Beschluss vom Amtsgericht Göttingen - 74 IN 246/01
Tenor
Der Antrag des Schuldners vom 27.09.2001 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen wird als unbegründet abgewiesen.
Der auf die Bewilligung von Stundung gerichtete Antrag wird zurückgewiesen.
Die am 12.10.2001 angeordneten Sicherungsmaßnahmen werden aufgehoben.
Der Schuldner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Gegenstandswert wird festgesetzt auf bis zu 600,00 DM.
Gründe
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Der anwaltlich vertretene Schuldner hat mit Schriftsatz vom 27.09.2001 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt sowie Restschuldbefreiung und die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung des ihn vertretenden Rechtsanwaltes beantragt.
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Beigefügt war dem Anwaltsschriftsatz der vom Amtsgericht Göttingen verwandte Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gem. § 305 InsO nebst Antrag auf Restschuldbefreiung, Vermögensverzeichnis, Gläubiger- und Forderungsverzeichnis sowie Prozeßkostenhilfeantrag, jedoch ohne Schuldenbereinigungsplan.
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In dem Antragsschriftsatz wird ausgeführt, dass der Schuldner aus früherer gewerblicher Tätigkeit gegenüber ca. 80 Gläubigern hafte, er 1994 und 1997 die eidesstattliche Versicherung abgegeben und das Amtsgericht an seinem früheren Wohnsitz seine Insolvenzanträge wegen "Nullplan-Erfordernis" nicht habe annehmen wollen, so dass er sie letztlich immer nicht gestellt habe. Das von dem Schuldner gegründete und von ihm als Geschäftsführer geleitete Unternehmen Singletelefon Deutschland GmbH sei im Aufschwung, werfe jedoch "noch nicht genug Gewinn" ab, um auf die von den Eltern gewährte Unterstützung zu verzichten. In dem dem Antrag als Anlage beigefügten Vermögensverzeichnis werden die Unterhaltsleistungen mit monatlich 1.150,00 DM angegeben, Ansprüche aus selbständiger Tätigkeit und aus Nebenverdienst werden verneint. Dem Vermögensverzeichnis ist beigefügt in Ablichtung das Deckblatt des Amtsgerichtes Kassel in einer Zwangsvollstreckungssache gegen den Schuldner vom 15. Dezember 1994. Weiter beigefügt ist in Ablichtung eine zweiseitige handschriftliche Aufstellung, die die gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten enthält und unter Aufführung verschiedener Einzelpositionen mit einer Gesamtsumme von 970.853,70 DM abschließt.
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In dem Antragsschriftsatz wird darauf hingewiesen, dass ein außergerichtlicher Einigungsversuch nicht unternommen wurde, da die Vorschrift der §§ 304, 305 InsO nicht anwendbar seien. Weiter wird ausgeführt, nach der bevorstehenden Änderung der InsO werde es sich um ein Regelinsolvenzverfahren handeln, so dass gebeten werde, das IN-Verfahren einzuleiten.
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Schließlich wurde das Insolvenzgericht gebeten, die Untersagung bzw. Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen möglichst umgehend zu beschließen, da der Gerichtsvollzieher den Schuldner für Mitte Oktober wieder zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen habe.
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Das zunächst als IK-Sache eingetragene Verfahren ist auf Verfügung des Richters als IN-Sache eingetragen worden. Mit Beschluß vom 12.10.2001 sind Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO untersagt und bereits eingeleitet Maßnahmen eingestellt worden mit Ausnahme von unbeweglichen Gegenständen und für vor Erlaß dieses Beschlusses erfolgt Pfändungen von Arbeitseinkommen des Schuldners.
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Mit Beschluß vom 16.10.2001 ist Rechtsanwalt Wegener als Sachverständiger beauftragt worden, binnen 6 Wochen ein Gutachten zu erstellen, ob ein Insolvenzgrund vorliegt und eine die Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden ist.
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Mit Schriftsatz vom 26.11.2001 hat der Sachverständige angeregt, den Insolvenzantrag abzuweisen, da der Schuldner trotz mehrfacher Aufforderungen sich mit ihm nicht in Verbindung setzte. Weiter führt der Sachverständige aus, eine abschließende Beurteilung einer möglichen Vermögensmasse sei ihm nicht möglich. Klärungsbedürftig sei insbesondere die Frage, ob der Schuldner als Geschäftsführer der nach seinen Angaben im Aufschwung befindlichen Singletelefon GmbH ein Gehalt als Geschäftsführer bzw. sonstige Vergünstigungen der GmbH erhalte. Ob der Schuldner verschleiertes Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 h ZPO erhalte, sei nur durch eine Befragung des Schuldners zu Art und Umfang seiner Geschäftstätigkeit zu klären.
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Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist als unbegründet zurückzuweisen.
