Beschluss vom Amtsgericht Erkelenz - 17 M 2474/06
Tenor
Auf die Erinnerung der Gläubigerin wird Gerichtsvollzieher angewiesen, die Vollstreckung aus Ziffer 2 des Vergleiches vom 06.10.2006 zum Aktenzeichen 14 C 392/06 des Amtsgerichts Erkelenz nicht mit der Begründung zu verweigern, für die Brechung des Widerstandes des Schuldners und zum Betreten der Wohnung des Schuldners sei nach Art. 13 GG, § 758a ZPO eine richterliche Anordnung erforderlich.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens werden dem Schuldner auferlegt.
Der Gegenstandswert wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.
1
I.
2Die Gläubigerin, ein Energieversorgungsunternehmen, betreibt die Vollstreckung gegen den Schuldner aus einem in einem einstweiligen Verfügungsverfahren geschlossenen Prozessvergleich. Auf Grund von Zahlungsrückständen beantragte die Gläubigerin gegen den Schuldner den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Schuldner aufgegeben werden sollte, die Einstellung der Stromversorgung seiner Wohnung zu dulden und zum Zwecke der Einstellung der Energieversorgung den Beauftragten der Gläubigerin den Zutritt zu dem haus zu gestatten. In der mündlichen Verhandlung schlossen die Parteien einen Vergleich, in dessen Ziffer 1) sich der Schuldner zur Zahlung der mit 1.068,23 EUR bezifferten Rückstände verpflichtete und in dessen Ziffer 2 es heißt:
3"2. Kommt der Verfügungsbeklagte mit der Zahlung einer unter Ziffer 1. titulierten Rate mehr als 14 Tage in Verzug, so willigt er darin ein, den mit einem Ausweis versehenen Beauftragten der Verfügungsklägerin Zutritt zu dem Haus Straße 1 in F. zu gestatten und die Einstellung der Elektrizitätsversorgung durch Sperrung des Stromzählers (Nr. XXXX) zu dulden.."
4Der Schuldner zahlte die versprochenen Raten nicht. Die Gläubigerin beauftragte den Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung der Ziffer 2. des Vergleiches. Als der Gerichtsvollzieher am 30.10.2006 bei dem Schuldner erschien, verweigerte dieser den Zutritt zur Wohnung zum Zwecke der Einstellung der Energieversorgung. Der Gerichtsvollzieher stellte daraufhin die Vollstreckung ein und verwies die Gläubigerin darauf, dass es zur Fortsetzung der Vollstreckung einer richterlichen Anordnung bedürfe. Er ist der Ansicht, der Vergleich vom 06.10.2006 stelle keine richterliche Anordnung dar.
5Hiergegen richtet sich die Erinnerung der Gläubigerin. Sie ist der Ansicht, da es sich bei dem Vergleich um einen Vollstreckungstitel im Sinne des § 794 ZPO handele und der Tenor der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 10.08.2005 (I ZB 126/05) entspreche, bedürfe es einer richterlichen Durchsuchungsanordnung nicht.
6Der Schuldner hat sich nicht geäußert.
7II.
8Die Erinnerung ist nach § 766 Abs. 1 ZPO zulässig, insbesondere der statthafte Rechtsbehelf und auch in der Sache begründet. Der Gerichtsvollzieher ist nicht berechtigt, die Vollstreckung der Ziffer 2) des Vergleiches abzulehnen, weil keine richterliche Durchsuchungsanordnung vorliege, denn eine solche ist für die Vollstreckung nicht erforderlich.
9Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Der Prozessvergleich ist nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Vollstreckungstitel. Der Vergleich ist auch hinsichtlich der Ziffer 2. mit einer Vollstreckungsklausel versehen, § 724 Abs. 1 ZPO. Diese ist auch nicht nichtig, insbesondere ist die Klausel zutreffender weise von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und nicht vom Rechtspfleger erteilt worden. Die Verpflichtung gem. Ziffer 2. des Vergleiches bedarf nicht der sog. qualifizierten Klausel nach § 726 Abs. 1 ZPO, weil die Vollstreckung nicht von einer vom Gläubiger zu beweisenden Bedingung abhängt. Voraussetzung für die Vollstreckung ist – ähnlich einer sog. Verfallklausel – dass der Schuldner mit einer im Titel genau – nämlich in Ziffer 1 – bestimmten Zahlungsverpflichtung in Verzug gerät. Das Bestehen dieser Zahlungspflicht und die Zahlungsfrist ergeben sich aus dem Titel selber und bedürfen daher keines weiteren Beweises. Die Beweislast für die Erfüllung liegt aber schon nach allgemeinen Grundsätzen beim Schuldner und nicht beim Gläubiger (vgl. nur Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 286 Rn. 38 m.w.N.). Die Vollstreckung aus Ziffer 2) hängt damit nicht von einer durch die Gläubigerin nachzuweisenden Bedingung ab, so dass die Vollstreckungsklausel eine einfache, vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erteilende, ist (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 726 Rn. 14).
