Urteil vom Amtsgericht Düsseldorf - 25 C 10350/03
Tenor
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 03.12.2003
durch den Richter am Amtsgericht X
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvoll-streckung durch die Beklagte gegen Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht diese zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt die Räumung der von der Beklagten bewohnten, im Klageantrag näher bezeichneten Wohnung.
3Die Klägerin ist eine gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft in der die Beklagte nicht Mitglied ist.
4Die Klägerin hatte der Beklagten aufgrund einer "Vereinbarung über die Überlassung von Räumen zum vorübergehenden Gebrauch" vom 10.08.1990 (Bl. 13 f. d.A.) die im Antrag näher bezeichnete Wohnung überlassen, die zu einem Häuserblock von mehreren Gebäuden der Klägerin mit insgesamt 51 Wohnungen gehört. Ausweislich der Vereinbarung plante die Klägerin Umbauarbeiten, die eine Vermietung "auf Dauer unmöglich machen". Die Parteien seien sich einig, dass im Hinblick darauf die Überlassung voraussichtlich nur bis zum 31.12.1990 erfolge, die Wohnung jedenfalls auf Abruf, spätestens nach 3 Monaten zu räumen sei. Ferner war eine Pflicht des Nutzers zur Vornahme von Schönheitsreparaturen alle 5 Jahre vereinbart. Die "Nutzungsentschädigung beträgt nach unwidersprochener Angabe der Klägerin derzeit monatlich 130,79 EUR netto.
5Mit Schreiben vom 02.05.1995 (Bl. 20 d.A.) kündigte die Klägerin den Vertrag "mit einer Dauer von höchstens fünf Jahren" und bot gleichwohl eine Verlängerung an bis über den Beginn der Sanierungsarbeiten entschieden sei; ein "Vertragsverhältnis mit Kündigungsschutz" entstehe hierdurch nicht. Die Beklagte stimmte dem zu.
6Mit Schreiben vom 21.11.2002 (Bl. 22 d.A.) erklärte die Klägerin die Kündigung zum 31.03.2003 unter Hinweis auf den geplanten Abriss der sanierungsbedürftigen Häuser mit Neuerrichtung von Wohnungen für Genossenschaftsmitglieder. Mit Schreiben des Mietervereins vom 18.12.2002 (Bl. 24 d.A.) wies die Beklagte auf die nach ihrer Ansicht bestehende Kündigungsfrist von 9 Monaten hin. Mit Anwaltsschreiben vom 27.02.2003 (Bl. 28 ff. d.A.) erklärte die Klägerin erneut die Kündigung zum "31.09.2003" unter Berufung auf §§ 573 Abs. 1 S.1 i.V.m. Abs. 2 Ziff. 3 BGB. Sie begründete dies mit der Absicht wirtschaftlicher Verwertung durch Errichtung von Seniorenwohnungen für ihre Mitglieder. Sie ging dabei auf Einzelheiten des Zustandes der Baussubstanz und die beabsichtigte Nutzung ein und erklärte u.a.: "Die Maßnahme ist mit allen Ämtern der Stadt X abgestimmt. Die zuständige Bezirksvertretung hat zugestimmt".
7Tatsächlich lag zu diesem Zeitpunkt lediglich eine "In-Aussicht-Stellung" einer Zweckentfremdungsgenehmigung gem. Bescheid vom 10.01.2003 des Amts für Wohnungswesen vor (Bl. 66 d.A.), in der es heißt, dass die endgültige Genehmigung umgehend erteilt werde, wenn alle noch genutzten Wohnungen geräumt seien.
8Mit Bescheid vom 23.10.2003 (Bl. 93 d.A.) erteilte die Behörde sodann eine Zweckentfremdungsgenehmigung unter der Auflage Ersatzraum entsprechend dem anerkannten Angebot der Klägerin zu schaffen. Die nunmehrige Genehmigung ist auf 6 Monate mit Verlängerungsmöglichkeit befristet und "auflösend" bedingt durch vollständige Räumung aller Wohnungen. Mit Bescheid vom 29.10.2003 wurde auch die baurechtliche Abrissgenehmigung erteilt.
9Der vorgenannten Kündigung widersprach die Beklagte mit Schreiben vom 23.07.03 (Bl. 58).
