Urteil vom Amtsgericht Essen - 12 C 4/13
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 806,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.02.2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist seit dem 12.09.1996 mit der Verbrauchsstelle C in 45136 Essen zur Kundennummer ### und zur Vertragskontonummer *** Kunde bei der Beklagten und bezieht Gaslieferungen nach dem Tarif des Sonderabkommens SOA 1.
3Die Beklagte erhöhte unter Bezugnahme auf die Preiserhöhungsklausel des Sonderabkommens die Arbeitspreise in mehreren Fällen. Die Klägerin erhob erstmals mit Schreiben vom 07.01.2005 gegen die Preiserhöhungen der Beklagten Widerspruch und wiederholte dies mit weiterem Schreiben vom 28.10.2006.
4In dem Verfahren Amtsgericht Essen 15 C 554/10 machte die Klägerin insoweit Rückforderungsansprüche für den Zeitraum 18.10.2005 bis 15.10.2010 geltend. In dem genannten Verfahren verlangte die Klägerin für den genannten Zeitraum die Erstattung der Differenz in Höhe von insgesamt 1.591,42 € zwischen dem Arbeitspreis SOA 1, Stand: 30.09.04, netto 0,035 € pro kW/h, und den bezahlten Arbeitspreisen. Durch Urteil vom 13.07.2011 wurde die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.247,98 € nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Beklagte nahm die zunächst eingelegte Berufung in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer am 17.01.2013 zurück.
5Im hiesigen Verfahren ist streitgegenständlich der Bezugszeitraum vom 17.10.2009 bis zum 31.08.2011. Die Klägerin legt dabei den vertraglich vereinbarten Anfangspreis von (umgerechnet) 0,023 € pro kW/h zu Grunde. Für den Zeitraum 17.10.2009 bis 15.10.2010 macht sie dabei die Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten Anfangspreis von 0,0230 € pro kW/h und dem in dem Verfahren Amtsgericht Essen 15 C 554/10 zu Grunde gelegten Arbeitspreis von 0,035 € pro kW/h geltend. Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.02.2013 wurde die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 15.02.2013 erfolglos dazu aufgefordert, den errechneten Betrag zu erstatten.
6Die Klägerin meint, dass sie aufgrund der Grundsätze aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.03.2013, Aktz.: VIII ZR 113/11, und den verschiedenen Berufungsurteilen des Landgerichts Essen berechtigt sei, ihren Rückforderungen den vertraglich vereinbarten Anfangspreis von 0,023 € pro kW/h zu Grunde zu legen. Denn die Beklagte hätte nach dem Widerspruch vom 07.01.2005 den Vertrag zum 11.09.2005 kündigen können. Beginnend mit dem 12.09.2005 habe sie, die Klägerin, daher nur noch den vertraglich vereinbarten Anfangspreis von 0,023 € pro kW/h geschuldet. Bei dem Verfahren Amtsgericht Essen 15 C 554/10 habe es sich um eine zulässige Teilklage gehandelt. Selbst wenn man das Verfahren als verdeckte Teilklage ansehen wollte, stehe nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fest, dass die Rechtskraft des einer verdeckten Teilklage in vollem Umfang stattgebenden Urteils Mehr- und Nachforderungen aus demselben Sachverhalt nicht ausschließe. Die Klägerin meint ferner, dass die Beklagte auch zur Zahlung der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verpflichtet sei. Die Nichtzahlung der Hauptforderung stelle sich als Vertragsverletzung dar, da mittlerweile die Rechtspositionen geklärt seien und die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, ihr, der Klägerin, die geltend gemachten Beträge zurückzuerstatten.