10Entgegen der Ansicht des Gerichtsvollziehers bedarf es keines gesonderten richterlichen Beschlusses, um zum Zwecke der Einstellung der Energieversorgung die Wohnung des Schuldners zu betreten.
11Dem Gerichtsvollzieher ist zunächst im Grundsatz dahingehend zuzustimmen, dass hier – anders als in dem der Entscheidung des BGH vom 10.08.2006 zugrunde liegenden Fallgestaltung – die Vollstreckung nicht aus einer gerichtlichen Entscheidung, sondern aus einem Prozessvergleich erfolgt. Wenn nach Art. 13 Abs. 2 GG, § 758a ZPO eine richterliche Anordnung erforderlich ist, würde eine solche hier danach fehlen. Das Gericht vermag sich insoweit nicht der entgegenstehenden Ansicht des LG Ansbach (Beschl. v. 30.07.1996, 4 T 786/96, DGVZ 1996, 174 f.) anzuschließen, welches die Ansicht vertritt, die Protokollierung eines Vergleiches (dort: Räumung) stelle eine gerichtliche Entscheidung dar, da der Richter vor der Protokollierung die Berechtigung der Beeinträchtigung der Unverletzlichkeit der Wohnung geprüft habe. Dem kann jedenfalls deshalb nicht gefolgt werden, weil der Protokollierung eines Vergleiches eine derartige Prüfung nicht vorausgeht. Vielmehr prüft der Richter bei der Protokollierung lediglich, ob die Parteien entsprechende übereinstimmende, auf den Abschluss eines Vergleiches gerichtete Willenserklärungen abgegeben haben. Das eine Sachprüfung nicht stattfindet, ist schon daran zu erkennen, dass das Gericht wohl kaum berechtigt sein dürfte, die Protokollierung eines Vergleiches abzulehnen.
12Hier bedarf es aber keiner richterlichen Anordnung, weil weder eine Durchsuchung im Sinne von Art. 13 Abs. 2 GG, § 758a Abs. 1 ZPO vorliegt, noch überhaupt ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 13 GG gegeben ist, denn Art. 13 GG schützt die Wohnung des Schuldners nur davor, dass diese von dem Vollstreckungsorgan gegen seinen Willen betreten wird. Hier hat sich der Schuldner aber in dem Vergleich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass zum Zwecke der Einstellung der Energieversorgung das Vollstreckungsorgan seine Wohnung betritt.
13Wie der Gesamtzusammenhang der in Art. 13 Abs. 1, 2 und 7 GG enthaltenen Regelungen ergibt, stellt nicht jeder Eingriff in die durch Art. 13 Abs. 1 GG grundsätzlich gewährleistete Unverletzlichkeit der Wohnung eine Durchsuchung dar. Eine Durchsuchung liegt vielmehr nur dann vor, wenn ein Betreten der ziel- und zweckgerichteten Suche nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines nicht bereits offenkundigen Sachverhalts, d.h. dem Aufspüren dessen dient, was der Wohnungsinhaber von sich aus nicht herausgeben oder offen legen will (BGH, Beschl. v. 10.08.2005, I ZB 126/05, Juris Rn. 8). Im Streitfall ist die danach durch Art. 13 Abs. 2 GG und - auf der Ebene des einfachen Rechts - durch §§ 758 , 758a ZPO besonders gesicherte Geheimsphäre des Schuldners nicht betroffen. Zur Durchführung der Versorgungseinstellung bedarf es keines Ausspähens und nicht der Ermittlung nicht offenkundiger Tatsachen. Hat der Schuldner nach dem Titel dem Gläubiger Zutritt zur Wohnung zu gewähren und in ihr bestimmte vorgegebene Handlungen zu dulden, geht es nicht um eine Durchsuchung (BGH a.a.O. m. zahlr. w. Nachw.). Der Streitfall ist mit dem Fall vergleichbar, dass ein Gericht den von ihm beauftragten Sachverständigen zum Betreten einer Wohnung ermächtigt. Auch in einem solchen Fall liegt keine Durchsuchung i.S. des Art. 13 Abs. 2 GG vor( BGH a.a.O.).
