Urteil vom Amtsgericht Düsseldorf - 39 C 10445/03
Tenor
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2004
durch den Richter X
für R e c h t erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 67,20 EUR zu zahlen. Im übrigen
wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 78 % und die Beklagte zu
22 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Angemessenheit von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall und die angemessene Höhe der abzuziehenden ersparten Eigenkosten.
3Im April 2003 kam es zu einem Verkehrsunfall zwischen dem Fahrzeug der Klägerin und dem des Herrn X, dessen Haftpflichtversicherung die Beklagte ist. Die Haftung der Beklagten aus dem zugrunde liegenden Verkehrsunfall ist unstreitig. Das Auto der Klägerin musste für vier Tage in die Reparatur. Während dieser Zeit mietete die Klägerin ein Mietfahrzeug der Marke X (Mietwagengruppe 6) bei der Fa. X (im folgenden: Mietwagenunternehmen). Das Mietwagenunternehmen stellte der Klägerin die Kosten unter Zugrundelegung eines Fahrzeugs der Gruppe 4 in Höhe von 640,32 EUR in Rechnung. Die Beklagte zahlte auf diesen Betrag 300 EUR. Die Klägerin macht die Mietwagenkosten in Höhe von 640,32 EUR abzgl. 5 % ersparter Eigenkosten von 32,02 EUR abzgl. der bereits gezahlten 300 EUR geltend.
4Die Klägerin beantragt,
5die Beklagte zu verurteilen, an sie 308,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %
6über dem Basiszinssatz nach § 1 des DÜG seit dem 06.05.2003 zu zahlen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Die Beklagte ist der Ansicht, die von der Klägerin geltend gemachten Mietwagenkosten von 640,32 EUR seien unangemessen überhöht. Die Klägerin treffe ein Mitverschulden an der Schadensentstehung, weil sie Preisvergleiche unterlassen habe. Es sei ein Eigenkostenanteil für ersparte Aufwendungen in Höhe von 15 % der Rechnungssumme abzuziehen. Der Mietvertrag zwischen der Klägerin und dem Mietwagenunternehmen sei wegen sittenwidriger Preisüberhöhung nichtig. Das Mietwagenunternehmen habe es pflichtwidrig unterlassen, über von ihr bereitgestellte günstigere Mietwagentarife aufzuklären.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die von den Parteien überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen Bezug genommen.
11E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
12Die Klage ist teilweise begründet.
13I.
14Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 67,20 EUR aus
15§ 7 Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG i.V.m. §§ 249, 254 Abs. 2 BGB, § 287 ZPO.
16Die Haftung der Beklagten für Schäden aus dem Unfall am 10.4.2003 ist dem Grunde nach unstreitig und beruht auf § 7 Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG.
17Mietwagenkosten bei Beschädigung eines Kraftfahrzeugs fallen als Herstellungskosten grundsätzlich unter § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Der Geschädigte kann nur den Betrag ersetzt verlangen, der objektiv erforderlich ist oder war, d.h. die Aufwendungen, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Der Geschädigte darf sich grundsätzlich ein Fahrzeug gleichen Typs mieten. Da nur der "objektiv" erforderliche Betrag zu ersetzen ist, muss der Geschädigte grundsätzlich zum Preisvergleich zwei oder drei Konkurrenzangebote einholen und sich über die in Betracht kommenden Tarife informieren. Zur Erfüllung dieser Pflicht, die nichts mit Marktforschung zu tun hat, genügen wenige Telefongespräche. Seitdem die Mietwagenunternehmen neben dem Normaltarif einen um viele Prozente teureren Unfallersatzwagentrarif anbieten, muss sich der Geschädigte insoweit erkundigen und den günstigeren Tarif wählen. Die Entscheidung des BGH (BGH, Urt. v. 7.5.1996, BGHZ 132, 373), die den Geschädigten praktisch von allen Sorgfaltspflichten i.R.d. § 254 Abs. 2 BGB freistellt und missbräuchliche Tarifgestaltung im Mietwagengeschäft bestärkt, ist mit dem Grundsatz, das nur diejenigen Aufwendungen zu ersetzen sind, die ein wirtschaftlich denkender Mensch für erforderlich halten durfte, ohne Korrektiv unvereinbar (vgl. Schiemann, JZ 1996,1077, Freyberger, MDR 1996, 1091; Hootz, BB 1996, 2215). Sie hat sich auch in der Rechtsprechung der Instanzgerichte nicht durchsetzen können (vgl. LG Freiburg, Urt. v. 11.3.1997, NJW-RR 1997, 1069;