7Die Klägerin beantragt,
8die Beklagte zu verurteilen, an sie 806,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.02.2013, sowie der nicht anrechenbaren Teil vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.02.2013 zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte meint, dass der Anspruch für den Zeitraum vom 17.10.2009 bis zum 15.10.2010 schon deshalb unbegründet sei, weil die Jahresrechnung vom 29.10.2010, die den benannten Zeitraum erfasse, bereits rechtskräftig in dem Verfahren Amtsgericht Essen 15 C 554/10 abgeschlossen worden sei. Hinsichtlich des verbleibenden streitgegenständlichen Zeitraums vom 16.10.2010 bis zum 31.08.2011 bestehe der geltend gemachte Rückforderungsanspruch in erheblich geringerem Umfang, als die Klägerin dies vortrage. Maßgeblich sei aufgrund des Widerspruchs vom 07.01.2005 der am 07.01.2002 geltende Arbeitspreis von ca. 3,73 Cent pro kW/h. Es sei nicht auf den vertraglich vereinbarten Anfangspreis ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Kündigungsmöglichkeit nach dem erfolgten Widerspruch abzustellen. Eine derartige Aussage befinde sich an keiner Stelle der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus März 2012. Das Abstellen auf den Zeitpunkt der jeweiligen Kündigungsmöglichkeit stelle sich auch per se als unzulässig dar. Denn insofern sei zu berücksichtigen, dass von den Kartellbehörden einem als marktbeherrschend eingestuften Versorgungsunternehmen ein zum Zwecke der Preisanpassung ausgeübtes Kündigungsrecht nicht zugestanden werde.
12Die Akte Amtsgericht Essen 15 C 554/10 ist zu Informationszwecken beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Die Klage ist zulässig und mit Ausnahme der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auch begründet.
16I.
17Die Klage ist zulässig.
18Der für den Zeitraum 17.10.2009 bis 15.10.2010 geltend gemachten Rückforderung in Höhe von 446,65 € steht nicht entgegen, dass für diesen streitgegenständlichen Abrechnungszeitraum bereits eine rechtskräftige Entscheidung besteht. In dem Verfahren Amtsgericht Essen 15 C 554/10 wurde unter anderem die Differenz zwischen dem Arbeitspreis von netto 0,035 € pro kW/h und den bezahlten Arbeitspreisen für den genannten Zeitraum geltend gemacht. Nach Auffassung des Gerichts handelte es sich insoweit um eine ausdrückliche Teilklage. Auch wenn die Klägerin in dem genannten Verfahren den Begriff „Teilklage“ mit keinem Wort verwendete, so ergibt sich dies doch aus ihrem Parteivortrag in dem genannten Verfahren. Es wird insoweit verwiesen auf Blatt 5, 139, 144, 145 und 382 der Beiakte. So ist dort davon die Rede, dass der „höchstens wirksame Preis von max. 0,035 € pro kW/h“ geltend gemacht wird, bzw. „lediglich der über 0,035 € hinausgehende Mehrbetrag.“ Damit wurde deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin eigentlich davon ausgeht, die Rückforderungen auch auf den Anfangspreis stützen zu können, ihrer Klage aber vorsorglich den Arbeitspreis zum Stand 30.09.04 zugrunde legt. Nach Auffassung des Gerichts kann im Ergebnis aber auch dahin gestellt bleiben, ob in dem Verfahren Amtsgericht Essen 15 C 554/10 eine offene oder eine verdeckte Teilklage erhoben wurde. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schließt nämlich die Rechtskraft des einer verdeckten Teilklage im vollen Umfang stattgebenden Urteils Mehr- oder Nachforderungen aus demselben Sachverhalt grundsätzlich nicht aus (vgl. BGH NJW 1997,1990). Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung handelt es sich bei dem 13.07.2011 in dem Verfahren Amtsgericht Essen 15 C 554/10 verkündeten Urteil um ein im vollen Umfang der Klage stattgebendes Urteil im Sinne der oben genannten Rechtsprechung. Zwar wurde die Klage in dem Verfahren Amtsgericht Essen 15 C 554/10 durch Urteil vom 13.07.2011 zum Teil abgewiesen. Ausweislich Seite 14 der Entscheidungsgründe (Bl. 281 Beiakte) betraf die Klageabweisung jedoch lediglich Rückforderungsansprüche der Klägerin in Höhe von 343,53 € aus der Rechnung vom 23.10.2006, weil diese Forderung verjährt war. Dem Rückforderungsverlangen für die auch hier streitgegenständliche Rechnung vom 29.10.2010 für die Zeit vom 17.10.2009 bis 15.10.2010 wurde dagegen in voller Höhe entsprochen. Im Übrigen käme es nach Auffassung des Gerichts auf die Abgrenzung offene/verdeckte Teilklage auch nicht an. Nach zutreffender Auffassung ist die Gleichbehandlung mit der offenen Teilklage nämlich auch bei voller oder teilweiser Klageabweisung geboten (h.M., Nachweise bei Zöller/Vollkommer, vor § 322, Rdn. 48).
