Urteil vom Amtsgericht Essen - 20 C 5/87
Tenor
Das Versäumnisurteil vom 20.05.1987 wird insoweit aufrechterhalten, als der Beklagte zur Zahlung von 64,62 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28.11.1986 verurteilt worden ist.
Im übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abge-wiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 33 % und der Be-klagte zu 67 % mit Ausnahme der durch die Säumnis des Beklagten im Termin am 20.05.1987 veranlaßten Kosten; diese fallen allein dem Be-klagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Beklagte befand sich am 09.12.1985 in augenärztlicher Behandlung beim Kläger. Auf Grund der Untersuchungen, über deren Umfang zwischen den Parteien Streit besteht, diagnostizierte der Kläger Myopie und Exophorie und ermittelte - 1,75 Dioptrien für das rechte und - 0,25 für das linke Auge.
3Die Untersuchung des Beklagten wies einen mittleren Schwierigkeitsgrad auf und verlangte einen durchschnittlichen Zeitaufwand. Mit Schreiben vom 18.12.1985 stellte der Kläger dem Beklagten für die von ihm erbrachten Leistungen 141,51 DM in Rechnung, dem Schreiben war eine Anlage zur Liquidation beigefügt, die Erläuterungen zu den Ziffern der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) enthielt.
4Auf den Inhalt der Rechnung sowie ihre Anlagen wird Bezug genommen (Blatt 10 und 12 der Akten). Den einzelnen Rechnungspositionen war eine Codierungsnummer vorangestellt, die sich auf das gemäß § 4 Absatz 1 GOÄ erstellte Gebührenverzeichnis (Anlage zur GOÄ) bezog. Insgesamt machte der Kläger acht Einzelpositionen geltend, wovon sich sieben auf persönliche und eine auf medizinisch-technische Leistungen bezogen. Bei seiner Rechnung ging der Kläger ohne nähere Begründung von einem Steigerungssatz gemäß § 5 GOÄ für persönliche Leistungen in Höhe vom 2,3-fachen des Einfachsatzes, für die medizinisch-technischen Leistungen nach dem 1,8-fachen des Einfachsatzes aus. Der Beklagte überwies lediglich 45,90 DM und lehnte im übrigen eine Bezahlung mit der Begründung ab, nach der GOÄ könne der Kläger maximal diesen Betrag verlangen.
5Mit Schreiben vom 17.11.1986 unter Fristsetzung zum 27.11.1986 forderte der Kläger den Beklagten fruchtlos zur Zahlung des Rechtes auf.
6Der Kläger behauptet, die im einzelnen in der Rechnung spezifizierten Leistungen erbracht zu haben.
7Die Behandlung habe an der oberen Sorgfaltsgrenze gelegen und er habe das ihm eingeräumte Ermessen bei dem Ansatz der geforderten Vergütung im Sinne des § 5 Absatz 2 GOÄ billig ausgeübt.
8Er ist der Meinung, dass gemäß § 5 Absatz 2 GOÄ der Gesetzgeber es dem billigem Ermessen des Arztes überlassen habe, die zwischen dem einfachen und 2,3-fachen Gebührensatz liegende sogenannte "Regelspanne" bis zum Schwellenwert von 1,8-fach für medizinisch-technische Leistungen und 2,3-fach für persönliche Leistungen auszuschöpfen.
9Mit Schriftsatz vom 27.10.1987, eingegangen bei der Geschäftsstelle um 16.00 Uhr, behauptet der Kläger nunmehr unter Beweisantritt, dass die Untersuchung etwa 25 Minuten gedauert habe. Die Untersuchung habe angesichts des Zeitaufwandes insgesamt erheblich über den Durchschnitt gelegen. Im übrigen wird auf den Schriftsatz vom 27.10.1987 (Blatt 86 bis 91 der Akten) Bezug genommen.
10Der Beklagte ist durch Versäumnisurteil vom 20.05.1987 verurteilt worden, an den Kläger 95,91 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18.11.1986 zu zahlen. Gegen das ihm am 23.05.1987 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 05.06.1987, eingegangen beim Gericht am 08.06.1987, Einspruch eingelegt.
11Der Kläger beantragt,
12das Versäumnisurteil vom 20.05.1987 aufrechtzuerhalten.