10Die Klägerin meint aufgrund der Nutzungsvereinbarung bedürfe es schon keiner ordentlichen Kündigung bzw. sei die Kündigung vom 22.11.02 zum 31.03.2003 bereits wirksam gewesen. Jedenfalls sei die Kündigung vom 27.02.2003 in formeller und materieller Hinsicht wirksam. Sie meint insoweit (im Termin vorgetragen aber nicht protokolliert), einer Zweckentfremdungsgenehmigung habe es nicht bedurft, da der geplante Abriss nur zum Zwecke der Neuerrichtung von Wohnraum erfolge. Jedenfalls sei das Vorliegen einer Zweckentfremdungsgenehmigung keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung, da die entsprechende Rechtsprechung nicht für den geltend gemachten Kündigungsgrund einschlägig sei und es ausreichend sei, dass zum Schluss der mündlichen Verhandlung die Genehmigung vorliege. Im Übrigen sei ein ausreichender Hinweis im Kündigungsschreiben erfolgt.
11Sie habe ferner ein berechtigtes Interesse an der Kündigung, da sie -insoweit unstreitig- altengerechten Wohnraum für eine große Anzahl ihrer Mitglieder benötige. Es sei nicht wirtschaftlich die vorhandene stark sanierungsbedürftige Baussubstanz und die größtenteils bereits geräumten Wohnungen des Häuserblocks zu erhalten bzw. lediglich umzubauen, vielmehr sei ein Abriss erforderlich.
12Jedenfalls sei es seitens der Beklagten treuwidrig, im Hinblick auf die von Anfang an bekannte Sanierungsabsicht und trotz einer Vielzahl angebotener Ersatzwohnungen, der Kündigung zu widersprechen.
13Sie beantragt,
14die im Hause der Klägerin X, in der I. Etage rechts gelegenen Räume, 2 Zimmer, Wohnküche, WC, Diele, Wandschrank, Balkon und Kellerraum zu räumen und an die Klägerin heraus zu geben,
15hilfsweise die Räume zum 30.09.2003 zu räumen und heraus zu geben,
16hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie hält die Kündigungen schon aufgrund fehlender Zweckentfremdungsgenehmigung und entsprechenden Hinweises auf deren Vorliegen in den Kündigungen für unwirksam.
20Auf die - im Ausmaß bestrittene- Sanierungsbedürftigkeit könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie diesen Zustand aufgrund mangelnder Instandhaltung selbst hervorgerufen habe.
21Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die zulässige Klage ist unbegründet.
24I.
25Die Klägerin kann weder jetzt, noch "zum nächstmöglichen Termin" Räumung der streitgegenständlichen Wohnung gem. § 546 BGB (§§-Angaben beziehen sich nachfolgend auf das seit dem 01.09.2001 geltende Recht, soweit nicht anders mit "a.F." gekennzeichnet) verlangen, weil bislang keine wirksame Kündigung ausgesprochen wurde.
261.
27Die Klägerin kann sich nicht auf etwaige Sonderregelungen über eine Beendigung des Miet(bzw. Nutzungs-)verhältnisses gem. der Vereinbarung vom 10.08.1990 nebst Verlängerungsvereinbarung vom 02.05.1995 berufen.
28Die von der Beklagten innegehaltene Wohnung unterliegt dem Kündigungsschutz der §§ 573 ff. BGB. Denn es liegt ein Mietverhältnis über Wohnraum auf unbestimmte Zeit vor. Dass Wohnraum zur entgeltlichen Nutzung überlassen wurde steht außer Frage, so dass von einem Mietverhältnis i.S.d. § 535 BGB auszugehen ist. Es liegt auch keine Befristung dieses Mietverhältnisses vor. Die Vereinbarung vom 10.08.1990 enthält eines solche nicht, sondern nur eine vage Angabe über ein voraussichtliches (und nach Lage der Dinge bereits damals unrealistisches) Ende zum 31.12.1990 bzw. eine Beendigung spätestens 3 Monate nach Mitteilung von der bevorstehenden und beabsichtigten aber dem Zeitpunkt nach nicht näher bestimmten Sanierung und entsprechender Kündigung. Die Vereinbarung vom 02.05.1995 enthält ebenfalls keine Befristung. Vielmehr ist schon nach den Vereinbarungen, im Übrigen aufgrund über 10 Jahre langer Übung von einem Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit auszugehen, § 545 BGB (§ 568 BGB a.F.). Im Übrigen ergäbe sich selbst bei Befristung der Kündigungsschutz daraus, dass die Voraussetzungen des vorliegend weiter anwendbaren § 564c Abs. 2 Nr. 1 mit Nr. 2 b) BGB a.F. (vgl. Palandt/Weidenkaff BGB 62. Aufl. § 575 Rn 1) nicht vorliegen.
