Urteil vom Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) - 3a C 41/17
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt als Halter und Eigentümer des PKW Renault Twingo, amtliches Kennzeichen R... von der Beklagten zu 1. als Halterin des bei der Beklagten zu 3. haftpflichtversicherten PKW BMW 316ti compact, amtliches Kennzeichen L..., und dem Beklagten zu 2. als Fahrzeugführer Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalles, der sich am 22.09.2016 um 10:35 Uhr auf der B...., Fahrtrichtung A.... ereignete und der Gegenstand in dem Verfahren 3a C 19/17 mit umgekehrtem Rubrum ist. Mit seiner am 17.02. bzw. 20.02.2017 zugestellten Klage nimmt der Kläger die Beklagten gesamtschuldnerisch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.119,85 € neben Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 334,75 € in Anspruch
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Die Zeugin R.... befuhr die B.... von der Kreuzung E.../B... kommend Richtung A., der Beklagte zu 2. fuhr hinter ihr. In Höhe der Verkehrsinsel leitete die Zeugin M... einen Wendevorgang nach links in Höhe der Sperrfläche ein. Es kam zu einer Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug, das rechts vorne an der Motorhaube, dem Kotflügel und dem Stoßfänger beschädigt worden ist. Das Klägerfahrzeug erlitt einen von hinten nach vorne gerichteten Streitschaden auf der linken Seite. Das Unfallgeschehen steht in den Einzelheiten in Streit. Nach dem Schadensgutachten des....Sachverständigenbüro F.... vom 05.10.2016 erlitt das klägerische Fahrzeug einen wirtschaftlichen Totalschaden, der Wiederbeschaffungsaufwand wird auf 1.600,00 € beziffert, für das Gutachten wurden 493,85 € in Rechnung gestellt, daneben begehrt der Kläger eine Kostenpauschale von 26,00 €, insgesamt 2.119,85 €. Die Beklagte zu 3. wurde mit Schreiben vom 08.11.2016 unter Fristsetzung zum 22.11.2016 erfolglos zur Regulierung aufgefordert.
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Der Kläger trägt vor,
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dass die Zeugin M... kurz nach Passieren des Kreuzungsbereichs und fast vor Beendigung der gestrichelten Linie den Fahrtrichtungsanzeiger nach links gesetzt habe, um abzubiegen, ihre Fahrt verlangsamt und abgebremst habe, um bevorrechtigten Verkehr von Gegenüber durchzulassen. Der Beklagte zu 2. sei in Folge Unachtsamkeit und weit überhöhter Geschwindigkeit auf das Fahrzeug des Klägers aufgefahren. Es sei auch ein weit zu geringer Sicherheitsabstand eingehalten worden.
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Der Kläger beantragt:
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1. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 2.119,85 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 22.09.2016 zu zahlen.
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2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung des Klägers in Höhe von 334,75 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 22.11.2016 sowie 12,00 € an Akteneinsichtsgebühren, ebenfalls verzinslich in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 22.11.2016 zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen
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und behaupten,
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dass die Zeugin M... eine Lenkbewegung nach rechts ausgeführt und ihr Fahrzeug plötzlich abgebremst habe, um nach links zu wenden.
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Der Beklagte zu 2. sei dem Fahrzeug nach links ausgewichen, die Zeugin M... sei gegen das stehende Fahrzeug gefahren.
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Das Wenden über eine Sperrfläche ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers sei grob verkehrswidrig, so dass eine Alleinhaftung zu Lasten des Klägers gegeben sei.
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Der angegebene Wiederbeschaffungswert werde bestritten unter Bezugnahme auf die Restwertangebote der Firma C... vom 18.11.2016.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen R... und T...., sowie Einholung eines mündlich erstatteten Gutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. B...., wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 11.05.2017 (Blatt 73 ff. der Akten) Bezug genommen.
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Die beigezogene Verkehrsunfallakte 5.... wurde zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) ist gemäß § 32 ZPO örtlich und nach § 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig.
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Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, §§ 7, 17, 18 StVG, 5, 9 Abs. 5 StVO, §§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 3 VVG.
