Beschluss vom Amtsgericht Düsseldorf - 96 XVI 21/09
Tenor
In der Adoptionssache
betreffend das Kind XXX, geb. XXX
an der beteiligt sind:
1. XXX
Annehmender und Antragsteller
2. Herr XXX
als Kindesvater
Verfahrensbevollmächtigte: Frau Rechtsanwältin XXX
wird der Antrag des Antragstellers vom 25. Mai 2010 auf Ausspruch der Annahme des Kindes XXX als Kind des Antragstellers zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beteiligten zu 1. und 2. haben am 16. Juli 2004 vor dem Standesamt X eine Lebenspartnerschaft begründet. Diese Lebenspartnerschaft ist im Lebenspartnerschaftsregister des Standesamtes X unter der Nummer xx registriert. Aufgrund von Leihmutterschaftsvereinbarungen mit Frau XXX hat diese die Kinder XXX, sowie XXX und XXX ausgetragen und am 08.10.2007(XXX) bzw. 09.02.2009 (XXX und XXX) zur Welt gebracht. Eispenderin soll dabei jeweils eine anonym gebliebene Frau aus Australien gewesen sein. Die beiden Beteiligten erklären, dass Samenspender und leiblicher Vater von XXX Herr XXX bzw. von XXX und XXX Herr XXX sei. Sie nehmen Bezug auf Geburtsurkunden der Kinder des Bundesstaates Californien, in denen für XXX Herr XXX als Kindesvater eingetragen ist (Bl. 3 d.A. 96 XVI 21/09) bzw. in den Herr XXX als leiblicher Vater von XXX und XXX eingetragen ist (Bl. 5 und Bl. 21 d.A. 96 XVI 23/09). In den vorliegenden beiden Verfahren möchten die jeweils anderen Lebenspartner, die jeweils nicht von ihnen abstammenden Kinder adoptieren. So hat der Beteiligte zu 1. beantragt, das Kind XXX zu adoptieren und der Beteiligte zu 2. hatte zu dem Aktenzeichen 96 XVI 23/06 beantragt, die Kinder XXX und XXX zu adoptieren. Die Leihmutter XXX hat unter dem 02.04.2009 der Annahme der drei Kinder durch die Lebenspartner zugestimmt. Auch die beiden Beteiligten selber haben wechselseitig unter dem 18. Mai 2009 notariell den Adoptionen ihrer Kinder durch den jeweils anderen Lebenspartner zugestimmt.
3Das erkennende Gericht hat nach § 56d Satz 2 FGG eine Stellungnahme des Jugendamtes X, sowie nach § 49 Abs. 2 FGG einen Bericht der Zentralen Adoptionsstelle des zuständigen Landesjugendamtes eingeholt. Die Beteiligten wurden darüber hinaus durch das erkennende Gericht persönlich angehört.
4II.
5Der Antrag ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Annahme als Kind nach § 1741 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB liegen vor.
61.
7Zunächst sind nach der Übergangsvorschrift des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG – RG auf das vorliegende Verfahren die Vorschriften des FGG anzuwenden, da der Antrag vor dem 31.08.2009 bei dem zuständigen Gericht eingegangen ist. Desweiteren ist nach Art. 22 Abs. 1 Satz 2 EGBGB analog i.V.m. Art. 23 EGBGB für den vorliegenden Adoptionsantrag Deutsches Recht anwendbar. Ungeachtet der US-amerikanischen Staatsangehörigkeit des Kindes sowie des Antragstellers ergeben sich keine zusätzlich zu berücksichtigenden Zustimmungserfordernisse familienrechtlicher Art nach Amerikanischen Recht, weshalb die Deutschen Sachvorschriften Anwendung finden.
82.
9Zu prüfen war daher, ob die Annahme nach § 1741 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist. Im vorliegenden Fall war die Zulässigkeitsprüfung an § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB zu messen.
