Urteil vom Amtsgericht Essen - 12 C 463/85
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 368,85 DM dreihundertachtundsechzig 85/100- nebst 4 % Zinsen seit dem 28.07. 1985 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Ein Wohngebäude des Klägers ist bei der Beklagten unter anderem gegen Leitungswasserschäden versichert, dem Versicherungsverhältnis der Parteien liegen die VGB 1968 zugrunde.
3Im Februar 1985 trat an einer Verbindungsstelle der Abflußleitungen von Waschbecken und Badewanne unterhalb des Fußbodens des nicht unterkellerten Bades im versicherten
4Haus ein Defekt auf. Die Abflußleitung verläuft dort unmittelbar unter dem Fußboden, innerhalb der Grundmauern. Die Reparatur kostete 368,85 DM. Die Beklagte wurde zum 28.06.1985 vergeblich zur Zahlung gemahnt.
5Der Kläger hält dafür, die Beklagte schulde Versicherungschutz für den Schadenfall.
6Der Kläger beantragt,
7wie erkannt.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Die Beklagte hält dafür, Abflußleitungen unerhalb der Gebäude (wenn auch innerhalb derGrundmauern) verliefen nicht in einem geschlossenen Raum und seien nach den Bedingungen nicht versichert.
11Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Die Klage ist begründet. Die Beklagte schuldet gemäß §§ 1 Absatz 1 Satz 1 VVG, 2, 4 VGB, 284 ff BGB den Ersatz der Reparaturkosten der Abwasserleitungen nebst Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe.
14A.
15Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß abgesehen von der Frage, ob die Schadens stelle versichert ist, ein versicherter Schaden aufgetreten ist, mithin ein Rohrbruch vorgelegen hat. Die Beklagte hat die Schadensstelle besichtigt.
16Der Höhe nach ist der Schaden zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig.
17B.
18Die konkrete Schadensstelle fällt unter den Deckungsumfang des Versicherungsvertrages der Parteien.
191.
20Gemäß den maßgebenden VGB sind die im Versicherungsschein aufgeführten Gebäude mit ihren Bestandteilen (§ 2) und nach Maßgabe der Regelungen über den Umfang der Leitungswasserversicherung (§ 4 VGB) versichert. § 4 Nummer 2 VGB bestimmt, daß unter die Leitungswasserversicherung Schäden durch Rohrbruch fallen, die an Ableitungsrohren "innerhalb der versicherten Gebäude" (a) auftreten, während "außerhalb der versicherten Gebäude" solche Schäden im wesentlichen nur an Zuleitungs rohren in den Versicherungsschutz einbezogen werden.
212.
22Die Parteien sind sich einig, daß der Schaden an Abflußrohren unterhalb des Fußbodens eines nicht unterkellerten Bades eingetreten ist, daß aber diese Schadensstelle in der Waagerechten zwischen tragenden Fundamenten liegt.
233.
24Diese Schadensstelle fällt nach Auffassung des erkennenden Gerichts unter den Deckungsumfang des Versicherungsvertrages.
25a)
26Es ist nicht zweifelhaft, daß Abflußleitungen unmittelbar unter dem Fußboden eines Wohngebäudes noch zu den ( wesentlichen, § 93 f BGB ) Bestandteilen des versicherten Gebäudes gemäß § 2 VGB zu zählen sind (so auch LG Köln (nicht Hamburg), RUS 1977,263 f).
27b)
28Die Schadens stelle liegt darüber hinaus "innerhalb" des versicherten Gebäudes.
29Bei einer Würdigung des Wortlauts der Versicherungsbedingungen muß in erster Linie darauf abgestellt werden, welches der objektive Erklärungsinhalt für den verständigen Leser ist (§§ 133, 157 BGB). Für den Benutzer eines nicht unterkellerten Gebäudes liegen aber Leitungen, die unmittelbar unter der Fußbodenoberfläche liegen, "innerhalb" und nicht außerhalb des Gebäudes. Anders liegt der Fall sicherlich nach dem Austritt der Abwasserleitungen aus dem seitlich-äußeren Umriß des Gebäudes. Von dieser Stelle an dürfte kein Zweifel darüber bestehen, daß sich die Leitung außerhalb des Gebäudes befindet. Hingegen sind Leitungen, die man nur von innerhalb des Gebäudes erreicht, die nur tatsächlich zugänglich werden,wenn innerhalb des Gebäudes gearbeitet wird, eher als auch im Sinne der Versicherungsbedingungen innerhalb gelegen anzusehen.