13Der Beklagte beantragt,
14das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
15Der Beklagt bestreitet, im Rahmen seiner Behandlung vom Kläger eingehend untersucht worden zu sein, es seien weder die in der Rechnung behaupteten subjektiven und objektiven Refraktionsbestimmungen vorgenommen noch die unter den Honorarziffern 1216, 1256, A 091 und A 020 genannten Leistungen erbracht worden. Es habe keine eingehende Untersuchung stattgefunden, die Untersuchung habe lediglich 10 Minuten gedauert. Innerhalb dieser Zeit habe der Kläger noch 5 Minuten mit seinem Steuerberater telefoniert. Die unter der Honorarziffer A 091 und A 020 geltend gemachten Leistungspositionen seien nicht indiziert gewesen. Die Klage sei nicht schlüssig, weil der Kläger nicht begründet habe, weshalb er vom 2,3-fachen beziehungsweise 1,8-fachen Steigerungssatz bei den Leistungen ausgegangen sei.
16Im übrigen seien diese Steigerungssätze unangemessen.
17Desweiteren habe die Rechnung gegen § 12 GOÄ verstoßen, da dort nicht zwischen medizinisch-technischen und ärztlichen Leistungen unterschieden worden sei.
18Hilfsweise rechnet der Beklagte mit einer Schadensersatzforderung in Höhe von 103,04 DM auf.
19Er behauptet, die vom Kläger ermittelten Brillenwerte seien falsch, eine anderweitige Konsultation eines Augenarztes sei dadurch erforderlich gewesen. Die bei einer Untersuchung am 16.01.1986 durch die Dres. C2 und Z-W ermittelten Werte von - 2,0 Dioptrien für das rechte und von -0,5 für das linke Auge seien richtig. Der Beklagte ist der Ansicht, der Kläger sei ihm wegen der zusätzlichen Behandlungskosten schadensersatzpflichtig. Der Kläger bestreitet, dass eine Behandlung stattgefunden habe, sowie die Dioptrienwerte ermittelt worden seien, und behauptet, dass die von ihm ermittelten Dioptrienwerte richtig seien. Desweiteren bestreitet er die Höhe der vom Beklagten behaupteten Honorarforderung von 103,04 DM. Desweiteren behauptet er, eine Abweichung von 0,25 Dioptrien auf jedem Auge sei die kleinste mit den heutigen Apparaturen nachweisbare und meßbare Größe. Ein solcher Unterschied werde von dem Patienten auch nicht objektivierbar wahrgenommen. Es sei vielmehr von dem Empfinden des Patienten und seiner jeweiligen Tagesform abhängig, ob eine Berücksichtigung von ¼ Dioptrien mehr erfolgen müsse.
20Da insoweit bei jeder Untersuchung von leicht unterschiedlichen Meßparametern ausgegangen würde, könne, soweit lediglich eine Abweichung von 0,25 Dioptrien vorliegt, nicht von falschen oder richtigen Untersuchungsbefunden gesprochen werden.
21Im übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
24I.
25Der Kläger hat einen Anspruch auf 64,62 DM aus §§ 611 Absatz 1 2. Halbsatz, 612 Absatz 1, 2 BGB in Verbindung mit §§ 4, 5 GOÄ.
261.
27Zwischen den Parteien ist unstreitig ein Dienstvertrag zustande gekommen, da der Kläger den Einsatz seines fachlichen Könnens gemäß dem ärztlichen Berufswillen zum Zwecke der Heilung des Patienten geschuldet hat.
28Hierfür steht dem Kläger eine gemäß der GOÄ in Verbindung mit ihrer Anlage zu § 4 berechnete Vergütung zu, da es sich bei der GOÄ um eine Taxe im Sinne des § 612 Absatz 2 1. Halbsatz BGB handelt (Palandt-Putzo, BGB, 44. Auflage 1985, § 612 Anmerkung 3 a). Dies ist zwischen den Parteien dem Grunde nach auch nicht streitig.
292.
30Es ist davon auszugehen, dass dem Kläger Gebühren auf Grund der von ihm in der Honorarrechnung ausgewiesenen Gebührenpositionen zustehen, weil er die entsprechenden Leistungen erbracht hat.
31a)
32Entgegen der Auffassung des Beklagten kommen dem Kläger Gebühren nach Nummer 1 und Nummer 65 des Gebührenverzeichnisses zu § 4 Absatz 1 GOÄ zu Gute.
