Urteil vom Amtsgericht Eschweiler - 26 C 50/16
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 1.10.2014 bis 31.1.2016 3511,40 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2016 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Klägerin nimmt die Beklagte aus übergeleiteten Ansprüchen auf Rückzahlung von schenkweise erhaltenen Beträgen in Anspruch. Die Beklagte ist Enkelin des am 7.5.1938 geborenen I. I. . Herr I. überwies an die Beklagte ab dem 1.7.1998 einen monatlichen Betrag i.H.v. 100,00 DM, nach Einführung des Euro monatlich 51,13 €. Die Zahlungen erfolgten schenkweise in Form eines Dauerauftrags bis einschließlich November 2015. Herr I. befindet sich seit dem 1.10.2014 in vollstationärer Heimpflege im B-Seniorenzentrum T, Fstraße 00-00, 0000 F.. Die Klägerin gewährt ihm seit dem 1.10.2014 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch zwölfter Teil (SGB XII) in Form der Hilfe zur Pflege in Heimen in der zurzeit geltenden Fassung. Die Hilfe wurde erforderlich, da Herr I. nicht in der Lage war und ist, den Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen und Vermögen zu bestreiten.
3Seiner eigenen Einkünfte aus Altersruhegeld i.H.v. 1185,41 € (ab 1.7.2015 monatlich 1206,22 €), sowie die Leistungen der Pflegekasse i.H.v. 1330,00 € (ab 1.2.2015 wegen Pflegestufenerhöhung monatlich 1612,00 €) und das Pflege Wohngeld in Höhe von monatlich 737,08 € reichen zur Deckung der ihm entstehenden Heimpflegekosten nicht aus. Diese werden kalendertäglich mit dem Altenheim abgerechnet und betragen in den Monaten mit 30 Kalendertagen 3332,40 € und in den Monaten mit 31 Kalendertagen 3443,48 €. Seit dem 1.10.2014 bis 31.2.2016 wurden durch die Klägerin für Herrn I. Sozialhilfeleistungen in Höhe von insgesamt 7022,79 € erbracht. Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Schenkungsrückforderungsanspruch nach § 528 BGB in Höhe der Hälfte des vorbenannten Betrags geltend, dies vor dem Hintergrund, dass gleichfalls ein Rückforderungsanspruch gegen die Cousine der Beklagten besteht. Die Schenkung Rückforderungsansprüche gegen die Beklagte wurden nach erfolgter Anhörung ab 1.10.2014 gemäß § 93 SGB XII auf die Klägerin übergeleitet.
4Die Klägerin ist der Auffassung, eine Pflicht-und Anstandsschenkung im Sinne des § 534 BGB liege nicht vor. Im vorliegenden Fall stünden keine Schenkungen aufgrund einer sittlichen Pflicht oder vor dem Hintergrund des Anstands in Rede.
5Die Klägerin beantragt,
6den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für die Zeit vom 1.10.2014 bis 31.1.2016 3511,40 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2016 zu zahlen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Zu Beginn der monatlichen Zuwendungen sei in keiner Weise abzusehen gewesen, dass der Großvater der Beklagten einmal pflegebedürftig werden würde. Die Zahlungen stellten sich als Pflicht-und Anstandsschenkungen gemäß § 534 BGB dar. Die Beklagte könne über das Guthaben nicht mehr verfügen, dass anderweitig verwendet worden sei. So habe sie einen PKW erworben und auch ihre Fahrerlaubnis damit finanziert.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
11Entscheidungsgründe
12Die zulässige Klage ist begründet.
13Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Durch die Überleitungsanzeige nach § 93 SGB XII ist die Klägerin als Sozialhilfeträgerin hinsichtlich der übergeleiteten Ansprüche in die Gläubigerposition des Schenkers eingetreten.
14Die Klägerin hat aus übergeleitetem Recht gegen die Beklagte einen Anspruch gemäß § 528 Abs. 1 BGB i.V.m. § 812 Abs. 1 S. 2 BGB auf Rückzahlung von schenkweise dargetanen 3511,40 €.
15Nach § 528 Abs. 1 S. 1 kann der Schenker von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern, soweit er nach der Vollziehung der Schenkung außer Stande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten und die ihm seinen Verwandten, seinem Ehegatten, seinem Lebenspartner oder seinem früheren Ehegatten oder Lebenspartner gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu erfüllen. Der Großvater der Beklagten -der Schenker- ist nach dem unstreitigen Vorbringen der Klägerin außer Stande, seinen angemessenen Lebensunterhalt zu bestreiten.
