Urteil vom Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer - 5 C 637/09
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, die auf dem Grundstück der Klägerin, ...straße ..., ... C, verlegte Wasserleitung zu entfernen und den Verlegebereich wieder in einen ord-nungsgemäßen Zustand zu versetzen.
Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Kosten ihrer Anwälte in Höhe von 367,02 EUR freizustellen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu ¼ und der Beklagte zu ¾.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,00 EUR.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin ist Eigentümerin des bebauten Grundstücks …straße … in C, Flur …, Flurstücke … und …. Der Beklagte ist Eigentümer des dahinter liegenden Grundstücks Flur …, Flurstück … und betreibt dort eine Werkstatt. Die Parteien sind Geschwister.
3Der Beklagte benutzte mehrere Jahre eine vom Wohngebäude …straße … aus führende Wasserleitung für seine Werkstatt. In der Vergangenheit kam es dann zu Auseinandersetzungen zwischen den Parteien. Nachdem die Klägerin dem Beklagten eine weitere Wasserzufuhr verweigerte, entschloss sich der Beklagte, eine neue Wasserleitung zu seiner Werkstatt ohne Zustimmung der Klägerin und ohne Nachfrage bei ihr zu verlegen. Vor dem Wohnhaus …straße … legte der Beklagte über H eine Wasserleitung zu der hinter dem Garagenhof liegenden Werkstatt des Beklagten und zwar über das Grundstück der Klägerin. Auch nach Aufforderungen durch die Klägerin beseitigte der Beklagte diese Leitung nicht. Im Rahmen des vorliegenden Streitverfahrens teilte der zuständige Versorger H mit Schreiben vom 05.03.2010 mit, dass die Wasserleitung dem Stand der Technik entspreche und in der Versorgungswirtschaft üblich sei, theoretisch denkbar sei aber auch, dass eine Wasserversorgung des Hinterhausgrundstückes …straße … des Beklagten über andere benachbarte Grundstücke, beigeführt werden kann. Es wurde seitens H darauf verwiesen, dass gem. § 8 der AVBWasserV eine Duldungspflicht der Klägerin bestehen dürfe.
4Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie sei nicht verpflichtet, die von dem Beklagten selbst eingerichtete Leitung zu dulden.
5Die Klägerin hat ursprünglich beantragt:
6Der Beklagte wird verurteilt, die auf dem Grundstück der Klägerin, …straße …, … H, verlegte Wasserleitung zu entfernen und den Verlegebereich wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen.
7Der Beklagte wird verurteilt, das auf seinen Betrieb verweisende, an dem Wohngebäude …straße … in H angebrachte Schild fachgerecht zu entfernen und die Hauswand im Bereich des entfernten Schildes wieder ein einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen.
8Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.890,49 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
9Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Kosten ihrer Anwälte in Höhe von 489,45 EUR freizustellen.
10Nach dem die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung am 04.03.2010 eine gütliche Einigung hinsichtlich des Antrages zu 2) und des Antrages zu 3) herbeigeführt haben, beantragt die Klägerin nunmehr,
11der Beklagte wird verurteilt, die auf dem Grundstück der Klägerin, …straße …, … H, verlegte Wasserleitung zu entfernen und den Verlegebereich wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen;
12der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Kosten ihrer Anwälte in Höhe von 489,45 EUR freizustellen.
13Die Anträge zu 2) und 3) erklärte die Klägerin für erledigt.
14Der Beklagte schließt sich der Erledigungserklärung an und beantragt im Übrigen,
15die Klage abzuweisen.
16Der Beklagte behauptet, seitens der Streitverkündeten H sei ihm ursprünglich mitgeteilt worden, dass eine Versorgung nur über das Grundstück der Klägerin möglich sei.
17Er vertritt die Ansicht, dass aus diesem Grunde unter Berücksichtigung der einschlägigen Verordnung auch eine Duldungspflicht der Klägerin bestehe.
18Bzgl. des weiteren Parteivortrages wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 04.03.2010 und 09.04.2010 verwiesen.
19Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten. Auch insoweit wird auf das o. g. Sitzungsprotokoll vom 04.03.2010 verwiesen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
21Die Klage ist in dem noch geltend gemachten Umfang bzgl. der Hauptforderung, die Wasserleitung zu beseitigen, vollumfänglich begründet.
22Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten ergibt sich zunächst aus § 1004 BGB.
23Unstreitig ist insoweit zwischen den Parteien, dass der Beklagte das Grundstück der Klägerin benutzt und beeinträchtigt hat, um eine Leitung zu seiner Werkstatt zu verlegen. Es ist eine Eigentumsverletzung gegeben.