30Kein Zweifel wird daran bestehen können, daß Leitungen, die sich mindestens teilweise in Mauern befinden, noch inner- halb des Gebäudes liegen (so auch LG Köln a.a.O.).
31Fraglich kann daher nur sein, ob die Leitungsteile, die zwar in der Waagerechten zwischen tiefer als der Kellerboden reichenden Fundamenten liegen, die aber unterhalb des Kellerbodens liegen, als innerhalb oder außerhalb des Gebäude liegend anzusehen sind. Zwar hat die Rechtsprechung verschiedentlich die Unterkante des Kellerbodens als Grenze des Gebäudes angesehen, also das in der Waagerechten zwischen den Fundamentmauern liegende Erdreich und die dort liegenden Rohre nicht mehr dem Gebäudeinneren zugerechnet (LG Köln a.a.O.; seinerseits wieder gestützt auf LG Hamburg, VersReCht 70, 1004). Beide Entscheidungen überzeugen aber nicht.
32Bei der Auslegung ist der technisch übliche Sachverhalt, der erfaßt und geregelt werden soll, zu berücksichtigen. Abflußleitungen sind in aller Regel, praktisch durchgängig, so verlegt, daß die Falleitungen bis zur Unterkante des Kellerfußbodens geführt werden, um sodann dort durch waagerecht verlaufende Rohre gesammelt und nach außen geführt zu werden. Gemäß dem typischen Grundrißplan von Häusern bedeutet dieser Sachverhalt, daß die Abflußleitungen unterhalb des Kellerfuß- bodens waagerecht an verschiedenen Stellen durch die bei Hausbauten üblichen Fundamente (Streifenfundamente) hindurchgeführt werden. Die Auffassung der vorerwähnten Gerichte müßte dazu führen, daß die Abflußleitungen, soweit sie innerhalb der Fundamente und damit sicherlich innerhalb des Gebäudes liegen, von den gleich angrenzenden Teilen, die nunmehr unterhalb des Kellerfußbodens liegen, rechtlich getrennt werden.
33Entsprechende rechtliche Unterschiede müßten mit Rücksicht auf das mehrfache Durchbrechen von Streifenfundamenten, wie es häufig bis üblich vorkommt, bei einer Abwasserrohrleitung \ eines Hauses gleich mehrfach auftreten. Vor allem aber der Bereich, in dem die Abwasserleitung schließlich durch das umgrenzende äußere Fundament hindurch nach außen geführt wird, wäre wiederum als innerhalb des Gebäudes liegend anzusehen, während die Stücke davor unter dem Kellerfußboden außerhalb des Gebäudes im Sinne der Versicherungsbedingungen lägen. Dieses Ergebnis erscheint willkürlich und dem normalen Leser der Versicherungsbedingungen auch. kaum verständlichzu machen. Ein derartiger Unterschied läßt sich auch nicht durch die übrigen Begründungen der beiden vorerwähnten Urteile rechtfertigen. Abflußleitungen unmittelbar unterhalb der Kellersohle beinhalten keineswegs zwingend ein höheres technisches Schadenrisiko.
34Leitungen befinden sich an diesen Stellen regelmäßig besonders geschützt. Sie werden nämlich durch die äußeren Fundamentringe der Gebäude eingegrenzt. Üblicherweise sind Gebäude heute so beschaffen, daß durch die Kelleraußenwände keinerlei Wasser oder sonstige schädigende Einflüsse mehr eindringen und auf die Rohre einwirken. Unterhalb des Kellerfußbodens pflegt es deshalb regelmäßig trockener zu sein als außerhalb der Gebäude. Erschütterungen können unterhalb des Kellerfußbodens auch weniger einwirken als außerhalb des äußeren Umrisses des Gebäudes. Ohne dies unterliegen die im Erdreich regelmäßig zu verlegenden Ton- oder Hartplastikrohre praktisch keiner Verwitterung oder Abnutzung.