33Dass dem Kläger eine Gebühr nach Nummer 1 des Verzeichnisses für eine normale Behandlung zusteht, bezweifelt auch der Beklagte nicht. Dem Kläger kommt aber daneben auch die Honorarposition Nummer 65 für eine eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Untersuchung zu. Der Kläger hat im Schriftsatz vom 01.07.1987 im einzelnen dargelegt, dass er für die binokulare Untersuchung des Augenhintergrundes (im Normalfall Position 1242 des Gebührenverzeichnisses) die Position Nummer 65 des Verzeichnisses in Ansatz gebracht hat, weil er bei der Untersuchungsmaßnahme nicht die Pupille der Beklagten geweitet habe.
34Damit hat der Kläger eine in sich schlüssige und nachvollziehbare Begründung für diese Position gegeben, die der Beklagte auch inhaltlich nicht substantiiert mehr angegriffen hat. Die Berechnung der Position Nummer 1 und 65 des Gebührenverzeichnisses nebeneinander ist grundsätzlich zulässig. Dies ergibt sich aus den Allgemeinen Bestimmungen zum Gebührenverzeichnis (Bundesratsdrucksache Nummer 295/82 Teil B I), wonach die Position 1 neben bestimmten anderen Leistungen aus den Abschnitten B III und C - O des Gebührenverzeichnisses nur 1 X berechnet werden darf. Da insoweit in den Allgemeinen Bestimmungen eine Regelung zu Position 65 fehlt, wegen der enumerativen Aufzählung von einer abschließenden Regelung auszugehen ist, bestehen gegen die einmalige Inansatzbringung neben den Positionen der Nummern 1200 ff. und Nummer 1 keine Bedenken.
35b)
36Soweit der Beklagte die weiteren in Ansatz gebrachten Positionen dem Grunde nach bestritten hat, weil diese nicht erbracht beziehungsweise die Positionen A 091 und A 020 nicht indiziert gewesen seien, so ist sein Bestreiten unbeachtlich. Angesichts des detaillierten und eingehenden Vortrages des Klägers zu jeder einzelnen Position und der Tatsache, dass der Beklagte an der Untersuchung selbst teilgenommen hat, reicht einfaches Bestreiten nicht aus. Der Grundsatz des § 138 Absatz 1 ZPO gebietet eine vollständige und wahrheitsgemäße Erklärung zu den vom Kläger behaupteten Tatsachen. Dem Beklagten hätte es angesichts dessen oblegen, die einzelnen Positionen konkret zu bestreiten.
37Desweiteren ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte an den Kläger vorbehaltlos 45,90 DM erbracht hat mit der Bemerkung, dies sei der nach der GOÄ maximal zu berechnende Betrag. Eine Entschlüsselung dieses Teilbetrages ergibt, dass es sich dabei um die Summe der in Rechnung gestellten Einfachsätze mit Ausnahme der Position 1 und 65 handelt. Damit steht sein vorprozessual unstreitiges Verhalten im inneren Widerspruch zu seinem Vortrag im jetzigen Verfahren und führt zur Unbeachtlichkeit seiner Einwendungen.
383.
39Den Berechnungen des Klägers ist jedoch nur ein Steigerungssatz gemäß § 5 Absatz 1, Absatz 2 Satz 4 GOÄ Leistungen und von 1,4 hinsichtlich der medizinisch-technischen Leistungen zugrunde zu legen. Hierbei geht das Gericht davon aus, dass es sich um eine Untersuchung mittleren Schwierigkeitsgrades und durchschnittlichen Zeitaufwandes handelte.