29Soweit die "Vereinbarung" im Sinne einer auflösenden Bedingung oder eines vereinbarten Rücktrittsrechts zu verstehen sein sollte, so steht dem § 572 BGB (bzw. §§ 570a, 556a Abs. 2 BGB a.F.) entgegen.
30Eine etwaige Abbedingung der Kündigungsschutzvorschriften einschließlich der gesetzlichen Kündigungsfrist wäre jedenfalls gem. § 573 Abs. 4, 573c Abs. 4 BGB (bzw. §§ 564b Abs. 6, 565 Abs. 2 S. 3 BGB a.F.) unwirksam.
31Allenfalls im Rahmen einer Abwägung der beiderseitigen Interessen gem. §§ 573 Abs. 1, 2; 574 BGB bzw. der Frage, ob es seitens der Mieter im Hinblick auf die in den Nutzungsvereinbarungen einvernehmlich erklärte spätere Sanierungsabsicht mit dem Grundsatz von Treu und Glauben vereinbar ist, dass sich die Mieter gegen ein berechtigtes Interesse der Klägerin wenden, könnte die Vereinbarung durch die Klägerin fruchtbar gemacht werden.
322.
33Die Kündigung ist auch nicht als ordentliche Kündigung gem. § 573 BGB wirksam, denn es fehlt der Kündigung jedenfalls am Wirksamkeitserfordernis einer zum Kündigungszeitpunkt vorliegenden Zweckentfremdungsgenehmigung und deren Erwähnung im Kündigungsschreiben.
34a)
35Die Kündigung begegnet nach Auffassung des Gerichts allerdings im Übrigen keinen durchgreifenden Bedenken. Es dürfte ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegen. Mit der insoweit unstreitigen Erklärung, die Häuser abreißen zu wollen um den bezifferten Bedarf an altengerechtem Wohnraum für Genossenschaftsmitglieder zu sichern hat die Klägerin ein nachvollziehbares Interesse dar getan, welches das Gewicht der Kündigungsgründe "Eigenbedarf und Verwertungsabsicht" i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2,3 BGB erreicht. Gründe i.S.d. § 574 BGB, die im Rahmen der Abwägung für die Fortsetzung des Mietverhältnisses sprechen könnten sind seitens der Mieterin nicht dargelegt, wobei diese im Hinblick auf die zur Vertragsgrundlage gemachten Sanierungsabsicht ohnehin nur in geringem Umfang berücksichtigungsfähig sein dürften, § 242 (vgl. hierzu auch BezG Cottbus v. 02.04.1992 Az.: 4 S 107/91 DTZ 1992, 361 ff.).
36Diese Frage kann jedoch letztlich offen bleiben, wie sich aus nachfolgenden Erwägungen ergibt.
37b)
38Denn die Kündigungen leiden an einem nicht heilbaren Mangel.
39Es fehlt zum einen an einer wirksamen Zweckentfremdungsgenehmigung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungen, zum anderen ist ihr Vorliegen in den Kündigungsschreiben nicht hinreichend dargelegt.
40Es entspricht der wohl herrschenden Meinung, dass im Fall einer Verwertungskündigung eine öffentlich-rechtlich erforderliche Zweckentfremdungsgenehmigung bereits bei Zugang der Kündigung vorliegen und im Kündigungsschreiben erwähnt worden sein muss (seit OLG Hamburg RE v. 25.03.1981 ZMR 1982, 90 ff.; LG Düsseldorf DWW 1993, 103; LG Berlin ZMR 1991, 346 f.; LG München WuM 1997, 115; BVerwG NJW 1985, 542 m.N.; Emmerich/Sonnenschein Miete 7. Aufl. § 564b Rn 78; Lammel WohnRMietR 2. Aufl. § 573 Rn 108; Schmitt-Futterer/Blank Mietrecht 7. Aufl. § 564b Rn 273; Blank/Börstinghaus Miete § 564b Rn 182; a.A. BezG Cottbus a.a.O.; Bub/Treier Grapentin Hdb. d. Wohn- u. GeschRMiete 3. Aufl. IV Rn 80; anders für Baugenehmigung BayObLG RE v. 31.08.1993 ZMR 1993, 560; für Baugenehmigung bei Eigenbedarfskündigung OLG Frankfurt RE v. 25.06.1992 WuM 1992, 421).
41Das Gericht folgt dieser Auffassung auch für den hier vorliegenden Fall.
