Urteil vom Amtsgericht Essen-Borbeck - 6 C 353/00
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 839,12 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 05.05.2000 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 3/5, der Kläger 2/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn ... Dieser hatte die Beklagte beauftragt, ihn in allen steuerlichen Angelegenheiten seines Betriebes zu vertreten, insbesondere seine Buchführung sowie die Jahresabschlüsse und
3Steuererklärungen zu erstellen.
4Nach dem Vortrag in der Klageschrift geschah dies Anfang des Jahres 1998. Im Schriftsatz der Beklagten vom 31.08.2000 (Blatt 43 der Akten) heißt es. HerrS... habe ihr diesen Auftrag anläßlich eines Erstgespräches erteilt, dass am 18.03.1998 in ihrem vormaligen Büro im Hause ... Essen. stattgefunden habe. Am 04.05.1998 habe sie dann die ersten Unterlagen erhalten.
5Mit Rechnungen vom 31.05.99 (Anlagen 3 und 5 zur Klageschrift, Blatt 11 und 13 der Akten) forderte die Beklagte jeweils "einen Vorschuss gemäß §. 8 Steuergebühren-verordnung" in Höhe von 1.500,00 DM und 3.000,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Herr S... zahlte darauf hin 5.220,00 DM.
6Unter dem 06.07.1999 stellte die Beklagte Herrn ... für ihre Tätigkeit als Steuer- beraterin 2.149,90 DM sowie 3.380,00 DM in Rechnung (Anlagen 2 und 4 zur Klage-
7schrift, Blatt 9 und 12 der Akten).
8Dabei hatte sie die Aufstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.1997 mit einem Gebührensatz von 25/10, die Buchführung 1997 mit einem solchen von 7/10 und die Aufstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.98 mit einem Satz von 25/10 berechnet.
9Der Kläger vertritt die Auffassung, die Beklagte habe lediglich die Mindestgebühr von jeweils 10/10 für die Aufstellung der beiden Jahresabschlüsse und von 2/10 für die Buchführung 1997 berechnen dürfen. Wie er auf Seite 5 der Klageschrift ausführlich darlegt, resultieren daraus Gebührenforderungen in Höhe von 882,53 DM und 1.596,16 DM.
10Die Differenz in Höhe von 2.741,31 DM zu den bereits geleisteten Zahlungen beansprucht er mit der vorliegenden Klage unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung.
11Der Kläger beantragt,
12die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.741,31 DM (= 1.401,61 EUR) nebst 4 % Zinsen seit dem 05.05.2000 zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Nach ihrer Auffassung sind ihre beiden Rechnungen vom 06.07 .99 korrekt. Insbesondere dürfe der Steuerberater nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf den Ge-bührenrahmen des § 11 SteuerberatergebOhrenverordnung in der Regel bis zur Mittelgebühr ausschöpfen.
16Im Übrigen habe Herr ... die Unterlagen in einem chaotischen Zustand überreicht, so dass in erheblichem Umfang Zusatzarbeiten angefallen seien. Dies erläutert die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 31.08.2000, auf den insoweit Bezug genommen wird.
17Das Gericht hat entsprechend dem Beschluss vom 09.10.2000 Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, der Ansatz von Mitteigebühren in ihren Rechnungen vom 06.07.99 entspreche billigem Ermessen im Sinne des § 11 Steuerberatergebüh- renverordnung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten des Sachverständigen M..., vom 26.06.2002 (Blatt 271 - 370 d. A).
18Der Kläger hat gegenüber dem Gutachten keine Einwendungen erhoben
19Mit Schriftsatz vom 09.08.2002 hatte er die Bereitschaft angekündigt, die Klageforde-rung entsprechend den Berechnungen des Sachverstandigen zu reduzieren (was letztlich nicht geschehen ist).
20Die Beklagte hält das Sachverstandigengutachten für unbrauchbar, weil der Sachver- ständige von der falschen Voraussetzung ausgegangen sei, dass der Auftrag zur Er- stellung der Jahresabschlüsse vor dem Inkrafttreten der dritten Änderungsverordnung zur Steuerberatergebührenverordnung am 28.06. 1998 erteilt worden sei. Nunmehr behauptet sie unter Hinweis auf eine Gesprächsnotiz vom 10.05.99 (Anlage zum Schriftsatz vom 29.07.2002, Blatt 388 der Akten), erst zu diesem Zeitpunkt seien die Aufträge erteilt worden.