40a)
41§ 5 GOÄ ermöglicht dem Arzt eine Festlegung der Gebührenhöhe im Rahmen eines normative eingeräumten Ermessens. Insoweit ist ihm grundsätzlich eine Steigerungsmöglichkeit zwischen dem 1 bis 3,5-fachen des Gebührensatzes eröffnet. Im Regelfall darf eine Gebühr aber nur "zwischen dem einfachen und dem 2,3-fachen des Gebührensatzes bemessen werden" (§ 5 Absatz 2 Satz 4 GOÄ). Bei medizinisch-technischen Leistungen wird gemäß § 5 Absatz 3 GOÄ der Höchstwert im Regelfall auf das 1,8-fache des Gebührensatzes begrenzt. Das Gericht ist der Meinung, dass bei einer Untersuchung mittlerer Schwierigkeit und durchschnittlicher Zeitdauer bei persönlichen ärztlichen Leistungen in der Regel von einem Gebührensteigerungssatz von 1,65 und bei medizinisch-technischen Leistungen von 1,4 auszugehen ist, soweit nicht die in § 5 Absatz 2 Satz 1 GOÄ näher beschriebenen Qualifizierungsmerkmale eine Abweichung nach oben gebieten. Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eben diese Qualifikationsmerkmale, nämlich die Schwierigkeit, der Zeitaufwand der Einzelleistung, die Umstände bei der Ausführung oder die örtlichen Verhältnisse eine Einstufung des Gebührensteigerungssatzes an der oberen Regelspanne des § 5 Absatz 2 Satz 4 GOÄ rechtfertigen. Auch bei Anwendung der Regelspanne hat der Arzt innerhalb des eröffneten Rahmens vom 1 bis 2,3-fachen oder 1 bis 1,8-fachen unter Berücksichtigung der nach § 5 Absatz 2 Satz 1 GOÄ genannten Kriterien eine Einstufung vorzunehmen. Deshalb kann nicht in jedem Fall ohne weiteres der Höchstsatz der Regelspanne Anwendung finden. Mit seiner Meinung findet sich das Gericht im Einklang mit der Entscheidung des Amtsgerichts Braunschweig, NJW 1985, 689 und der überwiegend in der greifbaren Literatur vertretenen Meinung (Brück, Kommentar zur Gebührenordnung für Ärzte, Stand 01.03.1986, § 5 GOÄ Anmerkung 1, 1.2; Wetzel/Liebhold, Handkommentar zur BMÄ, E-GO und GOÄ, Stand Oktober 1987, § 5 GO Anmerkung zu II; Didier, Anmerkung zum Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 01.10.1984, NJW 1985, 689 f; Schwabe, ZRP 1987, 271; a. A. Hoffmann, GOÄ, Stand Januar 1984, § 5 Erläuterung 5). Insgesamt besteht insoweit Einigkeit, dass die ständige Praxis bei der ärztlichen Privatliquidation nicht mit der gebotenen Auslegung des Verordnungstextes übereinstimmten (Brück, am angegebenen Ort, Anmerkung 1.1). Die Richtigkeit dieses Ansatzes ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 5 Absatz 2 Satz 4 GOÄ. Danach darf nämlich die Gebühr nur "zwischen" dem einfachen und dem 2,3-fachen bemessen werden. Dies eröffnet einerseits ein Ermessen des Arztes, bei der Einstufung seiner Gebührenforderungen die Lagerung des Einzelfalles zu beachten. Auf keinen Fall ist es zulässig, sich stets an der oberen Grenze der Regelspanne, dem sogenannten Schwellenwert zu orientieren. Dies wird zu Recht auch in dem Erfahrungsbericht zur Anwendung der GOÄ der Bundesregierung vom 18.12.1985 (siehe bei Brück, am angegebenen Ort, 1.1.) bemängelt. Auch die teleologische Auslegung nach Sinn und Zweck der Norm führt zu keinem anderen Ergebnis. Mit der Eröffnung von Gebührenrahmen hat der Gesetzgeber dem Arzt einen frei verantwortlichen Entscheidungsbereich überlassen, um der Vielfalt der in der ärztlichen Praxis auftretenden Konstellationen gerecht werden zu können, denen eine starre, verbindliche Regelung des Gebührensatzes nicht entsprechen würde. Das damit eingeräumte Ermessen bedeutet auch gleichzeitig eine Pflicht des Arztes, so dass die in der Praxis zu beobachtende Tendenz, sich auf den Schwellenwert festzulegen, dem offensichtlichen Bemühen des Gesetzgebers entgegensteht. Dies wird nicht zuletzt auch durch den Rückgriff auf die Materialien der GOÄ bestätigt, worin eindeutig zu § 5 Absatz 2 ausgeführt wird, dass bei mittleren Schwierigkeit und durchschnittlichem Zeitaufwand eine Gebühr innerhalb der Spanne vom 1 bis 2,3-fachen des Gebührensatzes zu bemessen ist (Regelspanne), Bundesratsdrucksache 295/82. Der Auslegung, die Hoffmann dem § 5 Absatz 2 Satz 4 GOÄ zugrunde legt (am angegebenen Ort, § 5 Erläuterung 5) ist deshalb nicht zu folgen.
