Urteil vom Amtsgericht Essen - 18 C 334/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die Rückzahlung laufzeitunabhängiger Bearbeitungsgebühren für vier Darlehensverträge.
3Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners H (Anlage A1, Bl. 26 ff. GA). Aufgrund des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners vom 04.09.2012 wurde durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 11.09.2012 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und der Kläger als Insolvenzverwalter bestellt.
4Der Insolvenzschuldner schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Dresdner Bank, am 10.02.2009 vier Verbraucherdarlehensverträge. Unter Ziff. 4 der Verträge heißt es, dass für den zugesagten Kredit ein einmaliges Bearbeitungsentgelt berechnet werde. Dieses werde mit Zustandekommen des Vertrags fällig und spätestens mit Auszahlung/erster Teilzahlung des Kredits dem Kreditkonto belastet. Die Bearbeitungsgebühren gelangten nicht zur Auszahlung sondern verblieben bei der Beklagten. Im Rahmen dessen vereinbarten die Parteien jeweils Bearbeitungsgebühren wie folgt (Anl. A2, Bl. 31 ff. GA):
5- 6
Kreditnummer 1 680 080 05 965,00 €,
- 7
Kreditnummer 1 680 080 06 945,00 €,
- 8
Kreditnummer 1 680 080 07 375,00 €,
- 9
Kreditnummer 1 680 080 08 250,00 €.
Sämtliche Verträge wurden aufgrund von Zahlungsrückständen jeweils mit Schreiben vom 17.08.2012 gekündigt und der Insolvenzschuldner zugleich zur Zahlung des Schlusssaldos aufgefordert (Anl. B1-B4, Bl. 93 ff. GA). Mit Schreiben vom 11.12.2014 forderte der Kläger die Beklagte sodann zur Rückzahlung der Bearbeitungsgebühren auf. Hierauf erklärte die Beklagte unter dem 20.01.2015 (Bl. 76 GA) die Aufrechnung. mit Gegenforderungen.
11Der Kläger meint, die Zahlung des Bearbeitungsentgelts stelle eine rechtsgrundlose Bereicherung der Beklagten und damit zugleich eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 InsO dar. Folglich stehe einer Aufrechnung § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegen. Die Unentgeltlichkeit sei nach objektiven Umständen zu bewerten. Einseitigen Vorstellungen des Leistungsempfängers käme keine Bedeutung zu, selbst wenn der Irrtum durch den Schuldner hervorgerufen worden sei. Zudem liege eine Gläubigerbenachteiligung vor, da die Bearbeitungsentgelte im verkürzten Zahlungsweg geleistet worden seien und damit das Aktivvermögen des Insolvenzschuldners verringert habe.
12Der Kläger beantragt,
13die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 2.535,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 11.02.2009 zu zahlen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie meint, bei den mitkreditierten Bearbeitungsentgelten handele es sich nicht um anfechtbare Rechtshandlungen gemäß § 134 InsO. Es fehle bereits an einer Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 InsO. Weder sei die Aktivmasse verkürzt noch sei ein Anstieg auf der Passivseite festzustellen. Die Verrechnung sei vielmehr masseneutral. Darüber hinaus liege keine zur Anfechtung berechtigende unentgeltliche Leistung vor, da der Schuldner in der irrigen Annahme einer Leistungsverpflichtung geleistet habe.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der dem Gericht überreichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Die zulässige Klage ist unbegründet.
20Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 1, Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der von dem Insolvenzschuldner bezahlten Bearbeitungsgebühren in Höhe von insgesamt 2.535,00 €. Die formularmäßig vereinbarte Klausel unter Ziff. 4 AGB über die Erhebung des Bearbeitungsentgelts stellt eine Preisnebenabrede dar und hält als solche einer Inhaltskontrolle nicht stand (BGH, Urteil vom 13. Mai 2014 – XI ZR 170/13 –, juris). Im Übrigen ist zwischen den Parteien unstreitig, dass diese Forderung besteht.
21Allerdings ist der Anspruch untergegangen, § 389 BGB. Die Beklagte hat wirksam gegen den klägerischen Anspruch mit ihrer Forderung auf Zahlung der Darlehensbeträge (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB) aufgerechnet.
22Nachdem die Beklagte ihre Darlehensrückzahlungsansprüche am 17.08.2012 fällig gestellt hat, lag eine Aufrechnungslage im Sinne des § 387 BGB vor. Die Beklagte hat die Aufrechnung erklärt, § 388 BGB.