18LG Bonn, Urt. v. 25.2.1998, NZV 1998, 417). Dabei übersieht das Gericht nicht, dass das Gebot der wirtschaftlich vernünftigen Schadensbehebung nicht vom Geschädigten verlangt, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf das Grundkonzept des Schadensersatzes, dem Geschädigten einen möglichst vollständigen Schadensausgleich zu kommen zu lassen, nicht verlassen werden. Deshalb ist bei der objektiven Prüfung der erforderlichen Aufwendungen im Rahmen des §§ 249, 254 Abs. 2 BGB in gewissem Umfang eine subjektbezogene Schadensbetrachtung - wie vom BGH angesprochen - anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu nehmen. Diese subjektive Betrachtungsweise findet jedoch ihre objektive Grenze, wenn Mietwagenunternehmen Unfallersatztarife in einer Höhe anbieten, die ohne sachlichen Grund von den Tarifen anderer Mietwagenangebote abweichen, so dass die vom Geschädigten einsehbaren Marktgepflogenheiten allgemein als unangemessen angesehen werden, wenn sie auch noch nicht rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 138 BGB seien müssen. Eine solche Grenze ist jedenfalls bei der Überschreitung von Mietwagentarifen über dem dreifachen Satz der Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch bezüglich der Nutzungsausfallentschädigung erreicht. Eine Tarifgestaltung, bei der allein danach differenziert wird, ob es sich bei dem anzumietenden Fahrzeug um ein Unfallersatzfahrzeug handelt (dann Aufschlag von zum Teil mehreren 100 %) oder nicht (dann üblicher Mietwagentarif), ist sachlich nicht gerechtfertigt und kann nicht Grundlage gerichtlicher Schadensabwicklung sein. Bei solchen Mietwagenkosten fehlt es bereits objektiv an der Erforderlichkeit der Aufwendung i.S.d. § 249 BGB bzw. jeder muss misstrauisch werden und verstößt andernfalls gegen § 254 Abs. 2 BGB.
19Das Gericht hält vorliegend mangels weiterer objektiver Anknüpfungspunkte für eine Schätzung und angesichts der derzeitigen Marktgepflogenheiten von Mietwagenunternehmen bezüglich der Unfallersatzmietwagentarife Mietwagenkosten von 408 EUR für vier Tage für angemessen, § 287 ZPO. Als vereinfachte Methode zur Berechnung des maximal "üblichen" Mietzinses bei Unfallersatzmietwagen wird der dreifache Satz der Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch (NJW 2003, 803) über die Nutzungsausfallentschädigung gelegt (Vg. AG Frankfurt, Urt. v. 06.09.2001, NZV 2002, 82; OLG München, Urt. v. 14.3.1995, DAR 1995, 254; LG Freiburg, a.a.O., NJW-RR 1997, 1069).
20Danach ergibt sich für einen Opel Astra ein üblicher Mietzins von maximal insgesamt 408 EUR (=3 x 34 EUR x 4 Tage).
21Davon sind 10 % ersparte Eigenaufwendungen abzuziehen. Der Geschädigte muss sich im Wege der Vorteilsausgleichung ersparte Eigenaufwendungen anrechnen lassen. Hinsichtlich der Höhe werden verschiedene Meinungen vertreten (vg. allg. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl., § 249, Rn. 32). Das Gericht hält 10 % für angemessen und ausreichend, § 287 ZPO (OLG Hamm, Urt. v. 20.3.2000, VersR 2001, 206 m.w.N.).
22Abzüglich der von der Beklagten bereits gezahlten 300 EUR verbleibt ein Forderungsbetrag von 67,20 EUR.
23II.
24Der Zinsanspruch ist begründet gemäß §§ 286, 288 BGB.
25III.
26Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
27IV.
28Die Berufung war zuzulassen, weil die Sache angesichts der aufgezeigten unterschiedlichen Rechtsprechungsentwicklungen für die Fortbildung des Rechts und die Vereinheitlichung der Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
29Streitwert (§ 12 GKG, § 3 ZPO): 308,39 EUR
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