Urteil vom Amtsgericht Düsseldorf - 20 C 12.214/96
Tenor
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 1996
durch den Richter X
für R e c h t erkannt:
Unter Abweisung der Klage im übrigen wird die Beklagte dazu verurteilt, an die
Klägerin DM 761,20 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 66 % und die Beklagte zu 33 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
DM 500,-- abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollsteckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
DM 1.500,-- abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer
im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ansässigen großen Bank oder
öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin erwarb am 02.03.1996 das von der Beklagten hergestellte Blondier-Gel X zu einem Preis von DM 15,49.
3Da sie das betreffende Blondier-Gel bereits zuvor dreimal problemlos angewendet hatte, färbte die Klägerin am 03.03.1996 hiermit ihre Haare nach einer von der Beklagten als 3. Anwendungsvariante beschriebenen Vorgehensweise.
4Diese Anwendungsvariante wird in der betreffenden Gebrauchsanweisung wie folgt beschrieben:
5Nachbehandlung:
6Sie haben "XX" bereits verwendet. Ihr Haar wächst im Monat ungefähr
71 cm. Deswegen ist es notwendig, ca. alle 4 Wochen den nachwachsenden Haaransatz nachzubehandeln.
8-Ziehen Sie die Handschuhe an.
9-Tragen Sie die Mischung mit Hilfe der Auftrageflasche nur auf dem nachwachsenden Haaransatz Strähne für Strähne auf. Verwenden Sie dabei den gesamten Inhalt der Mischung.
10- Lassen Sie die Mischung 40 Minuten einwirken.
11- Feuchten Sie die Längen und Spitzen Ihres Haares an.
12- Verteilen Sie nun die Mischung im gesamten Haar und massieren Sie sie sorgfältig
13durch. Kämmen Sie die Haare mit einem Kamm durch, damit sich XX
14im ganzen Haar verteilt.
15- Lassen Sie die Mischung nochmal 5 Minuten einwirken.
16- Sorgfältig ausspülen. Den Schaum, der Intensiv-Pflege-Spülung auf das Haar geben,
17aufschäumen und gründlich ausspülen."
18Nachdem die Klägerin das Blondier-Gel entsprechend der Gebrauchsanweisung in ihrem gesamten Haar verteilt hatte, verspürte sie nach etwa 3-4 Minuten ein Brennen auf ihrer Kopfhaut. Sie spülte daraufhin das Produkt vorzeitig aus, bemerkte hierbei aber, dass ihre Haare büschelweise ausfielen.
19Daraufhin ließ die Klägerin ihre Haare durch eine befreundete Friseuse für DM 50,-- mit einem Kurmittel behandeln. Allerdings waren die Haarspitzen derart gebrochen, dass sie in einem Abstand von 1 Monat zweimal um 5 cm geschnitten werden mussten.
20Zur Frage, welche Schäden das von der Beklagten produzierte Blondier-Gel an ihrem Haar verursacht habe und welche Aufwendungen dazu erforderlich seien, um einen gesunden Zustand der Haare wiederherzustellen, beantragte die Klägerin unter dem Aktenzeichen 37 H 50.259/96 vor dem Amtsgericht Düsseldorf die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens. Auf den Inhalt des daraufhin vom Friseurmeister X unter dem 10.07.1996 verfassten Sachverständigengutachtens wird Bezug genommen.
21Die Klägerin behauptet, sie habe vor dem 03.03.1996 gesundes Haar gehabt. Ihre Haare seien deshalb durch das Blondier-Gel geschädigt worden, weil in der betreffenden Gebrauchsanweisung nicht hinreichend beschrieben werde, in welchem Umfang das Haar bei einer Anwendung angefeuchtet werden müsse.
22Um ihr Haar wieder in einen gesunden Zustand zu versetzen, müsse es in einem Zeitraum von 5-6 Monaten wöchentlich mit Kurshampoos und Haarkuren behandelt werden. Hiermit sei ein Kostenaufwand von DM 211,20 verbunden.
23Da sie etwa 1,5 Jahre benötige, bis ihr zuvor unstreitig 25-30 cm langes Haar wieder auf eine entsprechende Länge angewachsen sei, ist die Klägerin der Auffassung , dass die Beklagte ihr ein Schmerzensgeld von wenigstens DM 2.000,-- schulde. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass ihr Haar noch am 05.07.1996 deshalb schwer frisierbar gewesen sei, dass es in halber Länge Poren und Bruchstellen aufgewiesen habe.
24Die Klägerin beantragt,
25die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 276,69 zu zahlen;
26die Beklagte zu verurteilen, an sie ein Schmerzensgeld von wenigstens
27DM 2.000,-- zu zahlen.
28Die Beklagte beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Die Beklage ist der Ansicht, ihre Gebrauchsanweisung sei für die Klägerin hinreichend verständlich gewesen. Hierauf deute die Tatsache hin, dass die Klägerin das Blondier-Gel bereits dreimal zuvor problemlos angewendet gehabt habe.
31Auch sei nicht auszuschließen, dass Schäden am Haar durch Umwelteinflüsse hervorgerufen würden.
32Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
33Die Akte 37 H 50.259/96 des Amtsgerichts Düsseldorf wurde dem Rechtsstreit beigezogen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
35Die Klage ist teilweise begründet.
36Die Klägerin kann von der Beklagten nach §§ 1, 3 Abs. 1 lit. a 8 ProduktHG Kostenersatz in Höhe von DM 261,20 zur Nachbehandlung ihrer Haare verlangen.