23Gemäß § 94 InsO wird das Recht zur Aufrechnung nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens berührt, wenn im Eröffnungszeitpunkt ein Insolvenzgläubiger zur Aufrechnung berechtigt ist. So ist es hier, da zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 11.09.2012 die Aufrechnungslage bereist bestanden hat. Die Forderung der Beklagten auf Rückzahlung der Darlehen ist mit der sofortigen Fälligstellung durch die Kündigung vom 17.08.2012 entstanden und stand ab diesem Zeitpunkt dem Rückzahlungsanspruch des Klägers in aufrechenbarer Weise vor der Insolvenzeröffnung entgegen.
24Darüber hinaus stehen der Aufrechnung auch keine insolvenzrechtlichen Bestimmungen entgegen. Insbesondere ist die Aufrechnung nicht gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 129 ff. InsO unzulässig. Das wäre nur dann der Fall, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Die vorliegend allein in Betracht kommende Insolvenzanfechtung gemäß § 134 InsO setzt voraus, dass eine unentgeltliche Leistung des Insolvenzschuldners gegeben war.
25Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich bei der Leistung des Bearbeitungsentgelts um eine entgeltliche Leistung. Entgeltlichkeit liegt immer dann vor, wenn der Leistung des Schuldners eine ausgleichende Gegenleistung gegenüber steht und Leistung und Zuwendung voneinander abhängen (Hirte, in: Uhlenbruck/Ede, InsO, 14. Aufl. 2015, § 134 Rn. 18 m.w.N.). Zunächst stellt die bewusste Bezahlung einer nicht bestehenden Verbindlichkeit eine unentgeltliche Leistung dar. Im Übrigen kann die rechtsgrundlose Leistung nicht generell als entgeltlich eingestuft werden. So liegt in dem vorliegenden Fall einer unbewusst rechtsgrundlosen Leistung keine Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO vor (AG Friedberg (Hessen), Urteil vom 25. Oktober 2015 – 2 C 318/15 (12) –, juris; AG Göttingen, Urteil vom 13. Januar 2016 – 21 C 97/15 –, juris). Dabei kommt es im Wesentlichen auf die objektive Werthaltigkeit der Leistung an (Hirte/Ede, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 134 Rn. 47 f.).
26Die Entgeltlichkeit ergibt sich daraus, dass der Insolvenzschuldner die Darlehensvaluta nur erhalten hat, da er den Vertrag mit der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin geschlossen hat, wodurch er unter anderem der Leistung eines Bearbeitungsgeldes zugestimmt hat. Andernfalls wäre der Vertrag wohl nicht zustande gekommen. Das Bearbeitungsentgelt wurde dabei für die Bearbeitung und Bewilligung eines Darlehens erhoben. Es ist damit Teil der Gegenleistung für die Kapitalüberlassung. Das zeigt sich zudem in der Bezeichnung als „Bearbeitungsentgelt“.
27Eine andere Bewertung ergibt sich nicht daraus, dass das Bearbeitungsentgelt in Wirklichkeit rechtsgrundlos geleistet worden ist. Die bewusste Bezahlung einer nicht bestehenden Verbindlichkeit steht einer unentgeltlichen Leistung hier nicht gleich. Denn dem Insolvenzschuldner war zum Zeitpunkt der Leistung nicht bewusst, dass er nicht leisten musste, so dass er tatsächlich zur Tilgung einer Schuld geleistet hat. Hierfür spricht der Schutzzweck des § 134 InsO, der dahin geht, dass der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung weniger schützenswert sein soll als Gläubiger, deren Forderungen ein entgeltliches Geschäft zu Grunde liegt, da der unentgeltlich Leistende keine Gegenleistung erbracht hat (Hirte/Ede, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, Rn. 2 m.w.N.). Bei einem teilweise unerkannt nichtigen oder anfechtbaren Vertrag wurden jedoch trotz der Unwirksamkeit bereits gleichwertige Leistungen ausgetauscht. Der Anfechtungsgegner hat seine Gegenleistung daher erbracht, so dass es dem Schutzzweck des § 134 InsO entgegenlaufen würde, ihn einer Insolvenzanfechtung auszusetzen (AG Friedberg (Hessen), Urteil vom 25. Oktober 2015 – 2 C 318/15 (12) –, Rn. 25, juris; Hirte/Ede, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 134 Rn. 48).
28Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
29Der Streitwert wird auf 2.535,00 € festgesetzt.
30Rechtsbehelfsbelehrung:
31A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
32a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
33b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
34Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
35Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Essen zu begründen.
36Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Essen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
37Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
38B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Essen statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
39Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.