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Der Antrag des Schuldners ist unbegründet. Anders als bei der Zulassung des Antrages und der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen muß der Eröffnungsgrund nicht nur glaubhaft gemacht sein, vielmehr muß er zur vollen Überzeugung des Gerichtes nachgewiesen sein (AG Göttingen ZIP 2000, 1679; AG Göttingen ZInsO 2001, 865 = NZI 2001, 670; FK-InsO/Schmerbach § 27 Rz. 5). Ohne Mitwirkung des Schuldners läßt sich im vorliegenden Fall der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17) oder der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) nicht feststellen.
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Eine Veranlassung der zwangsweisen Durchsetzung der Auskunftspflichten des Schuldners gem. §§ 20, 98 Abs. 2 InsO sieht das Insolvenzgericht nicht. Es ist unklar, ob der Schuldner zu einem Anhörungstermin erscheinen würde. Die Verpflichtung müßte dann zwangsweise durchgesetzt werden. Die Durchsetzung eines Vorführungsbefehls gegen den am Rande des Gerichtsbezirkes lebenden und in einem anderen Landgerichtsbezirk beruflich tätigen Schuldner erscheint wenig erfolgversprechend. Erfolgversprechend wäre lediglich ein Haftbefehl. Ein derartiges Vorgehen hält das Insolvenzgericht nicht für verhältnismäßig. Es liegt ein Eigenantrag des Schuldners vor. Eine Verpflichtung zur Antragstellung besteht nicht, da der Schuldner als natürliche Person unbeschränkt haftet (vgl. FK-InsO/Schmerbach § 15 Rz. 28 f). Der Schuldner kann den Eigenantrag zudem in den zeitlichen Grenzen des § 13 Abs. 2 InsO zurücknehmen.
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Es wird allerdings die Auffassung vertreten, vor einer Zurückweisung des Antrages müsse die Anhörung des Schuldners erzwungen werden, wenn sich nur so das Vorliegen des Insolvenzgrundes oder der Masselosigkeit ermitteln lasse (LG Köln NZI 2001, 559 = ZInsO 2001, 1017). Begründet wird dies mit der dem Insolvenzgericht gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO obliegenden Amtsermittlungspflicht.
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Die für diese Auffassung angeführten Entscheidungen (vgl. FK-InsO/Schmerbach, 2. Auflage, § 20 Rz. 3) betreffen jedoch andere Sachverhalte und sind dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Es handelte sich um Fremdanträge (LG Göttingen NJW-RR 1996, 639 = ZIP 1996, 144 = EWiR 1996, 271; LG Stendal ZIP 1995, 1106) oder Eigenanträge antragspflichtiger Personen (LG Magdeburg EWiR 1997, 659). Im Gegensatz dazu handelt es sich im vorliegenden Fall um den Eigenantrag einer nicht antragspflichtigen natürlichen Person.
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Auch die vom LG Köln (NZI 2001, 559 = ZInsO 2001, 1017) angeführten Kommentarstellen (Haarmeyer/Wutzke/Förster Handbuch zur InsO, 3/167; Kübler/Prütting/Pape § 20 Rz. 13 a; ohne weitere Ausführungen ebenso HK-InsO/Kirchhoff § 20 Rz. 15) belegen nicht die Auffassung des LG Köln. Sie nehmen Bezug auf die oben erwähnten Entscheidungen, denen jedoch Fremdanträge oder Eigenanträge antragspflichtiger Personen zugrunde lagen.
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Weiter führt das LG Köln (NZI 2001, 559 = ZInsO 2001, 1017) aus, das Erfordernis der Amtsermittlung erfahre keine Einschränkung dadurch, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner selbst gestellt und von ihm ohne weiteres zurückgenommen werden könne. Zur Begründung wird angeführt, dass die Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichtes gesetzlich festgeschrieben sei, so lange das Antragserfordernis erfüllt sei. Die dazu in Bezug genommene Zitatstelle (Kübler/Prütting § 5 Rz. 37 bis 49) enthält jedoch Ausführungen zu den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen unter den Grundsätzen der Dispositionsmaxime und des Untersuchungsgrundsatzes, ohne auf die vorliegende Problematik näher einzugehen.
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Hinzuweisen ist darauf, dass der Grundsatz der Amtsermittlung nach § 5 Abs. 1 InsO nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern die Pflichten des Schuldners aus § 20 InsO mit einzubeziehen sind. Der Amtsermittlungsgrundsatz kann nur eingreifen, soweit um einen Sachverhalt geht, den das Insolvenzgericht von Amts wegen aufzuklären hat. Ergibt sich aus Sinn und Zweck einer gesetzlichen Regelung, dass der Schuldner als Voraussetzung für den Erfolg eines Antrages bestimmte Tatsachen anzugeben oder Erklärungen vorzulegen hat, gelten nicht die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des § 20 InsO. Fehlende Angaben können nicht mit den Mitteln des § 98 InsO erzwungen werden, der Schuldner kann allenfalls unter Hinweis auf drohenden Rechtsverlust zur Ergänzung seiner Angaben aufgefordert werden (MK-InsO/Schmahl § 20 Rz. 18).