42Die Regelspanne verlangt eine Abstufung nach Schwierigkeit, Zeitaufwand, örtlichen Verhältnissen und besonderen Umständen. Auch schwierige und zeitaufwendige Untersuchungen müssen innerhalb der Regelspanne untergebracht werden, denn eine Überschreitung des Schwellenwertes ist nur bei überdurchschnittlichem Zeitaufwand und außergewöhnlichen Schwierigkeiten zulässig (Brück, am angegebenen Ort, § 5 Anmerkung 1.2.). Angesichts dessen ist zweifelhaft, den Schwellenwert nur als Grenze einer Beweislastregel anzusehen, wie dies in der neuesten Auflage des Kommentars von Brück geschieht (am angegebenen Ort, 1.2). Entscheidend bleibt alleine unter Vermeidung jedes Schematismus, der durch die Norm gerade vermieden werden soll, ob die Bemessungskriterien des § 5 Ab Satz 2 Satz 1 GOÄ im Einzelfall die Festlegung des Arztes rechtfertigen. Dabei ist vorab zu berücksichtigen, dass schon die Bewertung der einzelnen Leistungen in der Leistungslegende des Gebührenverzeichnisses besondere Zeitaufwendung und Schwierigkeiten der Untersuchungen berücksichtigt.
43Die Besonderheiten der Leistungserbringung dürfen insofern nicht doppelt in Ansatz gebracht werden. Dies entspricht gerade bei der Geltendmachung eines vermehrten Zeitaufwandes für eine besonders restriktive Handhabung, weil gerade bei vermehrtem Zeitaufwand die persönliche Leistungsfähigkeit des Arztes seinen Niederschlag findet. Wenn auch in der Literatur ein graduell ansteigender Multiplikator innerhalb der Regelspanne, deren oberer Bereich für durchschnittlich gelagerte Leistungserbringung erreicht werden könnte, herangezogen wird (Brück, am angegebenen Ort, Anmerkung 1.2.), so bedarf es bei der Bestimmung des Steigerungswertes durch die gerichtliche Praxis innerhalb der Regelspanne eines festen Anhaltspunktes, der bei bloßen Vortrag einer mittleren Schwierigkeit und eines durchschnittlichen Zeitaufwandes einer Untersuchung nur in dem Mittelpunktwert der Regelspanne gesehen werden kann (so auch Didier, NJW 1985, 690). Dies bedeutet keine unbillige Benachteiligung des Arztes, da es ihm obliegt, die Besonderheiten des Einzelfalles, die zu seinem Ansatz geführt haben, im Streitfall näher darzulegen. Dies entspricht der herrschenden Meinung zur Beweislast- und Darlegungsverteilung durch den zur Leistungsbestimmung Berechtigten bei der Ausübung seines billigen Ermessens im Rahmen des § 315 BGB (Palandt-Heinrichs, am angegebenen Ort, § 315 Anmerkung 5). Der Kläger hat keine näheren Tatsachen außerhalb der Auflistung der einzelnen Gebührenpositionen vorgebracht, die die nach § 5 Absatz 2 Satz 1 GOÄ bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen auszufüllen vermögen. Seine Behauptung, es habe sich um eine Untersuchung im oberen Sorgfaltsbereich gehandelt, reicht hierzu nicht aus, da bei der ärztlichen Tätigkeit angesichts der naturgegebenen Hochwertigkeit der gefährdeten Rechtsgüter stets von einer Sorgfalt im obersten Bereich auszugehen ist, was dann nicht als Besonderheit des Einzelfalles herangezogen werden kann.
44b)
45Das Vorbringen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 27. Oktober 1987 ist gemäß §§ 296 Absatz 2, 282 Absatz 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen, weil die Zulassung des Vorbringens den Rechtsstreit verzögern würde. Dabei ist es unerheblich, wie der Verzögerungsbegriff bestimmt wird, da zum einen der Rechtsstreit in seinem jetzigen Stadium insgesamt durch eine Neuterminierung verzögert würde, wenn man nur auf den Zeitpunkt des Vortrages abstellt, jedoch auch eine Verzögerung festzustellen ist, wenn man in hypothetischer Betrachtungsweise vergleicht, ob der Rechtsstreit bei rechtzeitigem Vorbringen länger gedauert hätte. Auch letzteres wäre der Fall, da bei rechtzeitigem Vortrage die nun vorgetragenen Aspekte bei der Terminsvorbereitung hätten berücksichtigt werden und eventuell durch vorbereitende Zeugenladungen hätte Beweis erhoben werden können. Der Rechtsstreit wäre dann aller Voraussicht nach im Termin am 28.10.1987 zur Entscheidungsreife gelangt.