42aa)
43Dass für den geplanten Abriss eine solche Zweckentfremdungsgenehmigung gem. Art. 6 § 1 MietRVerbG v. 04.11.1971 (BGBl I S. 1745) i.V.m. der ZweckentfremdungsverordnungNW vom 12.06.2001 öffentlich-rechtlich erforderlich ist, ergibt sich vorliegend bereits mit Tatbestandswirkung aus ihrer letztendlichen Erteilung. Der Abriss bestehenden Wohnraums ist unabhängig von der Errichtung von Ersatzwohnraum auch ohne weiteres die stärkste Form der Zweckentfremdung. Die Schaffung von Ersatzwohnraum ist vorliegend sanktionierte Bedingung bzw. Auflage der Genehmigung und macht diese nicht etwa entbehrlich.
44bb)
45Nach Auffassung des Gerichts kann die Gültigkeit des Rechtsentscheides des OLG Hamburg nicht auf bloße Verwertungskündigungen i.S.d. §§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB (§ 564b Abs. 2 Nr. 3 BGB a.F.) beschränkt werden (so aber offenbar OLG Frankfurt a.a.O. S. 423). Entscheidend ist allein, dass es im Rahmen der mit der Kündigung beabsichtigten anderweitigen Verwendung des Wohnraums zu einer Zweckentfremdung kommt. Ob die Zweckentfremdung auf einer wirtschaftlichen Verwertung, Eigenbedarf oder einem sonstigen Grund beruht macht insoweit keinen Unterschied. Bei den Gründen, die der Eigentümer/Vermieter für die Zweckentfremdung im Verwaltungsverfahren vorbringt, wird nicht zwischen den einzelnen Kündigungsgründen des BGB unterschieden; Eigenbedarfskündigungen unterfallen z.B. bei Zweckentfremdung ebenfalls dem Zweckentfremdungsverbot. Das Zweckentfremdungsverbot dient ganz unabhängig von der Verwendungsabsicht der angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum. Ist die für die geplante Verwendungsabsicht des Eigentümers/Vermieters erforderliche Zweckentfremdung nicht genehmigt, kann er die geplante Verwendung gleich welcher Art nicht durchführen und es fehlt ihm das berechtigte Kündigungsinteresse in allen Fällen des § 573 Abs. 1, 2 BGB.
46cc)
47Nach allgemeiner Auffassung müssen die Kündigungsgründe bereits bei Ausspruch der Kündigung vorliegen und im Kündigungsschreiben gem. § 573 Abs. 3 BGB genannt werden. Das muss nach Auffassung des Gerichts auch für das Vorliegen der Zweckentfremdungsgenehmigung gelten.
48Dies folgt bereits aus dem mietschutzrechtlichen Charakter einer Zweckentfremdungsgenehmigung (vgl. S/F-Blank a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O.; BayObLG a.a.O.). Selbst wenn der Mieter sich gegen eine Erteilung des Genehmigung wohl nicht wehren kann (vgl. BVerwG NJW 1985, 542 ff.; a.A. noch OLG Hamburg a.a.O.) kann, werden im Rahmen der Genehmigung jedenfalls mietrechtliche Belange geprüft. Insbesondere kann der Vermieter ohne Vorliegen der Genehmigung nicht hinreichend abwägen, ob die geplante Verwendung in Anbetracht der regelmäßig erteilten Auflagen und Bedingungen (so auch hier) für ihn wirtschaftlich noch sinnvoll ist (vgl. LG München a.a.O.).
49Solange die Genehmigung nicht vorliegt, verstößt die Zweckentfremdung und die mit ihr untrennbare Kündigung gegen ein gesetzliches Verbot mit mietrechtlichem Charakter.
50Anders als rein bauordnungsrechtliche Genehmigungen (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.; BayObLG a.a.O.), die in der Regel von rein formalen und technischen Fragen abhängig sind, genügt die bloße Genehmigungsfähigkeit hinsichtlich einer Zweckentfremdung nicht (a.A. Grapentin a.a.O.), wobei das Gericht aus nachfolgenden Gründen sogar dahin tendiert, auch bauordnungsrechtliche Genehmigungen zur Wirksamkeitsvoraussetzung zu machen.
51Selbst eine Genehmigungsfähigkeit (so Grapentin a.a.O.) lag hier im Zeitpunkt der Kündigungserklärung noch nicht vor. Denn die Erteilung der Genehmigung war von der Räumung aller Wohnungen abhängig gemacht worden, die auf absehbare Zeit nicht erwartet werden konnte.