19II.
20Die Klage ist hinsichtlich der Hauptforderung in vollem Umfang begründet.
21Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 806,73 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Var. BGB.
22Soweit die Klägerin auf die Rechnungen der Beklagten vom 29.10.2010 und 13.09.2011 aufgrund der Preiserhöhungen Zahlungen leistete, die auf einem erhöhten Arbeitspreis beruhten, sind die Zahlungen mangels wirksamer vertraglicher Grundlage ohne Rechtsgrund erfolgt.
23Streitig ist insoweit zwischen den Parteien allein die Frage, ob der ursprünglich vertraglich vereinbarte Preis von 0,023 € kW/h zu Grunde gelegt werden durfte. Dies ist nach Auffassung des Gerichts der Fall. Das Gericht folgt insoweit der überzeugenden Rechtsprechung der für das erkennende Gericht zuständigen Berufungskammer des Landgerichts Essen. Danach hat der Versorger so lange Vertrauensschutz und kann die zuletzt vor dem Stichtag (3 Jahre vor Widerspruch) berechneten Preise verlangen, soweit er keinen Anlass hat, aufgrund eines Widerspruchs des Einzelkunden eine Kündigung in Betracht zu ziehen. Maßgeblich ist, wann der Versorger kündigen kann, nachdem er diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen Anlass hatte. Dies war hier seit der Widerspruchseinlegung durch die Klägerin am 07.01.2005 der Fall. Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie die Kartellwidrigkeit einer solchen Kündigung hätte befürchten müssen. Nach ihrem Vorbringen haben die Kartellbehörden es als missbräuchlich angesehen, wenn Energieversorgungsunternehmen sich dem Einwand, eine von ihnen vorgenommene einseitige Preisanpassung sei unbillig, dadurch entzogen haben, dass sie das Vertragsverhältnis gekündigt haben. Darum geht es hier nicht, weil der gegenständliche Vertrag nicht zur Umgehung von Billigkeitsprüfungen gekündigt worden wäre. Die Beklagte hätte dadurch lediglich der Gefahr entgehen können, wegen der unwirksamen Preiserhöhungsklausel nicht einmal gestiegene Gestehungskosten weitergeben zu können. Hierin kann aber keine Kartellwidrigkeit gesehen werden (vgl. zu allem das der Klageschrift beigefügte Urteil des Landgerichts Essen vom 03.01.2013, Aktz.: 10 S 312/11).
24Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 280, 286, 288 BGB gerechtfertigt. Durch die Aufforderung zur Zahlung bis zum 15.02.2013 befand sich die Beklagte seit dem 16.02.2013 in Zahlungsverzug.
25III.
26Dagegen hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,39 € aus § 280 Abs. 1 BGB. Insoweit fehlt es jedenfalls an einem Verschulden der Beklagten im Sinne des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Das Vorbringen der Beklagten ist insoweit schon deshalb plausibel im Sinne der sogenannten Plausibilitätskontrolle und damit nicht schuldhaft fehlerhaft, weil sich das Abstellen auf den vertraglich vereinbarten Anfangspreis im Falle der Möglichkeit einer Kündigung nach Auffassung des Gerichts den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 14.03.2012 nicht ohne weiteres entnehmen lässt.
27IV.
28Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
29V.
30Der Streitwert wird auf 806,73 € festgesetzt.
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Referenzen
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