46Durch den verspäteten Vortrag hat der Kläger gegen seine in § 288 Absatz 1 ZPO niedergelegte Prozeßförderungspflicht verstoßen. Seine nunmehr, vom bisherigen Vortrag hinsichtlich der Länge der Untersuchung und der Schwierigkeit abweichenden Behauptungen stellen Angriffs- und Verteidigungsmittel tatsächlicher Art dar, die bei weitem früher hätten vorgebracht werden können. Hierzu bestand auf Grund der Prozeßlage schon im Anfangsstadium hinreichender Anlaß. Denn um die Frage, ob ein mittlerer Wert innerhalb der Regelspanne oder der Schwellenwert selbst anzusetzen sein könnte, wurde schon vorprozessual und von Anfang an in dem vorliegenden Rechtsstreit gestritten. Schon vor dem Prozeß hatte der Beklagte erkennen lassen, dass es ihm wesentlichen auf den Ansatz des Steigerungssatzes ankam. Im Schriftsatz vom 08.02.1987 hat er diesen Aspekt aufgegriffen und im Schriftsatz vom 05.06.1987, also mehr als 4 1/2 Monate vor dem letzten Termin, den Ansatz von 1,65 beziehungsweise 1,4 des Steigerungssatzes konkret benannt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Kläger Anlaß gehabt, seine bisherigen, pauschalen Ausführungen zur Qualität der Untersuchung zu spezifizieren. Da es gerade im Kern um diesen Punkt ging, war der Tatsachenvortrag des Klägers früher zuzumuten. Der Kläger durfte nicht davon ausgehen, dass ein früherer Vortrag zu einer unnötigen Ausweitung des Prozeßstoffes geführt hätte (vergleiche Zöller-Stephan, ZPO, 15. Auflage 1987, §§ 277 Randnummer 1, 282 Randnummer 3).
47Dem Kläger musste sich aufdrängen, dass für die Entscheidung des Rechtsstreites von entscheidender Bedeutung war, dass die näheren Umstände der Untersuchung in tatsächlicher Hinsicht vollständig und wahrheitsgemäß dem Gericht unterbreitet wurden. Einen Beweisantritt der Untersuchung hat er ebenfalls erst im Schriftsatz vom 27.10.1987 erbracht.
484.
49Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die Vergütungsforderung des Klägers auch fällig geworden, da eine nach § 12 GOÄ zu beurteilende ordnungsgemäße Rechnung vorgelegen hat. Selbst wenn, was angesichts des enumerativen Charakters der Norm nicht naheliegt, eine eindeutige Unterscheidungsmöglichkeit zwischen ärztlichen und medizinisch-technischer Leistung erkennbar sein muss, so wäre dieses Erfordernis erfüllt, da in der Anlage zur Rechnung die medizinisch-technischen Leistungen besonders gekennzeichnet worden sind.
505.
51Die Berechnung nach dem Steigerungssatz von 1,65 beziehungsweise 1,4 für die medizinisch-technische Leistung ergibt eine Gesamtsumme von 110,52 DM, von der die gezahlten 45,90 DM abzusetzen sind, was den im Tenor ausgeworfenen Betrag ergibt.
52II.
53Der Vergütungsanspruch ist auch nicht durch Aufrechnung des Beklagten erloschen, §§ 387, 389 BGB.
54Für das Vorliegen einer positiven Vertragsverletzung des Behandlungsvertrages durch den Kläger sind Tatsachen nicht hinreichend vorgetragen. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger eine objektive Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Den eingehenden Ausführungen zu dem Vortrag des Klägers hinsichtlich möglicher Abweichungen der Dioptrienwerte ist der Beklagte nicht mehr substantiiert entgegengetreten. Dies wäre insbesondere deswegen erforderlich gewesen, weil auch die zweite Untersuchung durchaus dieselbe Diagnose erbracht hat.
55Darüber hinaus wäre der Beklagte angesichts des zulässigen Bestreitens des Klägers hinsichtlich der Richtigkeit der neu gefundenen Dioptrienwerte und der Umstände ihrer Ermittlung gehalten gewesen, für die Tatsachen, aus denen auf eine Pflichtverletzung des Klägers hätte geschlossen werden können, Beweis anzutreten. Dies hat der Beklagte nicht getan, so dass er insoweit auch beweisfällig geblieben wäre.
56III.
57Auf Grund des Mahnschreibens des Klägers vom 17.11.1986 mit Fristsetzung zum 27.11.1986 befindet sich der Beklagte mit dem geschuldeten Betrag in Verzug, § 284 Absatz 1 BGB, und ist zur Zahlung von 4 % Zinsen, § 288 Absatz 1 ZPO, verpflichtet.
58IV.
591.
60Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Absatz 1, 269, 344 ZPO.
612.
62Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nummer 11, 713 ZPO.
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