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Kommt es im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Wenden zu einer Kollision mit einem links überholenden Fahrzeug, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Sorgfaltspflichtsverletzung des Wendenden. Wegen der besonderen Sorgfaltspflichten des Linksabbiegers/Wendenden nach § 9 abs. 5 StVO haftet dieser im Falle einer Kollision mit einem überholenden Kraftfahrzeug grundsätzlich allein, wobei die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs des Überholers zurücktritt. Will der Wendende eine Mithaftung des Überholers damit begründen, dieser hätte den Unfall durch rechtzeitige unfallverhütende Reaktion vermeiden können, so muss er darlegen und beweisen, dass sich der Überholende durch überhöhte Geschwindigkeit außer Stande gesetzt hat, unfallverhütend zu reagieren und sich im Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Vorfahrtsverletzung in einer solchen Entfernung vom Kollisionsort befunden hat, dass eine unfallverhütende Reaktion möglich gewesen wäre.
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Der Beklagte zu 2. durfte innerorts auch links überholen, § 5 Abs. 1 StVO, das Vorliegen einer unklaren Verkehrslage, § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO hat der Kläger auch und gerade im Hinblick auf die im innerstädtischen Verkehr verkürzten Abstände zu vorausfahrenden Fahrzeugen nicht bewiesen (KG Beschluss vom 21.09.2006 - 12 U 41/06 m.w.N.). Die an die Verkehrinsel anschließende Sperrfläche selbst dient jedenfalls in erster Linie dem Schutz des entgegenkommenden Verkehrs, nicht hingegen des gleichgerichteten Verkehrs (BGH Urteil vom 28.04.1987 - VI ZR 66/86) und begründet kein Überholverbot, insbesondere nicht bei ausreichender Straßenbreite.
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Der Kläger hat keine Umstände bewiesen, die geeignet wären, den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis zu erschüttern. Der Wendende muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dies war bereits nach der Schilderung der Zeugin M... nicht der Fall, die nach ihren Angaben lediglich auf den von rechts kommenden Verkehr, nicht hingegen auf den nachfolgenden Verkehr vor Einleitung des Wendemanövers geachtet hat. Der Beklagte zu 2. hat das klägerische Fahrzeug im Verlauf des Wendemanövers der Zeugin M... so zum Stillstand gebracht, dass er sich noch im äußerst linken Fahrstreifen der B... mit der Front zur Sperrfläche befand. Dies folgt aus der dokumentierten Endstellung der Fahrzeuge. Danach hat der - auch unter Inanspruchnahme der Sperrfläche - Wendende, der den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis, § 9 Abs. 5 StVO nicht ausräumt, grundsätzlich seinen Schaden selbst zu tragen, gegenüber der Verletzung der besonderen Sorgfaltspflichten aus § 9 Abs. 5 StVO, die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen, tritt die bloße Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs zurück, § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG (KG NJW RR 1987, 1251, NZV 2002, 230, NZV 2003, 89 und Versicherungsrecht 2003, 259; OLG Koblenz, Urteil vom 28.10.1991 - 12 U 1114/90 m.w.N.), was sich der Kläger zurechnen lassen muss, § 18 Abs. 3 StVG.
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Weder der Einwand der überhöhten Geschwindigkeit noch des zu geringen Sicherheitsabstandes oder des nach § 5 Abs. 1 StVO grundsätzlich zulässigen Linksüberholens im innerstädtischen Verkehr bei Verkürzung des Sicherheitsabstandes vermögen eine Mithaftung der Beklagten zu begründen. Im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 StVG dürfen nur unstreitige oder bewiesene unfallursächliche Tatsachen berücksichtigt werden, dies gilt auch für eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Macht der Wendende eine Mithaftung des überholenden Verkehrsteilnehmers geltend, so muss er darlegen und beweisen, dass der andere sich infolge überhöhter Geschwindigkeit außer Stande gesetzt hat, unfallverhütend zu reagieren oder genügend Zeit hatte, sich auf das Verhalten des Wendenden einzustellen (a.a.O., BGH NJW 2003, 1929 m.w.N.). Solche Tatsachen vermochte der Kläger indes nicht zu beweisen.
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Soweit der Kläger unfallursächlich einen zu geringen Abstand bzw. eine überhöhte Geschwindigkeit behauptet, so ist dies nicht erwiesen. Vorliegend wäre den Beklagten nur dann eine Mithaftung anzulasten, wenn sich der Beklagte 2. durch überhöhte Geschwindigkeit außer Stand gesetzt hätte, unfallvermeidend zu reagieren oder die Voraussetzungen für eine unklare Verkehrslage bestanden hätten.