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Eines konkreten Hinweises durch das Insolvenzgericht an den Schuldner bedarf es nicht (a.A. LG Köln NZI 2001, 559, 560 = ZInsO 2001, 1017). Es genügt, dass der Schuldner sich trotz mehrfacher Aufforderung mit dem Sachverständigen nicht in Verbindung gesetzt hat. Eine unzulässige Verlagerung der Entscheidungskompetenz auf den Sachverständigen liegt darin nicht (a.A. LG Köln NZI 2001, 559, 560 = ZInsO 2001, 1017). Der Schuldner ist nämlich den ihn treffenden Substantiierungspflichten (s. o. d) nicht nachgekommen. Diese Substantiierungspflichten obliegen dem Schuldner nicht nur gegenüber dem Insolvenzgericht, sondern auch und gerade gegenüber einem vom Insolvenzgericht mit der Ermittlung beauftragten Sachverständigen.
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4. Das Insolvenzgericht hält an seiner Rechtsprechung fest, dass der Eigenantrag eines nichtantragspflichtigen Schuldners bei unterlassener Auskunftserteilung gegenüber dem Sachverständigen/vorläufigen Verwalter als unbegründet abzuweisen ist, ohne dass zuvor der Schuldner erneut anzuhören oder die Anhörung zwangsweise durchzusetzen ist (AG Göttingen EzInsR InsO § 98 Nr. 1; ZInsO 2001, 865 = NZI 2001, 670; ebenso FK-InsO/Schmerbach, 3. Auflage, § 20 Rz. 3). Dies folgt daraus, dass die dem Schuldner obliegende Substantiierungspflicht den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 5 Abs. 1 InsO einschränkt und zudem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eines zwangsweise Durchsetzung der Anhörungspflicht durch Vorführungsbefehl und/oder Haftbefehl hindert.
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Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall der auch der Antrag des Schuldners auf Prozeßkostenhilfe (bzw. Stundung) abgewiesen werden muß (s. u. III). Nach Einführung des sogenannten Stundungsmodells in §§ 4 a ff InsO durch das Änderungsgesetz zum 01.12.2001 werden derartige Fallkonstellationen die Regel bilden.
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5. Rechtliche Nachteile durch die Abweisung als unbegründet entstehen dem Schuldner nicht. Bejahung und Verneinung des Insolvenzgrundes entfalten keine Rechtskraft (FK-InsO/Schmerbach § 7 Rz. 31). Der Schuldner kann jeder Zeit einen neuen Antragstellen. In einem nachfolgenden Verfahren ist dem Schuldner auch nicht eine Restschuldbefreiung verwehrt, da keine der Versagungsgründe des § 290 InsO vorliegt (AG Göttingen EzInsR InsO § 98 Nr. 1 Seite 3; AG Göttingen ZInsO 2001, 835 = NZI 2001, 670).
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Ebenso ist der Antrag des Schuldners auf Prozeßkostenhilfe, der nach der Gesetzesänderung zum 01.12.2001 als Antrag auf Stundung auszulegen ist, zurückzuweisen.
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§ 4 a Abs. 1 InsO macht die Stundung der Verfahrenskosten nur davon abhängig, dass ein Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt ist, keiner der Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InsO vorliegt und das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Verfahrenskosten zu decken. Ob und in welchem Umfang die Frage der Zulässigkeit/Begründetheit eines Antrages Einfluß auf eine Stundungsentscheidung gem. § 4 a Abs. 1 InsO haben kann, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Das Insolvenzgericht ist nämlich nicht davon überzeugt, dass das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, die Verfahrenskosten zu decken. Unklar ist, ob und in welcher Höhe der Schuldner für seine Geschäftsführertätigkeit eine Vergütung oder sonstige Vermögensvorteile vor den nach seinen Angaben im Aufschwung befindlichen Singletelefon GmbH erhält.
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Weiter hat das Insolvenzgericht die im Beschluß vom 12.10.2001 angeordnete Untersagung bzw. einstweilige Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO aufgehoben, derentwegen der Antrag möglicherweise nur gestellt wurde.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 InsO i.V.m. § 91 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 37 Abs. 1 GKG. Da keine greifbaren Anhaltspunkte für den Wert bestehen, hat das Gericht die Mindestgebühr von 600,00 DM festgesetzt (siehe zur vergleichbaren Situation im Rahmen des § 37 Abs. 2 GKG FK-InsO/Schmerbach § 13 Rz. 63).
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