16Eine Pflicht-und Anstandsschenkung im Sinne des § 534 BGB liegt vorliegend nicht vor. Eine sittliche Pflicht muss aus den besonderen Umständen des Einzelfalles erwachsen und das Ausbleiben einer Belohnung als sittlich anstößig erscheinen lassen (BGH NJW 2000,3488). Im vorliegenden Fall vermag das Gericht nicht festzustellen, dass das Ausbleiben der monatlichen Zahlungen des Großvaters an die Beklagte Enkelin als sittlich anstößig angesehen werden könnte.
17Auch eine Anstandspflicht vermag das Gericht nicht zu erkennen. Hierunter fallen gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke, insbesondere Geburtstags-, Weihnachts-, Neujahrs-und Hochzeitsgeschenke. Entscheidend ist, ob die Unterlassung des Geschenks zu einer Einbuße an Achtung führen würde. Dass dem Großvater bei Unterlassen von monatlichen Geldzuwendungen die unabhängig von besonderen Anlässen, wie bestandenen Schulprüfungen, Geburtstagen, Weihnachten erbracht werden, weniger an Achtung entgegengebracht werden würde, wäre nicht zu erwarten gewesen.
18Nach Auffassung des Gerichts stellt die Tatsache, dass der Großvater der Beklagten in nicht nur zu bestimmten besonderen Anlässen Geld zuwendete, sondern einen Dauerauftrag mit regelmäßigen Spar-Raten in gleich bleibender Höhe zu Gunsten der Beklagten einrichtete, weder eine sittliche Verpflichtung, noch eine aus dem Anstand erwachsende Pflicht dar.
19Zwar mag der Beklagten zuzustimmen sein, dass es in der heutigen Zeit verbreitet und durchaus üblich ist, dass Eltern ihren Enkelkindern sporadisch einen Obolus oder Taschengeld zukommen lassen. Im vorliegenden Fall sind aber Zahlungen in Höhe von über 10.000 € an die Beklagte gezahlt worden. Bei Zahlungen in dieser Höhe ist nicht mehr von einem Taschengeld zu sprechen.
20Dem Rückforderungsanspruch und dessen Überleitung auf den Sozialhilfeträger steht auch nicht entgegen, dass das Geschenk, wenn es dem Schenker verblieben wäre, zu dessen Schonvermögen gehört hätte (BGH, Urteil vom 19.10.2004, X ZR 2 / 03, zitiert nach juris).
21Die Beklagte vermag auch nicht mit dem Einwand durchzudringen, dass zum Zeitpunkt des Beginns der monatlichen Zahlungen (1998) in keinster Weise abzusehen gewesen sei, dass der Großvater der Beklagten einmal pflegebedürftig werden oder die Unterbringung in einem Pflegeheim erforderlich werden würde, denn ansonsten wären länger zurückliegende Schenkung Rückforderungsansprüche grundsätzlich nicht mehr durchsetzbar.
22Die Beklagte kann sich auch nicht auf Entreicherung berufen. Obwohl der Schenkungsrückforderungsanspruch von der Klägerin im April 2015 übergeleitet wurde und streitbefangen ist, will die Beklagte von dem ersparten Betrag einen PKW erworben und die Kosten zum Erwerb des Führerscheins bezahlt haben. Zum einen hat die Klägerin in der Replik vom 14.4.2016 bestritten, dass der streitgegenständliche Betrag von der Beklagten vollumfänglich anderweitig verwendet wurde. Beweis hierfür hat die Beklagte nicht erbracht. Im übrigen war die Beklagte bei der Verwendung des Geldes bösgläubig. Letztlich dürfte die Bereicherung auch nach dem Vorbringen der Beklagten auch deshalb nicht weggefallen sein, weil die Beklagte einen Gegenwert erhalten hat.
23Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.
24Streitwert: 3.511,40 EUR
25Rechtsbehelfsbelehrung:
26Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
271. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
282. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
29Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Aachen, Adalbertsteinweg 90, 52070 Aachen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
30Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Aachen zu begründen.
31Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Aachen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
32Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Referenzen
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