10a)
11Danach soll jemand, der an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zwecke der Annahme mitgewirkt oder einen Dritten hiermit beauftragt, oder hierfür belohnt hat, ein Kind nur dann annehmen können, wenn dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist. Die Gesetzes- bzw. Sittenwidrigkeit des vorliegend zu betrachtenden Leihmuttervertrages ergibt sich zum Einen aus § 134 Abs. 1 BGB zum Anderen aber auch aus § 138 Abs. 1 BGB.
12Der zwischen den Beteiligten und der Leihmutter XXX geschlossene Leihmuttervertrag verstößt gegen § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 7 Empryonenschutzgesetz (kurz: ESchG). Nach diesen Vorschriften ist es zum Einen untersagt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt, § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG. Vorliegend diente die Herbeiführung der Schwangerschaft bei der Leihmutter gerade zu dem Zweck, eine fremde Eizelle, nämlich die der australischen Eispenderin zu befruchten. Darüber hinaus war aufgrund des Leihmutterschaftsvertrages von vorne herein beabsichtigt, dass die von der Leihmutter ausgetragenen Kinder nicht in der Familie der Leihmutter sondern vielmehr bei den Beteiligten aufwachsen sollten. Es liegen daher auch die Voraussetzungen des § 1 abs. 1 Nr. 7 ESchG vor. Gleichzeitig sind die Voraussetzungen des § 1 abs. 2 Nr. 2 ESchG gegeben, da die Samenzellen der Beteiligten künstlich in die Eizelle der Eispenderin verbracht wurden.
13Dabei spielt es keine Rolle, dass sich das untersagte Verhalten tatsächlich in den USA abgespielt hat und daher die Beteiligten nicht strafrechtlich belangt werden können, da die Tat wohl in Deutschland, nicht aber in den USA strafbar ist. Entscheidend ist, dass gem. den Artikeln 22, 23 EGBGB die Deutschen Sachvorschriften zu dem vorliegenden Annahmeantrag zugrunde zu legen sind. Es gelten daher auch die Wertbegriffe des Deutschen Rechts. Daran gemessen liegt ein gesetzeswidriges Verhalten der Beteiligten vor. Ebenso liegt ein sittenwidriges Verhalten der Beteiligten im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB vor. Danach kann der Inhalt oder die Gesamtwürdigung eines Rechtsgeschäftes die Sittenwidrigkeit begründen. Vorliegend ergibt sich die Sittenwidrigkeit aus der gesetzgeberischen Wertung des ESchG (vgl. Staudinger-Sack BGB, Neubearbeitung 2003 § 138 Rd. Nr. 450 nwM). Bei der Prüfung der Frage, ob ein Rechtsgeschäft gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, ist auf die in Deutschland anerkannten moralischen Anschauungen und Wertvorstellungen zurückzugreifen (vgl. OLG Hamm NRW 1986, 781, 783). Gemessen an diesem Maßstab ist es insbesondere als sittlich verwerflich anzusehen, dass die gewünschten Kinder – ungeachtet der konkreten Vertragsgestaltung – mit dem Leimuttervertrag zum Gegenstand eines Geschäfts gemacht und dadurch zu einer "Ware" herabgewürdigt wurden. Dabei kann es dahin stehen, ob – wie die Beteiligten behaupten – der erhebliche Geldbetrag für die Leihmutter tatsächlich nur als "Aufwandsentschädigung" für das Austragen der Kinder anzusehen ist. Entscheidend bleibt, dass sowohl der Leihmutter, als auch der Eispenderin Geldbeträge gezahlt wurden, um die Austragung der Kinder zu ermöglichen. Verkürzt kann man die Vorgehensweise als "Geld gegen Kinder" zusammenfassen. Derartige Geschäfte widersprechen den moralischen Anschauungen in Deutschland.