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Die Zeugin M... hat angegeben, dass sie nach Setzen des Blinkers links auf der B... leider im Bereich der Sperrfläche habe wenden wollen, als auch schon das klägerische Fahrzeug in sie hineingerauscht sei. Da sie habe wenden wollen und die Verkehrsinsel dort die Begrenzung bildet, habe sie nur auf den aus ihrer Sicht von rechts kommenden Verkehr geachtet. Sie sei in der Fahrspur mittig hin orientiert gefahren. Nach ihren Angaben habe sie nicht nach rechts ausgeholt, bevor sie die Linksbogenfahrt einleitete. Sie sei mit Schrittgeschwindigkeit gefahren.
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Nach den Angaben des Beklagten zu 2., der als Zeuge in dem Verfahren 3a C 19/17 vernommen worden ist, sei er vielleicht 20 bis 30 Stundenkilometer gefahren, die Zeugin M... habe zunächst nach rechts gezogen, weshalb er links an ihr vorbeifahren wollte, als sie dann nach links gelenkt habe und es zur Kollision gekommen sei. Er habe absolut keinen Blinker an dem Klägerfahrzeug gesehen.
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Der Zeuge E... hat hierzu bei seiner Vernehmung erklärt, dass er von der B... abgefahren und dann nach links abgebogen sei, er habe gesehen, wie vor dem Beklagten zu 2. ein schwarzer Renault Twingo gefahren ist. Er sei zunächst nach rechts gefahren und habe dann plötzlich nach links gelenkt, weshalb der Beklagte zu 2., der links vorbeifahren wollte, dann noch mit dem Fahrzeug zusammengeprallt sei. Ob die Zeugin M... geblinkt habe, konnte er nicht sagen, seine gefahrene Geschwindigkeit habe maximal 30 Stundenkilometer betragen.
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Dass die Zeugin M... den Blinker links vor Einleitung des Wendevorgangs gesetzt hat, ist nicht mit der zur Überzeugung des Amtsgerichts erforderlichen Sicherheit erwiesen, § 286 ZPO. Bei einander widersprechenden Aussagen und jeweils wirtschaftlichen Interesse am Ausgang des Verfahrens ist weder die eine noch die andere Aussage zugrunde zu legen, ein non liquet geht zu Lasten des Klägers.
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Der Sachverständige hat in seinem mündliche erstatteten Gutachten widerspruchsfrei festgestellt, dass an der Unfallörtlichkeit zwei Fahrzeuge nebeneinander positioniert werden können, wenn das rechte Fahrzeug nach rechts orientiert die Fahrspur befahren, das andere Fahrzeug nach links orientiert. An der Unfallstelle seien durch die Polizei keine Spuren gesichert worden. Im Bereich der Endstellung hätten beide Fahrzeuge schräg zur Fahrbahnlängsrichtung der B... mit dem Frontbereich auf der Sperrfläche gestanden. Der Sachverständige hat auf Seite 3 der zur Akte gereichten Lichtbilder mögliche Fahrlinien der beiden Fahrzeuge unmittelbar vor Kollision dargestellt, um die Schäden an beiden Fahrzeugen zu erklären. Ob der Renault vor Kollision bereits nach rechts orientiert die Fahrspur befahren habe oder unmittelbar vor Kollision zunächst nach rechts ausgeholt habe, vermochte der Sachverständige nicht abschließend zu klären. Es sei grundsätzlich möglich, dass der Renault Twingo vor Kollision noch etwas nach rechts ausgeholt habe. Dass die Zeugin M... zum Kollisionszeitpunkt mit Schrittgeschwindigkeit gefahren sei, sei aus technischer Sicht ebenso möglich, wie die Angaben des Beklagten 2., dass er vor Kollision mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 30 Stundenkilometer zumindestens geringfügig schneller als der Renault Twingo gefahren sei. Die Zeugin M... hätte den Unfall vermeiden können, wenn sie vor Einleitung der Linksbogenfahrt eine Rückschau durchgeführt und den links nach hinten versetzt fahrenden BMW erkannt sowie mit dem Wendevorgang gewartet hätte.
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Nach dem Vorgenannten bleibt es daher bei einer Alleinhaftung des Klägers, so dass die Klage bereits dem Grunde nach der Abweisung unterliegt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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