 ff., 675 BGB zu erlassen.
19Die Verfügungsbeklagte war weder berechtigt, den mit dem Kläger bestehenden Dienstvertrag außerordentlich noch ordentlich zu kündigen.
20Die außerordentliche Kündigung wäre nach Nr. 26 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verfügungsbeklagten nur aus wichtigem Grunde zulässig. Für die Verfügungsbeklagte soll ein solcher Kündigungsgrund "insbesondere gegebenen (sein), wenn aufgrund der nachfolgende beispielhaft aufgeführten Umstände die Einhaltung der Zahlungsverpflichtungen des Kunden oder die Durchsetzbarkeit der Ansprüche der Sparkasse gefährdet wird". Unter den Beispielsfällen ist dann unter Buchstabe d) aufgeführt: "Wenn gegen den Kunden eine Zwangsvollsteckung eingeleitet wird." Diese Voraussetzungen hat die Verfügungsbeklagte bereits nicht vorgetragen, denn auch ihrem Vortrag ergibt sich nicht, dass die Einhaltung der Zahlungsverpflichtungen des Verfügungsklägers oder die Durchsetzbarkeit der Ansprüche der Verfügungsbeklagten gegenüber dem Verfügungskläger gefährdet ist. Die Verfügungsbeklagte hat insbesondere nicht vorgetragen, dass das Konto durch den Verfügungskläger stets nur im Soll geführt wird und dass sie ihre Gebühren vom Verfügungskläger nicht erhält. Auf die Einleitung von Zwangsvollsteckungsmaßnahmen gegen den Verfügungskläger als Grund für eine Kündigung aus wichtigem Grunde kann sich die Verfügungsbeklagte daher nicht berufen. Die Tatsache, dass der Verfügungskläger der Verfügungsbeklagten wegen der gegen den Verfügungskläger vorliegenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse möglicherweise "viel Arbeit macht" und dass die Bank, sollte ihr bei der Bedienung der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ein Fehler unterlaufen, hierfür möglicherweise haftet, begründet auch keinen Kündigungsgrund aus wichtigem Grunde. Insbesondere auch unter Berücksichtigung der Belange des Verfügungsklägers, der wie jedermann ein Girokonto benötigt, kann der von der Bank vorgetragene Umstand eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grunde nicht rechtfertigen. Es wird immer Kunden geben, die mehr Arbeit verursachen als die übrigen, dies alleine berechtigt aber noch nicht die Bank zur Aufkündigung der Geschäftsbeziehung. Die Bedienung von ein oder auch mehreren Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen ist insbesondere unter Berücksichtigung des Interesses des Verfügungsklägers an der Aufrechterhaltung seines Girokontos nicht als unzumutbar für die Verfügungsbeklagte anzusehen. Auch sonstige Daueraufträge etc. werden von den Banken mit erheblichem Arbeitsaufwand ausgeführt. Auch bei solchen Aufträgen sind die Bearbeitungsdaten mit den dabei verbundenen Risiken zu beachten. Bei der Interessenabwägung ist auch § 8 der Sparkassenverordnung für Nordrhein-Westfalen zu beachten, wonach die Sparkassen grundsätzlich verpflichtet sind, für natürliche Personen Girokonten zu führen. Auch wenn in Absatz 2 des § 8 u.a. ausgeführt ist, dass diese Verpflichtung dann nicht besteht, wenn "aus anderen wichtigen Gründen die Aufnahme der Geschäftsbeziehung der Sparkasse im Einzelfall nicht zumutbar ist", ist doch zugunsten des Verfügungsklägers zu berücksichtigen, dass eben generell eine Verpflichtung zur Einrichtung von Girokonten gegeben ist, die die Geschäftsbanken nicht auferlegt bekommen haben. Dies bedeutet, dass das Interesse des Bankkunden im besonderen Maße zu berücksichtigen ist. Wenn die Bank dann nur verstärkten Arbeitsanfall und ein gewisses Risiko wegen eventueller Fehlerträchtigkeit der Bearbeitungsvorgänge gerade des vorliegenden Girokontos anführt, so können diese Gründe nicht so gewichtig sein, dass dem Verfügungskläger sein Anspruch auf Führung eines Girokontos dadurch genommen werden könnte.
21Danach erscheint eine fristlose Kündigung nicht zulässig.
22Aber auch eine ordentliche Kündigung , in die die Kündigung vom 31.03.1994 umgedeutet werden könnte, ist nicht zulässig.
23Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verfügungsbeklagten (Nr. 26 Abs. 1) hat die Verfügungsbeklagte bei einer von ihr ausgesprochenen Kündigung den berechtigten Belangen des Kunden angemessene Rechnung zu tragen. Auch insofern ist daher eine Interessenabwägung zwischen den Parteien zu treffen, wenn auch diese, weil es sich um eine ordentliche Kündigung handelt, grundsätzlich anderen Charakter tragen muss, als die Interessenabwägung bei einer Kündigung aus wichtigem Grunde. Im Ergebnis ist das Gericht jedoch der Auffassung, dass auch die im Rahmen der ordentlichen Kündigung gebotene Interessenabwägung aus den dargelegten Gründen zu keinem anderen Ergebnis führen kann als die Interessenabwägung, die das Gericht im Rahmen der außerordentlichen Kündigung vorgenommen hat. Auch insofern wiegt das Interesse das Verfügungsklägers an der Aufrechterhaltung der Kontoverbindung schwerer als das Interesse der Verfügungsbeklagten an deren Beendigung. Darüber hinaus müsste die Beklagte sich auch insofern wiederum § 8 der Sparkassenverordnung für Nordrhein-Westfalen entgegenhalten lassen. Danach müsste sie nämlich gleich wieder eine neue Kontoverbindung einrichten, denn die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2, unter denen sie deren Einrichtung ablehnen könnte, sind nicht gegeben. Weder ist vorgetragen, dass der Verfügungskläger Dienstleistungen bei Kreditinstituten missbraucht hat, dass das Konto ein Jahr umsatzlos geführt wurde, noch dass das Konto kein Guthaben aufweist und der Kontoinhaber trotz Aufforderung nicht für Guthaben sorgt. Dass ein sonstiger wichtiger Grund, der die Verfügungsbeklagte berechtigen könnte, die Aufnahme der Geschäftsbeziehung zu verweigern, nicht vorliegt, hat das Gericht bereits bei den Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung verneint. Dies bedeutet, dass die Verfügungsbeklagte rechtsmissbräuchlich handeln würde, wenn sie die Geschäftsverbindung mit Hilfe des ordentlichen Kündigungsrechtes beendet würde, weil sie sie sogleich wieder aufnehmen müsste.
24Der Verfügungskläger hat daher grundsätzlich einen Anspruch auf Fortführung des Girokontos.
25Auch der Verfügungsgrund des § 940 ZPO ist gegeben, denn es liegt auf der Hand, dass der Verfügungskläger, wenn er auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung klagen müsste, in der Zwischenzeit durch die Nichtfortführung des Kontos erhebliche Nachteile erleiden würde, die bereits darin bestehen, dass er seine Arbeitslosenhilfe, auf die er dringend angewiesen ist, zumindest zunächst nicht abheben könnte. Dass er noch ein weiteres Konto unterhält hat die Beklagte nicht glaubhaft gemacht.
26Dem Antrag des Verfügungsklägers war daher grundsätzlich zu entsprechen, jedoch nur in dem aus dem Urteilstenor zu Ziff. 1. näher ersichtlichen Umfange.
27Soweit der Verfügungskläger beantragt hat, der Verfügungsbeklagten die Kündigung zu untersagen, so besteht hierauf kein Anspruch. Niemand kann seinem Geschäftspartner verwehren, die Geschäftsverbindung aufzukündigen. Ob diese Aufkündigung rechtens war, ist gegebenenfalls im Wege einer Leistungs- oder Feststellungsklage zu klären. Bis dies geschehen ist, kann eine einstweilig Verfügung nur in der Weise zulässig sein, dass die Geschäftsverbindung trotz der ausgesprochenen Kündigung bis auf weiteres fortzuführen ist. Dem entspricht der Urteilstenor zu Ziff. 1.
28Auch die Androhung eines Ordnungsgeldes war nicht zulässig, denn auf die begehrte Handlung findet § 890 ZPO keine Anwendung (vgl. Zöller ZPO, 16. Auflage, § 890 Rand-Ziff. 3). Vielmehr liegt ein Fall des § 888 ZPO vor, nämlich das Verlangen einer nicht vertretbaren Handlung. Die Zwangsvollstreckung wird insofern betrieben durch Zwangsgeld oder Zwangshaft, wobei eine Androhung im Urteil unterbleiben kann (vgl. Zöller, a.a.O. § 888 Rand-Ziff. 12).
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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