14Schließlich haben die beiden Beteiligten mit der Durchführung der Leihmutterverträge in den USA und der anschließenden Verbringung der Kinder nach Deutschland auch an der Gesetzes- bzw. sittenwidrigen Vermittlung der Kinder zum Zwecke der Adoption mitgewirkt im Sinne von § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB, indem sie die Leihmutter im Rahmen des Leihmuttervertrages beauftragt und mit der Zahlung der vereinbarten Aufwandsentschädigung belohnt haben.
15b)
16Dem entsprechend war nach § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB zu prüfen, ob die Adoption zum Wohle der Kinder erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist vorleigend zu verneinen.
17Wo einer Erforderlichkeit der Adoption bei Beteiligung der Annehmenden in einer Gesetzes- oder sittenwidrigen Praktik der Adoptionsvorbereitung ist nur dann auszugehen, wenn die Adoption im Hinblick auf das Kindeswohl notwendig ist (vgl. Bamberger/Roth, Beckscher Online-Kommentar, Stand 01.05.2010, § 1741 Rd. Nr. 33). Davon ist nach den Berichten des Jugendamtes und des Landesjugendamtes, sowie dem Ergebnis der Anhörung nicht auszugehen. Nach der gutachterlichen Äußerung der Stadt X zu den Adoptionsanträgen wachsen alle Kinder gemeinsam mit den beiden Beteiligten als Familie in einer behüteten und von Wertschätzung geprägten Atmosphäre auf. Der Beteiligte zu 1. kümmert sich dabei täglich gemeinsam mit einer Kinderfrau um die drei Kinder, der Beteiligte zu 2. ist berufstätig. In der gutachterlichen Äußerung werden den beiden Beteiligten Lebenserfahrung und Verantwortungsbewusstsein bescheinigt. Davon konnte sich da Gericht im Anhörungstermin selbst ein Bild machen. Die gutachterliche Äußerung kommt in der Prognose zu dem Ergebnis, dass es den Kindern nicht schaden wird, wenn sie nicht adoptiert werden. Solange die Lebenspartnerschaft der beiden Beteiligten hält, haben alle Kinder zwei Väter, die sie lieben und die für sie sorgen. Beide Beteiligten sind in gleichem Maße Bezugspersonen für die Kinder. Eine psychosoziale Beziehung zu der Leihmutter existiert tatsächlich nicht. Dieses derzeit faktisch gelebte Verhältnis wird sich auch durch eine Adoption nicht verbessern lassen, da bereits zum jetzigen Zeitpunkt beide Beteiligten die Rolle der beiden leiblichen Eltern übernehmen.
18Es war darüber hinaus zu prüfen, ob die Adoption zur Verbesserung der rechtlichen Stellung der Kinder erforderlich ist. In diesem Zusammenhang wünschen sich die Beteiligten beide ein gemeinsames Sorgerecht für alle drei Kinder. hier besteht jedoch die Möglichkeit für die Beteiligten nach § 9 LPartG vorzugehen und sich gegenseitig das sogenannte "kleine Sorgerecht" zu verschaffen. Das haben die Beteiligten indes abgelehnt. Sie verweisen in den Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten auf das Faktum, dass in Deutschland jede zweite Lebenspartnerschaft geschieden wird und dass die Kinder im Falle einer Trennung und Scheidung der Beteiligten in die Lage versetzt werden sollen, Ansprüche gegen beide Lebenspartner geltend machen zu können. Diese rechtliche Argumentation geht indessen fehl. Bei Prüfung der Voraussetzungen einer Adoption nach § 1741 Abs. 1 BGB hat das Gericht auch eine Einschätzung dahin zu treffen, ob die Partnerschaft der Annehmenden bzw. der Familie im Leben tatsächlich dauerhaft existieren wird. Denn nur dies dient dem Wohl der anzunehmenden Kinder. Würde das Gericht hingegen bereits im Rahmen des Ausspruchs einer Adoption von einem Scheitern der Beziehung ausgehen, würde es sehenden Auges dem Wohl der Kinder zuwider handeln. Aus diesem Grunde kann das Scheitern einer Partnerschaft nicht argumentativ zugunsten eines Adoptionsantrags ins Feld geführt werden.
