Beschluss vom Amtsgericht Göppingen - 1 M 1354/05

Tenor

Die zuständige Gerichtsvollzieherin beim Amtsgericht Göppingen wird angewiesen, die Zwangsvollstreckung (Vollstreckung des Haftbefehls) entsprechend dem Zwangsvollstreckungsauftrag des Gläubigers durchzuführen und diesen nicht mit der Begründung zurückzuweisen, infolge der Vorlage des ärztlichen Attestes des Schuldners vom 14.06.2005 sei er krank und nicht verhandlungsfähig.

Gründe

 
I.
Gegen den Geschäftsführer der Schuldnerin erging am 14.04.2005 Haftbefehl, nachdem er die Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung nicht ermöglichte, da er trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Termin ihrer Abgabe nicht erschienen ist.
Den entsprechenden Verhaftungsauftrag des Gläubigers lehnte die zuständige Gerichtsvollzieherin, am 16.6.05 mit der Begründung ab, der Geschäftsführer der Schuldnerin sei nicht verhandlungsfähig, wobei sie sich auf ein anliegendes ärztliches Attest bezog. Nach diesem ärztlichen Attest, , sei der Geschäftsführer der Schuldnerin "zur Zeit krank" und "könne nicht an der Verhandlung teilnehmen".
Der Gläubiger hat am 20.6.05 die Vollstreckungsunterlagen an die Gerichtsvollzieherin zurückgesandt mit der Bitte, umgehend einen neuen Termin zur Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung bzw. zum Vollzug mittels Haftbefehls anzusetzen. Das vom Schuldner vorgelegte Attest sei nicht geeignet, die Verhandlungsunfähigkeit des Schuldners hinreichend unter Beweis zu stellen. Der Geschäftsführer der Schuldnerin versuche seit Jahren durch immer neue taktische Manöver die Vollstreckung zu verzögern bzw. sich dieser zu entziehen. Sollte der Schuldner abermals ein ärztliches Attest vorlegen, werde darum gebeten, sich eine amtsärztliche Bescheinigung vom Schuldner vorlegen zu lassen.
Die zuständige Gerichtsvollzieherin hat mit Schreiben vom 22.6.2005 den Antrag auf Vollstreckung des Haftbefehls weiter abgelehnt. Das Verfahren sei aufgrund des Attestes vom 14.6.2005 einzustellen, da eine Abnahme der Eidesstattlichen Versicherung nicht möglich sei. Weiter sei die Einlieferung des Geschäftsführers der Schuldnerin in eine Vollzugsanstalt bei Verweigerung nicht möglich.
Eine Überprüfung des ärztlichen Attestes durch die Gerichtsvollzieherin könne nicht erfolgen. Ferner könne eine Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung des Geschäftsführers der Schuldnerin nicht durch die Gerichtsvollzieherin erfolgen.
Mit Schriftsatz vom 27.6.05 hat der Gläubiger darum gebeten, die Gerichtsvollzieherin anzuweisen, einen neuen Termin zur Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung mittels Haftbefehl zu bestimmen sowie hilfsweise eine amtsärztliche Untersuchung des Geschäftsführers der Schuldnerin anzuordnen, sollte dieser erneut ein ärztliches Attest vorlegen.
II.
Die Erinnerung vom 27.6.2005 – als eine solche ist der Schriftsatz vom 27.06.2005 auszulegen – ist zulässig und begründet.
Der Schuldner ist verpflichtet seine Verhandlungsunfähigkeit nachzuweisen (Zöller-Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 901, 4). Dazu reicht z. B. die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht aus, da eine derartige Arbeitsunfähigkeit nicht bedingt, dass es dem Schuldner unmöglich sein solle, an einem in der Regel nur 15-minütigen Gerichtsverfahren teilzunehmen und die dort verlangten Angaben zu seiner Vermögens- und Einkommenssituation zu machen (LG Stuttgart, DGVZ 2004, 44). Denn bei Beurteilung der Frage, ob die Wahrnehmung eines Termins zur Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung für einen Schuldner zu einer Gesundheitsgefährdung führen kann, ist ein strenger Maßstab anzulegen; selbst Haftunfähigkeit im Sinne des § 906 ZPO schließt keineswegs eine Verpflichtung, die Offenbarungsversicherung abzugeben, aus. Ein Termin zur Abgabe einer derartigen Eidesstattlichen Versicherung kann dabei durchaus in der Wohnung des Schuldners oder im Krankenhaus durchgeführt werden (Thüringisches Oberlandesgericht, Rechtspfleger 1997, 446).
Dabei muss ein ärztliches Zeugnis die Möglichkeit ausdrücklich ausschließen und konkret und nachvollziehbar begründen, weswegen und in welcher Art Gesundheitsschäden für den Schuldner zu erwarten sind, wobei privatärztlichen Attesten nur eine vorläufige Beweisfunktion zukommt. Sie rechtfertigen allenfalls eine Vertagung des Termins mit der Auflage, ein amtsärztliches Zeugnis beizubringen (Thüringisches Oberlandesgericht a. a. O.). Der Umstand, dass der Schuldner am Verfahren auf Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung ein ärztliches Attest vorlegt, aus dem sich seine Haftunfähigkeit ergibt, hindert die Ausführung des dem Gerichtsvollzieher erteilten Verhaftungsauftrages nicht (AG München, MDR 1993, 471), da die Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung ein kurzes Verfahren erfordert, dass in der Regel nicht länger als zehn Minuten dauert; eine attestierte Haftunfähigkeit bedeutet nicht zugleich, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, an diesem Verfahren teilzunehmen; der Gerichtsvollzieher ist in derartigen Fällen daher anzuweisen, den Schuldner aufgrund des Haftbefehles zu verhaften; eine Einstellung des Verfahrens aufgrund eines derartigen Attestes kommt nicht in Betracht (AG München a. a. O.).
10 
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze war die zuständige Gerichtsvollzieherin somit anzuweisen, die Verhaftung entsprechend dem Auftrag des Gläubigers durchzuführen.
11 
Der Schuldner hat den ihm obliegenden Nachweis seiner Verhandlungsunfähigkeit nicht erbracht.
12 
Das vom Geschäftsführer der Schuldnerin vorgelegte Attest ist in seiner Aussagelosigkeit kaum zu übertreffen. Es hat weder die Art der Krankheit noch deren voraussichtliche Dauer angegeben. Wie bereits aus den oben zitierten Gerichtsentscheidungen deutlich wird, ist das Verfahren der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ein solches, das auch im Krankenstand grundsätzlich noch wahrgenommen werden kann. Lediglich bei extremen Krankheitssituationen – die der Schuldner durch Vorlage eines aussagekräftigen Attests und ggf. einer amtsärztlichen Bescheinigung nachzuweisen hätte – kann von der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bzw. von einer Verhaftung aufgrund deren Verweigerung vorerst abgesehen werden. Das hier vorliegende Attest kann in dieser Form nur als Versuch angesehen werden, sich einer ordnungsgemäßen Vollstreckung eines in einem Erkenntnisverfahren geschaffenen Titels zu entziehen.
13 
Eine Kostenentscheidung ergeht nicht. Im einseitigen Verfahren können dem nicht beteiligten Schuldner Kosten nicht auferlegt werden. Die Gerichtsvollzieherin ist nicht Beteiligte des Verfahrens über die Erinnerung, weshalb ihr Kosten ebenso wenig auferlegt werden (Zöller, ZPO, § 766, 34, 37 m. w. N.).

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