Urteil vom Amtsgericht Emmerich am Rhein - 4 Ds 403 Js 190/05 (728/05)
Tenor
Der Angeklagte wird wegen Landfriedensbruchs, Vergehen nach § 125 StGB, zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 25,-- Euro kostenpflichtig verurteilt.
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Der Angeklagte erlernte nach dem Hauptschulabschluss der Klasse 10 b den Beruf des XX. Zuletzt war er bis zum 28.02.2006 bei der Bundeswehr. Sein Antrag, sich dort für die Dauer von 8 Jahren zu verpflichten, wurde u.a. wegen dieses Verfahrens abgelehnt. Der Angeklagte ist zurzeit arbeitslos. Er erhält Arbeitslosengeld I in Höhe von 770,-- Euro monatlich. Es ist ledig und hat keine Unterhaltsverpflichtungen.
2Der Angeklagte ist bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er wurde am 14.06.2004 durch das Amtsgericht Mönchengladbach wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20,-- Euro verurteilt.
3Der Angeklagte gehört der X X an. In dieser Fußballfangruppe fuhr er mit dem Bus zu dem am 26.03.2005 stattfindenden Freundschaftsspiel zwischen der slowenischen und der deutschen Fußballnationalmannschaft in Celje/Slowenien. Auf der Fahrt dorthin und vor dem Stadion trank der Angeklagte in erheblichem Umfange Bier und Whisky.
4Bereits im Vorfeld des Fußballspiels kam es in der Innenstadt von Celje zu gewalttätigen Ausschreitungen deutscher Fans. Da beim Einlass in das Stadion die Eintrittskarten kaum kontrolliert wurden, gelangten eine Großzahl gewaltbereiter deutscher Problemfans in das Stadion. Während des Spiels kam es zu Ausschreitungen deutscher Fans im deutschen Fanblock. Ein deutscher Fußballfan zündete ein Bengalisches Feuer und warf es auf das Spielfeld. Der Angeklagte, der sich mitten in der gewaltbereiten Menge befand, zündete kurz danach einen Silvesterknaller und warf ihn auf den Boden. Mehrere Fans traten Sitzschalen aus der Verankerung. Viele Fans grölten. Daraufhin erschienen slowenische Sicherheitskräfte. Der Angeklagte lief auf eine Sicherheitskraft zu, packte diese am Oberkörper an der Schutzkleidung und schubste sie weg. Es entstand eine kurze Rangelei zwischen dem Angeklagten und dieser Sicherheitskraft. In dieser Zeit traten andere Fans noch gegen die Sitzschalen, hoben ihre Hände in Kampfstellung und grölten. Schließlich ließ der Angeklagte von der Sicherheitskraft ab und ging mehrere Schritte zurück. Er stand wenige Meter von mehreren Sicherheitskräften entfernt und gestikulierte mit geballten Fäusten in Richtung der Sicherheitskräfte, dabei grölte er. Der Angeklagte wurde schließlich von den Sicherheitskräften aus dem Stadion entfernt.
5Der Angeklagte hat zwischenzeitlich vom DFB ein Stadionverbot für 5 Jahre erhalten.
6Dieser Sachverhalt ist in der Hauptverhandlung festgestellt worden aufgrund der geständigen Einlassung des Angeklagten, aufgrund der unbeeidigten Aussage des Zeugen X und der in Augenschein genommenen Videos Nr. 8 und 10 sowie der Bestimmungen des slowenischen Strafgesetzbuches gemäß Auskunft der slowenischen Botschaft vom 30.06.2006.
7Der Angeklagte räumt ein, die Sicherheitskraft geschubst und evtl. geschrieen zu haben. Er hat dies damit begründet, er habe sich von der aggressiven Grundhaltung im Stadion anstecken lassen. Ein solches Verhalten sei normalerweise nicht seine Art, er entschuldige sich für sein Verhalten.
8Im Übrigen ist der Angeklagte der Ansicht, dass die Tat nach slowenischem Recht nicht strafbar sei.
9Nach § 7 StGB findet deutsches Recht Anwendung, da der Angeklagte zur Zeit der Tat Deutscher war und die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist. Die Tat des Angeklagten ist zumindest nach § 299 des slowenischen Strafgesetzbuches strafbar. Nach dieser Vorschrift wird jemand mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren bestraft, wer eine andere Person in dessen Sicherheit bedroht und damit in der Öffentlichkeit Entrüstung oder Erschrecken verursacht. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die Gefährdung der Sicherheit kann bereits durch ein freches und skrupelloses Verhalten verursacht werden, womit der Täter die andere Person in einen Status der Beunruhigung, des Unbehagens oder der Angst versetzt. Dadurch, dass der Angeklagte die Sicherheitskraft angriff und sie wegschubste, war diese Person zumindest beunruhigt. Infolge der Film- und Zeitungsberichte über die Vorfälle trat auch eine Beunruhigung und Entrüstung der slowenischen Bevölkerung ein.