35Es ist für den Normalfall auch keineswegs so, daß bei Schäden unterhalb des Kellerfußbodens mit höherem Reparaturaufwand zu rechnen ist als bei Schäden außerhalb des äußeren seitlichen Umrisses von Gebäuden. Das Aufstemmen eines Kellerfußbodens ist in der Regel nicht schwierig. Es dürfte im allgemeinen einfacher sein als das Aufstemmen von unter Umständen tragenden Hauswänden, in denen Abflußleitungen in der Senkrechten meistens verlegt sind. Demgegenüber ist ein Zugang zu seitlich außerhalb des Gebäudes befindlichen Abflußleitungen regelmäßig nur mit erheblichem Aufwand möglich. Es muß eine Grube ausgehoben werden., was wegen der notwendigen Vorsicht meist nur von Hand erfolgen darf, die Grube muß zum Arbeiten hinreichend groß werden und muß entspreChend abgeböscht und/oder gesichert werden. Das ist im Ansatz weitaus aufwendiger, als das Aufstemmen eines normalen Kellerfußbodens.
36Zumindest bleibt zu erwägen, daß die auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten anzuwendende Unklar- heitenregel (§ 5 AGBG) dazu fUhren muß, die Abflußleitungen unmittelbar unterhalb des untersten Hausfußbodens, aber noch in der Waagerechten zwischen den Fundamenten, als innerhalb des Gebäudes anzusehen. Dieses Auslegungsprinzip konnte 1969 (Landgericht Hamburg, Versicherungsrecht 1970, 1004) und Anfang 1976 (Landgericht Köln, RuS 1977, Seite 263) noch nicht bedacht werden, da das Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im wesentlichen erst am 01.04. 1977 in Kraft getreten ist. Unklar aber ist die Versicherungsbedingung zumindest deshalb, weil sie bei der Auslegung, die die Beklagte vornimmt, die Abflußleitung unterhalb des Kellerfußbodens in der Regel in verschiedene Abschnitte einteilt, die versichert sind, weil sie zum Beispiel das Fundament kreuzen, oder nicht versichert sind, weil sie zwischen den Fundamenten aber unterhalb des Kellerfußbodens liegen. Eine solche Art "gestückelter" Versicherung von Abflußleitungen erschließt sich dem verständigen Leser der VGB sicherlich nicht ohne weiteres, sie ist unklar. Hinzu kommt, daß derartige Auslegung die Grundsatzvorschrift des § 2 VGB beschränkt, weshalb sie als Ausnahmeregelung nach allgeIlrl.nen Auslegungsgrundsätzen eng auszulegen ist. Denn die Abflußleitung ist zumindest bis zum seitlichen Austritt aus dem Gebäude wesentlicher Bestandteil des Gebäudes und damit grundsätzlich vom Versicherungsschutz umfaßt, § 2 VGB. Auch wenn man die Abflußleitungen nicht nur in den Fundamentdurchführungen, sondern auch unterhalb des Kellerbodens einschließt, bleibt der Regelungsgehalt des § 4 Nummer 2 VGB noch sinnvoll.
37Es werden dann nämlich nur die seitlich außerhalb des Gebäudes austretenden Abflußleitungen vom Versicherungsumfang nicht eingeschlossen. Nicht mehr in diesem Sinne eng sondern zu Unrecht extensiv - ist aber eine Auslegung, die Leitungen unterhalb des Gebäudes in verschiedene Abschnitte zerlegen muß, die teils innerhalb (Fundamentdurchbrüche), teils außerhalb (Zwischenfundamenten) liegen.
38Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nummer
3911,713 ZPO.
40C
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