21Entscheidungsgründe:
22Die auf § 8128GB gestützte Klage ist überwiegend begründet.
23Herr ... hat auf die Vorschussrechnungen der Beklagten 5.220,00 DM gezahlt. Tatsächlich schuldete er ihr aber nur 3.578,83 DM. Die Differenz von 1.641,17 DM (= 839,12 EUR) zuzüglich Verzugszinsen hat die Beklagte zu erstatten.
24Die Rechnung der Beklagten für die Aufstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.97, die Einrichtung der Buchhaltung und die Buchführung 1997 ist auf 1.024,05 DM zu kürzen und die weitere Rechnung vom 06.07.99 für die Aufstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.98 auf insgesamt 2.554.78 DM. Diese Beträgt errechnen sich, wenn man die von der Beklagten in Ansatz gebrachten überhöhten Gebührensätze durch die zutreffenden Sätze von 15/10 für den Jahresabschluss 1997 (408,00 DM). 2/10 für die Buchführung 1997 (304.80 DM) und 17/10 für den Jahresabschluss 1998 (2.162,40 DM) ersetzt.
25Wie der Sachverständige ... ausführlich und überzeugend dargelegt hat, sind Gebühren von 15/10 bzw. 17/10 für die Erstellung der beiden Jahresabschlüsse angemessen im Sinne der §§ 11, 35 Steuerberatergebührenverordnung.
26Der Kläger hat dieses Ergebnis akzeptiert, die Beklagte hat eingewandt, der Sachverständige habe die Steuergebührenverordnung in einer falschen Fassung angewandt, weil er von einem unzutreffenden Zeitpunkt der Auftragserteilung ausgegangen sei. Diesem Einwand ist nicht nachzugehen, weil der Sachverständige zu Recht den unstreitigen Sachvortrag beider Parteien, insbesondere die schriftsätzliche Erklärung der Beklagten zugrunde gelegt hat, wonach Herr ... den Auftrag am 18.03.1998 erteilt hat.
27Wie bereits im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung erläutert und aus der Fassung des Beweisbeschlusses deutlich wurde, folgt das Gericht nicht der von der Beklagten herangezogenen Rechtsprechung des OLG Düsseldorf, wonach ein Steuerberater grundsätzlich die Mittelgebühr in Rechnung stellen darf.
28Vielmehr ist der ständigen Rechtsprechung des OLG Hamm zu folgen (z. B. Urteil vom 19.08.98, DSTRE 22/99, Anlage zum Schriftsatz vom 26.07.00, Blatt 37 der Akten), wonach ein Steuerberater grundsätzlich hinsichtlich jeder die jeweilige Mindestgebühr überschreitenden Gebührenbemessung darlegungspflichtig ist und die sogenannte Mitteigebühr nicht als maßgebliche Bezugsgröße für die Darlegungs- und Beweislast bei der Ermessensausübung zugrunde gelegt werden kann.
29Daraus folgt, dass sich sämtliche Unklarheiten tatsächlicher Art zu Lasten der be- weispflichtigen Beklagten auswirken müssen. Dies gilt hier insbesondere hinsichtlich der Gebühr für die Buchführung 1997. Trotz umfangreicher Bemühungen war es dem Sachverständigen ... nicht gelungen, die für eine sachgerechte Beurteilung not- wendigen Unterlagen von den Parteien zu beschaffen. Dieser Teil der Beweisfrage konnte daher nicht beantwortet werden.
30Bei der Neuberechnung der angemessenen Vergütung hat das Gericht daher ebenso
31wie der Kläger die Mindestgebühr von 2/1 0 - 304,80 DM - in Ansatz gebracht.
32Es gibt keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass etwa der Kläger wissentlich Unterlagen zurückgehalten hätte, die der Sachverständige für seine Beurteilung benötigte. Eine Umkehr der Beweislast zu seinem Nachteil kommt daher nicht in Betracht.
33Auch nach allgemeinen Regeln hat die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der von ihr beanspruchte Gebührensatz zutrifft: Im Rahmen des § 315 BGB liegt die Beweislast für die "Billigkeit" der Leistungsbestimmung bei dem Bestimmenden (Palandt, BGB. 61. Auflage. § 315 Rn 19). Bei geleisteter Vorschusszahlung muss der Empfänger im Rahmen des § 812 BGB beweisen, dass ihm ein Anspruch auf das geleistete zusteht (Palandt, BGB. 61. Auflage. § 812 Rn 105).
34Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO.
35Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 71 ZPO.
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Referenzen
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