19In diesem Zusammenhang kann auch nicht die Auffassung der Beteiligten geteilt werden, die sorgerechtliche Ausgestaltung beinhalte nicht nur Rechte der jeweiligen Eltern, sondern auch ein Anrecht der Kinder auf emotionale Versorgung. Tatsächlich handele es sich bei dem Sorgerecht der Eltern lediglich um einen rechtlichen Aspekt, nämlich vornehmlich um die Frage, wer in rechtlicher Hinsicht die Entscheidungsbefugnis über das Wohl und Wehe der Kinder hat. In tatsächlicher Hinsicht stellt sich dem gegenüber die Frage, wie die Kinder im täglichen Leben mit Zuneigung und liebe, d. h. emotional versorgt werden. Dieses emotionale Band zwischen den Beteiligten und den Kindern ist ohnehin vorhanden und lässt sich auch unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens auf Dauer erhalten.
20Nicht unberücksichtigt bleiben kann in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass beide Beteiligen durch die Leihmutterverträge und die – mit Hilfe der gewählten Agentur durchgeführte – in Deutschland Sitten- und gesetzeswidrige Praktik der Zeugung und Austragung der Kinder durch die Leihmutter mit dem von vorne herein feststehenden Ziel, später in Deutschland einen Adoptionsantrag zu stellen sich bewusst auf eine rechtliche Unsicherheit eingelassen haben. Sie haben es in Kauf genommen, dass die Kinder nur zu dem jeweiligen leiblichen Elternteil ein eigenes rechtliches Band besitzen. Im Übrigen bestand für sie von vorne herein die Unklarheit hinsichtlich der Erfolgsaussicht der Adoptionsanträge in Deutschland. Mit diesen Anträgen unternehmen es die Beteiligten, eine Verhaltensweise, die in Deutschland nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 ESchG strafbar wäre, im Wege eines Adoptionsantrages gewissermaßen "unter dem Deckmantel" des Kindeswohls im Nachhinein zu legalisieren. Dabei haben sie – wie das Jugendamt der Stadt X in der gutachterlichen Äußerung zutreffend ausgeführt hat – billigend in Kauf genommen dass ihre Kinder in ihrer Identitätsfindung belastet aufwachsen könnten, weil sie weder ihre genetische Mutter jemals kennenlernen werden, und darüber hinaus damit leben müssen, dass zwei Mütter sie gegen Geldzahlungen abgegeben haben.
21Die Beteiligten können schlussendlich auch nicht mit dem Argument gehört werden, die Kinder hätten ein Anrecht darauf finanziell bestmöglich gestellt zu werden. Soweit die Beteiligten damit auf ein gesetzliches Erbrecht der Kinder anspielen, ist die Adoption zur Erreichung eben dieses Zweckes ebenfalls nicht erforderlich im Sinne von § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Beteiligten haben es nämlich in der Hand, eine dem gesetzlichen Erbrecht vergleichbare gewillkürte Erbenstellung der Kinder selbst durch den Abschluss entsprechender notarieller Erbverträge zu erreichen.
22c)
23Aufgrund der fehlenden Erforderlichkeit im Sinne von § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB bedurften die in diesem Verfahren ebenfalls streitige Fragen, nämlich, ob die in den USA durchgeführte vorgeburtliche Vaterschaftsbestimmung tatsächlich einer in Deutschland gültigen Vaterschaftsanerkenntnis gleichzusetzen ist, sowie die weitere Frage, ob die Adoption der Kinder im Sinne von Art. 22 abs. 1, 23 Abs. 1 EGBGB in Verbindung mit § 16 a Nr. 4 FGG dem ordre public entspricht, keiner Entscheidung mehr.
24Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 30 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 KostO.
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