14Die von der Gläubigerin beantragte Vollstreckungsmaßnahme ist daher unter den Voraussetzungen zulässig, die bei Eingriffen in die Unverletzlichkeit der Wohnung gelten, die keine Durchsuchungen darstellen, wenn es sich überhaupt um einen derartigen Eingriff handeln würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Ein Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung liegt nämlich nicht vor, wenn der Schuldner mit dem Betreten der Wohnung einverstanden ist. So macht § 758a Abs. 1 ZPO ausdrücklich auch nur die Durchsuchung gegen des Willen des Schuldners von einer richterlichen Anordnung abhängig. Hier hat der Schuldner aber in Ziffer 2) den Beauftragten der Gläubigerin ausdrücklich das Betreten seines Hauses zum Zwecke der Einstellung der Energieversorgung gestattet. Dies umfasst bei der Vollstreckung auch das betreten durch den Gerichtsvollzieher.
15Ein Eingriff in das Grundrecht aus Art. 13 GG läge damit nur dann vor, wenn der Schuldner diese Einwilligung wirksam widerrufen hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Es kann dahin stehen, ob mit der wohl überwiegenden Ansicht davon auszugehen ist, dass die einmal erteilte Einwilligung jederzeit widerrufen werden kann (so z.B. Zöller-Stöber, a.a.O., § 758a Rn. 14 m.w.N.), denn dies kann sich nur auf die dem Gerichtsvollzieher bei der Vollstreckung abgegebene Erklärung beziehen. Insoweit bedarf es hier keiner Entscheidung, ob ein derartiger Widerruf nicht z.B. wegen Rechtsmissbrauchs oder aus sonstigen Gründen unbeachtlich ist, denn die Einwilligung des Schuldners ist schon deshalb nicht widerruflich, weil die Einwilligung wesentlicher Bestandteil eines gerichtlichen Vergleiches ist und die auf Zustimmung zum Vergleich gerichtete Willenserklärung des Schuldners gerade nicht frei widerruflich ist. Könnte der Schuldner die im Vergleich enthaltene Zustimmung zum Betreten seiner Wohnung frei widerrufen, würde mit einem derartigen Widerruf die prozessbeendende Wirkung des Vergleiches entfallen. Die Zustimmung stellt sich als Willenserklärung dar und diese ist grundsätzlich verbindlich. Die Zustimmung zu dem gerichtlichen Vergleich ist damit nicht frei widerruflich. Wenn aber der Schuldner seine Zustimmung zu dem Vergleich nicht widerrufen kann, kann er auch die darin erteilte Einwilligung in das Betreten seiner Wohnung nicht widerrufen, denn diese ist von der Willenserklärung, den Vergleich anzunehmen, umfasst.
16Seine gegenüber dem Gerichtsvollzieher erklärte Weigerung, diesem den Zutritt zu gestatten, stellt sich damit nicht als wirksamer Widerruf der einmal erteilten Einwilligung dar und ist deshalb unbeachtlich.
17Abgesehen davon stellt sich die Weigerung des Schuldners auch als rechtsmissbräuchlich dar. Der Schuldner hat sich mit einem Vergleich einverstanden erklärt und damit verhindert, dass das Gericht eine Entscheidung über den von der Gläubigerin gestellten Antrag, der diese gerade zum Betreten der Wohnung berechtigen sollte, entscheidet. Nunmehr eine solche Entscheidung zu fordern, verstößt zudem in eklatanter Weise gegen Treu und Glauben und wäre auch schon aus diesem Grunde unbeachtlich.
18Der Gerichtvollzieher war danach wie aus dem Tenor ersichtlich anzuweisen.
19Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
20Neugebauer
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