10Ferner erfüllte das Verhalten des Angeklagten den Straftatbestand des § 301 slowenisches Strafgesetzbuches. Nach dieser Vorschrift wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren verurteilt, wer sich in einer Gruppe beteiligt, die durch gemeinsame Handlungen jeglicher Art von Gewalt gegen Menschen begeht, Vermögen größeren Wertes zerstört oder beschädigt oder eine solche Straftat zu begehen versucht. Der Angeklagte befand sich in der Gruppe des gewaltbereiten Fanblocks. Aus dem gemeinsamen Grölen und Gestikulieren ergab sich, dass die Beteiligten die Übergriffe der anderen billigten und mittrugen. Mit dem Rückhalt der anderen Fans schubste der Angeklagte die Sicherheitskraft weg. Bei der Gewalt muss es sich nicht um eine Körperverletzung handeln, unter dem Begriff der Gewalt im Sinne dieser Vorschrift fällt auch eine Bedrohung oder ein rücksichtsloses Verhalten. Diese Voraussetzungen waren gegeben.
11Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte des Landfriedensbruchs, Vergehen nach § 125 StGB, strafbar gemacht. Er hat aus einer Menschenmenge heraus, nämlich dem deutschen Fanblock des Stadions, eine Sicherheitskraft mit Gewalttätigkeiten bedroht. Bei dem Fanblock handelte es sich um eine größere Anzahl von Personen. Der Angeklagte handelte aus der Menschenmenge heraus. Er handelte mit Rückhalt der weiteren Fußballfans, wie sich daraus ergibt, dass andere Personen gegen Sitzschalen traten oder grölten oder wild gestikulierten, während der Angeklagte die Sicherheitskraft schubste. Durch das Verhalten der gewaltbereiten Fußballfans entstand auch für die im Stadion befindlichen Sachen, insbesondere die Bestuhlung, ein erheblicher Schaden. Ferner wurden die Sicherheitskräfte durch die Übergriffe der gewalttätigen Fans gefährdet. Letztendlich wurde auch das allgemeine Sicherheitsgefühl der slowenischen und der deutschen Bevölkerung tangiert. Dies ergibt sich aus den vielfachen Veröffentlichungen in deutschen Medien.
12Der Angeklagte handelte auch mit direktem Vorsatz. Wie sich aus seinem Übergriff gegenüber der Sicherheitskraft und seinem anschließenden aggressiven Gestikulieren ergibt, wollte er die gewaltbereite Menge durch aktives Tun unterstützen und trug deren Gewalttätigkeiten mit. Es war ihm auch klar, dass er hierdurch die Sicherheitskräfte und die im Stadion befindlichen Sachen gefährdete.
13Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt schuldfähig. Der Angeklagte konnte sich zum Teil noch an die Vorfälle erinnern, was sich insbesondere daraus ergibt, dass er sich dahin gehend eingelassen hat, er habe kein Bengalisches Feuer geworfen, sondern lediglich einen Silvesterknaller gezündet. Er wusste auch noch, dass er eine Sicherheitskraft geschubst hatte. Ferner ergibt sich aus den in Augenschein genommenen Videos, dass der Angeklagte sehr sicher und gezielt auf die Sicherheitskraft zugelaufen ist und noch in der Lage war, diese wegzustoßen. Auch seine Körperhaltung beim anschließenden aggressiven Gestikulieren beweist, dass der Angeklagte noch gezielt handeln konnte. Zugunsten des Angeklagten muss jedoch davon ausgegangen werden, dass er infolge seine Alkoholisiereung in seiner Schuldfähigkeit erheblich gemindert war. Da eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 StGB nicht in Betracht kam. war das bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.
14Bei der Strafzumessung war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass die Tat nunmehr nahezu 1 ½ Jahre zurückliegt und er durch die Strafverfolgung bereits wirtschaftliche Nachteile erlitten hat. Er hat darüber hinaus ein Stadionverbot von 5 Jahren erhalten, was ihn in seinem Freizeitverhalten stark einschränkt. Der Angeklagte war schließlich einer von vielen Tätern, wobei er einer der wenigen ist, die sich strafrechtlich verantworten müssen. Der Angeklagte war durch den Alkoholkonsum schließlich erheblich enthemmt. Der Angeklagte war auch geständig und reuig. Auf der anderen Seite ist der Angeklagte bereits einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten. Das Gefühl der Rechtssicherheit wurde auch in der deutschen und slowenischen Bevölkerung durch die tätlichen Übergriffe der Fußballfans erheblich beeinträchtigt. Unter Berücksichtigung aller Umstände konnte noch eine Geldstrafe gegen den Angeklagten festgesetzt werden, die jedoch empfindlich ausfallen musste. Eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen war tat- und schuldangemessen.
15Die Tagessatzhöhe war entsprechend dem Einkommen des Angeklagten auf 25,-- Euro festzusetzen.
16Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.
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