37Hierbei geht das Gericht davon aus, dass das von der Beklagten produzierte Blondier-Gel in seiner Darbietung deshalb fehlerhaft im Sinne von § 3 Abs. 1 lit. a ProduktHG ist, weil in der betreffenden Gebrauchsanweisung weder beschrieben wird, in welchem Umfang das Haar bei einer entsprechenden Anwendung angefeuchtet werden muss, noch auf eventuelle Gefahren bei Verwendung des Blondier-Gels in einem nicht hinreichend angefeuchteten Haar hingewiesen wird.
38Im Rahmen der Produkthaftung obliegt es in diesem Zusammenhang dem jeweiligen Produzenten, auf eine korrekte Handhabung und auf bestimmte Gefahren, welche bei der Anwendung des Produktes entstehen könne, hinzuweisen (vgl. BGH NJW 1975, 1827).
39Diese Hinweispflicht bezieht sich auf alle Gefahren, bei denen ein zwar nicht dringender, aber ernstzunehmender Verdacht besteht, dass durch das angebotene Produkt Gesundheitsschäden hervorgerufen werden können (vg. BGHZ 106, 273).
40Diesen Anforderungen wird die Gebrauchsanweisung für das von der Beklagten produzierte Blondier-Gel deshalb nicht gerecht, weil dem Kunden hierin einerseits nicht beschrieben wird, wie intensiv er sein Haar bei einer Anwendung anzufeuchten hat. Darüber hinaus enthält die Gebrauchsanweisung keinen Hinweis, dass durch das Blondier-Gel bei nicht hinreichend angefeuchtetem Haar Schäden hervorgerufen werden können.
41In diesem Zusammenhang ist nach dem Gutachten des Sachverständigen X davon auszugehen, dass sich die zuvor beschriebenen Mängel in der Gebrauchsanweisung ursächlich auf die Strukturschäden am Haar der Klägerin ausgewirkt haben. Der Sachverständige stellte nämlich fest, dass das betreffende Haar in den Spitzen und Schlängen dadurch geschädigt worden ist, dass es nicht hinreichend angefeuchtet wurde und von daher das Blondier-Gel zu intensiv auf das Haar eingewirkt hat.
42Soweit die Beklagte in dieser Hinsicht problematisiert, dass das Haar der Klägerin schon zuvor beansprucht gewesen sei, hat dies auf ihre Haftung deshalb keinen Einfluss, weil der Sachverständige X einen solchen Umstand bei der Begutachtung mit dem Hinweis, erfahrungsgemäß seien Haare bei einer Länge von 25-30 cm strukturell vorbelastet, bereits berücksichtigt hat.
43Da durch Umwelteinflüsse oder infolge seiner Länge bereits vorbeanspruchtes Haar ein durchaus nicht seltenes Phänomen darstellt, hätte die Beklagte unter Produkthaftungsgesichtspunkten im übrigen auch auf eventuelle Gefahren bei der Anwendung ihres Blondier-Gels in einem solchen Fall hinweisen müssen.
44Nach § 8 ProduktHG schuldet die Beklagte der Klägerin daher Ersatz für die Kosten, welche erforderlich sind, um deren Haar in einen gesunden Zustand zurückzuversetzen. Diese hat der Sachverständige X mit DM 211,20 veranschlagt. In diesem Zusammenhang sind auch die DM 50,-- zu berücksichtigen, welche die Klägerin zur Behandlung ihrer Haare mit einem Kurmittel unmittelbar nach Schadenseintritt bezahlen musste.
45Für den durch ihr Produkt am Haar der Klägerin hervorgerufenen Schaden schuldet die Beklagte darüber hinaus nach §§ 823 Abs. 1, 847 BGB Schmerzensgeld, wobei zur grundsätzlichen Haftung das zuvor im Zusammenhang mit §§ 1, 3 Abs. 1 lit. a, 8 ProduktHG Gesagte entsprechend gilt.
46Hierbei hat ein Schmerzensgeld gemäß § 847 BGB rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet für das, was er ihm angetan hat (vgl. BGH VersR 1955, 1615). Dabei steht der Ausgleichsgedanke im Vordergrund, d. h. der für einen Ausgleich erforderliche Geldbetrag hängt in erster Linie von der Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen des Verletzten, mithin vom Ausmaß der Lebensbeeinträchtigung ab (vgl. BGHZ 7, 223).
47Hiernach erscheint ein Schmerzensgeld in Höhe von DM 500,-- als ausreichend, um die bei der Klägerin durch eine fehlerhaft angeleitete Handhabung des Blondier-Gels hervorgerufenen Beeinträchtigungen abzugelten.
48Bei den Schäden an den Längen und Spitzen ihres Haares handelt es sich nämlich keineswegs um eine dauernde Beeinträchtigung. Vielmehr ist die Klägerin hierdurch lediglich in ihrer persönlichen Lebensführung dadurch eingeschränkt, dass sie zeitweise ihr Haar nicht in der gewünschten Länge tragen kann. Aus diesem Umstand hervorgehende optische Verunstaltungen gehen aus den Darlegungen der Klägerin nicht hervor. Davon abgesehen bestehen auch bei Haaren, welche wie bei der Klägerin auf eine Länge von etwa 20 cm zurückgeschnitten worden sind, zahlreiche, überaus attraktiver Variationsmöglichkeiten.
49Die Kosten schließlich, welche ihr mit dem Erwerb des Blondier-Gels entstanden sind, kann die Klägerin weder nach §§ 1, 3, 8 ProduktHG noch nach § 823 BGB von der Beklagten ersetzt verlangen. Nach den zuvor genannten gesetzlichen Bestimmungen steht der Klägerin lediglich ein Anspruch auf Naturalrestitution, d.h. Wiederherstellung des vor dem schädigenden Ereignisses bestehenden Zustandes, zu. Hiervon werden die Kosten für eine im Sinne von § 3 ProduktHG fehlerhaften Verkaufsartikel nicht erfasst.
50Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
51Streitwert: DM 2.276,69.
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