Urteil vom Amtsgericht Essen - 23 C 548/93
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 495a Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.
2Entscheidungsgründe:
3Die zulässige Feststellungsklage ist unbegründet, weil die Beklagte das Girokonto der Klägerin wirksam - ausschließlich gestützt auf Nr. 26 Abs. 1 S. 1 der Allgemeinen Geschäftsbebedingungen der Beklagten -gekündigt hat.
4Nach dieser Klausel ist die ordentliche Kündigung sowohl des Kunden als auch der T jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist möglich, soweit keine abweichenden Vorschriften oder anderweitigen Vereinbarungen dem entgegenstehen. Die Kündigung der Beklagten erfolgte mit Schreiben vom 14.07.93 zum 01.09.93. Zwischen den Parteien bestand keine anderweitige Vereinbarung, die diese Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen hätte. Auch abweichende Vorschriften stehen der Kündigung nicht entgegen.
5Das Giroverhältnis ist ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, daß durch dienstvertragliche Elemente geprägt ist. Da der Girovertrag Dienste höherer Art zum Gegenstand hat, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, kann er nach §§ 675, 671, 627 BGB gekündigt werden (BGH, ZIP 1991, 435, 436; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Auflage 1988, Randnummer 489). Die danach ohne Einhaltung einer Frist und ohne Angabe von Gründen mögliche Kündigung hat die Beklagte mit Schreiben vom 14.07.93 ausgesprochen und damit der Klägerin ausreichend Zeit gegeben, sich auf die Beendigung des Giroverhältnisses einzustellen, sich insbesondere bei einem anderen Kreditinstitut um ein entsprechendes Giroverhältnis zu bemühen. Die Beklagte hat damit den gesetzlichen Anforderungen nach §§ 675, 671 Abs. 2, 627 Abs. 2, die in Nr. 26 Abs. 1 S. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ihren Niederschlag gefunden haben und die Kündigung zur Unzeit ausschließen, Rechnung getragen. Nr. 26 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbefindungen der Beklagten ist auch nicht unter Berücksichtigung des AGBG zu beanstanden.beanstanden. Nach § 9 Abs. 1 AGBG sind nämlich Bestimmungen in AGB nur dann unwirksam, wenn sie einem Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben in unangemessener Weise benachteiligen. Gemäß § 9 Abs. 2 s. 1 AGBG ist eine solche Benachteiligung gegeben, wenn die Vertragsbestimmungen mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen, von den abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Bereits eine Abweichung von gesetzlichen Grundsätzen ist aber nicht feststellbar. In §§ 671 Abs. 2, 627 Abs. 2 BGB läßt der Gesetzgeber nämlich für den Fall der entgeltlichen Geschäftsbesorgung grundsätzlich die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit ohne Angabe von Gründen zu.
6Die Kündigung vom 14.07.93 ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 226 BGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist die Ausübung eines Rechtes nämlich nur dann unzulässig, wenn sie lediglich den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen. Die insoweit gebotene objektive Betrachtung der gesamten Umstände des vorliegenden Falles ergibt nichts dafür, daß vernünftigerweise jeder andere Zweck für die Kündigung als die Benachteiligung der Klägerin ausgeschlossen ist.
7Die Kündigung verstößt auch nicht deshalb gegen den Grundsatz von Treu und Glauben {§ 242 BGB) weil der Klägerin die einzig mögliche Kontoverbindung genommen wurde. Insoweit wäre daran zu denken ob sich ein solches Kündigungsverbot praktisch als Spiegelbild eines Kontrahierungszwanges ergeben könnte.
8Allerdings hätte die Beklagte der Klägerin gegenüber eine faktische Monopolstellung wenn die Klägerin nachweisen könnte, daß die anderen Banken und die wie Banken arbeitenden öffentlichen Einrichtungen gestützt auf die Vertragsautonomie die Einrichtung einer Bankverbindung ablehnen. In einem solchen Fall wäre zu prüfen gewesen, ob die Beklagte die Kontoverbindung mit der Klägerin lediglich aus wichtigem .Grund kündigen könnte. Eine politische Gruppierung benötigt nämlich in der heutigen Zeit nach Auffassung des erkennenden Gerichtes eine Kontoverbindung für ihre Teilnahme am Rechtsverkehr. Im Falle einer faktischen Monopolstellung wäre der T, die eine bestimmte Gruppierung zunächst als Kunden aufgenommen und dann über einen gewissen Zeitraum mit dieser Geschäfte gemacht hat unter Umständen zuzumuten, diesen Kunden zu behalten, wenn dieser bei anderen Banken keine Kontoverbindung erreichen kann und eine wesentliche Störung der Geschäftsbeziehung nicht vorliegt. Die Klägerin behauptet jedoch selbst nicht, daß es ihr nicht möglich wäre, bei einer anderen Bank ein Girokonto zu eröffnen. Zudem kann die Klägerin bei der Deutschen Bundespost ein Postgirokonto einrichten. Dieser - einklagbare - Anspruch ergibt sich aus § 8 Postgesetz in Verbindung mit § 3 Postgiroordnung.