52Es ist insoweit auch auf den Zweck der Angabe von Kündigungsgründen im Kündigungsschreiben abzustellen. Hier muss zum einen der Kündigungsgrund hinreichend identifizierbar sein. Es muss aber vor allem auch für den Mieter erkennbar sein, wie die Rechtslage zu beurteilen ist, ob sich insbesondere eine Verteidigung lohnt, oder ob es ratsam erscheint, sich auf Wohnungssuche zu begeben. Liegt eine Zweckentfremdungsgenehmigung vor, so ist jedenfalls dass objektive berechtigte Interesse des Vermieters an der nach Zweckentfremdung beabsichtigten Verwertung bereits durch die Verwaltungsbehörde zumindest unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Wohnbedarfes geprüft. Es kommt ihr insoweit zwar keine Tatbestandswirkung betreffend die Kündigungsschutzvorschriften zu, aber doch zumindest z.T. indizielle Wirkung. Solange eine solche nicht erteilt ist, kann der Vermieter die zu kündigende Wohnung nicht verwerten und hat daher kein berechtigtes Interesse an der Kündigung. Der Mieter braucht sich daher "keine Sorgen" zu machen. Berücksichtigt man, welche komplexen Anforderungen -wie auch hier- an die Erteilung der Zweckentfremdungsgenehmigung gestellt werden, so wird klar, wie unsicher die Erteilung einer solchen und damit auch die Realisierung der Verwendungsabsicht ist. Wäre das Vorliegen der Genehmigung keine Kündigungsvoraussetzung, so könnte es zu dem unzumutbaren Zustand kommen, dass der Mieter im Hinblick auf die im Übrigen wirksame Kündigung sich Ersatzwohnraum besorgt, obwohl letztlich die beabsichtigte Verwertung mangels Genehmigung gar nicht möglich ist, oder der Vermieter aufgrund unwirtschaftlicher Auflagen von der Verwendung wieder Abstand nimmt. Umgekehrt muss sich der Mieter bis zur Erteilung der Genehmigung darauf verlassen können dass ihm noch die ordentliche Kündigungsfrist verbleibt, um angemessenen Ersatzwohnraum zu finden; § 721 ZPO bietet insoweit keinen ausreichenden Schutz. Ein derartiger "Schwebezustand", wie er bei Abstellen auf die bloße Genehmigungsfähigkeit entsteht, ist mit dem in § 573 BGB verfolgten Mieterschutz nach Ansicht des Gerichts nicht vereinbar.
53Im Hinblick auf die vorstehenden Erwägungen war auch -unabhängig vom damaligen Fehlen einer Zweckentfremdungsgenehmigung- kein ausreichender Hinweis im Kündigungsschreiben erfolgt. Die pauschale Erklärung, die Maßnahme sei mit den zuständigen Behörden abgestimmt besagt nichts.
54dd)
55Die Klägerin kann der Beklagten vorliegend auch nicht treuwidriges Verhalten allein aufgrund der Berufung auf eine fehlende Zweckentfremdungsgenehmigung vorhalten. Es mag, wie oben erwähnt, denkbar sein, dass die Beklagte nach Treu und Glauben gehindert ist, sich gegen Art und Weise und Zeitpunkt der beabsichtigten Verwendung der Wohnung zu wehren. Zu weit ginge es aber, der Beklagten zu versagen, sich gegen eine rechtlich unzulässige Verwendung zu wehren. Eine rechtliche unzulässige Verwendung war auch ersichtlich nicht Vertragsgrundlage.
56ee)
57Dem Gericht ist bewusst, dass sich für den Vermieter aufgrund vorstehender Rechtsauffassung erhebliche Probleme bei der Verwertung ergeben, insbesondere, wenn wie hier die Genehmigung zunächst von der vollständigen Räumung abhängig gemacht wurde bzw. sie nunmehr unter der auflösenden (?) Bedingung steht, dass alle Wohnungen geräumt sind und zusätzlich die Genehmigung mit Fristen versehen ist, innerhalb derer kaum Räumungsprozesse gegen rund ein dutzend Mieter rechtskräftig entschieden werden können. Diese "Zwickmühle" folgt aber in erster Linie aus den öffentlich-rechtlichen Vorschriften und ist daher auch auf dem Verwaltungswege zu lösen. Im Übrigen liegt es in der Hand der Vertragsparteien für beide Seiten wirtschaftliche Wege einer Vertragsbeendigung zu finden.
58Nach allem war die Klage mangels wirksamer Kündigung abzuweisen.
59II.
60Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
61Streitwert: 1.568,48 EUR (12* 130,79 EUR Grundmiete gem. § 16 GKG)
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Referenzen
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