24Eine Duldungspflicht der Klägerin besteht im vorliegenden Fall nicht.
25Diese Duldungspflicht ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagtenseite nicht aus § 8 der AVBWasserV. Zwar müssen die Grundstückseigentümer insoweit die Verlegung von Leitungen im Versorgungsgebiet unentgeltlich sorgen. Die Verpflichtung entfällt jedoch, wenn die Inanspruchnahme der Grundstücke den Eigentümer mehr als notwendig oder zumutbar belasten würde. Aus Abs. 2 der o. g. Vorschrift folgt zudem, dass der Anschlussnehmer rechtzeitig über die Art und den Umfang der beabsichtigten Inanspruchnahme des Grundstückes zu benachrichtigen ist.
26Zur Überzeugung des Gerichts greift die o. g. Vorschrift schon deshalb nicht ein, weil gar kein Bedürfnis seitens des Beklagten bestand, eine neue Leitung zu verlegen. Unerheblich ist insoweit, dass der Beklagte in der Vergangenheit eine andere Leitung genutzt hat. Als die Klägerin insoweit die Zufuhr gesperrt hat, hat er, statt ggf. auf Wiederherstellung der Zufuhr zu klagen, eine neue Leitung ohne Zustimmung der Klägerin verlegt. Streitgegenständlich geht es nur um diese neu verlegten Leitungen, nicht um die ursprünglich von der Klägerin vorgenommene Sperrung. Der Beklagte hätte zum einen gem. § 8 ohne Abs. 2 der AVBWasserV ohne Benachrichtigung der Klägerin über H gar keine Leitung verlegen lassen dürfen.
27Entscheidend ist insoweit aber, dass jegliches Bedürfnis für eine derartige Verlegung fehlt. Denn, wovon sich das Gericht bei dem Ortstermin überzeugen konnte, befindet sich das Grundstück des Beklagten unmittelbar anschließend an seinen Garagenhof. Der Weg von dem Grundstück des Beklagten zu seinen Garagen ist keinesfalls länger als der Weg über das Grundstück der Klägerin. Es besteht insoweit nicht das geringste Bedürfnis, dass eine Versorgung der Werkstatt des Beklagten über das Grundstück der Klägerin verlaufen muss. Aus diesem Grunde greift die o. g. Vorschrift nicht ein.
28Hinzu kommt, dass auch vorliegend im Fall einer Unzumutbarkeit auf Seiten der Klägerin gegeben ist. Unstreitig ist insoweit, dass es in der Vergangenheit zwischen den Parteien zahlreiche Streitigkeiten hinsichtlich der betroffenen Grundstücke auf der wechselseitigen finanziellen Verhältnisse gab, die teilweise auch ursprünglich vor dem Vergleichsschluss Gegenstand dieses Verfahrens waren. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beklagte problemlos über sein Grundstück die Leitung verlegen kann, ist eine Duldungspflicht der Klägerin in keiner Weise ersichtlich.
29Aus den o. g. Gründen ist auch eine Duldungspflicht gem. § 917 BGB, der bei fehlender Vorschrift analog angewendet wird, nicht gegeben. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
30Selbst wenn man eine andere Ansicht als das Gericht vertritt und einen Anspruch aus § 1004 BGB nicht herleitet, so ist zumindest ein Anspruch der Klägerin gem. § 858 ff BGB aus Besitzschutznorm gegeben.
31Denn unstreitig ist insoweit, dass der Beklagte ohne vorherige Nachfrage bei der Klägerin und ohne vorherige Mitteilung die Leitung einfach hat verlegen lassen und in soweit ihr Besitzrecht beeinträchtigt hat. Im Rahmen von Besitzschutzansprüchen gem. § 858 ff müssen evtl. Gegenansprüche des Beklagten, der bei Verweigerung der Klägerin ggf. hätte den Rechtsweg beschreiten müssen, unberücksichtigt bleiben. Auch ein evtl. dolo agit Einwand kann insoweit keine Berücksichtigung finden.
32Die Rechtsanwaltskosten folgen aus Verzug, §§ 286 ff BGB. Da, wie im Rahmen der Kostenentscheidung erörtert, die Klägerseite zu ¾ obsiegte, waren ihr auch ¾ der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten zuzusprechen.
33Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
34Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass das Gericht im Umfang des Vergleichs die Kosten teils hälftig auf die Parteien verteilt hat, während die Klägerin mit dem Antrag zu 1) voll obsiegte. Unter Berücksichtigung des Streitwertes von 2.500,00 EUR für den Antrag zu 1) und 2.390,00 EUR für die Anträge zu 2) und 3) ergibt sich daraus die aus dem Tenor ersichtliche Kostenquote.
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