9Zwar verweist die Klägerin zu recht auf § 8 T-Verordnung, wonach auch für die T ein Kontrahierungszwang unter den in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen besteht, jedoch nach dem eindeutigen Wortlaut nur gegenüber natürlichen Personen. Die Klägerin hingegen ist ein - wenn auch nicht rechtsfähiger - Verein. Ein Kontrahierungszwang wäre deshalb nur dann in Betracht zuziehen, wenn einzelne Mitglieder der Klägerin Kontoinhaber wären, was vorliegend nicht der Fall ist (vgl. zu vorstehenden Ausführungen auch LG Essen, Urt.v. 07.11.1986, 1 S. 87/86; (AG Essen Urt.v. 6.12.1985, 21 C 773/85).
10Die Kündigung vom 14.07.93 verstößt auch nicht wegen der von der Beklagten zur Begründung angeführten Tatsachen gegen das aus § 242 BGB abzuleitende Willkürverbot.
11Wie bereits ausgeführt, durfte die Beklagte das Konto der Klägerin jederzeit ohne Begründung - mit den oben genannten Beschränkungen - kündigen. Deshalb kann eine eventuell gegebene Begründung der ordentlichen Kündigung nicht bewirken, daß diese unwirksam ist. Daß die Beklagte die Gründe der Kündigung bereits bei Abschluß des Girovertrages kannte bzw. kennen mußte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Rechtsausübung ist zwar unzulässig, wenn durch das Verhalten des Berechtigten ein Vertrauenstatbestand entstanden ist und der andere Teil im Hinblick hierauf bestimmte Dispositionen getroffen hat. Auch wenn es nicht zu bestimmten weiterwirkenden Dispositionen gekommen ist, kann das Vertrauen des anderen Teils auf das Verhalten des Berechtigten schutzwürdig sein {Palandt-Heinrichs, 52. Auflage, § 242 BGB. Rndr., 56 mit weiteren Nachweisen).
12Demgemäß wird ein Verstoß gegen § 242 BGB insbesondere für Mietverträge angenommen, wenn der Vermieter die Eigenbedarfskündigung auf Gründe stützt, die ihm schon bei Vertragsschluß bekannt waren (Palandt-Heinrichs, a.a.O., Rndr. 56 mit weiteren Nachweisen). Dieser Aspekt ist jedoch nicht verallgemeinerungsfähig, insbesondere nicht auf den vorliegenden Vertragstyp anwendbar. Bei Mietverträgen bedarf die Kündigung üblicherweise eine Begründung; ferner kommt dem Mieterschutz schon nach den gesetzlichen Regelungen (vgl. insbesondere SS 556 a, 564 A 564 b, 565 BGB) eine besondere Bedeutung zu, während der Schutz des Aufraggebers bei Geschäftsbesorgungsverträgen nicht in diesem weiteren Umfang ausgestattet ist. Die ordentliche Kündigung ist nämlich ohne Begründung möglich und steht lediglich unter den Beschränkungen der §§ 671 Abs. 2, 627 Abs. 2 BGB. Zudem führt eine Kündigung zur Unzeit lediglich zu einem Schadensersatzanspruch der Bankkunden, nicht jedoch zur Unwirksamkeit der Kündigung selbst (vgl. § 671 II 2 BGB). Eine gewisse Bindung der T hinsichtlich der ordentlichen Kündigung des Girovertrages bestand zwar unter der Geltung von Nr. 17 der vor 1993 geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der T; denn nach dieser Klausel konnte die Bank - ebenso wie der Kunde - die Geschäftsverbindung nur nach "freiem Ermessen" einseitig aufheben. Dieser Zusatz ist dahingehend auszulegen, daß die Bank damit verspricht, eine Beendigung der Geschäftsbeziehung nicht ohne sachlichen Grund vorzunehmen. Insoweit bedeutet "freies Ermessen", daß die Kündigung in zeitlicher Hinsicht an die Billigkeitserfordernisse des § 315 BGB geknüpft ist (Löwe/Graf von Westphalen Großkommentar zum AGBGesetz, Band 3, 2, Auflage, "Banken-AGB", Rndr. 49; Graf von Westphalen, WH 1980. 1406, 1419) Nr. 26 Abs. 1 S. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der T in der nun gültigen Fassung verwenden den Begriff des Ermessens nicht jedoch binden sich die T dahingehend, daß den "berechtigten Belangen " des Kunden angemessen Rechnung zu tragen ist, insbesondere nicht zur Unzeit gekündigt wird, vgl. Nr. 26 Abs. 1 S. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Auch insoweit wird dem zeitlichen Aspekt der Kündigung, wie es der gesetzlichen Regelung in §§ 671 Abs. 2, 627 Abs. 2 BGB entspricht. Rechnung getragen, ohne jedoch eine weitergehende als zeitliche Einschränkung der ordentlichen Kündigung mit der Konsequenz einer umfassenden Interessenabwägung der Parteien des Girovertrages zu bewirken, oder das Kündigungsrecht für bestimmte Fälle ganz auszuschließen.
13Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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